BGH Urteil v. - 5 StR 281/23

Instanzenzug: Az: 602 Ks 16/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung (Fall II.4 der Urteilsgründe) sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen (II.1 und II.3) und Sachbeschädigung (II.2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Die auf den Strafausspruch zu Fall II.4 der Urteilsgründe beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft führt mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts insoweit zur Aufhebung des Urteils.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Nachdem der Angeklagte und der Geschädigte T.      am im Bereich des H.      er Hauptbahnhofs einen Streit beendet hatten, ging der Angeklagte erneut auf den Geschädigten zu und brachte diesen mit einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden. Der Geschädigte erlitt eine Schwellung im Gesicht.

42. Der Angeklagte zündete am Abend des in Abwesenheit des Geschädigten Th.     dessen Schlafsack an. Er verließ den Tatort und ein Passant löschte das Feuer. Der Schlafsack wies zahlreiche Brandlöcher auf.

53. Im Anschluss an das Geschehen zu Fall 2 kamen der Geschädigte und der Angeklagte nacheinander zum Tatort zurück und stritten über einen Jutebeutel. Der Angeklagte stieß den Geschädigten zunächst zu Boden und schlug ihm sodann mit der flachen Hand ins Gesicht.

64. Der Angeklagte und der Geschädigte A.     kannten sich aus dem Umfeld des Bahnhofs H.     -A.    , in dem sie sich nahezu täglich zum Betteln und Alkoholkonsum aufhielten. Am entdeckten der Angeklagte und ein Begleiter gegen 22.15 Uhr den in einer Toilettenanlage schlafenden und alkoholisierten Geschädigten. Er entschloss sich im alkoholbedingten Zustand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit spontan dazu, den Geschädigten mit einer brennbaren Flüssigkeit zu übergießen und anzuzünden, um sich im Namen eines unbekannt gebliebenen Dritten zu rächen, dem der Geschädigte nach Kenntnis des Angeklagten Geld schuldete. Er nutzte den Umstand aus, dass der Geschädigte erheblich alkoholisiert und auch durch den Schlaf in möglichen Abwehrreaktionen eingeschränkt war. Dem Angeklagten war bewusst, dass das Übergießen mit und das Entzünden einer brennbaren Flüssigkeit ohne weiteres zu schwersten Verbrennungen bis hin zum Tod führen konnte, was er billigend in Kauf nahm.

7Der Angeklagte füllte im Vorraum der Anlage einen Pappbecher etwa bis zur Hälfte mit Desinfektionsmittel und übergab sein Mobiltelefon dem Begleiter, der das Geschehen auf sein Geheiß filmte. Er sprach in polnischer Sprache in die Kamera: „B.  , hör mal B.  , ich spreche zu dir, es ist für dich, warte einen Moment, du wirst sehen, worum es geht.“ Er hielt den Becher und ein Feuerzeug in einer Hand, ging zum auf der Seite schlafenden Geschädigten und goss die gesamte Flüssigkeit von der rechten Schulter bis an den Ärmelbund und wieder hoch zur Schulter. Mit dem Feuerzeug entzündete er am Unterarm des Geschädigten die Flüssigkeit und es bildeten sich sofort zentimeterhohe Flammen. Der Angeklagte veranlasste den Dritten näher heranzutreten, um die Flammen zu filmen und äußerte in polnischer und englischer Sprache: „Nice … wirklich … nice.“ An den weiterhin schlafenden Geschädigten gewandt, sagte er in polnischer Sprache: „Schwanz in dein Arsch, du Schwuchtel, nicht. Schwanz in dein Arsch, nicht.“ Dabei zeigte er mit dem Mittelfinger abwechselnd auf den Geschädigten und in die Kamera. Sodann verließen der Angeklagte und sein Begleiter die Toilettenräume.

8Der Geschädigte erwachte nach nicht mehr feststellbarer Zeit infolge empfundener Wärme am rechten Arm und sah Flammen. Er zog den Pullover aus und löschte das Feuer. Der Pullover war beschädigt und nicht mehr tragbar, was der Angeklagte zuvor erkannt und als notwendigen Zwischenerfolg in Kauf genommen hatte. Der Geschädigte erlitt leichte rötliche Hautreizungen und erhielt am nächsten Tag in der Bahnhofsmission einen Verband am rechten Oberarm.

95. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten in den Fällen II.1 und II.3 jeweils als vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) und im Fall II.2 als Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) gewertet.

10Im Fall II.4 hat es das Geschehen rechtlich als versuchten Heimtückemord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Sachbeschädigung eingeordnet (§ 211 Abs. 1, Abs. 5 Var. 5, § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 1 und 5, § 303 Abs. 1 StGB). Das heimtückische Verhalten des Angeklagten hat es darin erkannt, dass der Geschädigte nach nicht unerheblichen Konsum von Alkohol sich schlafen legte und der Angeklagte dessen auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit bewusst ausnutzte. Das Mordmerkmal der Grausamkeit hat die Strafkammer indes abgelehnt.

