Von ausländischem Gericht verhängte Geldstrafe kann bei Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung Betriebsausgabe sein
Leitsatz
§ 12 Nr. 4 EStG steht dem Abzug einer Geldstrafe als Betriebsausgabe nicht entgegen, wenn die von einem ausländischen Gericht festgesetzte Geldstrafe wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die im Streitjahr 1976 und in den vorangegangenen Jahren Handelsbeziehungen mit der Volksrepublik Polen unterhielt. Zur Pflege und Ausweitung der Geschäftsbeziehungen reiste der persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin R wiederholt nach Polen. Im Jahre 1975 wurde er dort inhaftiert, weil ihm von den polnischen Behörden u. a. vorgeworfen wurde, Wirtschaftsspionage betrieben zu haben. Nach ca. sechsmonatiger Untersuchungshaft wurde R zu zwei Jahren Freiheitsentzug und zu einer Geldstrafe von 50 000 Zloty verurteilt. Die Verurteilung wurde darauf gestützt, daß R einem polnischen Geschäftspartner Vermögensvorteile in Form von Sachzuwendungen gewährt hatte, die das polnische Gericht als Gegenleistungen für geheime Wirtschaftsinformationen ansah. Nachdem die Klägerin eine Kaution von 149 054 DM gestellt hatte, wurde R freigelassen. Anschließend wurde die Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt, deren Höhe der gezahlten Kaution entsprach.
Die Klägerin behandelte ihre Aufwendungen für die Kaution bzw. die Geldstrafe bei der Gewinnermittlung des Streitjahrs als betrieblichen Aufwand.
Im Anschluß an eine Außenprüfung bei der Klägerin ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Zahlung der 149 054 DM nicht mehr zum Abzug zu und erließ einen entsprechend geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr.
Einspruch und Klage gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1976 vom blieben erfolglos.
Im finanzgerichtlichen Verfahren trug die Klägerin vor, bei den Sachleistungen, die Anlaß für die Verurteilung des R gewesen seien, habe es sich um Geldleistungen für Dolmetscherdienste, Fahrten mit dem privaten PKW, sonstige Auslagen und allgemeine Informationen wie z. B. devisenrechtliche und abwicklungstechnische Auskünfte gehandelt. Diese Auskünfte hätten auch über allgemein zugängliche Quellen beschafft werden können, so daß der Vorwurf der Wirtschaftsspionage unbegründet sei. Nach der in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) herrschenden Rechtsauffassung seien die Vorgänge in Polen nicht strafbar gewesen.
Bei der gegen R verhängten Geldstrafe habe es sich um eine staatliche Willkürmaßnahme gehandelt, die keine wirkliche Bestrafung darstelle. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der in Österreich erscheinenden Zeitung "Die Presse" Bezug genommen, in dem es heißt: "Die kommunistischen Staaten haben eine neue Sparte entdeckt, den Westen erfolgreich zur Kasse zu bitten. Unter dem Vorwand der Wirtschaftsspionage oder des Versuchs einer Bestechung werden Geschäftsleute aus der freien Welt bei ihren Dienstreisen in den Osten verhaftet und erst nach Zahlung eines saftigen Lösegeldes wieder freigelassen."
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Die streitige Zahlung könne nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden, da es sich dabei nicht um eine Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), sondern um Kosten der privaten Lebensführung i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG gehandelt habe. Die Klägerin habe die Zahlung vor allem zur Wiederherstellung der persönlichen Freiheit ihres Gesellschafters R geleistet. Dies ergebe sich daraus, daß die Kaution erst gezahlt worden sei, als R bereits ca. sechs Monate in Untersuchungshaft verbracht habe und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt worden sei. Derartige Aufwendungen seien - ebenso wie die Zahlung eines Lösegeldes an den Entführer eines Betriebsinhabers (, BFHE 132, 235, BStBl II 1981, 303) - Kosten der Lebensführung.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 4 EStG).
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
a) das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Gewinnfeststellungsbescheid 1976 dahingehend abzuändern, daß der Gewinn der Klägerin um 149 054 DM niedriger festgestellt wird;
b) die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Tatbestand
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): BStBl 1992 II Seite 85 BFH/NV 1992 S. 3 Nr. 1 SAAAA-94257
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