Strafverurteilung wegen versuchten Betrugs u.a.: Irrtumserregung gegenüber einer Person bei Online-Bestellungen
Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 263 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO
Instanzenzug: Az: 21 KLs 2/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 48 Fällen, wobei er in 47 Fällen gewerbsmäßig handelte, es in sieben dieser Fälle beim Versuch blieb und er in einem dieser Fälle tateinheitlich eine Urkundenfälschung beging, wegen falscher Verdächtigung in zwei Fällen, Fälschung erheblicher Daten in zwei Fällen, Beleidigung in drei Fällen sowie wegen Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
2Der Schuldspruch hält nur teilweise rechtlicher Nachprüfung stand.
31. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung im Fall II. 2 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4Nach den Feststellungen des Landgerichts teilte der Angeklagte am einem Rechtsanwalt, der mit der Durchsetzung von Ansprüchen gegen ihn beauftragt war, telefonisch auf dem Anrufbeantworter in dessen Büro mit: „Der nächste Bote, der hier auf meinem Grundstück steht, fährt mit dem Krankenwagen weg. Das verspreche ich Ihnen...Du Wichser!“.
5Nach dem zur Tatzeit geltenden § 241 Abs. 1 StGB machte sich wegen Bedrohung nur strafbar, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht. Zwar kann dem Telefonanruf ohne Weiteres die Androhung einer rechtswidrigen Tat gegen die körperliche Unversehrtheit entnommen werden, was für die Verwirklichung des § 241 Abs. 1 StGB nach der seit geltenden Neufassung ausreichend wäre. Darin aber eine Drohung mit einem Verbrechen zu sehen, liegt, jedenfalls ohne nähere Erläuterung, fern. Vielmehr liegt in dem Vorgehen des Angeklagten eine (versuchte) Nötigung des Rechtsanwalts, diesen von der Geltendmachung von Ansprüchen gegen ihn abzubringen. Der Senat kann mit Blick auf § 265 Abs. 1 StPO den Schuldspruch nicht selbst umstellen und hebt ihn deshalb auf. Die Feststellungen können bestehen bleiben, sie sind von dem Rechtsfehler nicht berührt.
62. Auch der Schuldspruch wegen Betrugs bzw. versuchten Betrugs in den Fällen II. 22 – 25, 27 – 47 der Urteilsgründe weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
7a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der Angeklagte in diesen Fällen in der Zeit vom bis , zum Teil unter eigenem Namen, zum Teil unter fiktiven Namen, über das Internet in verschiedenen Online-Shops Waren, die ihm größtenteils auch geliefert wurden. Warum einzelne Bestellungen nicht ausgeliefert wurden, lässt sich – mit Ausnahme von Fall II. 26 der Urteilsgründe, in dem dies eine Bonitätsprüfung verhinderte – den Urteilsgründen nicht entnehmen. Der Angeklagte hatte zu keinem Zeitpunkt vor, die bestellte Ware zu bezahlen.
8b) Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen (versuchen) Betruges nicht. Das Landgericht hat zwar festgestellt, dass der Angeklagte teilweise über die Person des Bestellers und in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft getäuscht hat. Ob dies aber zu einem entsprechenden Irrtum einer mit der Abwicklung der Bestellung in den Online-Shops betrauten Person geführt hat oder lediglich ein Datenverarbeitungsvorgang ausgelöst worden ist, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht, auch nicht im Gesamtzusammenhang, entnehmen.
9Da sich weitere Feststellungen hierzu treffen lassen, kommt eine grundsätzlich in Betracht zu ziehende Wahlfeststellung zwischen Betrug und Computerbetrug (vgl. , NJW 2008, 1394; Beschluss vom – 4 StR 471/18) nicht in Betracht. Der Senat hebt deshalb den Schuldspruch in den genannten Fällen auf.
10c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat für den Fall, dass die Abwicklung der Bestellvorgänge automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person erfolgt sein sollte, darauf hin, dass insbesondere bei einer Buchung unter „eigenem Namen“ genauere Feststellungen zu Zahlungs- und Bestellmodalitäten und zum Vorliegen eines konkreten vermögensrelevanten Datenverarbeitungsvorgangs zu treffen sind (vgl. BGHSt 47, 160 (163) = NJW 2002, 905; , wistra 2023, 161 f.). Sollten die Bestellungen von natürlichen Personen bearbeitet worden sein, ist festzustellen, ob und gegebenenfalls welche irrigen Vorstellungen die Personen hatten, die die Verfügungen getroffen haben (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 658/13, NStZ 2014, 644). Für die konkurrenzrechtliche Bewertung ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass bei einem zeitlichen Zusammenhang von mehreren am selben Tag vorgenommenen Bestellungen die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Betracht kommt (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 98/23 mwN). Zudem ist in den Fällen, in denen der Angeklagte an verschiedenen Tagen bei demselben Onlineanbieter bestellt hat, in den Blick zu nehmen, ob es dabei zu einer mehrfachen Nutzung eines Kundenkontos mit dort gespeicherten unrichtigen beweiserheblichen Daten gekommen ist (vgl. Senat aaO; , NStZ-RR 2014, 214) oder ob es sich jeweils um bloße Einzelbestellungen ohne Rückgriff auf ein vorhandenes Konto gehandelt hat.
113. Hinsichtlich der im Übrigen vom Angeklagten verwirklichten, rechtsfehlerfrei festgestellten Straftaten war der Schuldspruch entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts abzuändern. Dem Landgericht ist bei der Abfassung der Urteilsformel – wie es bereits in den Urteilsgründen dargelegt ist – ein Zählfehler bei den Betrugstaten unterlaufen, den der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO berichtigen konnte. Zudem hatte die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung (als bloßes Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betrugs) im Tenor zu entfallen.
II.
12Die (teilweise) Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Gesamtstrafenausspruch seine Grundlage. Im Übrigen hat die Überprüfung des Strafausspruchs Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
III.
13Soweit der Schuldspruch in den Fällen II. 2, 22 – 25, 27 – 47 der Urteilsgründe aufgehoben worden ist, führt dies auch zur Aufhebung der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von in diesen Fällen erlangten Taterträgen. Die Einziehungsentscheidung hat deshalb nur Bestand, soweit sie hinsichtlich des in den Fällen II. 1, 4 und 8 – 19 Erlangten einen Betrag von 7.898,30 € erfasst.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:241023B2STR338.23.0
Fundstelle(n):
wistra 2024 S. 68 Nr. 2
CAAAJ-53465