Erfolglose Rüge der Rechtswidrigkeit der Variantenprüfung für eine Höchstspannungsfreileitung durch eine Gemeinde
Gesetze: Art 28 Abs 2 S 1 GG, § 43 Abs 3 EnWG 2005, § 3 Abs 1 Nr 2 RaumOG, § 3 Abs 1 Nr 3 RaumOG
Tatbestand
1Die klagende Gemeinde wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.
2Der Beschluss der Bezirksregierung Münster vom stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See durch die beigeladene Übertragungsnetzbetreiberin fest. Die Trasse ist rund 33,5 km lang; auf ihr sollen 87 Masten neu errichtet werden. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des ca. 150 km langen Vorhabens Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer <Bl.> 4201). Dabei handelt es sich um den südlichen Teil des 181 km langen Gesamtvorhabens Dörpen/West - Niederrhein, das in Nr. 5 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - EnLAG - und darin zugleich als ein Pilotvorhaben für die Erdkabeltechnologie aufgenommen ist. Teilstrecken des Gesamtvorhabens sind dementsprechend bereits als Erdkabel verwirklicht worden bzw. planfestgestellt.
3Die planfestgestellte Freileitung verläuft zunächst von Mast 115 bis Mast 170 in nördlicher, dann nordöstlicher Richtung und nutzt dabei im Wesentlichen den Trassenraum der 220-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel/Niederrhein - Ibbenbüren (Bl. 2304). Der Rückbau dieser 1928 errichteten Leitung ist aufgrund des (Ersatz-)Neubaus auf etwa 28 km Länge erforderlich. Er wird im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt, dort aber vorausgesetzt, und ist zum großen Teil schon vor dessen Erlass erfolgt. Die alte Leitungstrasse wird zur Entlastung von Hofstellen verschiedentlich kleinräumig verschoben. Ab Mast 148, nordöstlich der Ortslage Metelen, verschwenkt die Leitung in Richtung Nordosten, um Wohngebäude zu umgehen und Überspannungen zu vermeiden. Danach durchquert sie die Metelener Heide an deren Rand. Ab Mast 150 läuft sie gegen Norden wieder auf die vorhandene Trasse zu. Nach einer weiteren Ausschwenkung in nördlicher Richtung kehrt die Leitung ab Mast 158 zur Bestandstrasse zurück. Ab Mast 170 verlässt die Leitung den vorhandenen Trassenraum in nördlicher Richtung, von Mast 175 bis Mast 202 wird sie im Wesentlichen parallel mit der 380-kV-Freileitung Hanekenfähr - Gersteinwerk (Bl. 4307) zunächst nach Nordwesten und später nach Norden geführt.
4Für den Bereich der Klägerin ließ die Beigeladene sieben Freileitungsvarianten - darunter die insoweit von der Klägerin bevorzugte Variante "Metelen II" - und vier Erdkabelvarianten - darunter die Erdkabelvariante 2 - näher untersuchen. In einem Ergänzungspapier wurde eine weitere Freileitungsvariante geprüft, die eine gegenüber der ursprünglich beantragten Variante leicht veränderte und Waldflächen in geringerem Umfang in Anspruch nehmende Trassenführung im Bereich von Mast 148 bis Mast 152 (Variante "Metelen I <modifiziert II>") vorsieht. Diese Variante liegt dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde. Die mit dieser Trassenführung verworfene Variante "Metelen II" umgeht den Siedlungsbereich von Metelen großräumiger bereits ab Mast 141 und durchschneidet die Metelener Heide. Die Erdkabelvariante 2 verläuft wie alle untersuchten Erdkabelvarianten im Bereich der Masten 138 und 153 zwischen den Kabelübergabestationen Süd und Nord.
5Die Klägerin ist insoweit von der planfestgestellten Leitung betroffen, als der Planfeststellungsbeschluss mehrere in ihrem Eigentum stehende Grundstücke für Schutzstreifen und Zuwegungen in Anspruch nimmt. Des Weiteren hat sie im Dezember 2019 die Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Wohngebiet beschlossen, das sich der Leitungstrasse annähert.
6Die Klägerin wendet sich gegen die Variantenprüfung im Bereich Metelen. Sowohl die Variante "Metelen II" als auch die Erdkabelvariante 2 erwiesen sich angesichts der Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Rechtspositionen aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und ihres Eigentumsrechts als eindeutig vorzugswürdig. Abzuwägende Belange seien unzutreffend erfasst und die Vorgaben aus § 2 Abs. 2 EnLAG nicht berücksichtigt worden.
7Die Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom und vom sowie des Planergänzungsbeschlusses vom aufzuheben, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft,
hilfsweise
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Münster vom für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung Wesel - Pkt. Meppen (Bauleitnummer 4201) im Abschnitt Pkt. Asbeck - Pkt. Haddorfer See in der Gestalt der Planänderungsbescheide vom und vom sowie des Planergänzungsbeschlusses vom rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er den Bereich von Mast 139 bis Mast 152 betrifft.
8Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
9Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
Gründe
10Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie kann folglich weder dessen Aufhebung noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
111. a) Die Klägerin als von einer Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche, mangels Grundrechtsträgerschaft der Klägerin nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasste Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Eine Gemeinde ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auch nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger geltend zu machen (stRspr, vgl. nur 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 16 m. w. N.). Sie kann nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange rügen ( 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25 und vom - 4 A 10.19 - NVwZ 2021, 1615 Rn. 13). Maßgeblich für die Beurteilung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 15 m. w. N.).
12b) Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben die Klage gemäß § 6 Satz 1 UmwRG fristgerecht begründet ( 4 A 4.19 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 12 Rn. 17 und vom - 4 A 13.20 - ZNER 2022, 639 Rn. 12) und sich in zwei Schriftsätzen mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss auseinandergesetzt. Im zweiten Schriftsatz verweisen sie darüber hinaus pauschal auf eine "umweltfachlich-methodische Bewertung der Alternativenprüfung" durch einen Gutachter, die dem Schriftsatz beigefügt war, und "machen sie vollumfänglich zum Gegenstand unseres Vortrags". Dieses Vorgehen genügt nicht den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO. Danach muss der postulationsfähige Prozessbevollmächtigte den Vortrag im gerichtlichen Verfahren sichten und rechtlich durchdringen. Die pauschale Bezugnahme auf die Stellungnahme eines Dritten reicht nicht (vgl. 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 47 und vom - 9 A 1.21 - juris Rn. 15). Dies gilt umso mehr, als diese Stellungnahme auch rechtliche Argumente verarbeitet; bei den naturschutzfachlichen Argumenten lässt der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten die präzise Angabe vermissen, auf welche Ausführungen im Einzelnen Bezug genommen wird. Eine solche Zuordnung ist nicht Aufgabe des Senats.
132. Der Planfeststellungsbeschluss leidet zu Lasten der Klägerin nicht an den nach den vorstehenden Maßgaben prozessordnungsgemäß geltend gemachten Mängeln der Abwägung bei der Variantenprüfung für den Bereich Metelen.
14a) Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.>, vom - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73 und vom - 4 A 10.20 - juris Rn. 17).
15Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, und sich deshalb der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82 und vom - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48).
16b) Eine nach diesen Maßstäben insgesamt fehlerfreie Abwägung und Planung kann die nicht im Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG enteignungsbetroffene Klägerin nicht verlangen. Sie ist grundsätzlich, wie bereits ausgeführt, auf die Rüge beschränkt, ihre geschützten Belange seien nicht ordnungsgemäß abgewogen worden. Diese gerichtliche Kontrolle kann allerdings zum einen hinsichtlich fremder Belange eine Ausdehnung in der Weise erfahren, als gleichgerichtete Interessen benachbarter Anlieger, die sinnvollerweise nur einheitlich mit den entsprechenden Belangen eines Betroffenen gewichtet werden können, in die Prüfung einzubeziehen sind (vgl. 9 B 14.06 - Buchholz 407.4 § 1 FStrG Nr. 11 Rn. 18; Urteile vom - 4 C 35.13 - Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 8 Rn. 128 und vom - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 47; zuletzt Beschluss vom - 4 VR 5.19 - juris Rn. 28). Die Rügebefugnis umfasst zum anderen wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehung auch eine Überprüfung der den eigenen (Privat-)Belangen gegenübergestellten, für das Vorhaben streitenden Belange (stRspr, vgl. 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 279, vom - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 18 und vom - 7 A 10.19 - juris Rn. 38). Dabei kann auch der Verstoß gegen eine Vorschrift von Bedeutung sein, die nicht den Interessen des Betroffenen, sondern insbesondere öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt ist. Zwar kann dies für sich genommen nicht zum Erfolg der Klage führen; denn der Kläger kann nicht geltend machen, dass die getroffene Entscheidung zu seinen Lasten gegen zwingendes objektives Recht verstößt. Mit dieser Feststellung hat es allerdings nicht sein Bewenden: Ein solcher Fehler kann nämlich materiell-rechtlich die Variantenprüfung infizieren, weil die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet und mit der daraus folgenden Fehlgewichtung den geschützten Belangen des Betroffenen gegenübergestellt werden (vgl. 9 A 13.09 - BVerwGE 138, 226 Rn. 53 f. und vom - 9 A 24.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 220 Rn. 29). Demnach sind im Allgemeinen nur solche Belange auch bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung auszuklammern, deren Geltendmachung ausschließlich einer Person zugewiesen ist, die sie im Prozess als eigene verteidigen kann; insoweit kann nichts anderes gelten als bei der Rügebefugnis von Enteignungsbetroffenen (vgl. hierzu 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27 ff.).
173. Der Planfeststellungsbeschluss hat die Variantenprüfung in der Weise strukturiert, dass zunächst die Vor- und Nachteile der Antragstrasse im Vergleich zu anderen Freileitungstrassen geprüft, sodann mehrere Erdkabeltrassen der Antragstrasse gegenübergestellt werden, und zuletzt eine abschließende Gesamtabwägung unter besonderer Beachtung der als vorzugswürdig identifizierten Erdkabelvariante 2 vorgenommen wird.