II.

11Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

121. Das Rechtsmittel ist wirksam auf den Strafausspruch im Fall II.4 und den Gesamtstrafausspruch beschränkt.

13Die Staatsanwaltschaft hat zwar in der Revisionsbegründung beantragt, das Urteil – „soweit es die Verurteilung wegen versuchten Mordes anbetrifft“ – mit den zugehörigen tatsächlichen Feststellungen sowie im Gesamtstrafausspruch aufzuheben. Aus den weiteren Ausführungen ergibt sich indes, dass die Staatsanwaltschaft sich nur gegen den Strafausspruch zu Fall II.4 wendet, weil die Strafkammer zu Unrecht das weitere Mordmerkmal der Grausamkeit abgelehnt habe. Die infolge dieser Unklarheit gebotene Auslegung des Angriffsziels des Rechtsmittels (vgl. Rn. 13 mwN) ergibt, dass in zulässiger Weise lediglich der Strafausspruch und nicht auch der Schuldspruch angefochten ist (vgl. und vom – 2 StR 113/18); denn ob der Angeklagte auch grausam gehandelt hat, ist für den Schuldspruch wegen (Heimtücke-) Mordes rechtlich nicht von Bedeutung (vgl. , BGHSt 41, 222, 223).

142. Die unterbliebene Annahme des weiteren Mordmerkmals der Grausamkeit hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

15a) Grausam tötet, wer seinem Opfer bei mit Tötungsvorsatz geführten Handlungen in gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke und Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 12). Dies ist im Regelfall bei einem Tod durch Verbrennen der Fall (vgl. , BGHSt 61, 302 Rn. 6); insoweit genügt für die Erfüllung des Mordmerkmals das Vorliegen bedingten Vorsatzes (, NJW 1988, 2682).

16b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte „objektiv grausam handelte“, weil er in Kauf nahm, der Geschädigte würde „bei lebendigem Leibe verbrennen“. Es habe aber nicht „sicher feststellen“ können, dass das Verhalten des Angeklagten von einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung getragen war. Denn er sei davon ausgegangen, der Geschädigte sei „nicht nur unerheblich alkoholisiert“ gewesen. Daher könne „nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte gerade deswegen erwartete, der Geschädigte würde keine körperlichen Schmerzen erleiden, die das für die Tötung erforderliche Maß übersteigen.“

17c) Diese Beweiswürdigung erweist sich auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. Rn. 16; Beschluss vom – 5 StR 169/23 Rn. 4) als rechtsfehlerhaft. Im Einzelnen:

18Die Strafkammer hat ihrer Beurteilung zwar zu Recht vorangestellt, dass das Verbrennen eines Menschen eine grausame Handlung darstellt (, BGHSt 61, 302 Rn. 6). Soweit sie sich allerdings nicht davon überzeugen konnte, der Angeklagte habe in gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung gehandelt, hat sie dies nicht tragfähig begründet.

19So entbehrt schon jeder Grundlage, wieso der Angeklagte wegen der nicht nur unerheblichen Alkoholisierung des Geschädigten erwartet haben könnte, dieser würde keine körperlichen Schmerzen erleiden, die das für die Tötung erforderliche Maß übersteigen. Allein die Alkoholisierung des Geschädigten trägt einen solchen Schluss bei Verbrennungsschmerzen nicht. Sollte das Landgericht auch darauf abgestellt haben, dass der Geschädigte im Schlaf verbrennen würde, so bleibt unerörtert, warum der Geschädigte trotz des Verbrennens bei lebendigem Leibe nicht aufwachen und die Schmerzen empfinden würde. Dies gilt zumal, da der Angeklagte eine entsprechende Vorstellung nicht behauptet hat. Es ist aber weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 7 und vom – 5 StR 387/22 Rn. 11 ff. mwN).

203. Das Urteil beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Die Aufhebung der Strafe im Fall II.4 der Urteilsgründe entzieht zugleich der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.

214. Für die neue Verhandlung weist der Senat – im Anschluss an die Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift – angesichts der Begleitumstände auf die Prüfung des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe hin.

III.

22Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

231. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch. Insbesondere teilt der Senat die Ansicht des Landgerichts, dass im Fall 4 das Merkmal des Beibringens eines gesundheitsschädlichen Stoffes im Sinne von § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB erfüllt ist. Der gesundheitsschädliche Stoff ist dem Opfer beigebracht, wenn er durch den Täter so mit dem Körper in Verbindung gebracht worden ist, dass er seine gesundheitsschädliche Wirkung entfalten kann. Dafür genügt es, dass der Täter – wie hier – ein auf dem Körper des Opfers bereits aufliegendes Kleidungsstück in Brand setzt, so dass diese brennende Substanz durch die von ihr ausgehende thermische Wirkung erhebliche Verletzungen verursachen kann (vgl. , BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 1 Gesundheitsschädliche Stoffe 2).

242. Die Strafzumessung enthält keinen Fehler zum Nachteil des Angeklagten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:061223U5STR281.23.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-55593