Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 1 AEUV – Von einem Mitgliedstaat erlassene Steuervorbescheide – Für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärte Beihilfe – Pflicht zur Rückforderung der Beihilfe – Begriff ‚Vorteil‘ – Bestimmung des Referenzsystems – ‚Normale‘ Besteuerung nach nationalem Recht – Kontrolle der vom Gericht der Europäischen Union vorgenommenen Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts durch den Gerichtshof – Direkte Besteuerung – Enge Auslegung – Befugnisse der Europäischen Kommission – Begründungspflicht – Rechtliche Qualifizierung der Tatsachen – Begriff ‚Rechtsmissbrauch‘ – Ex-ante-Beurteilung durch die Steuerverwaltung des betreffenden Mitgliedstaats – Grundsatz der Rechtssicherheit
Leitsatz
Die Rechtssachen C-451/21 P und C-454/21 P werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom , Luxemburg u. a./Kommission (T-516/18 und T-525/18, EU:T:2021:251), wird aufgehoben.
Der Beschluss (EU) 2019/421 der Kommission vom über die von Luxemburg durchgeführte staatliche Beihilfe SA.44888 (2016/C) (ex 2016/NN) zugunsten von Engie wird für nichtig erklärt.
Die Europäische Kommission trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren in den Rechtssachen C-451/21 P und C-454/21 P.
Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug.
Gesetze: AEUV Art 107, EUVtr Art 4, EUVtr Art 5, AEUV Art 296, EUV 2015/1589, EUBes 2019/421
Instanzenzug: ,
Gründe
1 Mit ihren Rechtsmitteln beantragen das Großherzogtum Luxemburg (Rechtssache C-451/21 P) auf der einen Seite sowie die Engie Global LNG Holding Sàrl, die Engie Invest International SA und die Engie SA (Rechtssache C-454/21 P) (im Folgenden zusammen: Engie u. a.) auf der anderen Seite die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom , Luxemburg u. a./Kommission (T-516/18 und T-525/18, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2021:251), mit dem das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2019/421 der Kommission vom über die von Luxemburg durchgeführte staatliche Beihilfe SA.44888 (2016/C)(ex 2016/NN) zugunsten von Engie (ABl. 2019, L 78, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat.
I. Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie in den Rn. 1 bis 98 des angefochtenen Urteils dargelegt wurde, lässt sich wie folgt zusammenfassen.
A. Betroffene Gesellschaften
3 Die Engie-Gruppe besteht aus Engie, einem in Frankreich ansässigen Unternehmen, sowie allen Unternehmen, die direkt oder indirekt von diesem Unternehmen kontrolliert werden. Diese Gruppe ist aus der Fusion der französischen Konzerne Suez und Gaz de France hervorgegangen. In Luxemburg hält sie u. a. die Compagnie européenne de financement C.E.F. SA (im Folgenden: CEF), die im Jahr 1933 gegründet und im Jahr 2015 in die Engie Invest International umbenannt wurde.
4 CEF, deren Gesellschaftszweck der Erwerb von Beteiligungen an luxemburgischen und ausländischen Unternehmen sowie die Verwaltung, Verwertung und Kontrolle dieser Beteiligungen war, hielt das gesamte Kapital mehrerer luxemburgischer Unternehmen, darunter erstens der GDF Suez Treasury Management Sàrl (im Folgenden: GSTM), jetzt Engie Treasury Management Sàrl, zweitens der Electrabel Invest Luxembourg SA (im Folgenden: EIL) und drittens der im Jahr 2009 gegründeten GDF Suez LNG Holding Sàrl (im Folgenden: LNG Holding), jetzt Engie Global LNG Holding.
5 Im Jahr 2009 gründete die Engie-Gruppe in Luxemburg zwei Tochtergesellschaften, die GDF Suez LNG Luxembourg Sàrl (im Folgenden: LNG Luxembourg) und die GDF Suez LNG Supply SA (im Folgenden: LNG Supply). Am Ende des Jahres 2009 übernahm LNG Holding über diese beiden Tochtergesellschaften die Kontrolle, die zuvor von einer anderen Gesellschaft dieser Gruppe, der Suez LNG Trading SA (im Folgenden: LNG Trading), ausgeübt worden war. LNG Holding hielt das gesamte Kapital von LNG Luxembourg und LNG Supply.
B. Steuervorbescheide
6 Eine Reihe von Transaktionen innerhalb der Engie-Gruppe war Gegenstand von Steuervorbescheiden der luxemburgischen Steuerverwaltung. Diese Vorbescheide betreffen zwei Komplexe von Vorgängen, die eine vergleichbare wirtschaftliche und rechtliche Struktur aufweisen, die wie folgt beschrieben werden kann.
7 Eine Gesellschaft der Engie-Gruppe überträgt die ihre Geschäftstätigkeit bildenden Vermögenswerte an eine Tochtergesellschaft. Zur Finanzierung dieser Übertragung nimmt die Tochtergesellschaft bei einer Zwischengesellschaft ein Darlehen mit einer Laufzeit von 15 Jahren auf, das bei Fälligkeit zwingend in Anteile umgewandelt wird. Für dieses Darlehen erhält die Zwischengesellschaft keine Zinsen, sondern es wird bei Fälligkeit in Anteile umgewandelt. Bei dieser Umwandlung wird die – entweder positive oder negative – Leistung des Darlehensnehmers, d. h. der Tochtergesellschaft, während der Laufzeit des Darlehens berücksichtigt. Diese Vertragsart wird als „zéro-intérêts obligation remboursable en actions” (zinslose Wandelanleihe, im Folgenden: ZORA) bezeichnet.
8 Folglich ist die Vergütung der Zwischengesellschaft als Zeichnerin des Darlehens an die Leistung der Tochtergesellschaft gekoppelt. Letztere muss also am Ende der Laufzeit des Darlehens dessen Nennwert zuzüglich eines „Bonus”, der aus allen von ihr während der Laufzeit des Darlehens erzielten Gewinnen besteht, die als „ZORA-Akkretionen” bezeichnet werden, durch die Ausgabe von Anteilen zurückzahlen. Auf den Betrag dieses Bonus wird derjenige angerechnet, der sich aus der Anwendung des Prozentsatzes ergibt, der der mit den luxemburgischen Steuerbehörden vereinbarten Besteuerung entspricht. Bei einem Defizit der Tochtergesellschaft in einem oder mehreren Geschäftsjahren wird dieses in gleicher Weise berücksichtigt, was bei der Berechnung des Endbetrags des Bonus zu einer Minderung der Gewinne führt. Es handelt sich dann um „ZORA-Reduktionen”.
9 Zur Finanzierung ihrer Zeichnung des Darlehens bedient sich die Zwischengesellschaft eines vorausbezahlten Terminkaufvertrags, der mit einer Holdinggesellschaft abgeschlossen wurde, die alleinige Anteilseignerin sowohl der Tochtergesellschaft als auch der Zwischengesellschaft ist. Die Holdinggesellschaft zahlt der Zwischengesellschaft beim Abschluss dieses Vertrags einen Betrag, der dem Nennbetrag des ZORA entspricht, für den die Zwischengesellschaft als Gegenleistung die Rechte an den am Ende der Laufzeit des ZORA ausgegebenen Anteilen der Holdinggesellschaft überträgt, einschließlich derjenigen, die gegebenenfalls dem kumulierten Wert der ZORA-Akkretionen entsprechen.
10 Der erste Komplex von Steuervorbescheiden der luxemburgischen Steuerverwaltung betrifft die Finanzierung der Übertragung der Aktivitäten von LNG Trading im Bereich Flüssigerdgas und Gasderivate auf LNG Supply. Die von dieser Übertragung betroffenen Gesellschaften stellten vom bis zum fünf Anträge auf Erteilung von Steuervorbescheiden, aufgrund deren die luxemburgischen Steuerbehörden zwischen dem und dem fünf Steuervorbescheide erließen.
11 Gemäß den in den Rn. 7 bis 9 des vorliegenden Urteils beschriebenen Mechanismen ergibt sich aus diesem ersten Komplex von Steuervorbescheiden, dass die Tochtergesellschaft LNG Supply die Aktivität des An- und Verkaufs von, des Handels auf den Finanzmärkten mit sowie des Versands von Flüssigerdgas und Gasderivaten zu einem geschätzten Preis von 750 Mio. US-Dollar (USD) (was gemäß dem im streitigen Beschluss zugrunde gelegten Wechselkurs – wie auch hinsichtlich der übrigen in der vorliegenden Randnummer sowie in den Rn. 12 und 16 des vorliegenden Urteils genannten Beträge – etwa 507 Mio. Euro entspricht) von LNG Trading erwerben sollte. Sie sollte diesen Erwerb durch einen von der Zwischengesellschaft LNG Luxembourg gezeichneten ZORA finanzieren, bei dessen Fälligkeit LNG Supply den Nennbetrag des ZORA – gegebenenfalls zuzüglich der ZORA-Akkretionen – in Anteile zugunsten von LNG Luxembourg umwandeln sollte. LNG Luxembourg hatte den für die Zeichnung des Nennwerts des ZORA erforderlichen Betrag durch Abschluss eines vorausbezahlten Terminkaufvertrags über diesen Betrag mit der Holdinggesellschaft LNG Holding beizubringen. Dieser Vertrag sah vor, dass bei der Umwandlung des ZORA die Anteile, die ursprünglich von LNG Supply auf LNG Luxembourg übertragen worden waren, auf LNG Holding zu einem Wert übertragen werden, der je nach der Leistung von LNG Supply die ZORA-Akkretionen umfasste.
12 Aus den von diesen verschiedenen Gesellschaften unterzeichneten Verträgen ergibt sich, dass bei der Umsetzung der im Rahmen des ersten Komplexes von Steuervorbescheiden gebilligten Mechanismen der Vertrag, mit dem LNG Trading die ihrer Geschäftstätigkeit entsprechenden Vermögenswerte auf LNG Supply übertrug, am unterzeichnet wurde und sich auf einen Betrag von 657 Mio. USD (etwa 444 Mio. Euro) belief. Zur Begleichung dieses Betrags wurden von LNG Supply zwei Schuldscheine in Höhe von 11 Mio. USD (etwa 7 Mio. Euro) und 646 Mio. USD (etwa 437 Mio. Euro) ausgegeben. Am selben Tag schlossen LNG Supply und LNG Luxembourg ein ZORA mit einem Nennwert von 646 Mio. USD (etwa 437 Mio. Euro) ab, das am auslaufen sollte, aber 2014 teilweise vorzeitig umgewandelt wurde. Am wurde zwischen LNG Luxembourg und LNG Holding ein vorausbezahlter Terminkaufvertrag in Höhe des Nennwerts des ZORA abgeschlossen.
13 In steuerlicher Hinsicht entspricht gemäß dem ersten Komplex von Steuervorbescheiden die Bemessungsgrundlage der von LNG Supply für ein bestimmtes Geschäftsjahr geschuldeten Steuer einer mit den luxemburgischen Steuerbehörden vereinbarten Marge, die einem Teil des Wertes des in der Bilanz dieser Gesellschaft ausgewiesenen Bruttobetrags der Vermögenswerte entspricht. Die Differenz zwischen dem für dieses Geschäftsjahr tatsächlich erzielten Gewinn und dieser zu versteuernden Marge stellt die ZORA-Akkretionen dieses Geschäftsjahres dar, die im Zusammenhang mit dem ZORA als abzugsfähige Aufwendungen gelten.
14 LNG Luxembourg verfügt gemäß dem ersten Komplex von Steuervorbescheiden über eine Option, den Betrag des ZORA in der Buchführung entweder zu seinem Nennwert zu halten oder alternativ diesen Wert entsprechend den zwischen dem Abschluss des ZORA und seiner Umwandlung oder vorzeitigen Rücknahme aufgetretenen ZORA-Akkretionen bzw. -Reduktionen zu erhöhen oder zu verringern. Bei der Umwandlung des Darlehens in Anteile kann LNG Luxembourg für die Anwendung von Art. 22bis der Loi du 4 décembre 1967, concernant l’impôt sur le revenu (Gesetz vom über die Einkommensteuer, Mémorial A 1967, S. 1228) in geänderter Fassung (im Folgenden: LIR) optieren, wonach die bei dieser Umwandlung anfallenden ZORA-Akkretionen nicht zu einem zu besteuernden Kapitalgewinn führen.
15 Der erste Komplex von Steuervorbescheiden sieht außerdem vor, dass LNG Holding die im Rahmen des vorausbezahlten Terminkaufvertrags erhaltene Zahlung zum Einstandspreis als Finanzanlagevermögen verbuchen wird. Bis zur Umwandlung des ZORA wird sie daher keine Erträge verbuchen und kann somit im Zusammenhang mit diesem Vertrag keine Aufwendungen abziehen. Sofern jedoch die Voraussetzungen von Art. 166 LIR erfüllt sind, sind alle Erträge, insbesondere Dividenden und Kapitalgewinne aus den Beteiligungen von LNG Holding an ihren luxemburgischen Tochtergesellschaften, darunter folglich die von LNG Luxembourg nach Umwandlung des ZORA in Anteile übertragenen Anteile an LNG Supply, von der Körperschaftsteuer befreit.
16 In der Praxis verbuchte LNG Supply den Nennbetrag des ZORA von 2009 bis 2013 als Verbindlichkeit. 2014 reduzierte sie diesen Betrag um 193,8 Mio. USD (etwa 163,3 Mio. Euro), um der vorzeitigen teilweisen Umwandlung des ZORA in Anteile Rechnung zu tragen. Der infolge dieser teilweisen Umwandlung von LNG Holding realisierte Kapitalgewinn von 506,2 Mio. USD (etwa 425,2 Mio. Euro) blieb gemäß Art. 166 LIR von der Körperschaftsteuer befreit. LNG Supply aktualisierte den bei ihren Verbindlichkeiten verbuchten verbleibenden Nennbetrag des ZORA unter Berücksichtigung der ZORA-Reduktionen.
17 Der zweite Komplex von Steuervorbescheiden betrifft die Übertragung der Finanzierungs- und Treasury-Management-Aktivitäten von CEF auf GSTM. Die von dieser Übertragung betroffenen Gesellschaften stellten am und am zwei Anträge auf Erteilung von Steuervorbescheiden, aufgrund deren die luxemburgischen Steuerbehörden jeweils am selben Tag zwei Steuervorbescheide erließen.