18a) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und den übrigen Freileitungsvarianten ermittelt der Planfeststellungsbeschluss - maßgeblich gestützt auf den im Auftrag der Beigeladenen erarbeiteten Variantenvergleich - zunächst für eine Reihe von Kriterien, nämlich technisch-wirtschaftliche Daten, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, kommunale Planungen, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz sowie Schutzgut Boden, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt sodann eine Gesamtabwägung, die sich für zwei der untersuchten Varianten - darunter die von der Klägerin bevorzugte Variante "Metelen II" - auf die Ergebnisse einer als Grobprüfung bezeichneten Betrachtung stützt.
19Die Klägerin rügt, dass die von ihr bevorzugte Trassenvariante "Metelen II" zu Unrecht schon im Rahmen einer Grobprüfung wegen Nachteilen im Bereich der Landesplanung und wegen artenschutzrechtlicher Konflikte abgeschichtet worden sei. Die Ermittlung und Gewichtung hier zu berücksichtigender Belange sei ebenso zu beanstanden wie auch hinsichtlich der Schutzgüter Mensch und Boden sowie bei den technisch-wirtschaftlichen Aspekten.
20aa) Das Vorbringen der Klägerin führt nicht auf einen rechtserheblichen Fehler bei der Würdigung der Eignung der Trassen in Bezug auf Vorgaben der Landesplanung und der Raumordnung.
21(1) Die Klägerin beanstandet, dass die Bewertung der Konflikte mit der Landesplanung in Teilen zirkelschlüssig sei. Die - nur ausnahmsweise zulässige - Inanspruchnahme von Waldgebieten durch die Trassenvariante werde vom Planfeststellungsbeschluss (S. 130) gemäß Ziff. 7.3-1 des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen - LEP NRW - (GV. NRW. 2017 S. 122) mangels Erforderlichkeit abgelehnt, weil mit der Antragstrasse eine besser geeignete Variante zur Verfügung stehe, wobei die bessere Eignung wiederum auf die Konflikte mit der Landesplanung gestützt werde. Dieser Einwand greift nicht durch. Die Planfeststellungsbehörde hat nicht gegen die landesplanerischen Festlegungen verstoßen.
22Die im Landesentwicklungsplan ausdrücklich als Ziel der Raumordnung bezeichnete Vorgabe ist allerdings als ein der Abwägung zugänglicher Grundsatz einzuordnen. Ziff. 7.3-1 LEP NRW erlaubt ausnahmsweise einen Eingriff in geschützte Waldgebiete bei Beschränkung auf das unbedingt erforderliche Maß unter der Voraussetzung, dass die Planung nicht an anderer Stelle realisierbar ist. Nach dem materiellen Gehalt dieser Planaussage handelt es sich nicht um ein Ziel der Raumordnung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, das abschließend abgewogen ist und folglich durch Abwägung nicht überwunden werden kann (vgl. 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 56 ff. und vom - 4 C 8.10 - BVerwGE 138, 301 Rn. 7). Zwar können auch Plansätze, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, die Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG erfüllen, wenn der Plangeber neben der Regel auch die Voraussetzungen einer Ausnahme mit hinreichender Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit selbst festlegt ( 4 C 8.10 - a. a. O. Rn. 8 und vom - 4 A 13.18 - juris Rn. 88). Diesen Anforderungen an eine verbindliche Zielvorgabe wird die Bestimmung aber nicht gerecht. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme sind ungeachtet der zunächst strikt scheinenden Formulierung ("nicht realisierbar", "unbedingt erforderliche Maß") gerade mit dem Verweis auf eine anderweitige Realisierbarkeit des Vorhabens auf Verhältnismäßigkeitserwägungen bezogen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass jeweils allein die technische Machbarkeit unter Beachtung zwingenden Rechts den Ausschlag geben soll. Dies wird durch die Erläuterungen zum Landesentwicklungsplan bestätigt. Danach darf eine angestrebte Nutzung nicht innerhalb eines regionalplanerisch festgelegten Waldbereichs realisiert werden, wenn für den mit der Planung verfolgten Zweck eine zumutbare Alternative besteht (LEP NRW, Erläuterungen zu Ziff. 7.3-1 Abs. 11). Diese Zumutbarkeitserwägungen sprechen für die Einordnung als Grundsatz der Raumordnung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG, der in der Abwägungsentscheidung (nur) zu berücksichtigen ist (vgl. zur Vorgängervorschrift .NE - ZfBR 2016, 52 <54> und vom - 2 D 63/17.NE - juris Rn. 91).
