BVerwG Beschluss v. - 2 B 3/23

Dienstentfernung wegen Bestechlichkeit

Gesetze: § 24 Abs 1 S 1 Nr 2 BeamtStG, § 13 DG BB, § 332 Abs 1 StGB

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: 81 D 2/21 Urteilvorgehend Az: 17 K 161/18.OL

Gründe

1Der Rechtsstreit betrifft ein beamtenrechtliches Disziplinarklageverfahren.

21. Der 1962 geborene Beklagte steht als Kreisoberinspektor im Dienst des klagenden Kreises. Das Amtsgericht verurteilte ihn im Juli 2015 wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Die Berufung des Beklagten verwarf das Landgericht im Juni 2016 mit der Maßgabe als unbegründet, dass der Beklagte wegen Bestechlichkeit in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 270 Tagessätzen zu je 40 € verurteilt wurde.

3Nach den strafgerichtlichen Feststellungen schlug der damals als Sachbearbeiter im Katastrophenschutzamt des Klägers tätige Beklagte im Juni 2010 einem Dritten vor, 1 000 als Entsorgungsgut angefallene Faschinen (Rutenbündel) gewinnbringend zu verkaufen und den Verkaufserlös aufzuteilen. Hierbei war dem Beklagten bekannt, dass er durch den Verkauf von im Eigentum des Klägers stehendem Entsorgungsgut und die Vereinnahmung des hieraus erzielten Erlöses seine dienstlichen Pflichten verletzen würde. Darüber hinaus erteilte der Beklagte einer weiteren Person im September 2010 per Telefon von seinem Dienstzimmer aus umfangreiche Auskünfte aus dem Liegenschaftsbuch über Flurstücke und deren Eigentümer. Hintergrund war, dass er mit dieser Person geschäftliche Beziehungen bezüglich von ihm organisierter und beworbener Jagdveranstaltungen aufgenommen hatte. Diese Aktivitäten sollten durch den Zukauf von Grundstücken auf einen weiteren Jagdbezirk ausgeweitet und dies dadurch erreicht werden, dass der Dritte durch die Kenntnis von Eigentümerstellung und Adressen in die Lage versetzt wurde, die Eigentümer von Splitterflächen in der Jagdgenossenschaft anzusprechen und diese im Vorfeld des Auslaufens der Jagdpachtverträge durch Angebote für sich einzunehmen.

4In dem ursprünglich wegen anderer disziplinarer Vorwürfe bereits im Februar 2010 eingeleiteten und zunächst wegen des Strafverfahrens ausgesetzten Disziplinarverfahren hat der Kläger im Januar 2018 Disziplinarklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe ein schweres Dienstvergehen begangen, das seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unumgänglich mache. Die Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Weder aus den in der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründen noch aus ähnlich bedeutsamen sonstigen Umständen ergäben sich Entlastungsgründe, die geeignet seien, die von einem schweren Dienstvergehen grundsätzlich ausgehende widerlegliche Indizwirkung für einen endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn oder der Allgemeinheit auszuräumen.

52. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 70 LDG BB i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 70 LDG BB i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

6a) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 70 LDG BB i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

7Dies ist nur dann der Fall, wenn die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der anerkannten Regeln sachgerechter Auslegung oder auf der Grundlage der Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom - 2 B 38.19 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 6 und vom - 2 B 3.22 - juris Rn. 7). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).

8Die von der Beschwerde bezeichnete Frage,

ist es mit § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG sowie dem Gesetzesvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG und der Wesentlichkeitstheorie vereinbar, dass die Rechtsprechung in Fällen der Verurteilung des Beamten wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) grundsätzlich immer von einer indizierten Entlassung ausgeht, selbst wenn die Verurteilung unter sechs Monaten Freiheitsstrafe lautet?,

führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie an ein fehlerhaftes Verständnis von Gegenstand und Reichweite der Vorschriften über die Beendigung des Beamtenverhältnisses anknüpft.

9Der Beschwerde ist zuzugeben, dass die Festlegung der Voraussetzungen für die Beendigung eines Beamtenverhältnisses dem Vorbehalt des Gesetzes unterfällt und folglich einer parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Fehlerhaft geht die Beschwerde jedoch davon aus, der Gesetzgeber habe (allein) mit § 24 BeamtStG ein "System" vorgegeben, "nach welchem der Beamte seine Beamtenrechte verlieren" solle. Dieses allein auf die Anforderungen an einen Verlust der Beamtenrechte bezogene Verständnis greift zu kurz. Es wird der gesetzlichen Regelungssystematik der §§ 21 ff. BeamtStG nicht gerecht.