18 Diesen Steuervorbescheiden zufolge sollte die Tochtergesellschaft GSTM die in Rn. 17 des vorliegenden Urteils beschriebenen Aktivitäten von CEF für einen Betrag von 1 036 912 506,84 Euro erwerben. Sie sollte diesen Erwerb durch ein von der Zwischengesellschaft EIL gezeichnetes ZORA finanzieren, bei dessen Fälligkeit GSTM den Nennbetrag des ZORA gegebenenfalls zuzüglich der ZORA-Akkretionen in Anteile für EIL umwandeln sollte. EIL sollte den für die Zeichnung des Nennwerts des ZORA erforderlichen Betrag durch Abschluss eines vorausbezahlten Terminkaufvertrags über diesen Betrag mit CEF beibringen, die somit im Rahmen des zweiten Komplexes von Steuervorbescheiden sowohl die ihre Aktivitäten übertragende Gesellschaft als auch die die Gelder an die Zwischengesellschaft weiterleitende Holdinggesellschaft darstellt. Dieser Vertrag sollte vorsehen, dass bei der Umwandlung des ZORA die Anteile, die ursprünglich auf EIL übertragen worden waren, auf CEF zu einem Wert übertragen werden, der je nach der Leistung von GSTM die ZORA-Akkretionen umfasst.
19 Gemäß diesem zweiten Komplex von Steuervorbescheiden schloss GSTM am und am mit EIL zwei Verträge vom Typ ZORA über einen Betrag von 1 036 912 506,84 Euro mit einer Laufzeit bis zum ab. Am schlossen EIL und CEF einen vorausbezahlten Terminkaufvertrag in Höhe des Ausgabepreises des ZORA ab.
20 Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung des zweiten Komplexes von Steuervorbescheiden gelten die oben in den Rn. 13 bis 15 des vorliegenden Urteils dargelegten Ausführungen zum ersten Komplex dieser Steuervorbescheide entsprechend. Insoweit ist lediglich festzustellen, dass aus Rn. 64 des streitigen Beschlusses und den dort wiedergegebenen Erklärungen des Großherzogtums Luxemburg hervorgeht, dass die mit der Steuerverwaltung dieses Mitgliedstaats vereinbarte Marge, die die Steuerbemessungsgrundlage von GSTM bildete, trotz des entsprechenden Antrags der Engie-Gruppe nicht geändert wurde.
21 Aus den Rechnungslegungs- und Steuererklärungen von GSTM geht hervor, dass GSTM in ihrem Jahresabschluss den Betrag der ZORA-Akkretionen als Gegenleistung für die in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene entsprechende Ausgabe passivierte, da es sich um einen Betrag handelt, den GSTM bei Fälligkeit des ZORA in Anteile umwandeln muss, die auf EIL und dann auf CEF übertragen werden. Dieser Betrag ist für die Jahre 2011 bis 2016 in Tabelle 2 aufgeführt, die auf den 73. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses folgt. Die Europäische Kommission hat in den Erwägungsgründen 74 und 75 des Beschlusses und in den darin enthaltenen Tabellen die Folgen des zweiten Komplexes von Steuervorbescheiden für die Besteuerung von GSTM dargestellt. Wie LNG Holding verbuchte CEF ihre Beteiligungen an ihren Tochtergesellschaften als gemäß Art. 166 LIR von der Steuer befreit.
C. Verwaltungsverfahren
22 Am übermittelte die Kommission dem Großherzogtum Luxemburg ein Auskunftsersuchen zur Handhabung von Steuervorbescheiden in Bezug auf die Engie-Gruppe. Der betreffende Mitgliedstaat antwortete am auf dieses Ersuchen. Auf der Grundlage der vorgelegten Dokumente wies die Kommission ihn mit Schreiben vom darauf hin, dass sie nicht ausschließen könne, dass die fraglichen Steuervorbescheide mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen enthielten.
23 Am eröffnete die Kommission das in Art. 108 Abs. 2 AEUV vorgesehene förmliche Prüfverfahren. Der Eröffnungsbeschluss wurde am im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.
24 Es fanden mehrere Schriftwechsel statt, und am wurde im Rahmen des Verfahrens ein Treffen abgehalten, dessen Einzelheiten in den Rn. 55 bis 62 des angefochtenen Urteils aufgeführt sind.
D. Streitiger Beschluss
25 Am erließ die Kommission den streitigen Beschluss, in dem sie im Wesentlichen zu dem Ergebnis kam, dass das Großherzogtum Luxemburg durch seine Steuerverwaltung der Engie-Gruppe, die als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen sei, unter Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 3 AEUV einen selektiven Vorteil gewährt habe.
26 Ohne die luxemburgische Steuergesetzmäßigkeit der gesamten von der Engie-Gruppe für die Übertragung der beiden Geschäftsbereiche von LNG Trading und CEF geschaffenen Finanzierungsstruktur in Frage zu stellen, beanstandete die Kommission die Auswirkungen dieser Struktur auf die gesamte Steuerschuld der Gruppe, da letztlich nahezu alle von den Tochtergesellschaften von Engie in Luxemburg erzielten Gewinne tatsächlich unversteuert geblieben seien, insbesondere aufgrund der in Art. 166 LIR vorgesehenen Befreiung.
27 Die Zurechenbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide an den Mitgliedstaat ergebe sich daraus, dass diese Bescheide von der luxemburgischen Steuerverwaltung erteilt worden seien und zu einem Verlust von Steuereinnahmen geführt hätten.
28 Zur Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils vertrat die Kommission die Ansicht, dass dieser in der Nichtbesteuerung der Erträge der von der LNG Holding und der CEF gehaltenen Beteiligungen bestehe. Aus wirtschaftlicher Sicht entsprächen diese Erträge den ZORA-Akkretionen, die von LNG Supply und von GSTM als Aufwand von ihrer Steuerbemessungsgrundlage abgezogen worden seien.
29 Die ZORA-Akkretionen würden weder auf der Ebene der Tochtergesellschaften noch auf der Ebene der Zwischengesellschaften noch auf der Ebene der Holdinggesellschaften besteuert, da die Tochtergesellschaften nur eine Steuer entrichteten, deren Bemessungsgrundlage einer mit den luxemburgischen Steuerbehörden vereinbarten begrenzten Marge entspreche.
30 So wies die Kommission darauf hin, dass die Tochtergesellschaften im Hinblick auf die künftige Umwandlung der betreffenden ZORAs jedes Jahr den ZORA-Akkretionen entsprechende Betriebsrücklagen bildeten, die als abzugsfähige Aufwendungen gälten. Die Zwischengesellschaften würden nicht auf die ZORA-Akkretionen besteuert, da bei der Umwandlung der ZORAs den Zwischengesellschaften gemäß den mit den betreffenden Holdinggesellschaften abgeschlossenen vorausbezahlten Terminkaufverträgen ein Verlust in Höhe des Betrags der ZORA-Akkretionen entstünden. Schließlich würden auch nicht die betreffenden Holdinggesellschaften, die gemäß den vorausbezahlten Terminkaufverträgen bei Fälligkeit der ZORAs Eigentümer der Anteile der Tochtergesellschaften seien, besteuert, da die aus der Umwandlung der ZORAs erzielten Erträge aus Beteiligungen nach den fraglichen Steuervorbescheiden gemäß Art. 166 LIR von der Steuer befreit seien.
31 Zur Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide stützte sich die Kommission, wie insbesondere aus den Erwägungsgründen 163 bis 170 und 237 des streitigen Beschlusses hervorgeht, in erster Linie auf drei Argumentationslinien. Die ersten beiden betreffen das Vorliegen eines selektiven Vorteils auf der Ebene der Holdinggesellschaften, und zwar zunächst unter Berücksichtigung eines auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem erweiterten Referenzrahmens und sodann unter Berücksichtigung eines auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Befreiung von Erträgen aus Beteiligungen beschränkten Referenzrahmens. Eine dritte Argumentationslinie betrifft das Vorliegen eines Vorteils auf der Ebene der Engie-Gruppe unter Berücksichtigung eines auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem erweiterten Referenzrahmens. Außerdem geht aus dem 289. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses hervor, dass die Kommission mit einer vierten, hilfsweise vorgetragenen Argumentationslinie der Ansicht war, dass sich ein selektiver Vorteil daraus ergebe, dass die luxemburgischen Steuerbehörden den Rechtsmissbrauch betreffenden Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes vom (Mémorial A 1934, S. 9001) nicht angewandt hätten. Ferner war dieser selektive Vorteil nach Ansicht der Kommission nicht gerechtfertigt.
32 Zur ersten Argumentationslinie führte die Kommission aus, dass die fraglichen Steuervorbescheide der Engie-Gruppe auf der Ebene der Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, da sie vom luxemburgischen Körperschaftsteuersystem abwichen, das sich aus den Art. 18, 23, 40, 159 und 163 LIR ergebe, nach denen die in Luxemburg ansässigen, der Körperschaftsteuer dieses Staates unterliegenden Gesellschaften auf ihren in ihren Jahresabschlüssen festgestellten Gewinn besteuert würden. Die zur Definition eines Referenzrahmens vorgenommene Bestimmung eines sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Ziels stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, und dieses Ziel, nämlich die Besteuerung des Gewinns aller in Luxemburg steuerpflichtigen Gesellschaften, gehe eindeutig aus diesen Bestimmungen hervor. Die Berücksichtigung eines auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem erweiterten Referenzrahmens stehe auch im Einklang mit dieser Rechtsprechung, da der Gerichtshof wiederholt entschieden habe, dass im Zusammenhang mit Maßnahmen über die Körperschaftsteuer der Referenzrahmen im Licht des Körperschaftsteuersystems und nicht im Hinblick auf spezifische Bestimmungen, die für bestimmte Steuerzahler oder für bestimmte Transaktionen gälten, definiert werden könne.
33 Die luxemburgischen Steuerbehörden seien mit den fraglichen Steuervorbescheiden jedoch von diesem Rahmen abgewichen, indem sie gebilligt hätten, dass die Erträge der betreffenden Holdinggesellschaften aus Beteiligungen, die aus wirtschaftlicher Sicht den ZORA-Akkretionen entsprochen hätten, nicht besteuert würden. Diese Bescheide hätten auch zu einer Diskriminierung zugunsten dieser Holdinggesellschaften geführt, da die in Luxemburg der Körperschaftsteuer unterliegenden Gesellschaften im Unterschied zu diesen Holdinggesellschaften auf ihren in ihren Jahresabschlüssen ausgewiesenen Gewinn besteuert würden.
34 In Bezug auf die zweite Argumentationslinie vertrat die Kommission die Ansicht, dass die fraglichen Steuervorbescheide der Engie-Gruppe auf der Ebene der Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, da sie von dem auf die Bestimmungen über die Befreiung von Erträgen aus Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen nach den Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmen abwichen. Die Befreiung von Erträgen aus Beteiligungen sei für eine Muttergesellschaft nämlich nur dann möglich, wenn die ausgeschütteten Gewinne zuvor auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft besteuert worden seien. Die auf der Ebene der Holdinggesellschaften steuerbefreiten Erträge aus Beteiligungen entsprächen wirtschaftlich jedoch den von den Tochtergesellschaften von ihrer Steuerbemessungsgrundlage als Aufwendungen abgezogenen ZORA-Akkretionen.
35 Die Kommission vertrat im 212. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses die Ansicht, dass diese Akkretionen in Anbetracht des direkten und klaren Zusammenhangs zwischen den auf der Ebene der Holdinggesellschaften steuerbefreiten Erträgen und den auf der Ebene der Tochtergesellschaften abgezogenen ZORA-Akkretionen aus wirtschaftlicher Sicht Gewinnausschüttungen gleichzusetzen seien. Die Abweichung vom beschränkten Referenzrahmen habe zu einer Diskriminierung zugunsten der betreffenden Holdinggesellschaften geführt, da die Muttergesellschaften, die sich in einer mit diesen Holdinggesellschaften vergleichbaren Sach- und Rechtslage befänden, für ihre Erträge aus Beteiligungen keine Befreiung erhalten könnten, wenn die auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaften ausgeschütteten Gewinne nicht zuvor besteuert würden.
36 Das Fehlen eines ausdrücklichen Zusammenhangs zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR könne an dieser Feststellung nichts ändern, da dieselben Erträge, wenn sie auf der Ebene der Muttergesellschaft von der Steuer befreit und auf der Ebene der Tochtergesellschaft als Aufwand abgezogen werden könnten, in Luxemburg völlig steuerfrei blieben, was sowohl dem Ziel des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems als auch dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung zuwiderliefe.
37 In Bezug auf die dritte Argumentationslinie führte die Kommission aus, dass sich die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide auch aus einer Prüfung auf der Ebene der Gruppe ergebe, die sich aus den betreffenden Holdinggesellschaften, Zwischengesellschaften und Tochtergesellschaften zusammensetze, da diese Gesellschaften ab dem Jahr 2015 eine einzige steuerliche Einheit gebildet hätten, indem sie ihre Steuern auf konsolidierter Basis entrichtet hätten. Da die wirtschaftlichen Auswirkungen staatlicher Maßnahmen unternehmensspezifisch zu analysieren seien, müssten Holdinggesellschaften, Zwischengesellschaften und Tochtergesellschaften als Teil desselben Unternehmens im Sinne des Beihilferechts betrachtet werden. Die Kommission fügte zum einen hinzu, dass sich die Anträge auf Erteilung von Steuervorbescheiden auf die steuerliche Behandlung aller an den fraglichen Transaktionen beteiligten Gesellschaften des Engie-Konzerns bezogen hätten, und zum anderen, dass der wirtschaftliche Vorteil, von dem diese Gruppe profitiert habe, in der Kombination einer Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften und einem Abzug der ZORA-Akkretionen als Aufwand auf der Ebene der Tochtergesellschaften bestanden habe. Der der Engie-Gruppe verschaffte selektive Vorteil ergebe sich daraus, dass die Steuervorbescheide von dem Referenzrahmen abwichen, der dem luxemburgischen Körperschaftsteuersystem entspreche, das darauf abziele, in Luxemburg steuerpflichtige Unternehmen auf ihren in ihren Jahresabschlüssen ausgewiesenen Gewinn zu besteuern.
38 Die Verringerung der Steuerlast auf der Ebene der Tochtergesellschaften infolge des Abzugs der ZORA-Akkretionen von der Steuerbemessungsgrundlage dieser Tochtergesellschaften als Aufwand werde nämlich nicht durch eine Erhöhung der Steuerlast auf der Ebene der Holdinggesellschaften oder durch eine Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage der Zwischengesellschaften ausgeglichen, was faktisch zu einer Verringerung der kombinierten Steuerbemessungsgrundlage der Engie-Gruppe in Luxemburg geführt habe. Andere Unternehmensgruppen in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage wie diese Gruppe könnten jedoch keine solche Verringerung ihrer kombinierten Bemessungsgrundlage erlangen.