23Die Bewertung der Antragstrasse ist hiernach nicht zu beanstanden. Stehen zwei Varianten zur Wahl, die jeweils geschützten Wald in Anspruch nehmen, kommt es auf einen Größenvergleich dann maßgeblich an, wenn die Alternativen nicht in eine Rangfolge gebracht werden können. Die Realisierbarkeit des Vorhabens ist wiederum wertend zu bestimmen, um so eine verträgliche und verhältnismäßige Alternative zu ermitteln. Folglich ist dem Grunde nach nichts dagegen zu erinnern, wenn der Planfeststellungsbeschluss hierbei auch andere Gesichtspunkte einfließen lässt, wobei mit weiteren (allen) - hier unbenannten - Belangen ersichtlich die im Variantenvergleich erörterten Belange gemeint sind.
24(2) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt der landesplanerischen Bewertung eine vergleichende Betrachtung der Waldbeeinträchtigung zugrunde. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 130) geht zutreffend davon aus, dass die Trassenvariante den Wald auf einer deutlich längeren Strecke mit einer größeren Anzahl an Masten quert; damit geht zugleich eine größere qualitative Beeinträchtigung des Waldes einher. Denn es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die von der Trassenvariante in Anspruch genommenen Waldbereiche etwa eine rechtlich beachtliche geringere Wertigkeit in naturschutzfachlicher Hinsicht aufweisen (vgl. auch 4 A 10.20 - juris Rn. 37). Ein unterschiedliches Schutzstreifenmanagement (siehe dazu PFB S. 357), das für die Bewertung der Trassenvarianten von Bedeutung sein könnte, hat der Planfeststellungsbeschluss nicht zugrunde gelegt.
25(3) In raumordnungsrechtlicher Hinsicht hat der Planfeststellungsbeschluss (S. 129) die Antragstrasse als konfliktärmer eingestuft. Das versteht sich angesichts des Umstands von selbst, dass das Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW mit den dort in Abs. 1 geregelten Mindestabständen zur Wohnbebauung auf die Antragstrasse nicht anwendbar ist (PFB S. 249 f.). Denn die Leitung, die nach Grundsatz Ziff. 8.2-1 Abs. 2 LEP NRW die Bündelungsoption mit einer Bestandstrasse nutzt, wird nicht, wie in Ziel Ziff. 8.2-4 LEP NRW vorausgesetzt, auf einer neuen Trasse errichtet. Gegen diese vom Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte rechtliche Einordnung ist nichts zu erinnern. Ungeachtet der bereits vor einigen Jahren erfolgten Einstellung der Nutzung und des 2019 begonnenen Rückbaus der Bestandsleitung war für die Planfeststellung weiterhin von einer bestehenden Trasse auszugehen. Denn zum einen endet die faktische Prägung eines Trassenraums nicht unmittelbar mit dem Rückbau der Leitung; hier gilt nichts anderes als bei der Frage der Fortdauer einer Vorbelastung (siehe dazu 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74 f. m. w. N.). Zum anderen war die planfestgestellte Leitung während der gesamten langjährigen Planung als Ersatzneubau für die Leitung Bl. 2304 vorgesehen. Auch wenn der Rückbau dieser Leitung im Planfeststellungsbeschluss nicht geregelt ist, war ein Konnex zwischen Rückbau und Neubau gleichwohl immer offensichtlich. Für eine rechtlich beachtliche Zäsur fehlt es daher an jeglichem Anhaltspunkt.
26Eine abweichende Wertung wäre im Übrigen auch dann nicht angezeigt, wenn hinsichtlich der Abstandsunterschreitungen auf der Trassenvariante - wie von der Klägerin ohne weitere Substantiierung behauptet - eine Ausnahme in Betracht zu ziehen wäre. Denn der Konflikt mit den allgemeinen Vorgaben der Ziff. 8.2-4 LEP NRW wird dadurch nicht beseitigt. Soweit schließlich den Abstandsvorschriften - über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus - auch Anhaltspunkte für einen angemessenen Schutz des Wohnumfelds entnommen werden können, sind diese Belange dem Schutzgut Mensch zuzuordnen (vgl. PFB S. 131).
27bb) Auch in Bezug auf artenschutzrechtliche Konflikte kann sich die Bewertung im Planfeststellungsbeschluss auf eine hinreichend ermittelte Tatsachengrundlage stützen.
28Wenn der Planfeststellungsbeschluss hier wiederum darauf abstellt, dass die Antragstrasse insbesondere wegen des Vorkommens von Brutvogelarten konfliktträchtige Gebiete auf einer kürzeren Strecke quert als die Trassenvariante, und daraus auf die Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse schließt, ist dies nicht zu beanstanden. Dem stehen mögliche Maßnahmen zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände nicht entgegen. Die Anbringung von Erdseilmarkierungen setzt das Anflugrisiko für Vögel zwar herab; ein artspezifisch unterschiedliches Risiko ist damit aber nicht von vornherein unbeachtlich (siehe 4 A 13.20 - ZNER 2022, 639 Rn. 24 ff.). Der Verweis auf Vergrämungs- und Umsetzungsmaßnahmen zur Bewältigung baubedingter Beeinträchtigungen führt nicht weiter, denn auch diese können artenschutzrechtliche Verbotstatbestände verwirklichen ( 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 125). Darüber hinaus ist in diesem Verfahrensstand eine umfangreiche artenschutzrechtliche Prüfung nicht veranlasst, vielmehr tragen schon die von der Planfeststellungsbehörde angestellten Erwägungen die Bewertung.
