Zur „zweiten“ Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Falle der Quotenzahlung durch den Insolvenzverwalter
Leitsatz
NV: Der für die Entscheidung des FG tragende Rechtssatz, dass eine zweite Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht voraussetze, dass der durch die erste Vorsteuerberichtigung ausgelöste Berichtigungsanspruch an die Finanzbehörde abgeführt worden sein muss, weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise vom ,S (EFG 2018, 697) und vom (EFG 2023, 726) ab, so dass die Revision nicht wegen Divergenz zuzulassen ist.
Gesetze: FGO § 115 Abs 2 Nr. 2; UStG § 17 Abs. 1 Satz 2; UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2;
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt —FA—) in seiner Beschwerdebegründung herausgestellte Abweichung des Urteils der Vorinstanz vom ,S (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2018, 697) betrifft eine im dortigen Verfahren nicht entscheidungserhebliche Rechtsfrage.
2 1. Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), der Gerichtshof der Europäischen Union, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG; das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom - XI B 97/17, BFH/NV 2018, 738, Rz 8; vom - XI B 105/21, BFH/NV 2023, 155, Rz 9).
3 2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
4 a) Das FA weist zu Recht darauf hin, dass die Vorinstanz ihrem Urteil auf Seite 11 folgende den —die Vorentscheidung tragenden— abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, dass eine zweite Vorsteuerberichtigung nicht voraussetze, dass der durch die erste Vorsteuerberichtigung —das heißt durch die Vorsteuerkürzung zu Lasten der Insolvenzmasse— ausgelöste Berichtigungsanspruch an die Finanzbehörde abgeführt worden sein muss. Auch hat das FA zutreffend herausgearbeitet, dass das FG Münster in seinem Urteil vom - 15 K 1514/15 U,S (EFG 2018, 697) in Rz 20 dagegen den abstrakten (abweichenden) Rechtssatz aufgestellt hat, dass die im Rahmen des Insolvenzverfahrens erklärte Steuervergütung unter anderem davon abhänge, dass hinsichtlich der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Vorsteuerbeträge in Höhe des auf den Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgestellten Forderungsausfalls eine Vorsteuerkürzung angemeldet und der auf Grund der angemeldeten Vorsteuerkürzung entstandene Berichtigungsbetrag eingezogen worden sei. Die eine Steuervergütung auslösende Vorsteuerberichtigung nach Maßgabe der nach Insolvenzeröffnung einem Insolvenzgläubiger zugewandten Quotenzahlung komme nur dann in Betracht, wenn auf Grund der Uneinbringlichkeit des von der Insolvenzschuldnerin geschuldeten Entgelts zuvor auf Grund der den Unternehmer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) treffenden Pflicht die Vorsteuerkürzung zu Lasten der Insolvenzmasse angemeldet und der dadurch ausgelöste Berichtigungsbetrag an die Finanzverwaltung ausgekehrt worden sei.
5 b) Allerdings war dieser abstrakte Rechtssatz nach den Ausführungen des ,S, EFG 2018, 697, Rz 20 a.E.) nicht entscheidungserheblich, weil im dortigen Fall das FG keine dahingehenden Feststellungen treffen konnte, dass in den Umsatzsteuerfestsetzungen für das Jahr 2003 eine Berichtigung (Rückgängigmachung der gewährten Vorsteuer durch eine Vorsteuerkürzung) in dem Umfang erfolgt sei, in dem die den zum Abzug zugelassenen Vorsteuerbeträgen zu Grunde liegenden Gegenleistungen, das heißt die vom Insolvenzschuldner geschuldeten, von ihm aber nicht bezahlten Entgelte infolge des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers uneinbringlich geworden waren.
6 Soweit das ,S, EFG 2018, 697, Rz 20 a.E.) weiter ausgeführt hat, dass es überdies nicht habe feststellen können, dass die Insolvenzschuldnerin beziehungsweise der Kläger als Insolvenzverwalter über deren Vermögen in Höhe der im Zeitpunkt des Antrags auf Insolvenzeröffnung uneinbringlich gewordenen Entgelte angefallene erstattungspflichtige Vorsteuerbeträge an die Finanzbehörden ausgekehrt hätten, handelt es sich um ein nicht tragendes obiter dictum, das nicht zur Annahme einer Divergenz führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom - V B 38/13, BFH/NV 2014, 1106, Rz 16; vom - V B 43/14, BFH/NV 2015, 68, Rz 14).
7 Der angefochtenen Entscheidung und der vermeintlichen Divergenzentscheidung liegen überdies nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde, worauf die Vorinstanz das FA auf Seite 11 seines Urteils zutreffend hingewiesen hat.
8 c) Es liegt auch keine nachträgliche Divergenz (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom - XI B 109/15, BFH/NV 2016, 1306, Rz 22) zum (EFG 2023, 726 m. Anm. V. Wendt; Revision eingelegt unter Az. des BFH: XI R 3/23) vor; denn das FG Düsseldorf ist zur Berichtigung der Umsatzsteuer davon ausgegangen, dass aus der dogmatischen Verankerung der Rechtsprechung zur Doppelberichtigung in § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG folge, dass die Durchführung der zweiten Berichtigung nicht von der Vornahme der ersten Berichtigung abhänge. Dies würde zum selben Ergebnis wie die Auffassung der Vorinstanz führen, wenn man davon ausginge, dass für die Berichtigung der Umsatzsteuer und der Vorsteuer die gleichen Grundsätze gelten (anders aber wohl , EFG 2023, 726, Rz 45: schwerlich vergleichbarer Bereich).
9 3. Weitere Zulassungsgründe hat das FA nicht geltend gemacht.
10 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:B.051023.XIB13.23.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2023 S. 1411 Nr. 12
DStR-Aktuell 2023 S. 13 Nr. 44
UStB 2023 S. 380 Nr. 12
UStB 2023 S. 380 Nr. 12
ZIP 2023 S. 2422 Nr. 46
YAAAJ-51025