Landesamt für Steuern Niedersachsen - S 2241-St 221/St 222-864/2023

§ 6 Abs. 5 S. 3 EStG; teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts bei einer Mitunternehmerschaft; weitere Anwendung der strengen Trennungstheorie

Bezug:

Bezug: BStBl 2011 I S. 1279

Bezug: BStBl 2013 I S. 1164

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Bezug: BStBl 2016 II S. 81

Bezug: BStBl 2020 II S. 538

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I. BStBl 2011 I S. 1279

Nach Rz. 15 des o. b. a. a. O., ist die Frage, ob eine teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts vorliegt, nach den Grundsätzen der „strengen Trennungstheorie“ anhand der erbrachten Gegenleistung im Verhältnis zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts zu prüfen. Liegt die Gegenleistung unter dem Verkehrswert, handelt es sich um eine teilentgeltliche Übertragung, bei der der unentgeltliche Teil nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zum Buchwert zu übertragen ist. Hinsichtlich des entgeltlichen Teils der Übertragung liegt eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor und es kommt insoweit zur Aufdeckung der stillen Reserven des Wirtschaftsguts.

II. , BFH/NV 2012, 188

Der BFH hat mit dem o. b. Urteil vom , a. a. O., entschieden, dass die teilentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen derselben Personengesellschaft nicht zur Realisierung eines Gewinns führt, wenn das Entgelt den Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts nicht übersteigt. Nach Auffassung des IV. Senats des BFH ist bei einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem erbrachten Teilentgelt der gesamte Buchwert des Wirtschaftsguts gegenüberzustellen.

III. BStBl 2013 I S. 1164

Mit dem o. b. a. a. O., hat die Finanzverwaltung die Veröffentlichung des a. a. O., im Bundessteuerblatt Teil II im Hinblick auf das seinerzeit beim X. Senat des BFH anhängige Revisionsverfahren X R 28/12 zunächst zurückgestellt. Anhängige Einsprüche sollten bis zur endgültigen Klärung der Problematik gemäß § 363 Abs. 2 S. 2 AO kraft Gesetzes ruhen.

IV. , BStBl 2016 II S. 81 (Verfahren beim Großen Senat unter dem Az.: GrS 1/16)

Mit Beschluss vom , a. a. O., hat der X. Senat des BFH dem Großen Senat (Az.: GrS 1/16) die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, wie im Fall der teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers (Einzelbetrieb) in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG) die Höhe eines eventuellen Gewinns aus dem Übertragungsvorgang zu ermitteln ist. Der X. Senat des BFH tendierte in seinem Vorlagebeschluss dazu, der Verwaltungsauffassung zu folgen.

Nach Erledigung der Hauptsache aus anderen Gründen in dem Verfahren X R 28/12 hat der X. Senat den Vorlagebeschluss aufgehoben. Daraufhin wurde das o. b. Verfahren beim Großen Senat mit Beschluss vom , BStBl II 2019 S. 70, eingestellt.

V. X R 18 und 19/18, BStBl 2020 II S. 538

In dem Verfahren war strittig, ob die Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft einen Veräußerungsgewinn auslöste und ob das Grundstück einem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen war.

Im Streitfall vermietete der Rechtsvorgänger der Kläger (A) ein bebautes Grundstück an eine GmbH, die dort ein Senioren- und Pflegeheim betrieb. A beantragte im Jahr 1999 die Baugenehmigung für einen Erweiterungsbau (Fertigstellung 2004). Im Jahr 2000 hatte A eine gewerbliche KG (A-KG) gegründet. Mitte 2005 brachte A die Immobilie gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Übernahme von Verbindlichkeiten in die A-KG ein, die das Mietverhältnis mit der GmbH fortführte. Nach Auffassung des Finanzamts hatte A das Grundstück nicht aus seinem Privat-, sondern aus einem Betriebsvermögen eingebracht. Deshalb besteuerte das Finanzamt einen Einbringungsgewinn. Das Niedersächsische Finanzgericht wies die Klage gegen den ESt-Bescheid und den GewSt-Messbescheid für das Jahr 2005 als unbegründet zurück. Der BFH hob das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Eine abschließende Entscheidung in der Sache war nicht möglich, da die dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts nicht ausreichten.