29cc) Die der landesplanerischen und artenschutzrechtlichen Bewertung zugrunde liegenden Sachverhaltsermittlungen sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unzureichend, obwohl die Planfeststellungsbehörde sich nach eigenem Bekunden auf eine Grobprüfung beschränkt hat. Auch im Bereich der Planungsalternativen muss die Planfeststellungsbehörde den Sachverhalt nur soweit klären, wie dies für eine sachgerechte Entscheidung und zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens erforderlich ist. Demnach ist sie befugt, Alternativen, die sich aufgrund einer Grobanalyse als weniger geeignet erweisen, schon in einem früheren Verfahrensstadium auszuscheiden und bereits im Vorfeld einer solchen Entscheidung die angemessene Ermittlungstiefe zu bestimmen (vgl. 4 A 13.18 - juris Rn. 69 und vom - 4 A 10.20 - juris Rn. 20, jeweils m. w. N.). Die Grobprüfung, die der Planfeststellungsbeschluss für die Prüfung dieser Trassenvariante für sich in Anspruch nimmt und für ausreichend erachtet, beschreibt keinen abstrakten Maßstab, sondern erfordert die je gesonderte Betrachtung der jeweils in Rede stehenden Prüfungspunkte. Sind - wie hier - die jeweils angestellten Ermittlungen geeignet, das Abwägungsergebnis zu tragen, ist die Bezeichnung des Prüfungsumfangs ohne Bedeutung.
30dd) Mit ihrer Kritik am Variantenvergleich in Bezug auf das Schutzgut Mensch dringt die Klägerin ebenso wenig durch. Sie kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Bewertung der Trassenvariante als "leicht vorzugswürdig" sei zu ihren Lasten unzutreffend.
31Die Klägerin bemängelt zum einen eine unzutreffende Ermittlung und Bewertung der Beeinträchtigungen des Wohnumfelds von betroffenen Anwohnern im Bereich von Mast 148 bis Mast 151 sowie möglicher Immissionen, auch unter Berücksichtigung der Vorbelastung. Damit macht sie fremde Belange geltend, die ihrer Klage nicht zum Erfolg verhelfen können. Die Klägerin als Grundstückseigentümerin im Bereich der Antragstrasse könnte sich zwar auf die Abwehrinteressen von Mietern oder Pächtern berufen. Sie behauptet jedoch nicht, dass auf landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, die in ihrem Eigentum stehen und die neben einer Vielzahl von gemeindeeigenen Wegegrundstücken im Trassenbereich belegen sind, Wohngebäude errichtet sind. Somit fehlt von vornherein ein Ansatzpunkt für eine Ausweitung der Rügebefugnis auf die Belange von in der Nachbarschaft in gleicher Weise betroffenen Anwohnern.
32Zum anderen wendet sich die Klägerin gegen die Ausführungen zur Eigentumsbetroffenheit. Soweit sie rügt, dass die diesbezüglichen Beeinträchtigungen als ein Element des Schutzguts Mensch behandelt worden sind, und hierin einen gesondert zu betrachtenden privaten Belang sieht, kommt es auf diese Zuordnung entscheidungstragend nicht an. Das Gewicht der jeweils erfassten privaten Belange ändert sich dadurch nicht.
33Soweit die Klägerin in der Sache die Auffassung vertritt, der Gesamtumfang der Eigentumsbetroffenheit sei unrichtig eingeschätzt worden, besteht kein Anlass für eine Ausweitung des Rügepotenzials auf die Interessen einer wie auch immer umschriebenen Nachbarschaft. Die Rechtsprechung, die auch die Belange anderer Betroffener berücksichtigt, bezieht sich auf die Sondersituation immissionsbetroffener Nachbarn. Die Geltendmachung der Eigentumsbelange wegen Beeinträchtigung der Bewirtschaftungsmöglichkeiten ist jedoch dem jeweiligen Eigentümer vorbehalten (siehe auch 4 A 2.20 - NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 20). Auch auf eine im Übrigen nicht weiter substantiierte Beeinträchtigung der Belange der Landwirtschaft als eines öffentlichen Belangs kann sich die Klägerin insoweit nicht berufen.