10§ 24 BeamtStG befindet sich im 5. Abschnitt des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1010), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vom (BGBl. I Nr. 140), der die Voraussetzungen und Formen der Beendigung des Beamtenverhältnisses regelt (vgl. 2 C 9.05 - juris Rn. 14). Nach § 21 BeamtStG endet das Beamtenverhältnis - soweit hier von Relevanz - durch Verlust der Beamtenrechte (Nr. 2) oder durch Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach den Disziplinargesetzen (Nr. 3). Anknüpfend hieran sieht § 24 BeamtStG den Verlust der Beamtenrechte (nur) bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG) oder im Falle bestimmter Deliktsgruppen, zu der der Straftatbestand der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) gehört, bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten vor (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG). Dies führt mit Rechtskraft des Urteils automatisch kraft Gesetzes zum Verlust der Beamtenrechte durch Beendigung des Beamtenverhältnisses (vgl. 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 38). § 24 BeamtStG stellt mithin eine selbständig neben § 21 Nr. 3 BeamtStG tretende Fallgruppe der Beendigung des Beamtenverhältnisses dar.

11Demzufolge schließt eine Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Verlust der Beamtenrechte dessen (alternative) Beendigung nach Maßgabe des Disziplinarrechts der Länder und des Bundes nicht aus. Während der Gesetzgeber in § 24 BeamtStG die strafgerichtliche Verurteilung zu einer abstrakt bestimmten Freiheitsstrafe ausreichen lässt, ist bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - wie auch bei den weiteren Disziplinarmaßnahmen - die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach dem in § 13 LDG BB (und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze der übrigen Länder und des Bundes) zum Ausdruck gebrachten Willen des (Landes-)Gesetzgebers nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen (vgl. 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 und vom - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 19; Beschluss vom - 2 B 32.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 66 Rn. 15). Hiermit wird dem aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratiegebot hergeleiteten Wesentlichkeitsgrundsatz Rechnung getragen, wonach der Gesetzgeber die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen auch im Beamtenverhältnis durch das Gesetz selbst zu regeln hat und aus der parlamentarischen Leitentscheidung erkennbar und vorhersehbar sein muss, was dem Beamten gegenüber zulässig sein soll (vgl. u. a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 55; 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 42 und vom - 2 C 13.19 - BVerwGE 168, 129 Rn. 18).

12Dabei ist zur Bestimmung des Ausmaßes des durch die begangene Straftat hervorgerufenen Vertrauensschadens auf den zum Tatzeitpunkt geltenden Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Damit bestimmt die Einschätzung des Parlaments, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind (vgl. 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 28 und vom - 2 A 18.21 - juris Rn. 28; Beschluss vom - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 11). Sieht das Strafgesetz für die innerdienstlich unter Ausnutzung der Dienststellung begangene Verfehlung als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, reicht nach der Rechtsprechung des Senats der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme (vgl. 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 20; Beschluss vom - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 11). So liegt der Fall auch hier, weil § 332 Abs. 1 Satz 2 StGB bereits in einem minder schweren Fall der Bestechlichkeit einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.

13Dies begegnet keinen rechtsstaatlichen Bedenken. Denn mit der Festlegung des Orientierungsrahmens wird in einem ersten Schritt lediglich die Bandbreite der für das konkrete Dienstvergehen in Betracht kommenden Disziplinarmaßnahme i. S. d. § 5 LDG BB bestimmt. Die weiteren Schritte zur Festlegung der Disziplinarmaßnahme, ob der Orientierungsrahmen ausgeschöpft oder innerhalb dieses Rahmens Abstufungen anzunehmen sind, sind Fragen des konkreten Einzelfalls und der dem Disziplinargericht vom Gesetzgeber aufgegebenen Würdigung sämtlicher be- und entlastenden Umstände (stRspr, vgl. etwa 2 C 50.13 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 39 Rn. 19; Beschlüsse vom - 2 B 146.11 - juris Rn. 10, vom - 2 B 76.20 - Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 7 Rn. 18 f. und vom - 2 B 46.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 55 Rn. 12).

14b) Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 70 LDG BB i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

15Eine Divergenz i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass das Berufungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen inhaltlich bestimmten, das Urteil tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem es einem ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat, der in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und diesen nicht anwendet, weil es ihn für unrichtig hält (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14, vom - 2 B 18.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 1 Rn. 4, vom - 2 B 90.13 - ZBR 2014, 375 Rn. 10 und vom - 2 B 76.20 - Buchholz 235.1 § 34 BDG Nr. 7 Rn. 5).

16Die Beschwerde genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. Ihr lässt sich nicht entnehmen, inwieweit das Berufungsgericht von den in Bezug genommenen Entscheidungen des 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 und vom - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 ff.) rechtssatzmäßig abgewichen sein soll. Die Beschwerdebegründung macht lediglich geltend, das Berufungsgericht habe den der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnommenen Rechtssatz im Einzelfall jeweils nicht befolgt. Im Übrigen wendet sie sich in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das Berufungsgericht und setzt dem ihre eigene Auffassung entgegen.

173. Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG BB. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LDG BB Gebühren in entsprechender Anwendung des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:051223B2B3.23.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-56547