39 Die hilfsweise von der Kommission vorgenommene Prüfung beruht darauf, dass die luxemburgischen Steuerbehörden mit den fraglichen Steuervorbescheiden die Anwendung von Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes abgelehnt hätten, obwohl die von der luxemburgischen Rechtsprechung zur Feststellung eines Rechtsmissbrauchs entwickelten vier Kriterien, nämlich die Verwendung privatrechtlicher Formen oder Institutionen, die Verringerung der Steuerschuld, die Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung oder das Fehlen nicht steuerbezogener Gründe erfüllt gewesen seien.
40 Was insbesondere die beiden letztgenannten Kriterien angeht, war die Kommission der Ansicht, dass die praktische Nichtbesteuerung des von den Tochtergesellschaften in Luxemburg erzielten Gewinns nicht möglich gewesen wäre, wenn die Übertragung der Geschäftsbereiche durch ein Eigenkapitalinstrument oder ein Darlehen zwischen den betreffenden Tochtergesellschaften und Holdinggesellschaften erfolgt wäre. Zudem habe es für die Engie-Gruppe außer der Erzielung erheblicher Steuerersparnisse keinen tatsächlichen wirtschaftlichen Grund gegeben, um sich für die komplexen Finanzierungsstrukturen zu entscheiden, die durch die fraglichen Steuervorbescheide gebilligt worden seien.
41 Die Kommission war ferner der Ansicht, dass der betreffende Mitgliedstaat keine Rechtfertigung für die günstigere Behandlung der Holdinggesellschaften vorgebracht habe. Sie schloss daraus, dass diese Behandlung nicht durch den allgemeinen Aufbau des luxemburgischen Steuersystems gerechtfertigt werden könne. Jedenfalls könne eine hypothetische, auf die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gestützte Rechtfertigung im Ergebnis nicht durchgreifen.
42 Die Kommission führte aus, dass die Engie-Gruppe im Hinblick auf ihre zahlreichen Tätigkeitsbereiche in mehreren Mitgliedstaaten durch die ihr auf der Grundlage der fraglichen Steuervorbescheide gewährte steuerliche Behandlung von einer Steuerschuld befreit worden sei, die sie sonst bei der täglichen Ausübung ihrer normalen Geschäftstätigkeit hätte tragen müssen. Folglich hätten diese Steuervorbescheide den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen gedroht.
43 Da die Kommission die gewährte Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig hielt, ordnete sie gegenüber dem Großherzogtum Luxemburg in Bezug auf die von dem ersten Komplex der fraglichen Steuervorbescheide erfassten Vorgänge an, die im Jahr 2014 durch die teilweise Umwandlung des zugunsten von LNG Supply abgeschlossenen ZORA bereits realisierte Beihilfe sofort von LNG Holding und andernfalls von Engie oder von ihren Rechtsnachfolgern oder von den Gesellschaften der Engie-Gruppe zurückzufordern. In Bezug auf die von dem zweiten Komplex der fraglichen Steuervorbescheide erfassten Vorgänge ordnete sie gegenüber diesem Mitgliedstaat an, diese Bescheide im Hinblick auf die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen, von denen LNG Holding und CEF gegebenenfalls bei der vollständigen Umwandlung der zugunsten von LNG Supply und GSTM abgeschlossenen ZORAs profitieren würden, unangewendet zu lassen.
44 Die Kommission wies darauf hin, dass eine solche Rückforderung nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoße, und sie wies die vom Großherzogtum Luxemburg und von Engie u. a. vorgetragenen Rügen zurück, mit denen Verfahrensfehler im förmlichen Prüfverfahren geltend gemacht worden waren.
II. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
45 Mit Klageschriften, die am 30. August bzw. bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben das Großherzogtum Luxemburg (Rechtssache T-516/18) und Engie u. a. (Rechtssache T-525/18) Klagen auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.
46 Mit Schriftsatz, der am bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte das Großherzogtum Luxemburg gemäß Art. 28 Abs. 5 der damals geltenden Verfahrensordnung des Gerichts, dass die Rechtssache T-516/18 von einem erweiterten Spruchkörper entschieden werde. Das Gericht gab diesem Antrag statt.
47 Mit Beschluss des Präsidenten der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts vom wurde Irland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Großherzogtums Luxemburg in der Rechtssache T-516/18 zugelassen.
48 Mit Beschluss des Gerichts vom wurde die Rechtssache T-516/18 gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts seiner Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen.
49 Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts vom wurden die Rechtssachen T-516/18 und T-525/18 nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden. Mit demselben Beschluss wurde gemäß den vom Großherzogtum Luxemburg sowie von Engie u. a. gestellten Anträgen auf vertrauliche Behandlung entschieden, aus der Irland zugänglichen Akte die vertraulichen Daten zu entfernen.
50 Das Großherzogtum Luxemburg stützte seine Klage auf sechs Klagegründe, mit denen es erstens eine fehlerhafte Beurteilung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide durch die Kommission, zweitens eine Verkennung des Begriffs des Vorteils, drittens eine versteckte Steuerharmonisierung durch die Kommission unter Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV, viertens eine Verletzung von Verfahrensrechten, fünftens, hilfsweise, einen Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Rückforderung der angeblich gewährten Beihilfen und sechstens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht rügte.
51 Engie u. a. stützten ihre Klage auf acht Klagegründe, von denen sechs mit denen des Großherzogtums Luxemburg übereinstimmten. Engie u. a. machten außerdem geltend, dass die fraglichen Steuervorbescheide nicht dem Staat zuzurechnen seien und die Kommission sie jedenfalls zu Unrecht als Einzelbeihilfen eingestuft habe.
52 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht, nachdem es die Rechtssachen T-516/18 und T-525/18 zu diesem Zweck verbunden hatte, sämtliche in diesen Klagen geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen und die Klagen in vollem Umfang abgewiesen.
53 Zunächst hat das Gericht die Klagegründe zurückgewiesen, mit denen gerügt wurde, dass die Kommission mit dem Erlass des streitigen Beschlusses eine versteckte Steuerharmonisierung vorgenommen habe, indem es darauf hingewiesen hat, dass die direkten Steuern beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen, diese ihre Befugnis jedoch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssten.
54 Das Gericht hat ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung dann, wenn steuerliche Maßnahmen in der Praxis zu einer unterschiedlichen Behandlung der Gesellschaften führten, die sich im Hinblick auf das mit diesen Maßnahmen verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Lage befänden, und den Empfängern der Maßnahmen selektive Vorteile verschafften, die „bestimmte” Unternehmen oder „bestimmte” Produktionszweige begünstigten, diese Maßnahmen als eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden könnten. Daher hat es befunden, dass in Anbetracht dessen, dass die Kommission dafür zuständig sei, über die Einhaltung von Art. 107 AEUV zu wachen, ihr nicht vorgeworfen werden könne, ihre Befugnisse überschritten zu haben, als sie die fraglichen Steuervorbescheide geprüft habe, um zu untersuchen, ob sie eine staatliche Beihilfe darstellten und gegebenenfalls mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vereinbar seien.
55 Insoweit hat das Gericht entschieden, dass die Kommission bei der Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide nicht ihre eigene Auslegung des luxemburgischen Steuerrechts vorgegeben habe, sondern sich an die Darlegung der Bestimmungen dieses Rechts gehalten und dazu nicht auf ihre eigene Auslegung dieses Rechts abgestellt habe, sondern auf die der luxemburgischen Steuerbehörden.
56 Wie sich aus den Rn. 138 bis 153 des angefochtenen Urteils ergibt, hat das Gericht befunden, dass die Kommission im Rahmen der Kontrolle der steuerlichen Maßnahmen im Bereich staatlicher Beihilfen die nationalen Steuervorschriften selbst beurteilen könne, wobei diese Beurteilung gegebenenfalls von dem betreffenden Mitgliedstaat oder etwaigen Beteiligten im Rahmen einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht angefochten werden könne. Die Kommission habe im vorliegenden Fall nur eine Beurteilung der durch das luxemburgische Steuerrecht – wie es von den luxemburgischen Steuerbehörden angewandt werde – bestimmten sogenannten „normalen” Besteuerung vornehmen können. Damit habe sie keine „steuerliche Harmonisierung” vorgenommen, sondern von der ihr durch Art. 107 Abs. 1 AEUV verliehenen Befugnis Gebrauch gemacht.
57 Sodann hat das Gericht die Klagegründe, mit denen Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Feststellung eines selektiven Vorteils zugunsten der Engie-Gruppe gerügt wurden, für unbegründet erklärt. Es hat insbesondere den Klagegrund von Engie u. a. zurückgewiesen, wonach die Kommission unter Verwechslung der Kriterien der Selektivität und des Vorteils das Vorliegen eines solchen Vorteils aus einer angeblichen Abweichung nicht von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage, sondern von einem Ziel abgeleitet habe, das darin bestanden habe, unter allen Umständen die Gewinne körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen zu besteuern. Das Gericht hat insoweit befunden, dass Selektivität und Vorteil zwar grundsätzlich zwei unterschiedliche Kriterien darstellten, doch falle in Steuersachen die Prüfung des Vorteils mit der Prüfung der Selektivität zusammen, da diese beiden Kriterien den Nachweis verlangten, dass die beanstandete steuerliche Maßnahme zu einer Verringerung des Steuerbetrags führe, den der durch diese Maßnahme Begünstigte normalerweise nach der allgemeinen – d. h. für die anderen, in derselben Situation befindlichen Steuerpflichtigen geltenden – steuerrechtlichen Regelung hätte zahlen müssen. Im Übrigen könnten diese beiden Kriterien nach der Rechtsprechung gemeinsam als die das Vorliegen eines „selektiven Vorteils” betreffende „dritte Bedingung” im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV geprüft werden.
58 Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 239 bis 253 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass sich die Kommission – unabhängig von der Begründetheit aller im streitigen Beschluss wiedergegebenen Erwägungen – bemüht habe, nachzuweisen, dass die fraglichen Steuervorbescheide zu einer Verringerung der insbesondere von den betreffenden Holdinggesellschaften bei Anwendung normaler Steuerregelungen normalerweise geschuldeten Steuer geführt hätten und dass diese Maßnahmen folglich eine Abweichung von den für andere Steuerpflichtige in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage geltenden Steuervorschriften darstellten. Angesichts der steuerlichen Natur dieser Maßnahmen hat das Gericht befunden, dass es mit der Rechtsprechung vereinbar sei, dass die Kommission die Voraussetzungen für die durch diese Maßnahmen erfolgende Gewährung selektiver Vorteile gleichzeitig prüfe.
59 Des Weiteren hat das Gericht die Klagegründe des Großherzogtums Luxemburg und von Engie u. a. zurückgewiesen, mit denen gerügt wurde, dass die Kommission den Referenzrahmen fälschlicherweise auf die für rein innerstaatliche Sachverhalte geltenden Bestimmungen reduziert habe. Das Gericht hat insoweit darauf hingewiesen, dass es sich bei dem fraglichen Sachverhalt um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt handele, da sowohl die betreffenden Holdinggesellschaften als auch die betreffenden Tochter- und Zwischengesellschaften in Luxemburg ansässig seien. Folglich unterlägen die steuerlichen Situationen dieser Gesellschaften derselben Steuerbehörde, so dass die der Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen und der Beteiligung verschiedener Steuerhoheiten eigenen Gefahren einer Doppelbesteuerung, die im Fall grenzüberschreitender Ausschüttungen bestehen könnten, nicht aufträten.
60 Was den Referenzrahmen selbst betrifft, ist das Gericht in den Rn. 288 bis 301 des angefochtenen Urteils ebenso wenig dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie u. a. gefolgt, wonach die Definition eines auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmens auf einer fehlerhaften Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen beruhe. Die Rechtsmittelführer machten insbesondere zum einen geltend, dass ein ZORA keine Gewinnausschüttung im Sinne des ersten dieser Artikel impliziere, und zum anderen, dass der zweite dieser Artikel nicht dahin ausgelegt werden könne, dass er die Befreiung auf der Ebene einer Muttergesellschaft davon abhängig mache, dass die während des ZORA erzielten Erträge nicht auf der Ebene der Tochtergesellschaft abgezogen würden. Das Gericht hat als Erstes zwar anerkannt, dass Art. 166 LIR die Gewährung der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft formal nicht von der vorherigen Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft abhängig mache, gleichwohl aber befunden, dass eine solche Befreiung nur dann gewährt werden könne, wenn die von einer Tochtergesellschaft ausgeschütteten Erträge zuvor besteuert worden seien, es sei denn, man ziehe bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt die Hypothese einer doppelten Nichtbesteuerung von Gewinnen in Betracht. Als Zweites hat das Gericht zwar auch eingeräumt, dass es sich bei den ZORA-Akkretionen formal nicht um Gewinnausschüttungen handele, doch hat es in Rn. 300 des angefochtenen Urteils befunden, dass die auf der Ebene der LNG Holding befreiten Erträge aus Beteiligungen im Wesentlichen dem Betrag dieser Akkretionen entsprächen, so dass diese „unter den ganz besonderen Umständen des vorliegenden Falles und unter Berücksichtigung der Unternehmensstruktur mit einer Holding, einer Zwischengesellschaft und einer Tochtergesellschaft materiell Gewinnausschüttungen entsprechen”.
61 Das Großherzogtum Luxemburg und Engie u. a. haben geltend gemacht, dass erstens Art. 164 LIR im luxemburgischen Recht nur die Gewinnausschüttungen regele, nicht aber das ZORA, das zunächst ein Schuldtitel und sodann ein Kapitalinstrument sei, und dass kein unmittelbarer und offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften bestehe, dass zweitens die Erhöhung des Wertes der ZORAs zum Zeitpunkt ihrer Ausgabe ungewiss gewesen sei, dass drittens die Art. 164 und 166 LIR bei isolierter Betrachtung korrekt angewandt worden seien, dass viertens die Kommission keinen Verstoß gegen diese beiden Bestimmungen, jeweils für sich genommen, nachgewiesen habe, und dass fünftens die Kommission keine Vorzugsbehandlung der Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften nachgewiesen habe.
62 Insoweit hat das Gericht erstens darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall die Erträge, die LNG Holding aufgrund des vorausbezahlten Terminkaufvertrags erzielt habe, wirtschaftlich gesehen in Wirklichkeit dem Betrag der vor der teilweisen Umwandlung dieses ZORA erzielten ZORA-Akkretionen entsprächen. Es hat hervorgehoben, dass die Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften zwar formal ein von der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften getrennter Vorgang sei, doch bestehe in Wirklichkeit eine unmittelbare Verbindung zwischen diesen beiden Vorgängen, so dass die Kommission zu Recht die Auffassung habe vertreten können, dass die luxemburgische Steuerverwaltung von dem auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmen abgewichen sei.
