BGH Beschluss v. - XII ZB 72/23

Erfordernis der elektronischen Form bei der Beschwerdeeinlegung der Staatskasse gegen die Festsetzung der Betreuervergütung

Leitsatz

Die Einlegung der Beschwerde durch die Staatskasse erfordert im Fall der Einreichung einer Beschwerdeschrift nach §§ 64 Abs. 2 Satz 1, 14 b Abs. 1 FamFG die elektronische Übermittlung (im Anschluss an Senatsbeschluss vom - XII ZB 124/22, FamRZ 2023, 1380).

Gesetze: § 14b Abs 1 FamFG, § 64 Abs 2 S 1 FamFG

Instanzenzug: LG Neuruppin Az: 5 T 73/22vorgehend AG Perleberg Az: 18 XVII 106/21

Gründe

I.

1Die Beteiligte zu 1 ist als berufsmäßige Betreuerin für die mittellose Betroffene bestellt. Für den Abrechnungszeitraum vom bis zum hat sie die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung in Höhe von 390 € gegen die Staatskasse (Beteiligte zu 2) beantragt.

2Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat dem Antrag in Höhe von 315 € stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Betreuerin hat der Richter des eine weitere Vergütung von 75 €, somit insgesamt 390 € festgesetzt. Auf die zugelassene Beschwerde, die die Staatskasse mit einer in Schriftform eingereichten Beschwerdeschrift vom eingelegt hat, hat das Landgericht den abgeändert und die vom Rechtspfleger getroffene Erstentscheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Betreuerin.

II.

3Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Verwerfung der von der Staatskasse eingelegten Beschwerde als unzulässig.

41. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu prüfen. Ist die Beschwerde unzulässig eingelegt, fehlt es an der Sachentscheidungsvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren (Senatsbeschluss vom - XII ZB 98/15 - FamRZ 2015, 1603 Rn. 12).

52. Die Beschwerde der Staatskasse ist nicht formgerecht eingelegt worden.

6a) Als bestimmender Schriftsatz ist die Beschwerde, wenn sie durch einen Rechtsanwalt, einen Notar, eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht wird, seit dem gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG als elektronisches Dokument zu übermitteln. Wird diese Form nicht eingehalten, ist die Erklärung unwirksam und wahrt die Rechtsmittelfrist nicht (Senatsbeschluss vom - XII ZB 428/22 - FamRZ 2023, 1577 Rn. 5; - FamRZ 2023, 719 Rn. 13).

7Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt auch in Betreuungs- und Unterbringungsverfahren. Denn für die einzureichenden Anträge und Erklärungen ist § 14 b FamFG ohne Bereichsausnahme einschlägig (vgl. Senatsbeschluss vom21. September 2022 - XII ZB 264/22 - FamRZ 2022, 1957 Rn. 8).

8Die Beschwerdeeinlegung nach § 64 Abs. 2 Satz 1 FamFG wird vom sachlichen Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG erfasst (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 428/22 - FamRZ 2023, 1577 Rn. 7 f. und vom - XII ZB 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 7 mwN). Im Vergütungsfestsetzungsverfahren gilt nichts Abweichendes (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 428/22 - FamRZ 2023, 1577 Rn. 8 und vom - XII ZB 200/22 - FamRZ 2023, 461 Rn. 8).

9b) Der in § 14 b Abs. 1 FamFG verwendete Begriff „juristische Person des öffentlichen Rechts“ schließt die Bundesländer und ihre Behörden ein (vgl. BGH Beschlüsse vom - I ZB 84/22 - WM 2023, 1271 Rn. 14 f. und vom - I ZB 80/22 - WM 2023, 1467 Rn. 17 f. zum Vollstreckungsverfahren; OLG Bamberg FamRZ 2023, 459 und JurBüro 2022, 667 f. je zu § 130 d ZPO; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 14 b Rn. 9; BeckOK FamFG/Burschel/Perleberg-Kölbel [Stand: ] § 14 b Rn. 9; Fritzsche NZFam 2022, 1, 3). Erfasst werden sollen alle Behörden (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 27 zu § 130 d ZPO).

10c) Nach den vorstehenden Grundsätzen fehlt es an einer formwirksamen Einlegung der Beschwerde. Die Staatskasse hat die Beschwerde nicht als elektronisches Dokument übermittelt. Auch die Voraussetzungen einer zulässigen Ersatzeinreichung sind nicht gegeben. Die Staatskasse hat ebenfalls nicht von der Möglichkeit des § 64 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 FamFG Gebrauch gemacht, die Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären.

11aa) Die Staatskasse fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des § 14 b Abs. 1 FamFG. Sie ist zwar keine Behörde im Sinne des § 8 Nr. 3 FamFG, weil sie nicht in Verfahrensstandschaft für und gegen den jeweiligen Rechtsträger handelt (vgl. hierzu: Prütting/Helms/Prütting FamFG 6. Aufl. § 8 Rn. 21 mwN), aber sie vertritt den Rechtsträger als solchen (A.I.1.c. der Anordnung über die Vertretung des Landes Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministers der Justiz - Vertretungsordnung JM Brdbg - vom [JMBl. S. 78], zuletzt geändert durch Allgemeine Verfügung vom [JMBl. S. 134]; vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 2023, 459, 460 und JurBüro 2022, 667 f. je zu § 5 Abs. 1 Nr. 7 lit. c der Verordnung über die gerichtliche Vertretung des Freistaates Bayern vom - VertV, GVBl. S. 610).

12bb) Auch war nicht ausnahmsweise die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften in Schriftform oder per Telefax gemäß § 14 b Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG zulässig. Die Staatskasse hat nicht im Wege einer Ersatzeinreichung nach dieser Vorschrift dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:081123BXIIZB72.23.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-56507