BGH Urteil v. - III ZR 197/22

Instanzenzug: Az: 3 U 5209/21vorgehend LG München I Az: 22 O 10003/20

Tatbestand

1Der Kläger macht Schadensersatzansprüche wegen gescheiterter Investitionen in Tochtergesellschaften der E.   C.    AG (nachfolgend auch nur: Gesellschaft) mit Sitz in der Schweiz geltend. Der Beklagte war "Direktor" der Gesellschaft und außerdem Geschäftsführer der Tochtergesellschaften, die als Projektgesellschaften Immobilienprojekte durchführen sollten. Inzwischen sind die E.    C.    AG und die Projektgesellschaften insolvent. Keine dieser Gesellschaften verfügte über eine Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften.

2Am 19. Januar/ schloss der Kläger mit der E.   C.    AG einen "Beteiligungsvertrag", nach dem er 100.000 € in das Projekt "M.         K.       " investierte. Der Vertrag sah eine Laufzeit von 24 Monaten, eine Verpflichtung "zur vollständigen Rückzahlung der Investitionssumme bis spätestens zum Ende der vorgenannten Festlegungsfrist" und eine feste Verzinsung in Höhe von 7 % mit der Möglichkeit der Reduzierung der Investition nach 12 Monaten bei einer Verzinsung des Restbetrags von dann 6 % p.a. vor. Die E.    C.   AG wurde beim Vertragsschluss durch K.   B.   , Mitglied des Verwaltungsrats und Prokurist der Projektgesellschaften, vertreten.

3Der Kläger hat behauptet, dem Beklagten sei bewusst gewesen, dass aufgrund zweckwidriger Verwendung von Geldern ein Totalverlust für die Anleger unvermeidbar gewesen sei. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte trotz des Umstands, dass er am Vertragsschluss nicht beteiligt gewesen sei, aufgrund seiner Stellung als Organ, jedenfalls als faktischer Vorstand der Gesellschaft sowie als Geschäftsführer sämtlicher Projektgesellschaften hafte. Der Kläger begehrt Rückzahlung des von ihm investierten Betrags nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung seiner Rechte aus dem Beteiligungsvertrag sowie die Feststellung des Verzugs des Beklagten mit der Annahme dieser Rechte aus dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der E.   C.     AG.

4Der Beklagte verteidigt sich insbesondere damit, er habe am Abschluss des Beteiligungsvertrags nicht mitgewirkt. Sein Aufgabenbereich habe allein im Bereich Technik und Entwicklung gelegen.

5Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchte der Kläger sein Begehren vollumfänglich weiterverfolgen.

Gründe

6Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, zwar sei § 32 KWG ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, und die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift könnten unterstellt werden. Jedoch lägen die Voraussetzungen einer Zurechnung, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, nicht vor, so dass ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht in Betracht komme. Der Beklagte sei zwar in organschaftlicher Stellung für die Gesellschaft tätig geworden, der Abschluss der Beteiligungsverträge sei aber nicht in seine Zuständigkeit gefallen. Aufgrund der gebotenen funktionalen Betrachtung des § 14 StGB käme eine Haftung als Organ nur dann in Betracht, wenn der Beklagte rechtsgeschäftlich oder aber innerhalb seiner Zuständigkeit gehandelt hätte. Nach dem Vortrag des Beklagten seien den Direktoren der Gesellschaft bestimmte Aufgabenbereiche zugewiesen gewesen, ihm selbst die Leitung und Überwachung der Bauprojekte von der technischen Seite her. Dies stehe in Einklang mit dem vorgelegten Anstellungsvertrag und sei vom Kläger erstinstanzlich nicht bestritten worden. Soweit in der Berufungserwiderung vorgetragen worden sei, der Beklagte sei auch mit der Finanzierung befasst gewesen, sei dieses Bestreiten verspätet; zudem ergebe sich daraus kein zwingender Schluss darauf, dass der Beklagte an der Finanzierungsstruktur der E.    C.    AG beteiligt gewesen sei. Es fehle daher an der Garantenstellung.

8Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht aus der von der Zuordnung von Aufgaben unabhängigen Verantwortung jedes einzelnen Geschäftsleiters für die Erfüllung allgemeiner organisatorischer Pflichten gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG. Diese Verpflichtung gelte nur bezüglich der Gesellschaft beziehungsweise der Aufsichtsorgane; der einzelne Anleger könne sich darauf nicht berufen.