63 Zweitens hat das Gericht in Bezug auf den ungewissen Wert eines ZORA zum Zeitpunkt seiner Ausgabe sowie zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide befunden, dass eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellen könne, auch wenn sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Maßnahme noch kein selektiver Vorteil verwirklicht habe. Die fehlende Verwirklichung eines solchen Vorteils stehe nicht der Einstufung dieser Maßnahme als staatliche Beihilfe entgegen, sondern nur der Rückforderung dieser Beihilfe. Im vorliegenden Fall schließe der Umstand, dass die Erzielung von Gewinnen durch die betreffenden Tochtergesellschaften am Tag des Abschlusses des ZORA ungewiss geblieben sei, weder das Vorliegen eines den Holdinggesellschaften gewährten selektiven Vorteils noch das Vorliegen einer Abweichung der luxemburgischen Steuerverwaltung von diesem beschränkten Referenzrahmen aus.
64 Drittens hat das Gericht entschieden, dass nach luxemburgischem Recht ein Zusammenhang zwischen der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft und der Abzugsfähigkeit der ausgeschütteten Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft bestehe. Eine solche Befreiung könne nicht angewandt werden, ohne dass zuvor geprüft worden sei, ob die entsprechenden Erträge auf der Ebene der Tochtergesellschaft besteuert worden seien. Im vorliegenden Fall hätten die von der Muttergesellschaft LNG Holding erzielten Erträge aus Beteiligungen, die wirtschaftlich gesehen den ZORA-Akkretionen entsprächen, normalerweise nicht von der Steuer befreit werden können, da diese Akkretionen von ihrer Tochtergesellschaft LNG Supply als Aufwand abgezogen worden seien. Das Gericht hat daraus geschlossen, dass die Kommission zu Recht davon habe ausgehen können, dass die Abzugsfähigkeit von Erträgen auf der Ebene der Tochtergesellschaft und ihre spätere Befreiung auf der Ebene der Muttergesellschaft von dem auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmen abwichen.
65 Viertens hat das Gericht befunden, dass das Vorliegen einer Abweichung von diesem Referenzrahmen entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg nicht anhand der jeweils gesondert betrachteten Art. 164 und 166 LIR, sondern im Licht einer Kombination dieser Bestimmungen zu beurteilen sei.
66 Fünftens ist das Gericht auf das Vorbringen eingegangen, wonach die Kommission das Vorliegen einer Vorzugsbehandlung der Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften nicht nachgewiesen habe, obgleich sie typische und spezifische Merkmale der von den fraglichen Steuervorbescheiden begünstigten Unternehmen hätte ermitteln müssen, aufgrund deren sie von denjenigen unterschieden werden könnten, die davon ausgeschlossen seien. Es hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Voraussetzung der Selektivität erfüllt sei, wenn die Kommission nachweisen könne, dass eine nationale Maßnahme, die einen Steuervorteil verschaffe, von der in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen oder „normalen” Steuerregelung abweiche und damit durch ihre konkreten Auswirkungen eine unterschiedliche Behandlung von Wirtschaftsteilnehmern einführe, die sich im Hinblick auf das mit dieser Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden. Außerdem könne nach der Rechtsprechung eine steuerliche Maßnahme selektiv sein, auch wenn sich jedes Unternehmen frei dafür entscheiden könne, den Vorgang durchzuführen, von dem die Gewährung des in dieser Maßnahme vorgesehenen Vorteils abhänge. Im vorliegenden Fall hat die Kommission nach den Ausführungen des Gerichts in den Rn. 304 bis 381 des angefochtenen Urteils rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die betreffenden Holdinggesellschaften gegenüber jeder Muttergesellschaft, die Erträge aus Beteiligungen habe vereinnahmen können, die zum Zeitpunkt ihrer Ausschüttung nicht besteuert worden seien, in den Genuss einer steuerlichen Vorzugsbehandlung gekommen seien. Der Umstand, dass andere Holdinggesellschaften als CEF und LNG Holding identische Steuervorbescheide erhalten hätten, sei allenfalls ein Indiz für eine etwaige Beihilferegelung und nicht für das Fehlen einer Diskriminierung.
67 Ergänzend hat das Gericht in Rn. 383 des angefochtenen Urteils befunden, dass es angebracht sei, die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf den Referenzrahmen, der den Rechtsmissbrauch betreffenden Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes beinhalte, zu prüfen, da die insoweit von der Kommission gewählte Argumentation neuartig sei. Das Gericht hat als Erstes ausgeführt, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg bereits im Beschluss zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens auf die Nichtanwendung dieser Bestimmung durch die luxemburgischen Behörden hingewiesen und anschließend das Großherzogtum Luxemburg und die Engie-Gruppe aufgefordert habe, zu diesem Punkt ergänzende Stellungnahmen abzugeben. Als Zweites hat das Gericht hervorgehoben, dass die Kommission auf die luxemburgische Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis verwiesen habe, obwohl Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes im vorliegenden Fall keine Auslegungsschwierigkeiten aufwerfe. Als Drittes hat das Gericht befunden, dass die Kriterien für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs nach luxemburgischem Recht im vorliegenden Fall erfüllt seien. Daraus hat es geschlossen, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die luxemburgische Steuerverwaltung von dem Referenzrahmen abgewichen sei, der Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes beinhalte.
68 Das Gericht hat auch die übrigen Klagegründe zurückgewiesen.
III. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien der Rechtsmittelverfahren
A. Rechtssache C-451/21 P
69 Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Großherzogtum Luxemburg,
das angefochtene Urteil aufzuheben,
endgültig in der Sache zu entscheiden und seinen im ersten Rechtszug gestellten Anträgen durch Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses stattzugeben,
hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
70 Die Kommission beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen und
dem Großherzogtum Luxemburg die Kosten aufzuerlegen.
71 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom , Luxemburg/Kommission (C-451/21 P, EU:C:2021:858), ist angeordnet worden, dass die in der nicht vertraulichen Fassung der Rechtsmittelschrift und deren Anlagen 2, 3 und 11, die das Großherzogtum Luxemburg am bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingereicht hat, geschwärzten Informationen gegenüber Irland als Streithelfer im ersten Rechtszug vertraulich zu behandeln sind; nur diese nicht vertrauliche Fassung ist Irland zugestellt worden.
B. Rechtssache C-454/21 P
72 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen Engie u. a.,
das angefochtene Urteil aufzuheben,
ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben oder, hilfsweise, Art. 2 des streitigen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als darin die Rückforderung der Beihilfe angeordnet wird,
weiter hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und
der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
73 Die Kommission beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen und
Engie u. a. die Kosten aufzuerlegen.
IV. Zu den Rechtsmitteln
74 Da die vorliegenden Rechtssachen miteinander in Zusammenhang stehen, sind sie gemäß Art. 54 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem Urteil zu verbinden.
A. Zur Zulässigkeit
75 Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission erstens geltend, dass der erste Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-451/21 P und der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-454/21 P, mit denen das Großherzogtum Luxemburg und Engie u. a. jeweils rügten, das Gericht habe zur Feststellung des Vorliegens eines selektiven Vorteils zu Unrecht einen auf die Art. 164 und 166 LIR reduzierten Referenzrahmen herangezogen und diesen Referenzrahmen zu Unrecht auf Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes erweitert, unzulässig seien. Nach Ansicht der Kommission verändern diese Gründe, die erstmals im Rechtsmittelverfahren vorgebracht worden seien, den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand. Die Kommission trägt zweitens vor, dass auch der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-451/21 P sowie der erste und der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-454/21 P unzulässig seien, da die Parteien damit die vom Gericht vorgenommene Würdigung des luxemburgischen Rechts in Frage stellten, die eine Tatsachenwürdigung darstelle und folglich mangels einer Verfälschung dieses Rechts im Rahmen eines Rechtsmittels nicht geprüft werden könne.
76 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Zuständigkeit des Gerichtshofs, über ein gegen eine Entscheidung des Gerichts eingelegtes Rechtsmittel zu befinden, in Art 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV geregelt ist. Danach ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen zu beschränken und „nach Maßgabe der Bedingungen und innerhalb der Grenzen [einzulegen], die innerhalb der Satzung vorgesehen sind”. In einer abschließenden Aufzählung der Rechtsmittelgründe, die in diesem Rahmen geltend gemacht werden können, stellt Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union klar, dass das Rechtsmittel auf eine Verletzung des Unionsrechts durch das Gericht gestützt werden kann (Urteil vom , Edwin/HABM, C-263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 46).
77 Zwar kann der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Rechtsmittels Beurteilungen des nationalen Rechts durch das Gericht prüft, die im Bereich des Beihilfenrechts Tatsachenwürdigungen darstellen, grundsätzlich nur prüfen, ob dieses Recht verfälscht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dem Gerichtshof kann jedoch nicht die Möglichkeit genommen werden, nachzuprüfen, ob solche Beurteilungen nicht selbst eine Verletzung des Unionsrechts im Sinne der in Rn. 76 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darstellen.
78 Die Frage, ob das Gericht den einschlägigen Referenzrahmen angemessen abgegrenzt und damit die ihn bildenden Bestimmungen richtig ausgelegt hat, ist jedoch eine Rechtsfrage, die Gegenstand einer Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren sein kann. Vorbringen, mit dem die Wahl des Referenzrahmens oder seine Bedeutung im ersten Schritt der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils in Frage gestellt wird, ist nämlich zulässig, da diese Prüfung auf einer rechtlichen Qualifizierung des nationalen Rechts auf der Grundlage einer unionsrechtlichen Vorschrift beruht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).
79 Ließe man zu, dass der Gerichtshof nicht die Möglichkeit hätte, festzustellen, ob sich das Gericht die Abgrenzung des maßgeblichen Referenzrahmens sowie dessen Auslegung und Anwendung als entscheidenden Parameter bei der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils rechtsfehlerfrei zu eigen gemacht hat, liefe das darauf hinaus, die Möglichkeit in Kauf zu nehmen, dass das Gericht gegebenenfalls eine Bestimmung des Primärrechts der Union, nämlich Art. 107 Abs. 1 AEUV, verletzt hat, ohne dass diese Verletzung im Rahmen des Rechtsmittels festgestellt werden könnte, was gegen Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV verstieße, wie in Rn. 76 des vorliegenden Urteils hervorgehoben worden ist.
80 Daher ist davon auszugehen, dass das Großherzogtum Luxemburg und Engie u. a. mit dem an den Gerichtshof gerichteten Ersuchen um Prüfung, ob zum einen die vom Gericht gebilligte Beschränkung des Referenzrahmens durch die Kommission allein auf die Art. 164 und 166 LIR oder seine Erweiterung auf Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes und zum anderen die diesen Bestimmungen sowohl von der Kommission als auch vom Gericht beigemessene Bedeutung einer Auslegung und Anwendung dieser Bestimmungen entspricht, die es bei der Prüfung des Vorliegens eines selektiven Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ermöglicht, die normale Besteuerung zu bestimmen, Rechtsmittelgründe vorgebracht haben, die entgegen dem Vorbringen der Kommission zulässig sind.
B. Zur Begründetheit
81 Das Großherzogtum Luxemburg stützt sein Rechtsmittel in der Rechtssache C-451/21 P auf vier Gründe, mit denen es erstens rügt, dass das Gericht dadurch gegen Art. 107 AEUV verstoßen habe, dass es befunden habe, dass die Kommission das Vorliegen eines selektiven Vorteils, der den Holdinggesellschaften durch die fraglichen Steuervorbescheide gewährt worden sei, im Hinblick auf den aus den Art. 164 und 166 LIR bestehenden Referenzrahmen nachgewiesen habe, zweitens, dass das Gericht dadurch gegen Art. 107 AEUV verstoßen habe, dass es befunden habe, dass die Kommission das Vorliegen eines selektiven Vorteils, der der Engie-Gruppe durch die fraglichen Steuervorbescheide gewährt worden sei, nachgewiesen habe, weil Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes nicht angewandt worden sei, drittens einen Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV und viertens einen Verstoß des Gerichts gegen die ihm gemäß Art. 296 AEUV obliegende Begründungspflicht.
82 Engie u. a. stützen ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C-454/21 P auf drei Gründe, mit denen sie erstens rügen, dass dem Gericht bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Bestimmung des aus den Art. 164 und 166 LIR bestehenden Referenzrahmens Rechtsfehler und Tatsachenverfälschungen unterlaufen seien, zweitens, dass ihm Rechtsfehler und Tatsachenverfälschungen dadurch unterlaufen seien, dass es bejaht habe, dass die Kommission den Nachweis des Vorliegens eines selektiven Vorteils im Hinblick auf Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes erbracht habe, und drittens einen Verstoß des Gerichts gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie gegen das Verbot der Rückwirkung des Steuerrechts.
1. Zum ersten Grund der Rechtsmittel
a) Vorbringen der Parteien
83 Der erste Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-451/21 P besteht aus zwei Teilen.
84 Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht das Großherzogtum Luxemburg erstens geltend, dass sich aus der Rechtsprechung ergebe, dass im Steuerrecht das Vorliegen eines selektiven Vorteils nur im Verhältnis zu einer sogenannten „normalen” Besteuerung festgestellt werden könne. Indem sich das Gericht die Prüfung der Kommission zu eigen gemacht habe, habe es den zu diesem Vergleich dienenden Referenzrahmen jedoch künstlich auf zwei Bestimmungen reduziert, von denen eine auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, wie das Gericht im Übrigen ausdrücklich einräume. Diese Prüfung lasse andere Bestimmungen über die Bestimmung des Geschäftsgewinns der Gesellschaften außer Acht, obwohl die Rechtsprechung es der Kommission insoweit verbiete, sich auf einen Referenzrahmen zu stützen, der aus einigen Bestimmungen bestehe, die künstlich aus einem weiter gefassten rechtlichen Rahmen herausgelöst worden seien.
85 Zweitens habe das Gericht eine Auslegung contra legem der fraglichen Steuervorschriften bestätigt. Denn obgleich es selbst zum einen anerkenne, dass Art. 166 LIR die Gewährung der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft formal nicht von der vorherigen Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft abhängig mache, und zum anderen, dass es sich bei den ZORA-Akkretionen formal nicht um Gewinnausschüttungen im Sinne von Art. 164 LIR handele, habe es einen Rechtsfehler der Kommission jedoch verneint, als sie festgestellt habe, dass zwischen diesen Artikeln ein Zusammenhang bestehe, und angenommen habe, dass diese Befreiung nur für Erträge gelte, die nicht von der Bemessungsgrundlage der Tochtergesellschaft abgezogen worden seien.