Sollte A einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben haben, wäre die Einbringung des Grundstücks in die A-KG nicht als teilentgeltlicher, sondern vielmehr als vollentgeltlicher Vorgang zu werten. Die von der A-KG erbrachte Gegenleistung für die Einbringung des Grundstücks bestand aus zwei Komponenten (in der Gewährung von Gesellschaftsrechten und in der Übernahme sämtlicher auf der eingebrachten Immobilie lastenden Verbindlichkeiten). Es handelte sich um ein Mischentgelt, das dadurch gekennzeichnet ist, dass zumindest eine der beiden Entgeltkomponenten - vorliegend der in Gesellschaftsrechten bestehende Teil der Gesamtgegenleistung - durch eine Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG begünstigt ist. Jedenfalls dann, wenn die Werte der beiden Entgeltkomponenten dem Teilwert des eingebrachten Wirtschaftsguts entsprechen, handelt es sich um einen vollentgeltlichen Vorgang (, BStBl II 2014 S. 629, Rz. 84). Bei einem Mischentgelt, das dem Teilwert des eingebrachten Wirtschaftsguts entspricht, hat der BFH in Entscheidungen, die zu der bis zum Jahr 1998 geltenden Rechtslage ergangen sind, die sog. strenge Trennungstheorie angewendet (, BStBl II 2002 S. 420). Der BFH hat in dem o. b. Urteil vom , a. a. O., unter Rz. 50 angedeutet, dass er in einer solchen Konstellation auch nach Maßgabe der aktuellen Gesetzeslage zur selben Lösung käme.

VI. , BFH/NV 2023, 120

Im Streitfall hat der BFH die Sache an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Die Übernahme von Verbindlichkeiten kann zwar ein Entgelt für die Übertragung eines Wirtschaftsguts darstellen. Der BFH konnte aber nicht erkennen, ob die Übertragung des Wirtschaftsguts (des Anwartschaftsrechts) entgeltlich, teilentgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Vorinstanz) hatte sich mit Urteil vom , 11 K 11258/13, juris, nicht der Auffassung des IV. Senats, sondern der des X. Senats des BFH und damit der strengen Trennungstheorie angeschlossen, wonach der Buchwert anteilig nach dem Verhältnis zwischen dem Teilentgelt und dem Verkehrswert des Wirtschaftsguts aufgeteilt wird, sodass bei einer teilentgeltlichen Übertragung immer ein dem Verhältnis des Entgelts zum Verkehrswert entsprechender Anteil der stillen Reserven realisiert wird. Bei der Begründung des o. b. verweist der IV. Senat auf seine Rechtsprechung zur modifizierten Trennungstheorie. Die Rechtsfrage, welche der beiden Theorien zur Anwendung kommt, ist damit noch nicht abschließend geklärt.

VII. , EFG 2023, 1131

Strittig ist, wie der Veräußerungsgewinn bei einer teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters in das Gesamthandsvermögen einer anderen Mitunternehmerschaft, an der er beteiligt ist, zu ermitteln ist.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz folgt in seiner Entscheidung der Auffassung des X. Senats des BFH und wendet zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns bei teilentgeltlicher Übertragung eines Wirtschaftsguts die strenge Trennungstheorie an.

Die Kläger haben gegen das o. b. Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz Revision eingelegt, Az. des BFH IV R 17/23.

VIII. Weitere Vorgehensweise

In Fällen der teilentgeltlichen Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts ist weiterhin nach der Rz. 15 des o. b. a. a. O., zu verfahren (Anwendung der strengen Trennungstheorie).

Zur Frage der Anwendung der strengen Trennungstheorie bei teilentgeltlicher Übertragung eines Wirtschaftsguts ist beim BFH das Revisionsverfahren IV R 17/23 anhängig, sodass Einspruchsverfahren kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO ruhen.

ESt-Kartei ND: Die bisherige Karteikarte zu § 6 EStG Nr. 7.1 vom , Az.: S 2241-St 221/St 222-864/2023, ist durch diese Karteikarte zu ersetzen.

Landesamt für Steuern Niedersachsen v. - S 2241-St 221/St 222-864/2023

Fundstelle(n):
ESt-Kartei ND EStG § 6 Karte 7.1
EStB 2024 S. 22 Nr. 1
DAAAJ-54642