Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre: Geltung der Begrenzung des Instanzenzugs für das Verfügungsverfahren hinsichtlich des sich anschließenden Ordnungsmittelverfahrens: Schutzumfang eines titulierten Unterlassungsgebots gegen eine Presseberichterstattung; Kerntheorie - DREAM TEAM - Reichweite eines Unterlassungstitels
Leitsatz
1. Die Begrenzung des Instanzenzugs durch § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt nur für das Verfügungsverfahren selbst, nicht hingegen für selbständige und mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestaltete Verfahren, die sich an das Verfügungsverfahren anschließen, wie beispielsweise das Kostenfestsetzungsverfahren oder Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO.
2. Zum Schutzumfang eines titulierten Unterlassungsgebots (hier: Verbot bestimmter die Privatsphäre beeinträchtigender Äußerungen).
Gesetze: § 542 Abs 2 S 1 ZPO, § 574 Abs 1 S 2 ZPO, § 890 ZPO, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: 10 W 1039/20vorgehend Az: 27 O 40/20
Gründe
I.
1Durch Beschluss vom untersagte das Landgericht Berlin der Schuldnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel, über eine neue Liebesbeziehung zwischen den Gläubigern zu berichten, insbesondere zu behaupten oder zu verbreiten
- "Kann diese Liebe gut gehen?"
- "DREAM TEAM - seit dem Sommer sollen M.[...] und L.[...] ein Paar sein. Die Fans warten auf offizielle Infos",
wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "Closer" Nr. 4 vom auf den Seiten 12 und 13 unter der Überschrift "Kann diese Liebe gutgehen?".
2In diesem Artikel wird unter Berufung auf Insider berichtet, dass aus der zwischen den Gläubigern schon seit längerem bestehenden Freundschaft eine Liebesbeziehung geworden sein solle. Unter Hinweis darauf, dass ihr sehr unterschiedlicher Umgang mit der Öffentlichkeit reichlich Konfliktpotential berge, wird die Frage aufgeworfen, ob die Gläubiger zueinander passen. In einem mit den Worten "Oberflächlich betrachtet sind die beiden perfekt füreinander" eingeleiteten Absatz werden zunächst Gemeinsamkeiten der Gläubiger geschildert. Es heißt dort: "Beide sind erfolgreiche Sänger, arbeiten seit fünf Jahren für dieselben TV-Formate und haben einen ähnlichen Humor. Sie verstehen sich schon länger bestens ...". Wenig später wird ausgeführt: "Anders als M.[...] scheut L.[...] sich nicht, ihre Gefühle und Gedanken per Social Media mit den Fans zu teilen, plaudert auch in Interviews öfter mal private Befindlichkeiten aus (CLOSER berichtete). Ob M.[...] auf Dauer mit so viel Offenheit klar kommt? Ob L.[...] sich ihm zuliebe etwas zurücknimmt? Aus ihrem Umfeld heißt es: 'M.[...] gibt ihr Boden und ist ein erwachsener Mensch, das war in ihrer anderen Beziehung am Ende nicht mehr so.' Klingt eigentlich vielversprechend. Man kann für die beiden nur hoffen, dass die Gegensätze am Ende nicht die Gemeinsamkeiten übertrumpfen ...". Die Beschlussverfügung wurde der Schuldnerin am zugestellt.
3In der Ausgabe Nr. 6 der von der Schuldnerin verlegten Wochenzeitschrift "InTouch" vom veröffentlichte diese auf Seite 17 einen Artikel mit der Überschrift "Heimliche Verlobung?", den sie auf der Titelseite mit der Schlagzeile "Verdächtiger Ring! Geht es bei ihrer neuen Liebe jetzt ganz schnell?" ankündigte. In dem Artikel wird über ein von der Gläubigerin auf Instagram veröffentlichtes Video berichtet. Es heißt darin unter anderem "Und die Dreharbeiten für 'The Voice Kids' stünden jetzt an, erzählt sie, während sie dabei mit der Hand vor der Linse herumgestikuliert. Und genau damit könnte sie ungewollt die dicksten News verraten haben, ohne ein Wort zu sagen. Denn an ihrem rechten Ringfinger glitzert plötzlich ein Klunker. Hat sich L.[…] etwa blitz-verlobt? Möglich wär's, schließlich wurde L.[…] zuletzt mit ihrem Kollegen M.[…] F.[…] (36) in Verbindung gebracht. Offiziell bestätigt ist aber noch nix, auch wenn die beiden nun schon öfter ganz privat zusammen gesehen wurden. Und jetzt der verdächtige Ring … Aber L.[…] will wohl nicht zu viel verraten. Denn auffällig ist: nach kurzer Zeit löschte die Sängerin ihre Story wieder und lud eine neue hoch. Mit demselben Text - aber diesmal ohne ihre Hände im Bild …".
