Instanzenzug: LG Kempten Az: 1 Ks 250 Js 20577/22
Gründe
1Das Landgericht Kempten hat den Angeklagten am „der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung sowie des versuchten Mordes durch Unterlassen mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort sowie des Besitzes jugendpornographischer Inhalte“ schuldig gesprochen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verhängt. Außerdem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt.
21. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Die schriftlichen Urteilsgründe wurden dem Pflichtverteidiger des Angeklagten am zugestellt. Durch Beschluss vom hat das Landgericht Kempten die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO keine Revisionsbegründung erfolgt war. Die Entscheidung vom wurde dem Pflichtverteidiger am selben Tag zugestellt. Mit einem in das EGVP versendeten Schriftsatz des Wahlverteidigers, eingegangen am , hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Revisionsbegründungsfrist sowie „Wiedereinsetzung gegen die Entscheidung des Gerichts und die Aufhebung des Beschlusses, mit dem die Revision als unzulässig verworfen wurde“ beantragt und zudem die Revision begründet. Zur Fristversäumung trägt der Verteidiger vor, dass der Angeklagte ihm am „ telefonisch mitgeteilt habe, soeben ein Schreiben erhalten zu haben, aus dem sich ergebe, dass die Revision als unzulässig verworfen worden sei“. Er habe ihm – dem Wahlverteidiger – mitgeteilt, dass er seinen Pflichtverteidiger beauftragt habe, Revision einzulegen und diese zu begründen. An der unterlassenen fristgerechten Revisionsbegründung treffe den Angeklagten kein Verschulden. Zur Glaubhaftmachung hat der Wahlverteidiger die „vorstehende Tatsachenschilderung“ auf der Grundlage der „Kontakte mit dem Angeklagten“ „anwaltlich versichert“.
32. Das Begehren ist gemäß § 300 StPO als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist, als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts sowie als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO auszulegen. Die Anträge haben keinen Erfolg.
4a) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig.
5Der Antrag ist bereits nicht in der Form gestellt, die für die versäumte Handlung der Revisionsbegründung gemäß § 32a Abs. 3 und 4, § 32d Satz 2, § 45 Abs. 2 Satz 2, § 345 Abs. 2 StPO vorgeschrieben ist (vgl. , juris Rn. 3; Beschluss vom – 3 StR 89/22, juris Rn. 7 ff.). Dies führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags (vgl. BeckOK-StPO/Cirener, Stand , § 45 Rn. 13 mwN).
6Zudem fehlt es an der Glaubhaftmachung fehlenden eigenen Verschuldens des Angeklagten an der Fristversäumung. Die anwaltliche Versicherung des Wahlverteidigers im Wiedereinsetzungsgesuch ist zur Glaubhaftmachung der verbindlichen Vereinbarung der Revisionsbegründung zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger nicht ergiebig. Durch die anwaltliche Versicherung des gewählten Verteidigers konnte die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten zur Beauftragung des beigeordneten Verteidigers insoweit nicht glaubhaft gemacht werden (vgl. , juris Rn. 6).
7b) Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist unzulässig.
8Es fehlt insoweit jedenfalls an der Glaubhaftmachung der Einhaltung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die anwaltliche Versicherung des Wahlverteidigers im Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht geeignet, den behaupteten Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses am für den Angeklagten darzutun. Die Fristwahrung war auch vorliegend nicht bereits nach Aktenlage offensichtlich (vgl. , juris Rn. 3). Denn ausweislich des auf der Übersendungsverfügung angebrachten Erledigungsvermerks (Bd. VII Bl. 894) wurde die Entscheidung des Landgerichts dem Angeklagten bereits am formlos mit Rechtsmittelbelehrung nach § 346 Abs. 2 StPO übersandt. Angesichts der üblichen Postlaufzeiten (vgl. , juris Rn. 5; Beschluss vom – 4 StR 319/22, NStZ-RR 2022, 378, 379) ist es mithin naheliegend, dass der Angeklagte den Verwerfungsbeschluss vom deutlich vor dem erhalten hat.
9c) Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist ebenfalls unzulässig, da die Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO versäumt wurde. Darüber hinaus wäre der Antrag auch unbegründet. Das Landgericht hat die Revision zu Recht durch den Beschluss vom als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründet worden ist.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:251023B4STR313.23.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-56112