BGH Urteil v. - 6 StR 160/23

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Konkurrenzverhältnis bei Besitz mehrerer Handelsmengen und Marihuana zum Eigenkonsum

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Neubrandenburg Az: 22 KLs 12/22nachgehend Az: 6 StR 299/24 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt sowie Einziehungsentscheidungen getroffen. Das auf die Sachrüge gestützte, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in geringem Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet.

21. Nach den Feststellungen lagerte der Angeklagte in einer Garage 2,983 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 441 Gramm THC und in einer andernorts gelegenen Garage 2,98 Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 243,04 Gramm THC. Er hatte die Betäubungsmittel von zwei Lieferanten zum gewinnbringenden Weiterverkauf erhalten. Ferner hielt er in der letztgenannten Garage 420 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffanteil von 14,72 Gramm THC für seinen Eigenkonsum vorrätig.

32. Die Überprüfung des Urteils hat im Schuldspruch lediglich einen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler dahin ergeben, dass die Strafkammer nur eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) ausgeurteilt hat. Sie weist selbst zutreffend darauf hin, dass diese konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten unzutreffend ist.

4a) Eine Bewertungseinheit liegt nicht vor, weil die beiden aus verschiedenen Lieferungen stammenden Handelsmengen nicht zu einem Verkaufsvorrat zusammengeführt wurden (st. Rspr.; vgl. mwN).

5Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB besteht ebenfalls nicht. Mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sind tateinheitlich verwirklicht, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich zumindest teilweise überschneiden. Derartiges hat das Landgericht nicht festgestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 200/23; vom – 5 StR 481/22; jeweils mwN).

6Schließlich tritt der Besitz an der Handelsmenge gegenüber dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück; er hat deshalb mangels Wertgleichheit nicht die Kraft, selbstständige, die Voraussetzungen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 631/95, BGHSt 42, 162, 166; vom – 4 StR 144/13, NStZ 2014, 163).

7b) Ferner hat sich der Angeklagte bezüglich der zum Eigenkonsum bestimmten 420 Gramm Marihuana des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig gemacht. Dieser Besitz steht in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zum Handeltreiben mit der in derselben Garage gelagerten Verkaufsmenge (vgl. , NStZ-RR 2016, 82, 83).

8c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Senat kann ausschließen, dass der Angeklagte sich weitergehend strafbar gemacht hat. Denn eine in den Urteilsgründen erwähnte dritte Lieferung hat das Landgericht auf die Eigenkonsummenge von 420 Gramm Marihuana bezogen.

93. Die Änderung des Schuldspruchs entzieht der für nur eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängten Freiheitsstrafe die Grundlage.

104. Die Einziehungsentscheidung hält nur teilweise der rechtlichen Nachprüfung stand.

11a) Das Landgericht hat in Bezug auf die beim Angeklagten sichergestellten 480 Euro die Voraussetzungen der Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB nicht erörtert, obwohl dies geboten gewesen wäre. Ebenso hat es über die Einziehung der Betäubungsmittel nach § 33 Satz 1 BtMG i.V.m. § 74 Abs. 2 StGB (vgl. ) nicht entschieden. Dass die nach den Feststellungen sichergestellten Betäubungsmittel nicht mehr gegenständlich vorhanden sind, versteht sich nicht von selbst. Mangels Verfügungsbefugnis des Angeklagten (vgl. − 5 StR 269/19, NStZ 2020, 24) war eine außergerichtliche Einziehung (vgl. dazu , NStZ-RR 2021, 220, 221) der Betäubungsmittel schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

12b) Im Übrigen weist die Einziehungsentscheidung hinsichtlich des sonst sichergestellten Geldes und des Sportbootes aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Die Einziehung des zur Tatbegehung benutzten Fahrzeugs hat das Landgericht zutreffend auf § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB gestützt. Denn die Einziehung nach § 74 StGB hat Vorrang vor derjenigen nach § 73a StGB (vgl. ). Die Wendung, die Einziehung sei „nicht unverhältnismäßig“, lässt mit Blick auf die weiteren Erwägungen zur Menge des transportierten Rauschgifts noch hinreichend erkennen, dass sich das Landgericht seines Ermessens bewusst war.

135. Der Senat verweist die Sache im Umfang der Aufhebung zurück, wobei die jeweiligen Feststellungen Bestand haben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden können.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:021123U6STR160.23.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-52879