4In der Ausgabe Nr. 9 der von der Schuldnerin verlegten Wochenzeitschrift "Woche heute" vom veröffentlichte diese einen Artikel mit der Überschrift "Burn-out mit 25". Anlass der Berichterstattung war ein in dem ZEIT-Podcast "Frisch an die Arbeit" veröffentlichtes Interview mit der Gläubigerin. In dem Artikel werden anlässlich des Interviews gemachte Aussagen der Gläubigerin wörtlich wiedergegeben und unter anderem ausgeführt: "Also entschied sie, die Notbremse zu ziehen, endlich einmal in sich hineinzuhören. Das war natürlich nicht leicht. Doch mit Kollegen und guten Freunden, damals vielleicht auch schon ihrem heutigen Partner M.[…] F.[…] (37), gelingt es L.[…], sich zu erden. 'Irgendwann hatte ich nicht mehr nur den internen Blick. Das war wichtig!' Heute würde L.[…] es nie mehr so weit kommen lassen."
5In der Ausgabe Nr. 10 der von der Schuldnerin verlegten Zeitschrift "Closer" vom veröffentlichte diese einen Artikel mit der Überschrift "Plötzlich GETRENNT", in dem über den gemeinsamen Auftritt der Gläubiger anlässlich der Deutschlandpremiere des Animationsfilms "Trolls" berichtet und der im Inhaltsverzeichnis mit den Worten "L.[…] M.[…] & M.[…] F.[…] - Plötzlich auf Abstand" angekündigt wurde. Der Artikel ist mit der Unterüberschrift versehen: "Was ist los bei L.[…] und M.[…]? Die seltsamen Szenen in Berlin …". In dem Artikel heißt es unter anderem: "Seit Wochen diskutiert halb Deutschland über diese innige Promi-Freundschaft: M.[…] F.[…] (37) und L.[…] M.[…] (28). Vergangene Woche hatten sie jetzt endlich (!) ihren ersten gemeinsamen Auftritt. Und der ging komplett schief! Sie kennen sich seit Jahren, waren lange nur Kollegen - doch mittlerweile verbindet die beiden eine besondere Beziehung. … Wer jedoch vergangene Woche zur Premiere des US-Animationsfilms 'Trolls' mit internationalen Stargästen … kam, könnte denken, dass die beiden sich spinnefeind sind: Auf dem roten Teppich taten L.[…] und M.[…] so, als würden sie sich nicht kennen. Sie hielten Abstand, würdigten sich kaum eines Blickes, für ein Foto zu zweit wollten sie gar nicht posieren. … Auf einem Gruppenfoto suchten sie den größtmöglichen Abstand voneinander. Ist diese besondere Freundschaft etwa schon wieder vorbei?"
6In der Ausgabe Nr. 11 der Zeitschrift "Closer" vom veröffentlichte die Schuldnerin einen Artikel mit der Überschrift "L.[…] M.[…] (28) Sie will Mami sein". Darin heißt es unter anderem: "In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagt L.[…] M.[…] (28) jetzt: 'Ich werde ja in diesem Jahr 30.' … Es gefällt ihr, 'eine Person zu sein, an der andere sich ein wenig orientieren können'. Und auf die Frage, ob sie Mutter werden will, sagt sie: 'Natürlich, auf jeden Fall. Ich würde gerne Mama werden. Ich liebe es sehr, für die Kinder da zu sein - musikalisch und auch persönlich'. Wie toll! Bleibt nur eine ziemlich wichtige Frage. Hat L.[…] für diesen ganz besonderen Wunsch überhaupt schon den richtigen Partner gefunden? Mit M.[…] (37) verbindet sie zwar eine besondere Freundschaft. Ob ihr Gesangskollege […] sich von ihrem Traum allerdings wirklich angesprochen fühlt, steht in den Sternen. Seit die beiden nämlich gemeinsam in der Gerüchteküche schmoren, gehen sie sich zumindest in der Öffentlichkeit aus dem Weg."
