BVerwG Beschluss v. - 1 W-VR 23/22

Erfolgreiche truppendienstliche Angelegenheit

Leitsatz

Werden gegen eine Versetzung persönliche Belange geltend gemacht, die - wie die gemeinsame Betreuung von in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindern - eine gesamte familiäre Situation betreffen, und sind beide Elternteile Soldaten, so gebietet der Schutz von Ehe und Familie, dass unter dem Blickwinkel der Fürsorgepflicht nicht nur die Belange des von der Personalmaßnahme Betroffenen, sondern auch die Belange von dessen Ehepartner in die Ermessensausübung eingestellt werden.

Tatbestand

1Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Versetzung.

2Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. März ... Als Offizier des militärfachlichen Dienstes wurde er zuletzt am 6. Juni ... zum Hauptmann befördert. Er ist verheiratet und hat drei Kinder im Alter von derzeit 4, 12 und 14 Jahren. Seine Ehefrau ist Soldatin am Standort ... Die Familie wohnt in ...

3Nach einer Ausbildung zum ... wurde der Antragsteller ab dem auf einem entsprechenden Dienstposten im ... eingesetzt. Seine ursprüngliche Verwendungsdauer bis wurde bis zum verlängert.

4Mit Schreiben vom beantragte der Antragsteller eine weitere Verwendung im ... unter Anerkennung schwerwiegender persönlicher Gründe. Die Beratende Ärztin des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr bestätigte mit Schreiben vom das Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Grundes nach Nr. 204 Buchst. a des Zentralerlasses B-1300/46 wegen "einer eigenen Gesundheitsstörung für aktuell zwölf Monate". Eine tägliche Rückkehr zum Lebensmittelpunkt werde militärärztlich befürwortet. Das Bundesamt für das Personalmanagement teilte daraufhin dem Antragsteller mit, dass seinem Antrag bis zum entsprochen werde.

5Mit Schreiben vom stellte die Beratende Ärztin für weitere zwölf Monate das Vorliegen schwerer persönlicher Gründe fest. Da der Dienstposten des Antragstellers im ... zum Ende der Verwendungsdauer weggefallen war, wurde der Antragsteller ab dem auf eine zeitlich befristete Beamtenwechselstelle am Standort ... mit Verwendungsdauer bis zum versetzt.

6Am beantragte der Antragsteller eine weitere Verlängerung seiner Verwendungsdauer. Seine nächsten Disziplinarvorgesetzten sprachen sich dagegen aus. Der Antragsteller sei von seiner Aufgabe als Leiter des ... entbunden worden; das Vertrauen in seine Person und Amtsführung sei nachhaltig gestört. Grund hierfür seien verschiedene Dienstpflichtverletzungen und der Vorwurf einer außerdienstlichen Körperverletzung und Nötigung eines Minderjährigen, die Gegenstand eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens seien.

7Mit Vororientierung vom wurde der Antragsteller über die geplante Versetzung zum auf einen Dienstposten als Personaloffizier im ... in ... informiert. Der dortige Referatsleiter stellte wegen der familiären Situation des Antragstellers ein Modell von 3 Tagen Telearbeit und 2 Tagen Präsenz an der Dienststelle in Aussicht.

8Mit Schreiben vom 5. April und nahm der Antragsteller hierzu Stellung und berief sich insbesondere auf das Vorliegen schwerwiegender persönlicher Gründe aufgrund einer Wehrdienstbeschädigung, der fehlenden Betreuungsmöglichkeit für seine Kinder im Falle einer Versetzung sowie der andauernden physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen. Die Anhörung des Beteiligungsorgans hatte der Antragsteller zuvor ausdrücklich abgelehnt. Eine Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung des ... zur geplanten Versetzung erfolgte am ; diese begrüßte die Möglichkeit einer Lösung im Rahmen von Telearbeit, bat jedoch zu prüfen, ob eine heimatnähere Verwendung möglich sei.

9Die Beratende Ärztin des Bundesamts für das Personalmanagement stellte am fest, dass der Antragsteller dauerhaft eingeschränkt verwendungsfähig sei. Unter Beachtung von Auflagen, wie Meiden von kniebelastenden Tätigkeiten sowie Tätigkeiten, die einen hohen Impactfaktor haben, oder Stop-and-Go-Sportarten, könne er im Inland verwendet werden. Eine Verwendung ausschließlich im räumlichen Bereich ... ließe sich jedoch nicht ableiten. Bezogen auf die Personalmaßnahme lägen aus militärärztlicher Sicht keine schwerwiegenden persönlichen Gründe vor.

10Mit Verfügung Nr. ... vom , ausgehändigt am , versetzte das Bundesamt für das Personalmanagement den Antragsteller zum mit Dienstantritt am auf den Dienstposten Personaloffizier, Referat ..., DP-ID ..., im ... nach ... Die Umzugskostenvergütung wurde zum mit aufschiebender Wirkung zum zugesagt.

11Gegen seine Versetzung erhob der Antragsteller mit Schreiben vom Beschwerde.

12Mit Bescheid vom stellte das Bundesamt für das Personalmanagement fest, dass ab die Voraussetzungen für einen Ausgleich einer Wehrbeschädigung nach § 85 SVG für den Antragsteller nicht mehr vorlägen, da eine Besserung der Gesundheitsstörung eingetreten sei und der Grad der Schädigung nunmehr unter 25 liege. Dem lagen zwei sozialmedizinisch-versorgungsärztliche Stellungnahmen zugrunde, die den Grad der Schädigung mit 10 einstuften. Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, die bislang noch nicht beschieden wurde.