9Der Beklagte sei nicht als faktischer Geschäftsführer tätig geworden. Eine Einflussnahme auf die bestellten oder berufenen Organmitglieder sei nicht dargelegt. Die Tätigkeit der Gesellschaft nach außen sei vielmehr allein durch K.  B.   geprägt worden. Es genüge nicht, dass der Beklagte gemeinsam mit diesem Gründungsvater der E.    C.    Gruppe gewesen sei, weil sich daraus nicht ergebe, dass er auf laufende Geschäfte Einfluss genommen und nach außen die Leistung wahrgenommen hätte. Dies gelte umso mehr, als die Gründung im Jahr 2008 und die Beteiligung des Klägers erst im Jahr 2018 erfolgt sei. Auch wenn - wie der Kläger vorgetragen habe - der eigentliche Vertrieb und die tatsächliche Bearbeitung der Beteiligungsverträge innerhalb der jeweiligen Projektgesellschaften geschehen sei, rechtfertige dies keine andere Betrachtung. Die Beteiligungsverträge seien im Namen der E.   C.    AG geschlossen worden, so dass für die Bewertung der faktischen Geschäftsführung auf diese abzustellen sei. Aus der Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der Projektgesellschaften lasse sich keine faktische Geschäftsführung in Bezug auf die E.   C.    AG herleiten. Auch aus Absprachen darüber, welche anteiligen Beträge bei der Gesellschaft verbleiben und welche an die Projektgesellschaften überwiesen werden sollten, lasse sich nichts schließen, da die Weiterleitung der Gelder dem Beteiligungsvertrag entsprochen habe.

10Ansprüche aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB bestünden nicht, da ein aktives Handeln des Beklagten nicht gegeben sei und eine Zurechnung für das Handeln der Gesellschaft - wie dargelegt - nicht in Betracht komme.

II.

11Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

121. Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht seine internationale Zuständigkeit angenommen und deutsches Recht angewandt.

132. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht zudem davon ausgegangen, dass § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG (in der hier maßgeblichen bis zum geltenden Fassung) ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist. Mangels entgegenstehender Feststellungen ist im Revisionsverfahren weiter zu unterstellen, dass die E.    C.    AG hiergegen verstoßen hat.

14Auf dieser Grundlage lässt sich nach den bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, dass der Beklagte für aus den Bankgeschäften der E.    C.    AG entstandene Schäden haftet.

15a) Wer entgegen § 32 Abs. 1 KWG ohne entsprechende Erlaubnis Bankgeschäfte erbringt, macht sich bei fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, Abs. 2 KWG strafbar. Wirken die Geschäfte berechtigend und verpflichtend für eine juristische Person, so ist diese zivilrechtlich der Betreiber der Geschäfte; die strafrechtliche Verantwortlichkeit ergibt sich in diesen Fällen aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Sie trifft denjenigen, der in organschaftlicher Stellung für die juristische Person tätig ist (, NJW 2012, 3177 Rn. 19 und vom - IX ZR 77/19, NJW-RR 2020, 292 Rn. 35; jew. mwN).

16Daraus folgt, dass die objektive Organstellung allein nicht hinreichend ist, um eine Haftung zu begründen. Es bedarf zusätzlich des Verschuldens, § 276 BGB, das dementsprechend gesondert festgestellt werden muss. Zwar begründen die generelle Legalitätspflicht (vgl. hierzu , BGHZ 194, 26 Rn. 22) wie auch die Pflichten des Geschäftsleiters nach § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG weitreichende Sorgfaltspflichten. Diese schließen eine Delegation von Aufgaben und damit eine Übertragung von Verantwortung jedoch nicht aus. So können etwa interne Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsleitung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zwar nicht zu einer Aufhebung, wohl aber zu einer Beschränkung der straf- und haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit führen (vgl. , BGHZ 133, 370, 377). Dies beruht auf dem Gedanken, dass der Geschäftsführer den ihm zukommenden Handlungspflichten für die Gesellschaft als Ganzes auf unterschiedliche Weise nachkommen kann. Auch durch organisatorische Maßnahmen kann er zur Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Pflichten beitragen, indem er etwa an einer Regelung mitwirkt, durch die jedem Geschäftsführer bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Durch eine derartige Aufteilung der Geschäfte wird die Verantwortlichkeit des nicht betroffenen Geschäftsführers nach innen und außen beschränkt, denn im Allgemeinen kann er sich darauf verlassen, dass der zuständige Geschäftsführer die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigt. Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jedem Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist (vgl. BGH aaO S. 377 f mwN).