7Auf Antrag der Gläubiger hat das Landgericht gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld von 20.000 € wegen Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom verhängt. Das Kammergericht hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen diesen Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Antrag auf Zurückweisung des Ordnungsgeldantrags weiter.
II.
8Nach Auffassung des Kammergerichts hat das Landgericht gegen die Schuldnerin zu Recht gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.000 € verhängt. Die Schuldnerin habe durch die Berichterstattungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und schuldhaft gegen das in Rede stehende Unterlassungsgebot verstoßen. Der Kern der untersagten Verletzungshandlung liege darin, dass die Schuldnerin über eine vermeintliche Liebesbeziehung der Gläubiger berichtet habe. Die beanstandeten Äußerungen in den Folgeveröffentlichungen seien damit kerngleich. Weder der unterschiedliche Berichterstattungsanlass noch das jeweilige Berichterstattungsthema oder die Art und Weise der Befassung mit der Verbindung zwischen den Gläubigern hätten eine Änderung der Umstände in einem solchen Ausmaß zur Folge gehabt, dass die Kerngleichheit der Äußerungen entfiele.
9In sämtlichen beanstandeten Berichterstattungen werde die Behauptung aufgestellt, die Gläubiger seien eine Liebesbeziehung eingegangen. Bei keiner der beanstandeten Berichterstattungen hätten sich wesentliche, im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Gesichtspunkte geändert. Dies gelte auch für die Ersetzung des auf der Instagram-Seite der Gläubigerin veröffentlichten Videos, in dem ihre Hände mit einem Ring eingeblendet gewesen seien, durch ein anderes Video, worüber in dem Artikel vom berichtet werde. Ebenso wenig habe sich ein abwägungsrelevanter Umstand dadurch geändert, dass in dem ZEIT-Podcast ein Interview mit der Gläubigerin veröffentlicht worden sei. Es habe an einem sachbezogenen Anlass gefehlt, den Gläubiger in der Berichterstattung vom aus dem Kollektiv der "Kollegen und guten Freunde" hervorzuheben, mit denen es der Gläubigerin gelungen sei, "sich zu erden". Auch stelle der Umstand, dass sich die Gläubiger bei einem gemeinsamen öffentlichen Auftritt am nicht nebeneinander gestellt hätten, keine Änderung eines im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden wesentlichen Gesichtspunkts dar. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Berichterstattung sei das Verhalten der Gläubiger bei der Deutschlandpremiere des Films "Trolls" unerheblich. Gleiches gelte für die Äußerungen der Gläubigerin gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland über das Bestehen eines abstrakten Kinderwunsches.
10Das Kammergericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob und in welchem Umfang die Kerntheorie auf das Recht der Wortberichterstattung übertragbar sei.
III.
11Die Beurteilung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
121. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist (vgl. , BGHZ 154, 102, Rn. 9). Diese Begrenzung gilt nur für das Verfügungsverfahren selbst, nicht hingegen für Verfahren, die sich an das Verfügungsverfahren anschließen, wie beispielsweise das Kostenfestsetzungsverfahren oder Verfahren über einen Anspruch nach § 945 ZPO oder über die Zulassung eines ausländischen Arrestbefehls zur Vollstreckung (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZB 16/07, GRUR 2008, 639 Rn. 6 - Kosten eines Abwehrschreibens; vom - I ZB 47/06, GRUR 2007, 999 Rn. 8 - Consulente in marchi; vom - VIII ZB 8/79, BGHZ 74, 278, juris Rn. 5; Cepl/Voß/Bacher, ZPO, 3. Aufl., § 542 Rn. 7; MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 542 Rn. 14; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 20. Aufl. § 542 Rn. 5). Um eine derartige rechtsbeschwerdefähige Folgesache handelt es sich auch bei dem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZB 10/22, GRUR 2023, 364, juris Rn. 6, 10; vom - I ZB 96/16, juris; vom - I ZB 20/11, GRUR 2012, 427, juris Rn. 1, 6; vom - I ZB 115/07, BGHZ 180, 72, Rn. 1, 5). Es ist als selbständiges Verfahren mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestaltet (§ 793 ZPO, vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - I ZB 16/07, GRUR 2008, 639 Rn. 6 - Kosten eines Abwehrschreibens; vom - I ZB 47/06, GRUR 2007, 999 Rn. 8).
132. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts hat die Schuldnerin durch die Veröffentlichungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und nicht gegen das durch die Beschlussverfügung des titulierte Unterlassungsgebot verstoßen. Die beanstandeten Äußerungen über die Gläubiger werden vom Schutzumfang des Unterlassungsgebots nicht umfasst.
14a) Ob ein beanstandetes Verhalten von einem gerichtlichem Unterlassungsgebot erfasst wird, hat das für die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO zuständige Prozessgericht durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu beurteilen. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und die Antrags- oder Klagebegründung heranzuziehen. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, sind bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche der Gläubigerin zustehen (vgl. , GRUR 2023, 839 Rn. 9; BVerfG, GRUR 2022, 1089 Rn. 19; jeweils mwN).
15b) Wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, umfasst das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot bestimmter Äußerungen nicht nur wortgleiche Wiederholungen. Es greift vielmehr grundsätzlich auch dann, wenn die verbotenen Äußerungen sinngemäß ganz oder teilweise Gegenstand einer erneuten Berichterstattung sind, sofern etwaige Abweichungen den Aussagegehalt im Kern unberührt lassen (vgl. , VersR 2019, 243 Rn. 44; vom - VI ZR 232/08, AfP 2009, 406 Rn. 11; , juris Rn. 10). Denn das Verbot bezieht sich auf den Inhalt der zu unterlassenden Äußerung und weniger auf ihre konkrete Formulierung im Einzelfall. Würden nur identische Äußerungen die Rechtsfolge des § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO auslösen, wäre die effektive Durchsetzung von auf Unterlassung von Äußerungen gerichteten Ansprüchen wesentlich erschwert und ein verhältnismäßiger Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit nicht gewährleistet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom - 1 BvR 730/97, juris Rn. 10; vom - 1 BvR 1200/04, GRUR 2007, 618, juris Rn. 20 zum Wettbewerbsrecht).
16c) Nach diesen Grundsätzen fallen die Veröffentlichungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und nicht unter den Verbotstenor.
17aa) Durch die Beschlussverfügung des ist der Schuldnerin untersagt worden, über eine neue Liebesbeziehung zwischen den Gläubigern zu berichten, insbesondere im Einzelnen wiedergegebene Aussagen zu behaupten oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "Closer" vom auf den Seiten 12 und 13 unter der Überschrift "Kann diese Liebe gutgehen?". Hiermit ist der Schuldnerin nicht generell verboten worden, über eine Liebesbeziehung zwischen den Gläubigern zu berichten; ihr ist kein abstraktes Themenverbot auferlegt, sondern - wie im Senatsurteil vom (VI ZR 314/10, AfP 2013, 57, juris Rn. 32) im Hinblick auf die erforderliche Abwägung zwischen dem Recht des von einer Berichterstattung Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Presse auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerungen gefordert - lediglich eine erneute Berichterstattung in einem konkreten Kontext untersagt worden ("wenn dies geschieht wie").