86 Damit habe das Gericht den Referenzrahmen falsch bestimmt, den Sachverhalt rechtlich falsch bewertet und das luxemburgische Recht offenkundig verfälscht. Die Kommission und das Gericht hätten mit der Bestimmung dieses Referenzrahmens eine weitere Bedingung zu den damals in Art. 166 LIR aufgestellten beigefügt. Sie hätten auch den Anwendungsbereich von Art. 164 Abs. 2 LIR erweitert, da ZORA-Akkretionen keine Gewinnausschüttungen darstellten und daher nicht unter diesen Artikel fielen, obgleich sie als Aufwendungen abzugsfähig seien.
87 Die Argumentation der Kommission und des Gerichts verstoße gegen Art. 107 AEUV sowie gegen die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Steuer und der engen Auslegung von Steuergesetzen, die das luxemburgische Steuerrecht wie auch das Unionsrecht kennzeichneten.
88 Das Großherzogtum Luxemburg trägt vor, es wundere sich, dass sich das Gericht auf das vom Großherzogtum Luxemburg im Verwaltungsverfahren an die Kommission gerichtete Schreiben vom (im Folgenden: Schreiben vom ) bezogen habe. Dieses Schreiben bestätige nämlich keineswegs das Bestehen eines Zusammenhangs zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR, entgegen den Ausführungen des Gerichts, das eine Passage dieses Schreibens außerhalb seines Kontextes angeführt habe. Aus dem Schreiben gehe insbesondere hervor, dass diese Artikel „verschiedene Anwendungsbereiche” hätten. Das Gericht lasse bei seiner Begründung außer Acht, dass der Wortlaut der LIR eindeutig sei und daher nicht weiter oder enger als die darin enthaltenen Begriffe ausgelegt werden dürfe.
89 Auch in der Stellungnahme des Conseil d’État (Staatsrat, Luxemburg) vom (im Folgenden: Stellungnahme des Conseil d’État von 1965) zu der Vorgängerbestimmung des Art. 166 LIR im luxemburgischen Recht, auf die sich das Gericht ebenfalls bezogen habe, werde nicht erwähnt, dass es eine Voraussetzung für die Anwendung der Befreiungsregelung sei, dass die ausgeschütteten Gewinne zuvor besteuert worden seien.
90 Der vom Gericht gebilligte Referenzrahmen sei daher in Anbetracht der Bestimmungen, die es von seinem Anwendungsbereich ausnehme, nicht nur unvollständig, sondern auch fiktiv, da davon ausgegangen werde, dass ein Zusammenhang zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR bestehe.
91 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht das Großherzogtum Luxemburg erstens geltend, dass die Prämissen, auf denen die Feststellung einer Abweichung von dem aus den Art. 164 und 166 LIR bestehenden Referenzrahmen beruhe, fehlerhaft seien, da zum einen kein Zusammenhang zwischen der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft und der Abzugsfähigkeit der ausgeschütteten Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft bestehe und zum anderen ZORA-Akkretionen formal keine Gewinnausschüttungen seien, wie das Gericht im Übrigen anerkannt habe. Indem das Gericht einen Ansatz, der auf einer „sachlichen Entsprechung” zwischen diesen Bestimmungen beruhe, erstmals gebilligt habe, sei es vom klaren Wortlaut des luxemburgischen Steuerrechts abgewichen und habe die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Erinnerung gerufene Anforderung verkannt, dass das Vorliegen einer etwaigen Beihilfe anhand der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts zu beurteilen sei.
92 Zweitens seien dem Gericht Rechtsfehler unterlaufen, indem es sich auf das Vorliegen einer sich aus dem Zusammenwirken allgemeiner Bestimmungen ergebenden Abweichung vom Referenzrahmen gestützt habe. Weder stelle es in Frage, dass die Art. 164 und 166 LIR ordnungsgemäß angewandt worden seien, noch befinde es, dass diese Artikel als solche diskriminierend seien. Indem es sich jedoch auf das Zusammenwirken dieser Bestimmungen gestützt und auf die „wirtschaftliche und steuerliche Realität” der durchgeführten Vorgänge Bezug genommen habe, habe es den als „formalistischen Ansatz” bezeichneten Ansatz verworfen, um „das rechtliche Erscheinungsbild beiseitezulassen”.
93 Drittens seien dem Gericht Rechtsfehler in Bezug auf die Anforderung des Nachweises einer Diskriminierung gegenüber Unternehmen unterlaufen, die sich in einer mit der Engie-Gruppe vergleichbaren Lage befänden. Insbesondere habe es anerkannt, dass das von dieser Gruppe umgesetzte Finanzierungssystem für „alle offen” gewesen sei und andere Unternehmen rechtmäßig eine Anwendung der Steuervorschriften hätten erreichen können, die derjenigen entspreche, die für diese Gruppe gegolten habe.
94 Viertens sei dem Gericht auch dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen, dass es individuelle Maßnahmen zur Anwendung einer allgemeinen Steuerregelung als selektiv im Sinne von Art. 107 AEUV angesehen habe, deren Rechtmäßigkeit es nicht in Frage gestellt habe, und ebenso wenig in Abrede gestellt habe, dass alle die Möglichkeit zum Zugang zu dem von der Engie-Gruppe genutzten Finanzierungssystem hätten. Daher habe es die steuerliche Behandlung, die dieser Gruppe durch die fraglichen Steuervorbescheide gewährt worden sei, als selektiv angesehen, obgleich sich diese Behandlung aus der nicht selektiven Anwendung nationaler Vorschriften ergeben habe, die selbst nicht selektiv seien.
95 Der erste Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-454/21 P besteht aus vier Teilen. Der zweite, der dritte und der vierte Teil dieses Rechtsmittelgrundes, mit denen ein Rechtsfehler bzw. eine Tatsachenverfälschung hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR, ein Rechtsfehler und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler des Gerichts aufgrund seiner Annahme, dass ZORA-Akkretionen als Gewinnausschüttungen anzusehen seien, sowie ein Rechtsfehler und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler des Gerichts aufgrund seiner Annahme, dass die fraglichen Steuervorbescheide einen selektiven Vorteil verschafften, gerügt werden, entsprechen im Wesentlichen dem Vorbringen im ersten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-451/21 P.
96 Engie u. a. heben insbesondere hervor, dass sich das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR, auf das sich das Gericht gestützt habe, weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung noch aus der Verwaltungspraxis ergebe. Das Gericht habe im Übrigen anerkannt, dass der zweite dieser Artikel die Gewährung der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft formal nicht von der vorherigen Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft abhängig mache. Die Würdigung durch das Gericht widerspreche nicht nur dem Wortlaut dieser Artikel, sondern auch der luxemburgischen Steuerpraxis, wie sie vom Großherzogtum Luxemburg im Schreiben vom beschrieben worden sei. Damit habe das Gericht gegen den Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuer verstoßen und die in diesem Schreiben enthaltene Antwort sowie die Stellungnahme des Conseil d’État von 1965 verfälscht.
97 Das Gericht habe auch die rechtliche Einstufung der ZORAs, die konvertierbare Instrumente seien, die nacheinander zwei Definitionen entsprächen, zunächst der eines Schuldtitels und dann der eines Kapitalinstruments, außer Acht gelassen, doch sei diese Einstufung bei der Bestimmung der steuerlichen Behandlung jedes Steuerpflichtigen wesentlich. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, denn die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen einer bestimmten Maßnahme dürfe erst im Stadium des Nachweises einer Abweichung von den Steuervorschriften erfolgen, die den Referenzrahmen bildeten, der nur anhand der Art der fraglichen Instrumente und der einschlägigen nationalen Steuervorschriften bestimmt werden könne.
98 Die Kommission tritt dem ersten Grund der Rechtsmittel entgegen.
99 Sie macht insbesondere geltend, sie habe den auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmen nicht künstlich festgelegt. Im Übrigen habe sie primär zunächst einen weiter gefassten Referenzrahmen zugrunde gelegt, der dem luxemburgischen Körperschaftsteuersystem entspreche. In diesem weiter gefassten Rahmen stellten die in Art. 166 LIR vorgesehenen Steuerbefreiungen Ausnahmen vom allgemeinen Besteuerungsgrundsatz dar, während dies bei dem auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmen nicht mehr der Fall sei. Gleichwohl sei der Zusammenhang zwischen diesen Artikeln offensichtlich. Zwar treffe es zu, dass Art. 166 LIR keine ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 164 Abs. 2 LIR enthalte. Dies sei jedoch nicht entscheidend, und es müsse geprüft werden, ob diese Bestimmungen ein System bildeten, und der logische Zusammenhang untersucht werden, in dem sie stünden.
100 Außerdem sei eine wörtliche Auslegung nicht die einzig mögliche Auslegung des Steuergesetzes. In diesem Zusammenhang erinnert die Kommission daran, dass die Engie-Gruppe selbst die sich aus der Annullierung von Anteilen ergebenden Gewinne als Gewinnausschüttungen eingestuft habe. Der dem Schreiben vom entnommene und vom Gericht in Rn. 295 des angefochtenen Urteils angeführte Satz sei in dem Schreiben tatsächlich enthalten und unzweideutig. Die Kommission räumt jedoch ein, dass die luxemburgischen Behörden in diesem Schreiben auch geltend machten, dass Art. 166 LIR wörtlich auszulegen sei, dass er dann anwendbar sei, wenn die dort aufgestellten Voraussetzungen erfüllt seien, und dass schließlich Art. 164 LIR keine conditio sine qua non für die Anwendung der in Art. 166 LIR niedergelegten Befreiungsregelung für Erträge aus Beteiligungen sei.
101 Im Übrigen sei das Schreiben vom ebenso wie die Stellungnahme des Conseil d’État von 1965 nur einer der Gesichtspunkte, die die Kommission und das Gericht herangezogen hätten, um den Zusammenhang zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR nachzuweisen.
102 Was die wirtschaftliche Entsprechung der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften betreffe, habe sich das Gericht im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach staatliche Beihilfen nach ihren Wirkungen und nicht nach ihrer Form zu beurteilen seien, darauf beschränkt, das rechtliche Erscheinungsbild der fraglichen Transaktionen ihrer wirtschaftlichen Realität gegenüberzustellen, und betont, dass ihre formale Trennung den zwischen ihnen tatsächlich bestehenden Zusammenhang nicht verschleiern könne.
103 Schließlich sei der Vorwurf, dass die Kommission keine anderen Gesellschaften als die der Engie-Gruppe genannt habe, an die Steuervorbescheide für vergleichbare Gestaltungen gerichtet gewesen seien, in Anbetracht der Erwägungsgründe 205 und 215 des streitigen Beschlusses offensichtlich unbegründet.
b) Würdigung durch den Gerichtshof
1) Vorbemerkungen
104 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Maßnahmen der Mitgliedstaaten in Bereichen, die nicht unionsrechtlich harmonisiert sind, nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Kontrolle staatlicher Beihilfen ausgenommen. Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine steuerliche Maßnahme erlassen, die eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).
105 Insoweit ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe” im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil verschafft werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).
106 Die Voraussetzung des selektiven Vorteils erfordert die Feststellung, ob die in Rede stehende nationale Maßnahme im Rahmen einer konkreten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige” gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die der Sache nach als diskriminierend eingestuft werden kann (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
107 Zur Einstufung einer nationalen steuerlichen Maßnahme als „selektiv” muss die Kommission in einem ersten Schritt das Bezugssystem, d. h. die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende „normale” Steuerregelung, ermitteln und in einem zweiten Schritt dartun, dass die in Rede stehende steuerliche Maßnahme von diesem Bezugssystem insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden. Maßnahmen, die eine Unterscheidung zwischen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der in Rede stehenden rechtlichen Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, einführen und damit a priori selektiv sind, fallen jedoch dann nicht unter den Begriff „staatliche Beihilfe”, wenn der betreffende Mitgliedstaat in einem dritten Schritt nachweisen kann, dass diese Unterscheidung gerechtfertigt ist, weil sie sich aus der Natur oder dem Aufbau des Systems ergibt, in das sich die Maßnahmen einfügen (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).
108 Wie in den Rn. 78 und 79 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kommt der Bestimmung des Referenzrahmens bei steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu, da das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur im Verhältnis zu einer sogenannten „normalen” Besteuerung festgestellt werden kann.
109 Somit hängt die Bestimmung aller Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, von der vorherigen Definition der rechtlichen Regelung ab, im Hinblick auf deren Ziel gegebenenfalls die Vergleichbarkeit der jeweiligen tatsächlichen und rechtlichen Situation der durch die fragliche Maßnahme begünstigten Unternehmen und der durch sie nicht begünstigten Unternehmen zu prüfen ist (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).
110 Bei der Beurteilung der Selektivität einer steuerlichen Maßnahme kommt es daher darauf an, dass das in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine Steuersystem oder Bezugssystem im Beschluss der Kommission zutreffend bestimmt und von dem mit einer gegen diese Bestimmung gerichteten Rüge befassten Gericht untersucht wird. Da die Bestimmung des Bezugssystems den Ausgangspunkt für die vergleichende Prüfung darstellt, die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Selektivität zu erfolgen hat, führt ein bei dieser Bestimmung begangener Fehler zwangsläufig dazu, dass die gesamte Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität mit einem Mangel behaftet ist (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
111 In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich die Bestimmung des Bezugsrahmens, die nach einer kontradiktorischen Erörterung mit dem betreffenden Mitgliedstaat erfolgen muss, aus einer objektiven Prüfung des Inhalts, des Zusammenhangs und der konkreten Wirkungen der nach dem nationalen Recht dieses Staates anwendbaren Vorschriften ergeben muss (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).
112 Zweitens ist es außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, der betreffende Mitgliedstaat, der in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer bestimmt, die grundsätzlich das „normale” Bezugssystem oder die „normale” Steuerregelung definieren, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist. Dies gilt insbesondere für die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, des Steuertatbestands und etwaiger Steuerbefreiungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
113 Daraus folgt, dass bei der Bestimmung des Bezugssystems im Bereich der direkten Steuern nur das im betreffenden Mitgliedstaat anwendbare nationale Recht zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmung ist wiederum eine unerlässliche Voraussetzung für die Beurteilung nicht nur der Frage, ob ein Vorteil vorliegt, sondern auch der Frage, ob dieser selektiv ist (Urteil vom , Fiat Chrysler Finance Europe/Kommission, C-885/19 P und C-898/19 P, EU:C:2022:859, Rn. 74).
