Instanzenzug: LG Erfurt Az: 2 KLs 850 Js 22337/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten R. Z. wegen „unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition, unerlaubtem Besitz von Patronenmunition und unerlaubtem Besitz eines Schlagrings, wegen „Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in sechs Fällen, jeweils in Tateinheit mit „unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, einer weiteren „Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in sechs gleichartigen Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit „unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln“ und in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, sowie wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, sowie wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Darüber hinaus hat es Einziehungsentscheidungen getroffen und die Fahrerlaubnisbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
2Den Angeklagten M. Z. hat das Landgericht wegen „Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit „unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
3Mit ihren zu Ungunsten beider Angeklagter eingelegten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Hinsichtlich des Angeklagten R. Z. rügt sie die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG im Fall II.B.11. der Urteilsgründe. Den Angeklagten M. Z. sieht sie in diesem Fall zu Unrecht lediglich wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt und erstrebt eine Verurteilung zumindest wegen Beihilfe zum bewaffneten Betäubungsmittelhandel. Lediglich das Rechtsmittel betreffend den Angeklagten M. Z. hat Erfolg.
I.
4Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
51. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem schlossen sich die gesondert Verfolgten B. , Bl. , H. und weitere zusammen, um sich im Betäubungsmittelhandel zu betätigen. B. übernahm die Führung; er hielt den Kontakt zu Lieferanten und Abnehmern und organisierte die Übernahmen und Abgaben der Betäubungsmittel innerhalb der Gruppe. Er warb auch den Angeklagten R. Z. zur Mitwirkung an, der in Kenntnis aller Umstände einwilligte und im Folgenden in mehreren Fällen an Bl. gelieferte Betäubungsmittel abholte und an von B. bestimmte Abnehmer transportierte. Nach der Festnahme von B. und Bl. setzte der Angeklagte R. Z. die Betäubungsmittelgeschäfte fort.
6So wurde er unter anderem am (Fall II.B.11. der Urteilsgründe) mit dem gesondert Verfolgten N. über die Lieferung von 2 kg Metamphetamin und 10 kg Marihuana zu einem Gesamtpreis von 89.000 € handelseinig, die Übergabe wurde für den in der Nähe einer Tankstelle in B. vereinbart. Der Angeklagte R. Z. entwickelte indes den Plan, den vereinbarten Kaufpreis nicht zu bezahlen, sondern seinen Lieferanten und dessen etwaige Begleiter unter Vorhalt einer ihm gehörenden, funktionsfähigen halbautomatischen Pistole zu zwingen, zu seinem Gartenhaus in K. zu fahren, sie dort zu fesseln und unter Ausnutzung dieser Zwangslage die Herausgabe der Betäubungsmittel zu erzwingen.
7Hierzu bat er seinen Bruder, den Angeklagten M. Z. , ihn am zu einem Treffen mit einem Lieferanten zur Abholung von Betäubungsmitteln zu begleiten, die sodann gewinnbringend weiterverkauft werden sollten. Dieser willigte ein, weil er seinem Bruder, der keinen Führerschein hatte, behilflich sein wollte. Beide fuhren sodann zu dem mit dem Lieferanten vereinbarten Treffpunkt, wo der Angeklagte R. Z. das von seinem Bruder geführte Fahrzeug verließ und sich zum gesondert Verfolgten N. und dessen Begleitern begab. Die genannte Pistole führte er fertiggeladen und zugriffsbereit in seinem Rucksack oder unter seiner Kleidung versteckt mit sich. Er bestieg sodann das Fahrzeug seines Lieferanten und fuhr mit diesem weg. Wenig später, am um 23:51 Uhr und am um 0:21 Uhr, führte er zwei Telefongespräche mit seinem Bruder, in dem er diesem von seinem Plan berichtete und Überlegungen äußerte, ob er diesen weiter ausführen solle.
8Im Anschluss gab der Angeklagte seinen Plan zur gewaltsamen Verschaffung der Betäubungsmittel aus eigener Entscheidung heraus auf. Weder Betäubungsmittel noch ein Kaufpreis wurden übergeben.
92. Wegen dieses Sachverhalts hat die Strafkammer den Angeklagten M. Z. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Sie hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass M Z. bereits vor Fahrtantritt von der fertiggeladenen und zugriffsbereit von seinem Bruder mitgeführten Pistole nebst Munition Kenntnis hatte.
II.
10Die zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft sind wirksam beschränkt, hinsichtlich des Angeklagten R. Z. auf den Einzelstrafausspruch im Fall II.B.11. der Urteilsgründe und den Gesamtstrafausspruch sowie hinsichtlich des Angeklagten M. Z. auf die Verurteilung im Fall II.B.11. und den Gesamtstrafausspruch.
111. Das Rechtsmittel dringt nicht durch, soweit es den Angeklagten R. Z. betrifft.
12a) Die Strafbemessung (Strafrahmenbestimmung und Festsetzung der konkreten Strafe) ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, sie von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (st. Rspr.; vgl. , NStZ-RR 2017, 105, 106, und vom – 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240, jeweils mwN; Beschluss vom – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN). Das ist hier nicht der Fall.