18bb) Die Äußerungen der Schuldnerin in den Veröffentlichungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und unterscheiden sich in Bezug auf Inhalt und Kontext aber erheblich von den verbotenen Äußerungen. Während in dem der Verbotsverfügung zugrundeliegenden Artikel in der Zeitschrift "Closer" vom unter Berufung auf Insider über das Bestehen einer Liebesbeziehung zwischen den Gläubigern und darüber spekuliert wird, ob sie zusammenpassen, befassen sich die Veröffentlichungen der Schuldnerin vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und jeweils mit einem Verhalten der Gläubigerin, mit dem sie sich gezielt an die Öffentlichkeit gewandt oder das sie in der Öffentlichkeit gezeigt hat. So ist Gegenstand der Berichterstattung vom ein von der Gläubigerin auf Instagram veröffentlichtes und wenig später wieder entferntes Video, das einen zuvor nicht vorhandenen Ring an ihrem rechten Ringfinger erkennen lässt. Im Artikel vom wird über ein in dem ZEIT-Podcast "Frisch an die Arbeit" veröffentlichtes Interview mit der Gläubigerin berichtet. Die Berichterstattung vom befasst sich mit einem Interview der Gläubigerin mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und ihrem darin geäußerten Kinderwunsch. Gegenstand des Artikels vom schließlich ist das Verhalten der Gläubiger bei ihrem öffentlichen Auftritt anlässlich der Deutschlandpremiere des Animationsfilms "Trolls". Aufgrund dieser Unterschiede in Bezug auf Inhalt und Kontext können die Äußerungen der Schuldnerin in den Veröffentlichungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und weder als identische noch als sinngemäße Wiederholung der verbotenen Aussagen angesehen werden.
19d) Ob im Bereich der Wortberichterstattung über die unter b) dargestellten Grundsätze hinaus die im Wettbewerbs-, Urheber- und Markenrecht geltende Kerntheorie zur Anwendung kommt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung (vgl. bereits Senatsurteil vom - VI ZR 128/18, AfP 2019, 153 Rn. 18 f. mwN). Denn auch unter Heranziehung der Kerntheorie erstreckt sich das in der Beschlussverfügung des titulierte Verbot nicht auf die verfahrensgegenständlichen Äußerungen der Schuldnerin.
20aa) Nach der Kerntheorie umfasst das in einem Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus auch im Kern gleichartige Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der ursprünglichen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt. Das gilt auch dann, wenn das Verbot - wie im Streitfall - auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZR 98/21, GRUR 2023, 839 Rn. 10; vom - I ZB 79/11, GRUR 2013, 1071 Rn. 14; , GRUR 2022, 1089 Rn. 22; jeweils mwN). Kern der konkreten Verletzungsform sind dabei die Elemente, die eine Verhaltensweise zur Verletzungshandlung machen, also das, was für den Unrechtsgehalt der konkreten Verletzungsform rechtlich charakteristisch ist und ihre Rechtswidrigkeit begründet (vgl. , GRUR 2023, 839 Rn. 8, 10; Urteile vom - I ZR 29/98, GRUR 2000, 907, 909, juris Rn. 31 ff. - Filialleiterfehler; vom - I ZR 159/97, GRUR 2000, 337, juris Rn. 22 a.E.- Preisknaller; Beschluss vom - I ZR 229/93, GRUR 1997, 379, juris Rn. 19; Fritzsche in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl., § 79 Rn. 12; Engels/Stulz-Herrnstadt, AfP 2009, 313, 319).
21Das Charakteristische der Verletzungshandlung, das für die Bestimmung des Kerns der verbotenen Handlung maßgeblich ist, ist allerdings auf das beschränkt, was bereits Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren gewesen und in die Verurteilung einbezogen worden ist. Fehlt es hieran, muss die Zuordnung einer Handlung zum Kernbereich des Verbots unterbleiben (vgl. BGH, Beschlüsse vom - I ZR 98/21, GRUR 2023, 839 Rn. 11; vom - I ZB 79/11, GRUR 2013, 1071 juris Rn. 14; vom - I ZB 42/11, GRUR 2014, 706 Rn. 13 - Reichweite des Unterlassungsgebots; , GRUR 2022, 1089 Rn. 30). Die Kerntheorie beschränkt sich darauf, ein im Kern feststehendes und bei dessen sachgerechter Auslegung auch eine abweichende Handlung bereits umfassendes Verbot auf Letztere anzuwenden (vgl. , GRUR 2014, 706 Rn. 13; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 14). Eine weiter gehende Titelauslegung ist dagegen im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Ordnungsmittel des § 890 ZPO und das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot unstatthaft (vgl. , GRUR 2014, 706 Rn. 13; , GRUR 2022, 1089 Rn. 25, 28; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 12 Rn. 5.4; Teplitzky/Feddersen, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 57 Rn. 14; Meyer in Paschke/Berlit/Meyer/Kröner, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 4. Aufl., 40. Abschnitt, Rn. 36).