114 Diese Schlussfolgerung lässt jedoch die Möglichkeit der Feststellung unberührt, dass der sich aus dem nationalen Recht ergebende Referenzrahmen selbst mit dem Unionsrecht im Bereich staatlicher Beihilfen unvereinbar ist, wenn das fragliche Steuersystem nach offensichtlich diskriminierenden Parametern gestaltet wurde, durch die das Unionsrecht umgangen werden sollte, wie es in der Rechtssache, in der das Urteil vom , Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C-106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732), ergangen ist, der Fall war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Ungarn, C-596/19, EU:C:2021:202, Rn. 49).
2) Zum Vorliegen von Rechtsfehlern und einer Verfälschung von Tatsachen bei der Bestimmung des auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmens
115 Zur Bestimmung dessen, was nach luxemburgischem Recht eine normale Besteuerung hätte sein müssen, und damit zur Bestimmung, ob ein selektiver Vorteil zugunsten der Engie-Gruppe vorliegt, hat die Kommission – wie in den Rn. 31 bis 40 des vorliegenden Urteils dargelegt – eine Auslegung des luxemburgischen Rechts vorgenommen, die sich insbesondere auf die Annahme stützte, dass in Luxemburg das allgemeine Körperschaftsteuersystem, das den Grundsatz der Besteuerung der Erträge von Körperschaften vorsehe, im Fall der Engie-Gruppe es nicht ermögliche, die Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften gemäß Art. 166 LIR zu befreien, und darauf, dass Art. 164 in Verbindung mit Art. 166 LIR der gleichzeitigen Anwendung einer Befreiung dieser Erträge auf der Ebene dieser Holdinggesellschaften und eines Abzugs der entsprechenden Beträge auf der Ebene der Tochtergesellschaften entgegenstehe. Hilfsweise vertrat sie die Auffassung, dass nach Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes diese gleichzeitige Anwendung hätte ausgeschlossen werden müssen.
116 Folglich hatte das Gericht für die anhand der LIR vorzunehmenden Beurteilung des selektiven Charakters der fraglichen Maßnahmen zu prüfen, ob die durch diese Maßnahmen auf der Ebene der Holdinggesellschaften gewährte Befreiung der den ZORA-Akkretionen entsprechenden Erträge im Rahmen der verschiedenen von der Kommission im streitigen Beschluss gewählten sowie vom Großherzogtum Luxemburg und von Engie u. a. beanstandeten Argumentationslinien von den einschlägigen Bestimmungen des LIR abwich.
117 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wenden sich das Großherzogtum Luxemburg sowie Engie u. a. gegen die vom Gericht vorgenommene Würdigung, mit der es die Begründetheit der zweiten Argumentationslinie der Kommission bestätigt hat, wonach die Auslegung der Art. 164 und 166 LIR zu der Annahme führe, dass die durch die fraglichen Steuervorbescheide erfolgte steuerliche Behandlung der ZORAs der Engie-Gruppe von der „normalen” Anwendung dieser Bestimmungen abweiche und dieser Gruppe somit einen selektiven Vorteil verschaffe.
118 Wie in Rn. 112 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist es außerhalb der Bereiche, in denen das Steuerrecht der Union harmonisiert wurde, der betreffende Mitgliedstaat, der in Wahrnehmung seiner eigenen Zuständigkeiten im Bereich der direkten Steuern aufgrund seiner Steuerautonomie die grundlegenden Merkmale der Steuer wie die Festlegung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, des Steuertatbestands und etwaiger Steuerbefreiungen bestimmt, die grundsätzlich das „normale” Bezugssystem oder die „normale” Steuerregelung definieren.
119 Darüber hinaus verlangt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, der als allgemeiner Rechtsgrundsatz Teil der Unionsrechtsordnung ist, dass jede Pflicht zur Entrichtung einer Steuer sowie alle wesentlichen Elemente, die die materiell-rechtlichen Aspekte der Steuer ausmachen, vom Gesetz vorgesehen sein müssen, denn der Steuerpflichtige muss in der Lage sein, die Höhe der geschuldeten Steuer vorherzusehen und zu berechnen und den Fälligkeitszeitpunkt der Steuer zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Związek Gmin Zagłębia Miedziowego, C-566/17, EU:C:2019:390, Rn. 39).
120 Folglich ist die Kommission bei der Bestimmung des Referenzrahmens, die sie zur Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV auf steuerliche Maßnahmen vornimmt, grundsätzlich gehalten, die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts durch den betreffenden Mitgliedstaat im Rahmen der in Rn. 111 des vorliegenden Urteils angegebenen kontradiktorischen Erörterung zu akzeptieren, sofern diese Auslegung mit dem Wortlaut dieser Bestimmungen vereinbar ist.
121 Die Kommission kann von der genannten Auslegung nur abweichen, wenn sie nachweisen kann, dass in der Rechtsprechung oder der Verwaltungspraxis dieses Mitgliedstaats eine andere Auslegung vorherrscht, indem sie sich insoweit auf verlässliche und übereinstimmende Beweise stützt, die bei dieser kontradiktorischen Erörterung vorgelegt wurden.
122 Nach Art. 4 Abs. 3 EUV ist der betreffende Mitgliedstaat während des gesamten Verfahrens zur Prüfung einer Maßnahme anhand der beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts zur loyalen Zusammenarbeit verpflichtet (Urteil vom , Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C-622/16 P bis C-624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Pflicht erfordert insbesondere, dass der Mitgliedstaat der Kommission alle relevanten Informationen redlich übermittelt, um die sie in Bezug auf die sich aus der nationalen Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis ergebende Auslegung der relevanten Bestimmungen des nationalen Rechts ersucht hat, um den Referenzrahmen bestimmen zu können.
123 Im vorliegenden Fall hat das Gericht zur steuerlichen Behandlung von Finanzinstrumenten wie den ZORAs zum einen in Rn. 292 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass Art. 166 LIR „die Gewährung der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft formal nicht von der vorherigen Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft abhängig macht”, im Anschluss an die Kommission, die im 218. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses die Auffassung vertreten hatte, es gebe „keinen ausdrücklich festgestellten Zusammenhang zwischen Artikel 166 LIR und Artikel 164 Absätze 1 und 2 LIR”, und zum anderen in Rn. 300 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „es sich bei den ZORA-Akkretionen formal nicht um Gewinnausschüttungen [handelt]”.
124 Das Gericht ist daher von einer wörtlichen Auslegung der genannten Bestimmungen abgewichen. Es hat den Ansatz der Kommission bestätigt und ist in einem ersten Schritt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Befreiung der Erträge einer Holdinggesellschaft aus Beteiligungen nach luxemburgischem Recht nur dann gewährt werden könne, wenn die von ihrer Tochtergesellschaft ausgeschütteten Erträge zuvor besteuert worden seien.
125 Das Gericht hat sich insoweit in den Rn. 295 und 296 des angefochtenen Urteils auf zwei Gesichtspunkte gestützt, auf die die Kommission im streitigen Beschluss abgestellt hatte. Es handelt sich zum einen um das Schreiben vom , das „eindeutig” sei, da das Großherzogtum Luxemburg dort anerkannt habe, dass „alle Beteiligungen, deren Erträge in den Genuss der Freistellungsregelung nach Art. 166 LIR kommen, … auch von Art. 164 [LIR] erfasst [werden]”. Zum anderen hat sich das Gericht auf die Stellungnahme des Conseil d’État von 1965 zu dem Gesetzentwurf zur Aufnahme von Art. 166 in die LIR bezogen, in dem dieser hervorgehoben habe, dass diese Bestimmung „aus Gründen der Steuergerechtigkeit und aus wirtschaftlichen Gründen” die Vermeidung einer Doppel- oder Dreifachbesteuerung von ausgeschütteten Erträgen ermögliche, nicht aber – im Wesentlichen – ein völliges Ausbleiben einer Besteuerung dieser Erträge.
126 In einem zweiten Schritt ist das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass der formalistische Ansatz, der darin bestehe, jeden der Vorgänge, aus denen sich die von den betreffenden Gesellschaften ausgearbeitete Finanzkonstruktion zusammensetze, isoliert zu betrachten, außer Acht zu lassen und das rechtliche Erscheinungsbild beiseitezulassen sei, um die wirtschaftliche und steuerliche Realität der Konstruktion zu erfassen, was es dazu veranlasst hat, in Rn. 312 des angefochtenen Urteils zu befinden, dass die ZORA-Akkretionen „unter den ganz besonderen Umständen des vorliegenden Falles der Sache nach Gewinnausschüttungen” entsprächen.
127 Auf diese Weise ist das Gericht, nachdem es in den Rn. 340 bis 342 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen hat, dass nach luxemburgischem Recht ein Zusammenhang zwischen der Befreiung von Erträgen aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft und der Abzugsfähigkeit der ausgeschütteten Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft bestehe, in Rn. 343 des Urteils zu dem Ergebnis gekommen, dass „[aufgrund] dieses Zusammenhangs und der Berücksichtigung der kombinierten Wirkung dieser beiden Vorgänge auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften … die fraglichen Steuervorbescheide vom … Referenzrahmen [abweichen]”, der aus den Art. 164 und 166 LIR bestehe. Nach der in den Rn. 344 und 345 des angefochtenen Urteils durchgeführten Prüfung des Gerichts folgt daraus erstens, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 208 und 209 des streitigen Beschlusses aufgrund dieser kombinierten Wirkung zu Recht ableiten konnte, dass eine Abweichung von diesem Referenzrahmen vorgelegen habe, und zweitens, dass der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen sei, als sie auf der Ebene der Holdinggesellschaften die kombinierte Wirkung der Abzugsfähigkeit eines Ertrags auf der Ebene einer Tochtergesellschaft mit dessen späterer Steuerbefreiung auf der Ebene der Muttergesellschaft berücksichtigt habe.
128 Die in Rn. 125 des vorliegenden Urteils angeführten Gesichtspunkte, auf die sich das Gericht gestützt hat, haben es ihm jedoch nicht ermöglicht, rechtsgültig festzustellen, dass die Kommission gemäß den in den Rn. 120 bis 122 dieses Urteils dargelegten Grundsätzen rechtlich hinreichend hat nachweisen können, dass im luxemburgischen Recht in Bezug auf die Frage der Unterordnung der in Art. 166 LIR auf der Ebene der Tochtergesellschaften vorgesehenen Steuerbefreiung der auf der Ebene der Holdinggesellschaften befreiten Erträge eine andere Auslegung vorherrscht als die vom Großherzogtum Luxemburg vertretene, die mit dem Wortlaut dieser Bestimmung vereinbar ist, der formal keine solche Unterordnung vorsieht.
129 Insoweit ist festzustellen, dass das Gericht in Bezug auf das Schreiben vom in Rn. 295 des angefochtenen Urteils – wie Engie u. a. vortragen – unter Verfälschung des Wortlauts dieses Schreibens befunden hat, dass sich der Bedingungszusammenhang zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR, der darin bestehe, dass die Erträge zuvor auf der Ebene des ausschüttenden Unternehmens besteuert worden sein müssten, um in den Genuss der in der zuletzt genannten Bestimmung vorgesehenen Befreiung zu kommen, ausdrücklich aus der Antwort des Großherzogtums Luxemburg ergebe. Denn das Gericht hat den in der genannten Randnummer angeführten Satz dieses Schreibens offensichtlich aus seinem Zusammenhang herausgenommen, als es im Anschluss an die Kommission das Bestehen eines solchen Zusammenhangs abgeleitet hat. Diese Beurteilung lässt sich nicht mit anderen Passagen des Schreibens vereinbaren, in denen das Großherzogtum Luxemburg ausgeführt hat, dass diese Bestimmung „nicht vorschreibt, dass Erträge aus Beteiligungen zuvor besteuert sein müssen, um in den Genuss der vorgesehenen Befreiungsregelung zu kommen”, dass die Art. 164 und 166 LIR nicht „zusammen” angewandt werden dürften und dass „Art. 164 [LIR] keine conditio sine qua non für die Anwendung der in Art. 166 LIR niedergelegten Regelung für Erträge aus Beteiligungen ist”.
130 In Bezug auf die Stellungnahme des Conseil d’État von 1965 genügt es, entsprechend den Ausführungen der Generalanwältin in Nr. 121 ihrer Schlussanträge festzustellen, dass in dieser Stellungnahme lediglich angegeben wird, dass die dort geprüfte Bestimmung, der Art. 166 LIR entspricht, das Ziel gehabt habe, eine mehrfache Besteuerung von Gesellschaftsgewinnen auf der Ebene einer Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft vor der Ausschüttung an die Anteilseigner zu vermeiden, ohne jedoch anzugeben, dass diese Bestimmung auch jede doppelte Nichtbesteuerung von Erträgen aus Beteiligungen einer Muttergesellschaft hat verhindern sollen.
131 Somit hat das Gericht in Rn. 298 des angefochtenen Urteils im Anschluss an eine rechtsfehlerhafte Prüfung und eine Tatsachenverfälschung die Feststellung der Kommission bestätigt, dass zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR ein Bedingungszusammenhang in dem Sinne bestehe, dass die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Muttergesellschaft davon abhänge, dass die ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft besteuert würden.
132 Daher ist dem ersten Grund der Rechtsmittel stattzugeben, ohne dass der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes des Großherzogtums Luxemburg geprüft zu werden braucht, mit dem Fehler hinsichtlich der Abweichung von dem auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmen gerügt werden.
2. Zum zweiten Grund der Rechtsmittel
a) Vorbringen der Parteien
133 Der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-451/21 P besteht aus vier Teilen, mit denen erstens eine offensichtlich fehlerhafte Prämisse und die Verfälschung des nationalen Rechts durch das Gericht, zweitens Rechtsfehler des Gerichts bei der Bestimmung des von ihm im Rahmen des Rechtsmissbrauchs zugrunde gelegten Referenzrahmens sowie eine unzureichende und widersprüchliche Begründung des angefochtenen Urteils, drittens Fehler beim Nachweis einer Abweichung von diesem Referenzrahmen und viertens, hilfsweise, eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Großherzogtums Luxemburg gerügt werden.
