Antrag auf aufschiebende Wirkung einer Kostenerinnerung in Sachsen-Anhalt: Zahlungsaufforderung als Leistungsgebot bzw. Verwaltungsakt
Rechtsschutzbedürfnis trotz Setzung eines Mahnschlüssels
sofortige Zuständigkeit des Gerichts
Voraussetzungen für Anordnung
kontradiktorisches Verfahren
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt für Leistungsgebot zur Kostenrechnung sachlich unzuständig
Leitsatz
1. Die in einer Gerichtskostenrechnung enthaltene Zahlungsaufforderung ist ein Leistungsgebot, das einen vollziehbaren Verwaltungsakt
darstellt und nicht etwa eine Nebenbestimmung zum Kostenansatz bildet.
2. Das Rechtschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung bleibt auch dann bestehen,
wenn das Gericht intern einen sogenannten Mahnschlüssel gesetzt und so dafür gesorgt hat, dass die Kostenforderung nicht angemahnt
bzw. beigetrieben wird.
3. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung wegen des Verwaltungsakts „Leistungsgebot” durch das Gericht entspricht
einer Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts durch das Gericht, die auch mit Rückwirkung für die Vergangenheit
angeordnet werden kann.
4. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung durch den Einzelrichter kennt weder ein einem Widerspruchs- oder
Einspruchsverfahren vergleichbares Vorverfahren noch den des § 69 Abs. 4 FGO vergleichbare besondere Zugangsvoraussetzungen.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung durch eine Behörde sieht das Gesetz nicht vor, weshalb die Zuständigkeit
des Gerichts für die in der Erinnerung liegende Hauptsache mit deren Eingang besteht. Aus den Befugnissen der Justizkasse
nach § 9 Abs. 1 JBeitrG lässt sich nichts Abweichendes ableiten (gegen FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss v. ,
5 Ko 481/22).
5. Bei einem einen Kostenansatz betreffenden Erinnerungsverfahren handelt es sich um ein kontradiktorisches Verfahren. Dasselbe
wie für das Verfahren in der Hauptsache gilt für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 66 Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz
GKG.
6. Die aufschiebende Wirkung kann nicht nur angeordnet werden, sie ist in Anlehnung an den Maßstab des § 69 Abs. 3 Satz 1
2. Halbsatz FGO in Verbindung mit § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO und § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO anzuordnen, wenn die Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Kostenansatzes ernstlich zweifelhaft ist oder aber bei offener Rechtslage, wenn die Vollziehung für den Antragsteller
eine unbillige oder unzumutbare Härte zur Folge hätte. Die Anordnung setzt nicht stets voraus, dass dem Kostenschuldner ohne
eben diese „unersetzbare Nachteile” drohten oder aber ihm die „Zahlung der Kostenrechnung” aus anderen Gründen „unzumutbar”
sei. Die gerichtliche Entscheidung erfordert auch nicht etwa eine Abwägung zwischen einem in § 66 Abs. 7 Satz 1 GKG zum Ausdruck
kommenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug der Kostenschuld und dem entgegenstehenden Interesse des Kostenschuldners,
die ihm auferlegte Zahlungspflicht nicht vor der Bestandskraft der Kostenanforderung erfüllen zu müssen.
7. Ein Leistungsgebot im Sinnne einer Zahlungsaufforderung regelt das GKG nicht. Der Erlass eines Leistungsgebots durch das
Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalts bzw. dessen Kosten- oder Urkundsbeamte ist weder durch das JBeitrG noch durch das
GKG noch durch die KostVfg gedeckt. In Sachsen-Anhalt nimmt die Landeshauptkasse alle Kassenaufgaben für den Geschäftsbereich
des Ministeriums für Justiz und Gleichstellung wahr. Sie ist Gerichtskasse im Sinne des JBeitrG und Vollstreckungsbehörde
für die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrG bezeichneten Ansprüche. Insoweit wird nicht der Auffassung gefolgt, für das Leistungsgebot
sei im Falle seiner Verbindung mit dem Kostenansatz die den Kostenansatz erlassende Behörde sachlich zuständig, andernfalls
hingegen die Vollstreckungsbehörde.
Fundstelle(n): UAAAJ-52730
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