Gewerbliche Einkünfte bei infolge Anlagebetrugs nach dem Schneeballprinzip fehlgeschlagenem Erwerb eines Blockheizkraftwerkes
(BHKW)
Leitsatz
1. Entschließt sich der Steuerpflichtige, eine Investition zu tätigen, die letztlich nicht durchgeführt werden kann, weil
sein Geschäftspartner ihm die – tatsächlich niemals gegebene – Lieferbarkeit des Investitionsobjekts in betrügerischer Absicht
nur vorgespiegelt hat, ist die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Einkunftsart, der die verlorenen Aufwendungen des
Steuerpflichtigen zuzuordnen sind, nicht objektiv-rückblickend nach den tatsächlichen Verhältnissen vorzunehmen, sondern nach
der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der maßgebenden Verträge. Maßgeblich für die rechtliche
Beurteilung ist dabei allein die Perspektive des auf die Redlichkeit seiner Geschäftspartner vertrauenden Steuerpflichtigen.
2. Spiegelt ein nach dem Schneeballprinzip operierender Geschäftspartner dem Steuerpflichtigen vor, er könne durch den Erwerb
eines – tatsächlich nicht existierenden – Blockheizkraftwerks „grünen” elektrischen Strom erzeugen und im eigenen Namen sowie
für eigene Rechnung, wenn auch durch Einschaltung eines Geschäftsbesorgers, vermarkten (sogenanntes „Verwaltungsvertragsmodell”),
sind die dem Steuerpflichtigen zur Durchführung dieser Investition entstandenen Aufwendungen auf die Erzielung von Einkünften
aus Gewerbebetrieb gerichtet und daher als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar, sofern er in Gewinnerzielungsabsicht
gehandelt hat und die Erzielung eines Totalgewinns aus der Sicht des Steuerpflichtigen zum Zeitpunkt der Vertragsabschlusses
realistisch war.
3. Sollten für den Erwerb des Blockheizkraftwerks ggf. auch Klimaschutzaspekte eine Rolle gespielt haben, wäre dies für die
Gewinnerzielungsabsicht unschädlich, da gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 EStG ein Gewerbebetrieb (auch dann) vorliegt, wenn die Gewinnerzielungsabsicht
nur ein Nebenzweck ist.
4. Eine nur schwach ausgeprägte, aber im Kern gleichwohl gegebene Unternehmerinitiative kann durch ein eindeutig vorhandenes
Unternehmerrisiko dergestalt ausgeglichen werden, dass in der Gesamtschau die – für die Annahme gewerblicher Einkünfte erforderliche
– Selbständigkeit der Betätigung zu bejahen ist.
5. Geht der Steuerpflichtige wegen ausbleibender Zahlungen bereits nach wenigen Monaten von dem sogenannten Verwaltungsvertragsmodell
(siehe dazu unter 2.) zum sogenannten Verpachtungsmodell über, wonach er nunmehr das vermeintlich erworbene Blockheizkraftwerk
gegen eine – der Höhe nach weiter einen Totalgewinn ermöglichende – monatliche Pacht an das Unternehmen des Anlagebetrügers
zurückverpachtet, so gibt er dadurch weder den zuvor aufgenommenen Gewerbebetrieb noch seine Absicht zur Erzielung von Einkünften
aus Gewerbebetrieb auf, sondern erzielt durch eine Betriebsverpachtung im Ganzen weiter gewerbliche Einkünfte, wenn Anhaltspunkte
für eine eindeutige oder konkludente Betriebsaufgabe nicht ersichtlich sind. Dem betrogenen Steuerpflichtigen kann seine zeitnahe
Reaktion nach ca. 6 Monaten auf die ausgebliebenen Zahlungen, d.h. der Wechsel auf das Verpachtungsmodell als Umstrukturierungsmaßnahme,
gleichheitsrechtlich im Verhältnis zum erfolglosen Gewerbetreibenden nicht zum Nachteil gereichen (gegen , EFG 2018 S. 1700).
6. Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 ESG für den Gewerbebetrieb ist der Steuerpflichtige berechtigt, den vollen
gezahlten Netto-Kaufpreis für das nichtgelieferte BHKW bereits im Jahr der Zahlung im Sinne einer verlorenen Anzahlung in
voller Höhe als Betriebsausgabe abzuziehen.
Fundstelle(n): DStRE 2024 S. 780 Nr. 13 NAAAJ-55171
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