134 Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht das Großherzogtum Luxemburg insbesondere geltend, dass die gesamte Argumentation des Gerichts auf der falschen Prämisse beruhe, dass dasselbe steuerliche Ergebnis wie das der Engie-Gruppe nicht ohne das Vorliegen von Zwischengesellschaften, die ein wesentliches Glied der von dieser Gruppe eingerichteten Finanzkonstruktion seien, möglich gewesen wäre. Das Großherzogtum Luxemburg habe im ersten Rechtszug jedoch dargelegt, dass ein direktes ZORA, das ohne Einschaltung einer Zwischengesellschaft abgeschlossen worden wäre, zu demselben steuerlichen Ergebnis wie ein indirektes ZORA geführt hätte, da der Gläubiger bei der Umwandlung des direkten ZORA in einem ersten Schritt in den Genuss der gemäß Art. 22bis LIR zulässigen steuerlichen Neutralität und in einem zweiten Schritt gemäß Art. 166 LIR in den Genuss der Befreiung einer etwaigen Ausschüttung oder eines etwaigen Kapitalgewinns hätte kommen können, was das Gericht anerkannt habe, indem es befunden habe, dass diese Artikel eine solche Befreiung formal nicht ausschlössen.
135 Das Gericht habe daher zu Unrecht angenommen, dass drei der in Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes vorgesehenen Kriterien des Rechtsmissbrauchs erfüllt seien und die fraglichen Steuervorbescheide daher vom Referenzrahmen abgewichen seien.
136 Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht das Großherzogtum Luxemburg erstens geltend, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Verwaltungspraxis nicht berücksichtigt zu werden brauche, da Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes nicht zu Auslegungsschwierigkeiten geführt habe. Das Gericht habe damit die Rechtsprechung des Gerichtshofs verkannt, aus der sich die Pflicht ergebe, bei der Definition des Referenzrahmens das im betreffenden Mitgliedstaat geltende Recht sowie seine Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis eingehend zu prüfen. Diese Prüfung sei umso wichtiger, als Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes allgemein formuliert sei und daher eine Einzelfallprüfung erfordere. Insoweit gehe die Rüge, das Großherzogtum Luxemburg habe der Kommission keine Beispiele für seine Verwaltungspraxis vorgelegt, abgesehen davon, dass sie die Beweislast umkehre, in tatsächlicher Hinsicht fehl, da dieser Mitgliedstaat der Kommission mehrere Beispiele von Steuervorbescheiden übermittelt habe.
137 Zweitens sei der vom Gericht herangezogene Referenzrahmen unvollständig, denn zunächst einmal weise es nicht darauf hin, dass die luxemburgische Verwaltung nur ausnahmsweise auf das Konzept des Rechtsmissbrauchs zurückgreifen dürfe, sodann berücksichtige das Gericht nicht, dass es dem Steuerpflichtigen völlig freistehe, die Form zu wählen, die er aus steuerlicher Sicht für die kostengünstigste halte, und schließlich stehe diese Wahlfreiheit des Steuerpflichtigen dem entgegen, dass die Steuerverwaltung in die Optionen eingreife, die er im Interesse seines Unternehmens gewählt habe, und sie seine Beurteilung durch ihre eigene ersetze.
138 Drittens habe das Gericht auf eine Abweichung vom Ziel des Referenzsteuersystems und nicht von diesem System selbst abgestellt, obgleich nach ständiger Rechtsprechung nur eine Abweichung vom Referenzrahmen die Feststellung der Selektivität einer Maßnahme ermögliche. Es sei nicht Sache der Kommission oder des Gerichts, im Beihilferecht anstelle des betreffenden Mitgliedstaats das Ziel des nationalen Steuersystems zu bestimmen.
139 Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht das Großherzogtum Luxemburg insbesondere geltend, das Gericht habe die wirtschaftliche Ungewissheit außer Acht gelassen, die bei den fraglichen Transaktionen bestanden habe, deren Ergebnisse von der Leistung der Tochtergesellschaften abhängig gewesen seien. Wenn das Gericht diese Ungewissheit berücksichtigt hätte, dann hätte es unweigerlich annehmen müssen, dass das zweite Kriterium des Rechtsmissbrauchs, das die Verringerung der Steuerlast betrifft, nicht erfüllt gewesen sei. Zudem sei es nach der luxemburgischen Rechtsprechung nicht zulässig, nachträglich zu bejahen, dass ein Rechtsmissbrauch durch eine Transaktion vorliege, wenn diese Transaktion zuvor durch einen ordnungsgemäß erlassenen Steuervorbescheid genehmigt worden sei.
140 Mit dem vierten Teil dieses Rechtsmittelgrundes macht das Großherzogtum Luxemburg geltend, seine Verteidigungsrechte seien verletzt worden, da die Kommission im Beschluss zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nur inzident und in einem einzigen Absatz das Vorliegen eines möglichen Rechtsmissbrauchs erwähnt habe, der nicht speziell definiert sei, sondern im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Tochtergesellschaften, die ZORA-Akkretionen abzuziehen, stehe. Diese Rüge entspreche jedoch nicht der Rüge im streitigen Beschluss.
141 Der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C-454/21 P besteht aus drei Teilen, mit denen erstens Rechtsfehler und ein offensichtlicher Beurteilungsfehler des Gerichts bei der Bestimmung des Referenzrahmens, zweitens ein Rechtsfehler, der sich daraus ergebe, dass das Gericht einen selektiven Vorteil im Hinblick auf Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes festgestellt habe, und drittens ein offensichtlicher Beurteilungsfehler, der sich aus der Auslegung des luxemburgischen Rechts durch das Gericht ergebe, gerügt werden.
142 Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügen Engie u. a., dem Gericht sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem es angenommen habe, dass sie die Definition des Referenzrahmens insoweit nicht beanstandet hätten, als er auf Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes ausgeweitet worden sei. In ihrer Klageschrift vor dem Gericht hätten sie nämlich die Zuständigkeit der Kommission und deren abstrakte Auslegung der vom luxemburgischen Verwaltungsgericht aufgestellten Kriterien des Rechtsmissbrauchs in Frage gestellt und vorgetragen, dass die Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis der luxemburgischen Behörden in Situationen, die mit der ihrigen vergleichbar seien, berücksichtigt werden müsse.
143 Was die Rechtsfehler angehe, habe das Gericht im Anschluss an die Kommission bei der Auslegung von Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes weder die anwendbaren Rechtsvorschriften noch die Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis der luxemburgischen Behörden in Situationen, die mit der ihrigen vergleichbar seien, für vergleichbare Gestaltungen berücksichtigt. Zudem habe es den streitigen Beschluss insoweit umgeschrieben.
144 Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes tragen Engie u. a. vor, dem Gericht sei ein Rechtsfehler unterlaufen, und es habe seine eigene Rechtsprechung verkannt, indem es ausgeschlossen habe, dass der Begriff des Rechtsmissbrauchs zwar eng auszulegen, aber stets im Einzelfall zu prüfen sei.
145 Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes machen Engie u. a. geltend, dass dem Gericht selbst dann, wenn der Referenzrahmen Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes umfassen sollte, bei der Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei. So habe es sich dadurch widersprochen, dass es zunächst befunden habe, dass die unmittelbare Umwandlung des ZORA im Hinblick auf den Zweck von Art. 22bis LIR nicht zu einem steuerbefreiten Einkommen im Sinne von Art. 166 LIR führen könne, dann aber anerkannt habe, dass diese Bestimmungen die Steuerbefreiung der Erträge nicht ausdrücklich ausschlössen.
146 Die Kommission tritt dem zweiten Grund der Rechtsmittel entgegen.
147 Sie trägt insbesondere vor, dass dem Gericht keine Verfälschung unterlaufen sei, als es befunden habe, dass das Großherzogtum Luxemburg und Engie u. a. die Definition des Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes umfassenden Referenzrahmens nicht beanstandet hätten. Jedenfalls habe das Gericht die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung des Rechtsmissbrauchs nicht verneint, sondern lediglich klargestellt, dass die im luxemburgischen Recht aufgestellten Kriterien für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs klar seien.
148 Hilfsweise macht die Kommission, die zwar weder die freie Wahl des Steuerpflichtigen, sich für den Weg der geringsten Besteuerung zu entscheiden, noch das Verbot für die Steuerverwaltung, die Wahl des Unternehmens durch seine eigene zu ersetzen, bestreitet, geltend, dass diese Grundsätze nach luxemburgischem Recht ihre gesetzliche Grenze in Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes fänden und dass jede gegenteilige Auslegung dieses Artikels ihm den Sinn nähme.
149 Was den Hinweis des Gerichts auf den Umstand, dass Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes bereits angewandt worden sei, angehe, sei daraus nicht abzuleiten, dass das Gericht die fraglichen Maßnahmen allein deshalb für selektiv gehalten habe, sondern lediglich, dass es sich vor der Kritik habe schützen wollen, dass diese Bestimmung lediglich auf dem Papier stünde.
150 Die Kommission weist auch darauf hin, dass sie nicht vom Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs ausgegangen sei. Sie trägt vor, dass ein direktes ZORA nicht zu demselben steuerlichen Ergebnis wie ein indirektes ZORA führe und selbst wenn dies der Fall sein sollte, ein Rechtsmissbrauch weiterhin vorliege. Zudem habe sie die vier Tatbestandsmerkmale eines Rechtsmissbrauchs im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt geprüft und sei anschließend zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Merkmale erfüllt seien. Insoweit sei es unerheblich, dass bei den fraglichen Aktivitäten eine wirtschaftliche Ungewissheit bestanden habe. Es komme allein darauf an, ob die in Rede stehende steuerliche Behandlung missbräuchlich gewesen sei.
b) Würdigung durch den Gerichtshof
151 Zunächst ist das Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie u. a. zu prüfen, mit dem gerügt wird, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Kommission den selektiven Charakter der fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf den aus Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes bestehenden Referenzrahmen habe nachweisen können, ohne die nationale Verwaltungspraxis zu dieser Bestimmung zu berücksichtigen, da diese Bestimmung keine Auslegungsschwierigkeiten aufgeworfen habe.
152 Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Einstufung einer steuerlichen Maßnahme als „selektiv” nicht nur die Kenntnis des Inhalts der einschlägigen Rechtsvorschriften voraussetzt, sondern auch die Prüfung von deren Tragweite erfordert, gestützt u. a. auf die Verwaltungs- und Rechtsprechungspraxis des betreffenden Mitgliedstaats (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , P, C-6/12, EU:C:2013:525, Rn. 20).
153 Zweitens ist – wie die Generalanwältin in den Nrn. 146 bis 148 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat – eine Bestimmung wie Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes, die auf horizontaler Ebene Steuermissbrauch verhindern soll, ihrem Wesen nach besonders weit gefasst, da sie in einem sehr breiten Spektrum von Zusammenhängen und Situationen Anwendung finden kann.
154 Nach der in Rn. 112 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung fällt die Entscheidung, eine solche Bestimmung im nationalen Recht vorzusehen und die Modalitäten ihrer Umsetzung durch die Steuerbehörden festzulegen, in die eigenen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern auf den im Unionsrecht nicht harmonisierten Gebieten und damit unter deren Steuerautonomie.
155 Unter Berücksichtigung des Wesens einer der Bekämpfung von Missbrauch dienenden Bestimmung wie der in Rn. 153 des vorliegenden Urteils genannten kann die Kommission jedoch nur dann zu dem Schluss gelangen, dass der Umstand, dass die Steuerbehörden diese Bestimmung nicht angewendet haben, um die von einem Steuerpflichtigen in einem Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids erbetene steuerliche Behandlung abzulehnen, zur Gewährung eines selektiven Vorteils geführt hat, wenn diese Nichtanwendung von der diese Bestimmung betreffenden nationalen Rechtsprechung oder Verwaltungspraxis abweicht. Andernfalls wäre die Kommission nämlich in der Lage, selbst zu bestimmen, was eine korrekte Anwendung einer solchen Bestimmung darstellt, was die Grenzen der ihr durch die Verträge auf dem Gebiet der Kontrolle staatlicher Beihilfen eingeräumten Befugnisse überschreiten würde und mit der in der vorstehenden Randnummer genannten Steuerautonomie der Mitgliedstaaten unvereinbar wäre.
156 Folglich ist dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen, als es in Rn. 409 des angefochtenen Urteils befunden hat, dass die Berücksichtigung der Verwaltungspraxis der luxemburgischen Steuerbehörden zu Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes durch die Kommission nicht erforderlich gewesen sei, da diese Bestimmung keine Auslegungsschwierigkeiten aufgeworfen habe.
157 Zwar hat das Gericht in Rn. 409 ferner darauf hingewiesen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 293 bis 298 des streitigen Beschlusses auf ein Rundschreiben der luxemburgischen Verwaltung und auf die Rechtsprechungspraxis in diesem Mitgliedstaat verwiesen habe, aus der sie die vier Kriterien abgeleitet habe, anhand deren sich nach luxemburgischem Recht ein Rechtsmissbrauch in Steuersachen im Sinne dieser Bestimmung feststellen lasse.
158 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 153 und 154 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, beschränkte sich die Kommission in jener Passage des streitigen Beschlusses jedoch auf eine allgemeine Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes, ohne nachzuweisen, dass die luxemburgische Steuerverwaltung in den fraglichen Steuervorbescheiden insbesondere von ihrer eigenen Praxis bei Vorgängen abgewichen ist, die mit den in Rede stehenden vergleichbar sind.
159 Deswegen ist auch dem zweiten Grund der Rechtsmittel stattzugeben, ohne dass die anderen vom Großherzogtum Luxemburg und von Engie u. a. zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente geprüft zu werden brauchen.
160 In Anbetracht der Begründetheit des ersten und des zweiten Grundes der Rechtsmittel ist das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass über die anderen Gründe der Rechtsmittel entschieden zu werden braucht. Die Begründetheit dieser Rechtsmittelgründe hat nämlich zur Folge, dass der Feststellung des Gerichts in Rn. 478 des angefochtenen Urteils, wonach die Zurückweisung der Nichtigkeitsgründe, die sich im Wesentlichen gegen die im streitigen Beschluss vorgenommene Prüfung eines auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmens oder eines aus Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes bestehenden Referenzrahmens richteten, für den Nachweis der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide ausreiche, die Grundlage fehlt.
V. Zu den Klagen vor dem Gericht
161 Hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, so kann er gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.
162 Dies ist hier der Fall, da die mit den Klagen auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses geltend gemachten Klagegründe vor dem Gericht kontradiktorisch erörtert wurden und ihre Prüfung keine weitere prozessleitende Maßnahme oder eine Beweisaufnahme erfordert.