34Einen beachtlichen Fehler zeigt sie im Übrigen insoweit bezogen auf ihre eigene Betroffenheit nicht auf. Zwar führt der Rückbau einer Bestandsleitung auch dann zum Erlöschen einer bestehenden Dienstbarkeit für einen Schutzstreifen, wenn in der Trasse eine neue Leitung errichtet werden soll, sodass für diese Leitung gegebenenfalls neue Dienstbarkeiten zu bestellen sind ( 4 VR 1.13 - UPR 2014, 106 Rn. 27). Die faktische Vorbelastung eines Grundstücks ist dessen ungeachtet zu berücksichtigen. Denn die Ausweisung von Schutzstreifen zugunsten einer neuen Leitung setzt auf den bisher ausgewiesenen Schutzstreifen auf und führt nur dort zu einer neuen Belastung, wo bisher kein Schutzstreifen ausgewiesen war oder vorhandene Schutzstreifen aufgeweitet werden müssen ( 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 54 und vom - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74). Dass eine Aufweitung von Schutzstreifen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen oder bei der Überspannung von Gehölzbeständen zu einer beachtlichen Einschränkung der Bewirtschaftungsmöglichkeiten führt, macht die Klägerin nicht geltend. Bei den Wegegrundstücken ist eine Beeinträchtigung der durch die Widmung geprägten Eigentümerbefugnisse von vornherein ausgeschlossen. Daraus mag sich auch erklären, dass die Klägerin unter den geringeren Beeinträchtigungen ihrer Rechtspositionen bei Verzicht auf die Antragstrasse ihr Grundeigentum nicht erwähnt, sondern lediglich auf verbesserte städtebauliche Entwicklungsperspektiven und ihr Selbstgestaltungsrecht verweist.
35ee) Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, dass entgegen der im Planfeststellungsbeschluss (S. 129) vertretenen Ansicht unter technisch-wirtschaftlichen Aspekten nicht von einer deutlichen Nachteiligkeit der Trassenvariante auszugehen sei. Bezogen auf die Gesamtlänge des planfestgestellten Abschnitts fielen weder die Mehrlänge dieser Trasse noch die erhöhte Anzahl von Masten kostenmäßig ins Gewicht. Diese Argumentation verkennt, dass sich die Bewertung des Trassenvergleichs jedenfalls in der Regel nur auf den Bereich beziehen kann, in dem sich die Trassenverläufe unterscheiden. Ob ausnahmsweise anderes zu gelten hat, wenn der betroffene Bereich - anders als hier - bezogen auf das gesamte planfestgestellte Vorhaben von völlig untergeordneter Bedeutung ist, kann dahinstehen.
36ff) Schließlich legt der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des Schutzguts Boden die ohne weiteres nachvollziehbare Annahme zugrunde, dass aufgrund der mit einer größeren Trassenlänge verbundenen höheren Anzahl von Maststandorten deutlich mehr sowohl dauerhafte als auch temporäre Eingriffe in den Boden stattfinden (PFB S. 133 und 78). Anlass für eine differenzierende ("qualifizierte") Betrachtung wegen einer vermeintlich unterschiedlichen Wertigkeit der Böden bestand nicht.
37gg) Auf der Grundlage der nicht zu beanstandenden Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Antragstrasse einerseits und der Trassenvariante "Metelen II" andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Trassenvariante der Planfeststellungsbehörde als die vorzugswürdige Lösung aufdrängen musste.
38b) Bei der Abwägung zwischen der Antragstrasse und der unter vier Erdkabelvarianten als vorzugswürdig ermittelten Erdkabelvariante 2 stellt der Planfeststellungsbeschluss wiederum die zum Vergleich anstehenden Trassenvarianten zunächst hinsichtlich verschiedener Kriterien - technisch-wirtschaftliche Gesichtspunkte, raumordnerische und landesplanerische Gesichtspunkte, Schutzgut Mensch, Natur- und Artenschutz, Boden, Wasser, Landschaftsschutz, Kultur und sonstige Sachgüter - gegenüber und bewertet jeweils, welche Variante in welchem Ausmaß vorzugswürdig ist; auf dieser Grundlage erfolgt eine Gesamtabwägung (PFB S. 166 ff.).
39Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, dass bei einer richtigen Bewertung der Belange und unter Anlegung zutreffender rechtlicher Maßstäbe von einer Vorzugswürdigkeit der Erdkabelvariante 2 auszugehen sei.
40aa) Wie schon bei der Abwägung mit der Freileitungsvariante geht auch hier die Berufung auf eine unzulängliche Würdigung des Schutzguts Mensch fehl.
41Zum einen macht die Klägerin das Interesse der Nutzer des im Bereich von Mast 149 bis Mast 152 gelegenen Ferienhausgebiets geltend, von jeglichen elektromagnetischen Feldern - auch unterhalb der Grenzwerte der 26. BImSchV - verschont zu bleiben. Auf die privaten Belange Dritter kann die Klägerin sich aber nicht berufen. Folglich geht auch der Vortrag ins Leere, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Auslösekriteriums nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnLAG eine Regelvermutung zugunsten eines Erdkabels im Interesse der Gewährleistung eines ungestörten Wohnumfelds bestehe, und die Planfeststellungsbehörde eine besondere Begründungs- und Rechtfertigungslast treffe, wenn sie gleichwohl im Rahmen ihrer Abwägung von der Anordnung eines Erdkabels absehe. Ob auch Ferienhäuser unter den Begriff des Wohngebäudes im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 EnLAG fallen, kann demnach dahinstehen.