13b) Zwar weist die Beschwerdeführerin mit Recht darauf hin, dass das bloße Fehlen eines möglichen Strafschärfungsgrundes in Gestalt des denkbaren Waffeneinsatzes dem Angeklagten nicht strafmildernd zugute gebracht und tragend für die Annahme eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG heranzogen werden darf (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 335/18, NStZ 2020, 45, 46 mwN). Vorliegend stellt die Strafkammer indes darauf ab, dass der Angeklagte seinen „offensichtlich unausgereiften“ Plan zur gewaltsamen Besitzverschaffung an den Betäubungsmitteln – unter Verwendung der Schusswaffe – aufgab und es auch nicht auf andere Weise zu einer Übergabe der Betäubungsmittel kam. Dies lässt einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten R. Z. nicht erkennen.
14c) Die Strafkammer hat das vom Angeklagten R. Z. mitverwirklichte Waffendelikt strafschärfend berücksichtigt. Dass sie darüber hinaus nicht auch noch die „gefahrsteigernde Anspannung des Angeklagten“ oder dessen „von allen Regeln der Waffensicherheit befreiten Umgang mit der Schusswaffe“ ausdrücklich als strafschärfenden Umstand in den Urteilsgründen erörtert hat, ist angesichts der Feststellungen zum Tatablauf ohne Rechtsfehler. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StGB hat das Gericht die Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dies bedeutet indes nicht, dass jeder derartige Umstand der ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen bedarf und dass die Nichterörterung stets einen Rechtsfehler begründet. Das Gericht ist vielmehr lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. , NStZ-RR 2012, 336, 337).
15d) Fehl geht auch die Auffassung der Staatsanwaltschaft, die Strafkammer habe zu Unrecht die geringere Gefährlichkeit der gehandelten Betäubungsmittel berücksichtigt. Vielmehr hat sich die Strafkammer auf einer tragfähigen Beweisgrundlage die Überzeugung von der Art der gehandelten Betäubungsmittel und – mit sachverständiger Hilfe – von deren Gefährlichkeit verschafft.
162. Demgegenüber zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin die Verurteilung des Angeklagten M. Z. im Fall II.B.11. der Urteilsgründe. Die Beweiserwägungen der Strafkammer, mit denen diese eine Beihilfe zum bewaffneten Betäubungsmittelhandel im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB verneint hat, halten – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. nur Senat, Urteil vom – 2 StR 159/22 mwN) – rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
17a) Insbesondere die Annahme der Strafkammer, dem Angeklagten sei keine „Kenntnis und Billigung […] hinsichtlich der mitgeführten Waffe und dem mitgeteilten Plan“ nachzuweisen, fußt auf einer lückenhaften Beweiswürdigung.
18Die Strafkammer hat ihre Überzeugung vom festgestellten Sachverhalt auf die in die Hauptverhandlung eingeführten und im Urteil ausführlich wiedergegebenen Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung gestützt. Ausweislich des am um 23:51 Uhr geführten Gesprächs teilte der Angeklagte R. Z. seinem Bruder mit, dass „es hier schiefgelaufen“ sei, dass „sie [die Lieferanten] jetzt zu Dritt stehen“, wie der „es jetzt machen“ und ob er „es durchziehen“ solle. R. Z. berichtete seinem Bruder ferner, dass die Lieferanten „die Wumme“ bis jetzt nicht gefunden hätten, dass er nunmehr aber „den Rucksack“ brauche und sein Bruder ihm dann beim Fesseln helfen müsse. Auch in dem weiteren Gespräch am um 0:21 Uhr teilte R. Z. seinem Bruder mit, dass „es“ nicht geklappt habe.
19Welchen Sinn eine derartige Kommunikation ergeben könnte, wenn der Angeklagte M. Z. nicht bereits von dem Plan seines Bruders („es“) wusste, erschließt sich nicht ohne Weiteres und hätte näherer Erörterung bedurft. Diese lassen die Urteilsgründe vermissen.
20b) Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Von einer Klarstellung des verbleibenden Tenors (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 340/14; vom – 3 StR 115/18, jeweils mwN) sieht der Senat ab.
21c) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
22Das neue Tatgericht wird auch den Inhalt des weiteren überwachten Telefonats der Brüder Z. am , beginnend um 0:21 Uhr, in den Blick zu nehmen und zu prüfen haben, ob sich hieraus die Überzeugung von einer Beteiligung des Angeklagten M. Z. an einem bewaffneten Betäubungsmittel gewinnen lässt (zu der mittels Straftaten erstrebten Aneignung von Betäubungsmitteln vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 593/81, BGHSt 30, 359; , NStZ 1993, 44; Beschluss vom – 4 StR 102/16; Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl., BtMG § 29 Rn. 324). Zu diesem Zeitpunkt hatte er jedenfalls bereits Kenntnis von der Waffe („Wumme“). Dabei dürften sich aussagekräftige Erkenntnisse über den genauen Inhalt der Gespräche nicht allein aus der in den Urteilsgründen wiedergegebenen polizeilichen Zusammenfassung der Telefonate gewinnen lassen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:130923U2STR42.23.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-53199