163 Als Erstes sind der erste und der zweite Klagegrund in der Rechtssache T-516/18 sowie der zweite und der dritte Klagegrund in der Rechtssache T-525/18 insoweit zu prüfen, als die Rechtsmittelführer mit ihnen der Kommission vorwerfen, zu Unrecht festgestellt zu haben, dass die fraglichen Steuervorbescheide im Licht des auf die Art. 164 und 166 LIR beschränkten Referenzrahmens und des aus Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes bestehenden Referenzrahmens selektive Vorteile gewährt hätten; das Gericht hat diese Klagegründe, die der zweiten und der vierten in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Argumentationslinie entsprechen, im angefochtenen Urteil geprüft.
164 Was die in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannte zweite Argumentationslinie zur Selektivität betrifft, steht fest, dass die Kommission Art. 166 LIR in den auf die Bestimmungen des luxemburgischen Rechts über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen einbezogen hat. Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass die fraglichen Steuervorbescheide auf einer fehlerhaften Anwendung dieser Bestimmung beruhten.
165 So hat sich die Kommission im 202. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses nach der Feststellung, dass der Begriff „Erträge aus Beteiligungen” im Sinne von Art. 166 LIR nicht gesetzlich definiert sei, bei der Definition dieses Begriffs auf das Schreiben vom gestützt, in dem das Großherzogtum Luxemburg darauf hinwies, dass „alle Beteiligungen, deren Erträge in den Genuss der Freistellungsregelung nach Art. 166 LIR kommen, … auch von Art. 164 [LIR] erfasst [werden]”. Sie leitete daraus ab, dass der Begriff der „Erträge aus Beteiligungen”, die in den Genuss der Befreiung nach Art. 166 LIR kämen, aus den in Art. 164 LIR genannten „Ausschüttungen” zugunsten der Inhaber der Wertpapiere bestehe, wobei sie präzisiert hat, dass diese Gewinnausschüttungen auf der Ebene des ausschüttenden Unternehmens hätten besteuert werden müssen. In den Erwägungsgründen 204 und 213 des streitigen Beschlusses wies sie darauf hin, dass die letztgenannte Voraussetzung gelte, ohne dass es darauf ankomme, ob die fraglichen Erträge als Gewinnausschüttungen oder Kapitalgewinne einzustufen seien.
166 Außerdem räumte die Kommission im 212. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ausdrücklich ein, dass die Erträge, die LNG Holding und CEF aus der Umwandlung der ZORAs erzielt hätten, aus wirtschaftlicher Sicht einer solchen Gewinnausschüttung entsprächen.
167 Da diese Ausschüttung auf der Ebene von LNG Supply und GSTM jedoch nicht besteuert wurde, stellte die Kommission eine Abweichung von einem aus den luxemburgischen Rechtsvorschriften über die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen bestehenden Referenzrahmen fest. Im Einzelnen leitete sie diese Abweichung daraus ab, dass die luxemburgische Steuerverwaltung durch die fraglichen Steuervorbescheide akzeptiert habe, dass die Realisierung der ZORA-Akkretionen auf der Ebene von LNG Holding und CEF nach Art. 166 LIR zur Befreiung der Erträge aus Beteiligungen führe, obgleich diese Akkretionen vom steuerpflichtigen Gewinn von LNG Supply und GSTM abgezogen worden seien.
168 Diese Prüfung weist jedoch einen Fehler auf, der gemäß der in Rn. 110 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die in Rn. 31 dieses Urteils genannte zweite Argumentationslinie zur Selektivität insgesamt fehlerhaft macht.
169 Insoweit ergibt sich zum einen aus der Prüfung des ersten Grundes der Rechtsmittel, insbesondere aus den Rn. 128 bis 131 des vorliegenden Urteils, dass die Kommission zu Unrecht glaubte, aus dem Schreiben vom und aus der Stellungnahme des Conseil d’État vom ableiten zu können, dass zwischen Art. 164 LIR und Art. 166 LIR ein Bedingungszusammenhang dahin gehend bestehe, dass die Inanspruchnahme der in der letztgenannten Bestimmung vorgesehenen Befreiung eine vorherige Besteuerung der Erträge auf der Ebene des ausschüttenden Unternehmens voraussetze.
170 Zum anderen hat die Kommission nicht geprüft und erst recht nicht dargetan, dass im luxemburgischen Recht der Begriff „Ausschüttungen” im Sinne von Art. 164 LIR, anhand dessen nach Ansicht des Großherzogtums Luxemburg die „Erträge aus Beteiligungen” im Sinne von Art. 166 LIR zu definieren sind, mit dem Begriff der auf der Ebene des ausschüttenden Unternehmens „steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen” unvereinbar wäre.
171 Daher konnten selbst unter der Annahme, dass die von den fraglichen Steuervorbescheiden erfassten ZORA-Akkretionen – wie die Kommission im 212. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ausgeführt hat – aus wirtschaftlicher Sicht eine Gewinnausschüttung im Sinne von Art. 164 LIR dargestellt hätten, diese Steuervorbescheide nicht von Art. 166 dieses Gesetzes dadurch abweichen, dass sie diese Akkretionen für LNG Holding und CEF als Erträge aus Beteiligungen einstuften und somit diese Erträge nach der letztgenannten Bestimmung von der Steuer befreiten. Daher ist festzustellen, dass sich die Kommission in Bezug auf die zweite Argumentationslinie nicht an die in den Rn. 120 bis 122 des vorliegenden Urteils genannten Grundsätze gehalten hat.
172 Dieser Schluss lässt jedoch eine Prüfung des möglicherweise selektiven Charakters der fraglichen Steuervorbescheide anhand der Feststellung unberührt, dass die Erträge von LNG Supply und GSTM in jedem betroffenen Steuerjahr im Gegenzug für den Abzug der ZORA-Akkretionen auf der Grundlage der mit den luxemburgischen Steuerbehörden vereinbarten Marge besteuert wurden und nicht in Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Steuerrechts, aus denen sich ergibt, dass die Steuerschuld einer Gesellschaft grundsätzlich durch die Anwendung eines Standardsteuersatzes auf die tatsächlich realisierten Erträge, abzüglich der Betriebsaufwendungen und sonstigen Aufwendungen, berechnet wird.
173 Was die in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannte vierte Argumentationslinie anbelangt, geht aus den Rn. 153 bis 158 dieses Urteils hervor, dass die Prüfung der Kommission in Bezug auf einen selektiven Vorteil, der sich aus der Nichtanwendung des den Rechtsmissbrauch betreffenden Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes ergeben soll, auch insoweit rechtsfehlerhaft ist, als die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die luxemburgische Steuerverwaltung in den fraglichen Steuervorbescheiden von ihrer eigenen Praxis bei Vorgängen abgewichen ist, die mit den in Rede stehenden vergleichbar sind.
174 Als Zweites sind der erste und der zweite Klagegrund in der Rechtssache T-516/18 sowie der zweite und der dritte Klagegrund in der Rechtssache T-525/18 insoweit zu prüfen, als die Rechtsmittelführer damit der Kommission vorwerfen, zu Unrecht befunden zu haben, dass die fraglichen Steuervorbescheide unter Berücksichtigung eines auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem erweiterten Referenzrahmens LNG Holding und CEF oder der Engie-Gruppe selektive Vorteile gewährt hätten, was der ersten und der dritten in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Argumentationslinie entspricht.
175 Insoweit ist zu der ersten in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannten Argumentationslinie festzustellen, dass die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 166 und 196 des streitigen Beschlusses ergibt, nicht angenommen hat, dass die im luxemburgischen Körperschaftsteuersystem vorgesehenen Befreiungen und insbesondere die in Art. 166 LIR vorgesehene Befreiung als solche eine Beihilferegelung darstellten, sondern dass ihre durch die fraglichen Steuervorbescheide erfolgende Anwendung der Engie-Gruppe einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft habe. Somit hat die Kommission weder behauptet noch nachgewiesen, dass schon aufgrund des Bestehens der einschlägigen Bestimmungen des luxemburgischen Steuerrechts ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt.
176 Folglich entspricht der in Rn. 114 des vorliegenden Urteils genannte Fall, in dem der sich aus dem nationalen Recht ergebende Referenzrahmen selbst von der Kommission als mit dem Beihilferecht der Union unvereinbar angesehen wird, nicht der vorliegenden Rechtssache.
177 Wie sich aus den Rn. 112 und 118 des vorliegenden Urteils ergibt, muss das Bezugssystem oder die „normale” Steuerregelung, anhand deren die Voraussetzung der Selektivität zu prüfen ist, jedoch die Befreiungsbestimmungen einschließen, die die nationale Steuerverwaltung im gegebenen Fall für anwendbar gehalten hat, wenn diese Bestimmungen für sich genommen keinen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschaffen. In einem solchen Fall kann die Kommission in Anbetracht der eigenen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern aufgrund ihrer Steuerautonomie, auf die in Rn. 118 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, eine Abweichung von einem Referenzrahmen nicht dadurch nachweisen, dass sie sich auf die Feststellung beschränkt, dass eine Maßnahme von einem allgemeinen Ziel der Besteuerung aller in dem betreffenden Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften abweiche, ohne Bestimmungen des nationalen Rechts zu berücksichtigen, in denen die Modalitäten zur Umsetzung dieses Ziels festgelegt sind.
178 Im vorliegenden Fall stützte sich die Kommission auf einen auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem erweiterten Referenzrahmen und bezog Art. 166 LIR nicht in diesen Rahmen mit ein, wie sich aus den Erwägungsgründen 171 bis 176 des streitigen Beschlusses ergibt.
179 In den Erwägungsgründen 179, 182, 184, 185, 187, 188, 190 und 192 des streitigen Beschlusses verneinte die Kommission die Relevanz von Art. 166 LIR im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Anwendung dieser Bestimmung nicht die Schlussfolgerung in Frage stellen könne, dass die kombinierte Wirkung der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene von LNG Supply und GSTM und der Befreiung der entsprechenden Erträge auf der Ebene von LNG Holding und CEF vom Ziel des allgemeinen luxemburgischen Körperschaftsteuersystems abweiche, das darin bestehe, die Gewinne aller in Luxemburg steuerpflichtigen Gesellschaften zu besteuern. Auf der Grundlage dieser Prüfung gelangte die Kommission – wie aus den Erwägungsgründen 192 und 193 des Beschlusses hervorgeht – zu dem Schluss, dass die Abweichung von diesem Referenzrahmen in einer Befreiung der von LNG Holding und CEF als Holdinggesellschaft von LNG Supply bzw. GSTM erzielten Erträge bestehe.
180 Dieser Schluss ist in Anbetracht der Ausführungen in Rn. 177 des vorliegenden Urteils aber als rechtsfehlerhaft anzusehen. Denn Art. 166 LIR, der die Rechtsgrundlage der fraglichen Steuervorbescheide ist, hätte Teil des Referenzrahmens sein müssen, mit dem das „normale” Steuersystem festgelegt wird, da die Kommission nicht angenommen hat, dass diese Bestimmung als solche einen selektiven Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gewährt.
181 Aufgrund dieses Fehlers wurde nach der in Rn. 110 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung auch zwangsläufig die gesamte Prüfung der Selektivität fehlerhaft, die die Kommission auf der Grundlage eines auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem erweiterten Referenzrahmens vorgenommen hat.
182 Was schließlich die in Rn. 31 des vorliegenden Urteils genannte dritte Argumentationslinie anbelangt, wurde aufgrund der in den Rn. 168 bis 171 sowie 180 des Urteils festgestellten Fehler auch die von der Kommission vorgenommene Prüfung der Auswirkungen der fraglichen Steuervorbescheide auf der Ebene der Engie-Gruppe fehlerhaft.
183 Denn zum einen wiederholte die Kommission in den Erwägungsgründen 252 bis 254 des streitigen Beschlusses, die der in Art. 166 LIR vorgesehenen Befreiung der Erträge aus Beteiligungen gewidmet sind, im Wesentlichen die im Rahmen der zweiten Argumentationslinie vorgenommene Prüfung, wobei sie sich auf einen auf die Bestimmungen des luxemburgischen Rechts über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen gestützt hat, und dabei verwies sie insbesondere auf den 202. Erwägungsgrund des Beschlusses. Folglich weist diese Prüfung denselben Fehler wie der in den Rn. 168 bis 171 des vorliegenden Urteils festgestellte Fehler auf.
184 Zum anderen geht aus dem 245. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses hervor, dass die Kommission bei dieser Prüfung das in den Erwägungsgründen 171 bis 190 des Beschlusses beschriebene luxemburgische Körperschaftsteuersystem als Referenzrahmen berücksichtigt hat. Wie in den Rn. 180 und 181 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist diese Definition des Referenzrahmens aber fehlerhaft, da sie Art. 166 LIR nicht mit einschließt.
185 Im Übrigen konnte die Kommission aus den in Rn. 177 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen im Rahmen dieser dritten Argumentationslinie eine Abweichung von der „normalen” Steuerregelung nicht allein unter Bezugnahme auf ein allgemeines Ziel des luxemburgischen Systems, nämlich die Besteuerung der Gewinne der in Luxemburg ansässigen Gesellschaften, rechtsgültig nachweisen, wie sie es im 256. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses getan hat.
186 Nach alledem ist dem ersten und dem zweiten Klagegrund in der Rechtssache T-516/18 sowie dem zweiten und dem dritten Klagegrund in der Rechtssache T-525/18, mit denen im Wesentlichen Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Feststellung eines selektiven Vorteils gerügt werden, stattzugeben. Folglich ist der streitige Beschluss für nichtig zu erklären, ohne dass die übrigen Gründe der Nichtigkeitsklagen geprüft zu werden brauchen.
VI. Kosten
187 Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.
188 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
189 Da im vorliegenden Fall das Großherzogtum Luxemburg mit seinem Rechtsmittel in der Rechtssache C-451/21 P obsiegt hat, sind entsprechend seinem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Großherzogtums Luxemburg aufzuerlegen.
190 Was das Rechtsmittel in der Rechtssache C-454/21 P betrifft, in dem Engie u. a. obsiegt haben, sind entsprechend ihren Anträgen der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten von Engie u. a. aufzuerlegen.
191 Ferner sind der Kommission in Anbetracht dessen, dass den Klagen vor dem Gericht stattgegeben wird, die gesamten Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
Die Rechtssachen C-451/21 P und C-454/21 P werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom , Luxemburg u. a./Kommission (T-516/18 und T-525/18, EU:T:2021:251), wird aufgehoben.
Der Beschluss (EU) 2019/421 der Kommission vom über die von Luxemburg durchgeführte staatliche Beihilfe SA.44888 (2016/C) (ex 2016/NN) zugunsten von Engie wird für nichtig erklärt.
Die Europäische Kommission trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren in den Rechtssachen C-451/21 P und C-454/21 P.
Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2023:948
Fundstelle(n):
HAAAJ-55293