Wertersatzeinziehung von Taterträgen: Tatsächliche Verfügungsgewalt über die Tatbeute bei mehreren Beteiligten; gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten
Gesetze: § 73c StGB
Instanzenzug: Az: 3 StR 1/23 Beschlussvorgehend LG Osnabrück Az: 15 KLs 8/21nachgehend Az: 3 StR 1/23 Urteilnachgehend Az: 3 StR 1/23 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „banden- und gewerbsmäßig begangenen Betruges in acht Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist“, unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom in der Fassung des Urteils des Landgerichts Osnabrück vom sowie unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Osnabrück vom und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es auf die Einziehung des Wertes „des Taterlangten“ von 288.700 €, davon in Höhe von 7.150 € als Gesamtschuldner, erkannt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine unausgeführte Verfahrens- sowie die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat lediglich in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Während Schuld- und Strafausspruch der angefochtenen Entscheidung rechtlicher Nachprüfung standhalten, bedarf die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von unzutreffender Weise als „Taterlangtes“ bezeichneten Taterträgen insoweit der Korrektur, als der Angeklagte über den ausgesprochenen Betrag von 7.150 € hinaus in Höhe von insgesamt 286.200 € nicht allein sondern als Gesamtschuldner haftet.
3Der Generalbundesanwalt hat insoweit das Folgende ausgeführt:
„Ein Vermögenswert im Rechtssinne ist ,durchʻ die Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf ihn nehmen können. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (Senat, Urt. v. – 3 StR 29/21, juris Rn. 11; , Rn. 13).
Gemessen daran hatte der Angeklagte an der Tatbeute in den Fällen 4 und 7a Mitverfügungsgewalt. Denn nach den getroffenen Feststellungen wurde die Tatbeute jeweils von dem weisungsgebundenen Abholer R. entgegengenommen, welcher sie an den ,Logistikerʻ – in diesen Fällen aufgrund der Verhinderung des Mitangeklagten B. eben der Angeklagte Ba. – abzuliefern hatte (UA Bl. 54 und 60). In den Fällen 4 und 7a) erlangte der Abholer R. von den Geschädigten Tatbeute im Gesamtwert von 283.200 € (38.200 € [Fall 4, UA Bl. 53 f.] und 245.000 € [Fall 7a), 249.716 € abzüglich der anlässlich der Tatbegehung der Tat 7b) an den Geschädigten zurückgegebenen Gegenstände im Wert von 4.716 €, UA Bl. 58 ff.], welche er jeweils anschließend weisungsgemäß an den Angeklagten übergab. Der Angeklagte hatte mithin als Hintermann die tatsächliche Verfügungsgewalt über die vereinnahmte Beute. Daneben hatte aber jedenfalls auch der Abholer R. jeweils faktische Mitverfügungsgewalt über die Beute. Denn dessen Fahrten waren von einiger Dauer, weshalb insoweit kein bloß transitorischer Besitz vorlag (vgl. , juris Rn. 16; , juris Rn. 28 ff.). Die sich daraus ergebende gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten ist in der Entscheidungsformel zu kennzeichnen, um eine doppelte Inanspruchnahme zu vermeiden; der individuellen Benennung der anderen Gesamtschuldner bedarf es nicht (Senat, Beschl. v. – 3 StR 217/22, juris Rn. 8 m.w.N.).
Außerdem erhielt der Angeklagte in den Fällen 1 (500 €, UA Bl. 50), 2 (500 €, UA Bl. 51), 3 (1.000 €, UA Bl. 53) und 5 (1.000 €, UA Bl. 56) Beuteanteile von dem Mitangeklagten B. i.H.v. insgesamt 3.000 €, für welche er gesamtschuldnerisch haftet (UA Bl. 149). In Fall 6 wurde das erbeutete Gold bereits auf der Rückfahrt einem unbekannten Bandenmitglied übergeben. Im Nachgang erhielt der Angeklagte 2.500 € (UA Bl. 58). Insoweit hat das Landgericht eine gesamtschuldnerische Haftung verneint (UA Bl. 149; vgl. , juris Rn. 4).“
4Dem schließt sich der Senat an und ergänzt den Ausspruch über die Wertersatzeinziehung von Taterträgen gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog (vgl. , juris Rn. 2).
5Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:090823B3STR1.23.1
Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 2 Nr. 11
wistra 2023 S. 508 Nr. 12
PAAAJ-49451