Erforderlichkeit der positiven Feststellung des symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Substanzkonsum eines Täters und der Begehung von Straftaten
Gesetze: § 64 StGB
Instanzenzug: Az: 545 KLs 20/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen Besitzes von Dopingmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Monate der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Die dort normierten und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle geltenden Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Einziehungsanstalt werden durch das Urteil nicht hinreichend belegt. Das gilt namentlich für den erforderlichen symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Substanzkonsum des Täters und der Begehung von Straftaten – die Anlasstat muss nun „überwiegend“ auf den Hang zurückgehen, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen (BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f., vgl. hierzu bereits ).
3Bei seiner vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens getroffenen Entscheidung hat das Landgericht diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht anwenden können. Es hat festgestellt, dass die Betäubungsmittelgeschäfte neben dem Bestreiten des Lebensunterhalts „auch der Finanzierung des erheblichen Rauschmittelbedarfs“ des ansonsten von staatlichen Transferleistungen lebenden Angeklagten dienten. Damit ist zwar eine – zum Urteilszeitpunkt für die Unterbringung nach § 64 Satz 1 StGB aF ausreichende – Mitursächlichkeit seines erheblichen Konsums für die Straftaten des Angeklagten belegt, jedoch fehlt eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit letzterer das ausschlaggebende Motiv für die verfahrensgegenständlichen Taten war.
4Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen. Dieses wird dabei zu beachten haben, dass ein Hang im Sinne des § 64 StGB – auch soweit dort nunmehr eine Substanzkonsumstörung vorausgesetzt wird – nicht durch die bloße Wiedergabe der durch einen medizinischen Sachverständigen gestellten Diagnose belegt werden kann, sondern auch die hierfür maßgeblichen Anknüpfungs- und Befundtatsachen mitzuteilen sind (vgl. nur ).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:071123B5STR345.23.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-53456