17Wie die interne Organisation der Gesellschaft ausgestaltet ist, entzieht sich in der Regel ebenso der Wahrnehmung des einzelnen Anlegers wie die Umstände, aus denen sich Anhaltspunkte ergeben können, die das Organ verpflichten, die Führung der Geschäfte auch außerhalb seines eigentlichen Verantwortungsbereichs näher zu kontrollieren und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um deren Gesetzmäßigkeit sicherzustellen. Bezüglich dieser Umstände trifft daher das Organ nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - III ZR 7/20, NJW 2021, 1759 Rn. 19).

18b) Nach diesen Maßstäben lässt sich eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 KWG nicht ausschließen. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Organstellung als solche nicht genügt, um eine Verantwortlichkeit des Beklagten zu begründen. Es hat aber rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob den Beklagten Überwachungspflichten trafen. Zudem sind seine tatsächlichen Feststellungen von Rechtsfehlern beeinflusst.

19aa) Soweit das Berufungsgericht festgestellt hat, der Beklagte sei für die Finanzierung nicht zuständig gewesen, beruht dies auf einer Gehörsverletzung. Die Revision rügt insoweit zu Recht, dass sich das Berufungsgericht mit wesentlichen Teilen des Vortrags des Klägers im Ergebnis nicht beschäftigt und die dazu angebotenen Beweise nicht erhoben hat. Dies stellt einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZR 91/22, NJW 2023, 2042 Rn. 7 mwN).

20Der Kläger hat - beweisbewehrt - vorgetragen, der Vertrieb der Beteiligungsverträge sei allein über die Projektgesellschaften erfolgt, deren alleiniger Geschäftsführer der Beklagte war. Dieser habe an Vertriebsmeetings teilgenommen und persönlich die Vertriebsvertreter angewiesen, mit festen Zinssätzen zu werben. Dieser Vortrag lässt sich nicht mit der Feststellung des Berufungsgerichts vereinbaren, der Beklagte sei mit der Finanzierung nicht befasst gewesen. Das Berufungsgericht hätte daher die insoweit angebotenen Beweise erheben oder jedenfalls darlegen müssen, warum es insoweit eine Beweisaufnahme nicht für erforderlich gehalten hat.

21Soweit das Berufungsgericht angeführt hat, der Vortrag des Klägers in der Berufungserwiderung, der Beklagte sei auch mit der Finanzierung befasst gewesen, sei verspätet, rechtfertigt dies die Nichtberücksichtigung des Vorbringens bereits deshalb nicht, weil das Berufungsgericht mit keinem Wort begründet hat, warum und nach welcher Vorschrift es eine Verspätung angenommen hat (vgl. zum Begründungserfordernis , NJW-RR 1991, 767, 768 zu § 528 Abs. 2 ZPO aF und vom - I ZR 222/20, GRUR 2022, 899 Rn. 96 zu § 530 ZPO; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl., § 531 Rn. 22; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 5. Aufl., § 531 Rn. 43; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 531 Rn. 36). Dessen ungeachtet hatte das Landgericht den genannten Vortrag des Klägers unterstellt und die Behauptung des Beklagten, nur in einem beschränkten Aufgabenkreis tätig geworden zu sein, für unerheblich und - jedenfalls teilweise - nicht hinreichend angesehen (LGU 8). Der beanstandete zweitinstanzliche Vortrag war daher nicht neu und folglich auch nicht verspätet.

22bb) Es kann eine Haftung des Beklagten aber auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn dieser - wie das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat - für die Finanzierung nicht zuständig war. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass eine Verantwortlichkeit des Beklagten als Organ der E.    C.   AG bereits deshalb ausscheide, weil die Vertragsabschlüsse nicht in seinen Aufgabenbereich fielen. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob für den Beklagten Anhaltspunkte vorlagen, die ihn zu einer weitergehenden Kontrolle und Überwachung verpflichtet hätten. Solche Pflichten kämen insbesondere in Betracht, wenn der Vertrieb der Beteiligungsverträge über die Projektgesellschaften, deren Alleingeschäftsführer der Beklagte war, erfolgte, und lägen jedenfalls dann nahe, wenn der Beklagte, wie der Kläger behauptet, die Beteiligungsverträge "in- und auswendig" kannte und ihm die darin enthaltenen Zusagen gegenüber den Anlegern bekannt waren (Berufungserwiderung vom S. 4). Beides hätte das Berufungsgericht daher nicht für unerheblich ansehen dürfen.

III.

23Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist, da sie zur Endentscheidung nicht reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). In dem neuen Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht auch Gelegenheit haben, sich mit den weiteren Rügen zu befassen, auf die einzugehen der Senat im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:091123UIIIZR197.22.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-55832