42Die Klägerin beanstandet zum anderen hinsichtlich der Flächeninanspruchnahme insbesondere durch Schutzstreifen und den damit einhergehenden Eigentumsbeeinträchtigungen eine unzureichende Ermittlung der insgesamt - ungeachtet einer Vorbelastung - erstmals betroffenen Grundstücke und eine unzureichende Bewertung der bei Freileitungen einerseits, Erdkabeln andererseits zu beachtenden Nutzungsbeschränkungen. Auch damit werden verallgemeinernd Interessen Dritter geltend gemacht, zu deren Wahrnehmung die Klägerin nicht befugt ist.
43bb) In Bezug auf den Natur- und Artenschutz, wozu auch die Waldinanspruchnahme zählt, stuft der Planfeststellungsbeschluss die Antragstrasse "potenziell" als vorzugswürdig ein. Das ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
44(1) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 171 f.) geht davon aus, dass beide Varianten geschützte Gebiete verschiedenster Quantität und Qualität berührten, und beide Varianten hinsichtlich des Grades der Beeinträchtigung eng beieinanderliegen. Die Planfeststellungsbehörde geht "insbesondere" wegen der Inanspruchnahme des unmittelbar westlich der Kabelübergabestation Nord gelegenen Naturschutzgebiets "Am Waldhof" von einer leichten Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse aus, da Meidungen bestimmter Vogelarten nicht von vornherein ausgeschlossen werden könnten. Die Klägerin erachtet dies als bloße Behauptung. Vielmehr sei eine Verschiebung der Kabelübergabestation im Suchraum, der im Übrigen durch eine Bundesstraße vom Naturschutzgebiet getrennt sei, zu erwägen. Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum nicht auch die Freileitung negative Auswirkungen habe. Der Beklagte verweist unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Fachgutachters auf die im Vergleich zu einer Freileitung größere Wirkintensität aufgrund der größeren Flächeninanspruchnahme durch eine Kabelübergabestation und der am Übergang niedriger geführten Leiterseile; das baubedingte Störungspotenzial sei wesentlich höher einzuschätzen als die bestehende Vorbelastung durch die Bundesstraßen B 70 und B 54. Die so begründete Gefahr eines Meideverhaltens der in § 2 Abs. 2 Buchst. a der Schutzgebietsverordnung (Ordnungsbehördliche Verordnung der Bezirksregierung Münster zur Ausweisung des Gebietes "Am Waldhof", im Gebiet der Stadt Ochtrup, Kreis Steinfurt, im Regierungsbezirk Münster als Naturschutzgebiet vom , Abl. Bez.Reg. Münster S. 269) genannten Wiesen- und Offenlandvögel ist noch nachvollziehbar dargetan, wobei auch zu beachten ist, dass diese Einschätzung nur zu einer "leichten" Vorzugswürdigkeit der Antragstrasse führt. Ob das erstmals in der Klageerwiderung vorgebrachte Argument einer Gefährdung des Wasserhaushalts bei einer Erdkabelbaustelle trägt, kann dahinstehen.
45(2) Was die Waldinanspruchnahme angeht, stuft der Planfeststellungsbeschluss (S. 172 f.) die Erdkabelvariante 2 als leicht vorteilhaft gegenüber der Antragstrasse ein. Die dauerhafte Waldinanspruchnahme bzw. der Waldverlust sei bei einem Erdkabel deutlich höher als bei der Antragstrasse, obwohl dort insbesondere durch Schutzstreifen mehr Waldflächen in Anspruch genommen würden. Jedoch konzentrierten sich die Eingriffe bei der Erdkabelvariante 2 auf kleinere Waldbereiche und nicht auf größere zusammenhängende Bereiche. Diese qualitative Bewertung wird entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch infrage gestellt, dass bei der Gesamtabwägung nur noch das quantitative Element einer dauerhaften Inanspruchnahme erwähnt wird (PFB S. 197). Schließlich ist gegen die quantitative Bemessung einer nicht nur temporären, sondern dauerhaften Waldinanspruchnahme nichts zu erinnern. Es ist nicht ersichtlich, dass ein wie auch immer geartetes Schutzstreifenmanagement bei einer Verlegungstiefe eines Erdkabels von etwa 1,5 m dazu beitragen könnte, dass dort ein Wald heranwächst. Vielmehr geht der Planfeststellungsbeschluss zutreffend davon aus, dass bei offener Bauweise im Schutzstreifen eines Erdkabels die Nutzung der Fläche als Wald ausgeschlossen ist.
46(3) Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Wertung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 173), die Erdkabelvariante 2 sei in artenschutzrechtlicher Hinsicht insgesamt nachteiliger als die Antragstrasse.
47Die Klägerin ist der Ansicht, dass lediglich bauzeitliche Beeinträchtigungen, wie sie bei der Errichtung des Erdkabels zu verzeichnen seien, gegenüber dauerhaften Beeinträchtigungen wie der Anfluggefahr für Vögel bei Freileitungen zurücktreten müssten. Darüber hinaus werde die Notwendigkeit von Bauzeitbeschränkungen vom Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht doppelt eingestellt.
48Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht davon auszugehen, dass der Planfeststellungsbeschluss diese temporäre Beeinträchtigung gegenüber der Anfluggefahr für Vögel bei der Antragstrasse überbewertet hat. Die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss sind vielmehr so zu verstehen, dass die Anfluggefahr durch die bauzeitlichen Beeinträchtigungen bei der vergleichenden Bewertung ausgeglichen wird und insoweit ein Gleichstand zwischen den Varianten gegeben ist.
49Eine inkonsistente und methodisch angreifbare Bewertung ist schließlich nicht darin zu sehen, dass die Auswirkungen der Bauzeitbeschränkung als einer artenschutzrechtlichen Vermeidungsmaßnahme in die Bewertung einfließen. Denn eine Maßnahme, mit der eine artenschutzrechtliche Konfliktlage bewältigt werden soll, und die die Umsetzung des Vorhabens erschwert, ist nicht nur - wie auch hier geschehen - bei den technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten einzustellen, sondern wirkt sich zugleich auf die Gewichtung der Variante aus. Eine unzulässige "Doppelverwertung" liegt darin nicht.
50Die daraus folgende Einschätzung, die Antragstrasse sei "potenziell" als vorzugswürdig anzusehen, ist noch hinreichend bestimmt. Angesichts der Ausführungen, dass beide Varianten insoweit eng beieinanderliegen, soll die gewählte Formulierung ersichtlich zum Ausdruck bringen, dass die Antragsvariante insoweit leicht vorzugswürdig ist.
51cc) Ein erheblicher Abwägungsfehler folgt schließlich nicht daraus, dass der Planfeststellungsbeschluss beim Vergleich die Auswirkungen der beiden Varianten auf die kommunale Planungshoheit nicht erwähnt. Im Gegensatz hierzu führt der Planfeststellungsbeschluss (S. 131) bei der Gegenüberstellung der Freileitungsvarianten aus, dass sich die Trassenvariante wegen eines größeren Abstands zum Gemeindekerngebiet (Siedlungsbereich) hinsichtlich der kommunalen Entwicklungsmöglichkeiten/Siedlungsentwicklung tendenziell als positiver darstellt.
52Der Planfeststellungsbeschluss hat damit bei der Gesamtabwägung keinen abwägungserheblichen Belang übersehen. Denn bei der Erörterung der Einwendungen der Klägerin führt der Planfeststellungsbeschluss (S. 379 f.) ausdrücklich aus, dass sie durch das planfestgestellte Vorhaben nicht unverhältnismäßig in ihrer Siedlungsentwicklung gehindert ist. Er stützt sich dabei insbesondere auf die Einschätzung der zuständigen Regionalplanungsbehörde, wonach der Klägerin noch genug Wohnbauflächenreserven zur Verfügung stehen und auch eine Ausweisung eines neuen Wohngebiets durch den im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplan Nr. 44, der den Mindestabstand von 400 m zur planfestgestellten Höchstspannungsfreileitung nicht in allen Teilen einhält, am Grundsatz Ziff. 8.2-3 LEP NRW nicht scheitern muss. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Klägerin nicht auseinander.
53Es ist im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich, dass der Planfeststellungsbeschluss insoweit das Gewicht der kommunalen Planungshoheit verkannt hat. Diese vermittelt der Gemeinde eine wehrfähige Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn ein Vorhaben eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden ( 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 85). Ob eine hinreichende Konkretisierung der gemeindlichen Planungsabsichten hinsichtlich des Bebauungsplans Nr. 44 im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses bereits wegen des Aufstellungsbeschlusses vom anzunehmen war, obwohl eine Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht stattgefunden hatte (siehe dazu 11 A 18.96 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24 S. 30), kann dahinstehen. Denn nach dem Prioritätsgrundsatz musste die Klägerin ihrerseits auf die nach Auslegung der Planunterlagen im Jahr 2018 verfestigte Fachplanung Rücksicht nehmen ( 4 A 14.19 - a. a. O. Rn. 85). Auf eine Planungssperre zu Lasten der Fachplanung kann die Klägerin sich demnach keinesfalls berufen.
54dd) Schließlich beeinträchtigt das planfestgestellte Vorhaben nicht das Selbstgestaltungsrecht der Klägerin. Abwehransprüche erwachsen aus diesem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden Recht allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (stRspr, vgl. etwa 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 62, vom - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 59 und vom - 9 A 30.15 - BVerwGE 159, 1 Rn. 29). Angesichts der örtlichen Verhältnisse - die planfestgestellte Leitung verläuft deutlich außerhalb der geschlossenen Ortslage im Bereich einer Bestandstrasse - wird die Erheblichkeitsschwelle im Sinne einer Beeinträchtigung des Ortsbildes ungeachtet der im Vergleich zur Leitung Bl. 2304 deutlich höheren Masten nicht erreicht.
55Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:101122U4A16.20.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-57358