Instanzenzug: Az: 12 KLs 4/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch ist um den tateinheitlichen Besitz von Betäubungsmitteln zu ergänzen. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Der Schuldspruch wird von den Feststellungen getragen, bedarf aber der Korrektur. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte die sichergestellten Betäubungsmittel abzüglich einer geringen Menge zum Eigenverbrauch zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorrätig hielt (UA S. 5). Zum Konsumverhalten des Angeklagten teilen die Urteilsgründe mit, dass er Marihuana rauchte und gelegentlich Amphetamine nahm. Zur Tatzeit hatte er den Konsum merklich gesteigert (UA S. 3). Ferner wird mitgeteilt, dass das sichergestellte Haschisch zu einem kleinen Teil zum Eigenkonsum gedacht war (UA S. 8). Dem geschilderten Konsumverhalten des Angeklagten entspricht dies allerdings nur dem Oberbegriff ‚Cannabis‘ nach. Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln insgesamt dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (Senat, Beschlüsse vom - 3 StR 631/95 - BGHSt 42, 162 und vom - 3 StR 352/08 - NStZ-RR 2009, 58; BGH NStZ-RR 2015, 174). Besitzt der Täter - wie hier - Betäubungsmittel teils zum Eigenkonsum und teils zu Handelszwecken, geht lediglich der Besitz an der zum Handel bestimmten Betäubungsmittelmenge im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf, während es für die Eigenbedarfsmenge bei der Strafbarkeit wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln verbleibt. Zwischen dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und dem gleichzeitigen Besitz der davon nicht betroffenen Betäubungsmittelmenge besteht Tateinheit (vgl. BGH StV 1998, 593; BGH NStZ-RR 2015, 174). In welchem Umfang die Betäubungsmittel dem Eigenkonsum des Angeklagten dienten, lässt das Urteil offen, obwohl die Teilmengen - notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes im Wege der Schätzung - tatrichterlich festzustellen sind, weil anderenfalls ungewiss bleibt, ob überhaupt eine nicht geringe Menge Gegenstand des Handeltreibens war. Dass der Eigenverbrauchsanteil nicht ermittelt worden ist, beschwert den Angeklagten ausnahmsweise nicht. Es lässt sich ausschließen, dass die festgestellte Handelsmenge an Haschisch über dem Grenzwert der nicht geringen Menge (UA S. 5) durch den Eigenkonsum des Angeklagten in Frage gestellt ist. Der für das Haschisch festgestellte Wirkstoffgehalt ist so hoch, dass auch bei einem hohen Eigenkonsum in jedem Fall die Grenzmenge überschritten wurde (vgl. Senat, Beschluss vom - 3 StR 255/05 - NStZ 2006, 173). Hingegen ist für die für den Eigenkonsum bestimmte Menge von der Nichtüberschreitung des Grenzwertes auszugehen. Die sichergestellte Menge Amphetamine, bewegt sich von vornherein unterhalb der nicht geringen Menge (>10g Amphetaminbase). Danach hat sich der Angeklagte im vorliegenden Fall durch den gleichzeitigen Besitz der zum Eigenkonsum dienenden Betäubungsmittel und zu Handelszwecken erworbenen Betäubungsmittel des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig gemacht. Einer Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, da nicht ersichtlich ist, wie sich der geständige Angeklagte (UA S. 6) anders als geschehen hätte verteidigen können.“
3Dem schließt sich der Senat an. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO hindert die Verschärfung des Schuldspruchs nicht (s. , juris Rn. 30 mwN). Es ist auszuschließen, dass das Landgericht auf eine mildere Strafe erkannt hätte, wenn es den Angeklagten aufgrund der zum Eigenkonsum bestimmten kleinen Teilmenge auch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt hätte. Denn im Rahmen der Strafzumessung hat es diesen Umstand ausdrücklich - als die gehandelte Wirkstoffmenge reduzierend - berücksichtigt.
42. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit im angefochtenen Urteil eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist, besteht - insoweit entgegen dem Antrag des Generalbundesanwalts - kein Anlass, das Urteil aufzuheben.
5a) Zu dem Konsumverhalten des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte im Jahr 2011 mit dem Konsum von Betäubungsmitteln begann. Er rauchte Marihuana und nahm gelegentlich Amphetamin. Zur Tatzeit hatte der Angeklagte diesen Konsum merklich gesteigert. Härtere Drogen wie Kokain oder Heroin nahm der Angeklagte nie. Zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung konsumierte der Angeklagte nur noch gelegentlich Marihuana.
6b) Gemäß § 354a StPO richtet sich die Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt durch das Revisionsgericht nach § 64 StGB in der Fassung vom (BGBl. I Nr. 203), in Kraft getreten am . Die noch nicht in Kraft getretene Übergangsvorschrift in Art. 316o EGStGB, die lediglich für die Vollstreckung rechtskräftig angeordneter Unterbringungen gilt, findet auf die materiell-rechtliche Regelung des § 64 StGB keine Anwendung. Maßgeblich ist insoweit vielmehr die allgemeine Vorschrift in § 2 Abs. 6 StGB. Danach ist über Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt, mithin § 64 StGB nF.
7§ 64 Satz 1 StGB nF sieht vor, dass das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen soll, wenn eine Person den Hang hat, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die überwiegend auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird; der Hang erfordert eine Substanzkonsumstörung, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist und fortdauert. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber den Begriff des Hangs definiert und die Anforderungen an einen Hang gegenüber der bisherigen Rechtslage erhöht (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 43 ff.).
8c) Unabhängig davon, dass bereits auf der Grundlage des bisherigen Rechts die Annahme eines Hangs bei dem Angeklagten nicht nahelag, sind die Voraussetzungen einer Substanzkonsumstörung im Sinne von § 64 Satz 1 StGB nF bei dem Angeklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 442/20, StV 2022, 298 Rn. 6; vom - 4 StR 636/11, NStZ-RR 2012, 203, 204) nicht gegeben gewesen. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte im Zeitpunkt der Urteilsverkündung nur noch gelegentlich Marihuana.
9d) Der Senat ist auch diesbezüglich nicht gehindert, das Rechtsmittel im Beschlusswege zu verwerfen. Der Aufhebungsantrag des Generalbundesanwalts hinsichtlich der unterbliebenen Entscheidung über eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB wirkt zu Lasten und nicht zugunsten des Angeklagten im Sinne des § 349 Abs. 4 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 434/09, NStZ-RR 2010, 116; vom - 3 StR 440/92, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 3).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:041023B3STR295.23.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-57432