22bb) Nach diesen Grundsätzen sind die nunmehr beanstandeten Äußerungen der Schuldnerin auch unter Heranziehung der Kerntheorie vom Schutzumfang des titulierten Verbots nicht erfasst. Die vorgenommene Auslegung des Unterlassungstitels durch das Beschwerdegericht verkennt den Kern der verbotenen Handlung und verlässt den durch den Gegenstand des Erkenntnisverfahrens gezogenen Bereich zulässiger Auslegung des Verbotstitels.
23(1) Wie bereits ausgeführt ist der Schuldnerin durch die Beschlussverfügung des untersagt worden, über eine neue Liebesbeziehung zwischen den Gläubigern zu berichten, wenn dies geschieht wie in der Zeitschrift "Closer" vom unter der Überschrift "Kann diese Liebe gutgehen?". Das Verbot ist ausweislich der Antragsbegründung vom , die sich das Landgericht in der Beschlussverfügung zu Eigen gemacht hat, auf eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gläubiger in der Ausprägung des Rechts auf Schutz der Privatsphäre gestützt, dem in der Abwägung der Vorrang gegenüber den widerstreitenden Interessen der Schuldnerin gebühre und deshalb zur Rechtswidrigkeit der Äußerungen führe. Die Gläubiger hätten eine zwischen ihnen bestehende Liebesbeziehung nicht bekannt gegeben und auch im Übrigen kein Verhalten gezeigt, das als Selbstöffnung in Bezug auf ihren Beziehungsstatus bewertet werden könne. Es bestehe kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der angegriffenen spekulierenden Berichterstattung über das Beziehungsleben der Gläubiger. Sie befriedige allein das Unterhaltungsinteresse der Leserschaft an privaten Details aus dem Leben der Gläubiger. Ein darüber hinaus gehender Bezug zu einer allgemein interessierenden Sachdebatte sei dem Artikel nicht zu entnehmen.
24(2) Gegen dieses Unterlassungsgebot verstoßen die verfahrensgegenständlichen Veröffentlichungen der Schuldnerin auch unter Heranziehung der Kerntheorie nicht. Sie stellen keine kerngleichen Abwandlungen der ursprünglichen Verletzungshandlung dar.
25(a) Der Kern der ursprünglichen Verletzungshandlung liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht (lediglich) darin, dass die Schuldnerin über eine vermeintliche neue Liebesbeziehung der Gläubiger berichtet hat. Dieser Umstand allein war im Erkenntnisverfahren nicht maßgeblich für die Annahme der Rechtswidrigkeit der untersagten Äußerungen. Charakteristisch und ausschlaggebend für die Annahme der Rechtswidrigkeit seitens des Landgerichts war vielmehr der Umstand, dass sich die die Privatsphäre der Gläubiger tangierenden Äußerungen nicht durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen ließen und die Rechte der Schuldnerin aus Art. 5 Abs. 1 GG deshalb in der Abwägung hinter dem Schutzinteresse der Gläubiger zurückzutreten hätten.
26(b) Die Frage, ob sich die die Beziehung zwischen den Gläubigern thematisierenden und deshalb ihre Privatsphäre berührenden Äußerungen der Schuldnerin in den Veröffentlichungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lassen, was nur auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann, war aber nicht - auch nicht implizit - Prüfungsgegenstand im Erkenntnisverfahren.
27Wie bereits ausgeführt unterscheiden sich die Äußerungen in den Veröffentlichungen vom 30. Januar, 19. Februar, 26. Februar und in Bezug auf Anlass, Kontext und Gegenstand erheblich von den verbotenen Äußerungen. Ob diese Unterschiede Auswirkungen auf die Beurteilung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit haben, ist im Vollstreckungsverfahren aber nicht zu prüfen. Diese Prüfung kann nur Gegenstand eines neuen Erkenntnisverfahrens sein.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:260923BVIZB79.21.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 2817 Nr. 49
NJW 2023 S. 10 Nr. 49
NJW 2024 S. 214 Nr. 4
NJW 2024 S. 217 Nr. 4
EAAAJ-51827