13Die Beratende Ärztin des Bundesamts für das Personalmanagement wiederholte am ihre Feststellung, dass schwerwiegende persönliche Gründe zugunsten des Antragstellers nicht vorlägen. Dieser Ansicht schloss sich die Beratende Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung an. Letztere führte insbesondere aus, die Knieverletzung hindere den Antragsteller nicht daran, Auto zu fahren. Er sei nicht als schwerbehindert eingestuft, da bei ihm lediglich ein Grad der Schädigung von 10 festgelegt worden sei. Die psychotherapeutische Behandlung könne wegen ihrer vierwöchigen Frequenz auch bei einer Versetzung weiter durchgeführt werden.

14Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom legte der Antragsteller Untätigkeitsbeschwerde ein. Das Bundesministerium der Verteidigung bat mit Schreiben vom um Konkretisierung, weil neben der Beschwerde gegen die Versetzung zwei weitere Beschwerden vorlägen. Ferner bat es um Mitteilung, ob das Schreiben als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet werden solle. Eine Stellungnahme des Antragstellers hierzu ist der Akte nicht zu entnehmen. Zu den vom Bundesministerium der Verteidigung entworfenen Beschwerdebescheiden äußerte die Hauptschwerbehindertenvertretung unter dem keine Bedenken. Ein Antrag in der Hauptsache ist dem Senat bislang nicht vorgelegt worden.

15Unter Berücksichtigung eines Befunds des Direktors der Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehrkrankenhauses ... vom , der eine Versetzung des Soldaten mit einer täglichen Pendelstrecke von 150 km medizinisch nicht befürwortete, hielt die Beratende Ärztin des Bundesamts für das Personalmanagement am nach einer erneuten Prüfung des Sachverhalts an ihrer bisherigen Position fest und verneinte das Vorliegen schwerwiegender persönlicher Gründe.

16Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom hat der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt.

17Auch die Beratende Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung hielt unter dem grundsätzlich an ihrer bisherigen Stellungnahme fest, wonach schwerwiegende persönliche Gründe nicht vorlägen. Der Antragsteller sei derzeit nicht als schwerbehindert eingestuft; aktuelle Nachweise seien nicht vorgelegt worden. Die truppenärztlich empfohlene Erhöhung der Frequenz seiner Psychotherapie sei bei seiner jetzigen Therapeutin nicht durchführbar. Wegen des ohnehin notwendigen Therapeutenwechsels stelle eine Versetzung keinen Hinderungsgrund dar. Bei der im September 2022 durchgeführten Kniespiegelung seien ein Knorpelschaden und Läsionen am künstlichen Kreuzband festgestellt worden, die eine zeitnahe Therapie erforderlich machten. Zur Planung der notwendigen medizinischen Maßnahmen werde empfohlen, den Dienstantritt um drei Monate zu verschieben.

18Die zwischenzeitlich im Bundeswehrkrankenhaus ... und im zivilen Krankenhaus ... erstellten Befunde wurden am von der Beratenden Ärztin des Bundesministeriums der Verteidigung bewertet und an die Konsiliargruppe Chirurgie im Bundeswehrzentralkrankenhaus ... weitergeleitet. Diese empfahl eine stationäre Aufnahme in ... mit direkter Umsetzung im Fall einer Operations-Indikation. Eine Entscheidung zur Wegefähigkeit solle im jetzigen Status nicht erfolgen. Bis zum Abschluss dieser Maßnahme werde empfohlen, den Dienstantritt zu verschieben.

19Mit 2. Korrektur der Versetzungsverfügung wurde der Dienstantritt des Antragstellers auf den verschoben.

20Mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz macht der Antragsteller schwerwiegende persönliche Gründe geltend. Aufgrund der Wehrdienstbeschädigung sei ihm ein Pendeln an den 150 km entfernten Dienstort gesundheitlich unzumutbar. Die Möglichkeit zur Telearbeit am neuen Standort ändere daran nichts. Diese sei zunächst lediglich in Aussicht gestellt, jedoch nicht festgelegt worden. Ferner dauere seine psychotherapeutische Behandlung nach aktueller Prognose noch bis 2023 an. Unverständlich sei ihm, inwiefern die unverändert vorliegenden gesundheitlichen Probleme 2017 und 2019 als schwerwiegende persönliche Gründe hätten anerkannt werden können, dies bei einer inzwischen eingetretenen Verstärkung der Gesundheitsschädigung jedoch abgelehnt werde.

21Ein Umzug an den neuen Dienstort sei mit der familiären Situation nicht vereinbar. Seine Frau diene am Standort ... im ... Sie befinde sich bis Februar 2023 in einer Mangelverwendung (...) in Ausbildung. Sie verlasse das Haus um 05:45 Uhr und kehre am Nachmittag gegen 17:30 Uhr zurück; bei einer Spätschicht erfolge die Rückkehr erst um 23:30 Uhr. Als Tages- oder Wochenendpendler wäre eine Betreuung der gemeinsamen Kinder durch ihn nicht mehr möglich. Bei einer Versetzung sei seine Ehefrau gezwungen, keinen Schichtdienst mehr zu bedienen oder ihre wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren, was einen Karrierenachteil darstelle. Seine Ehefrau wolle weiter in der ... am Standort ... eingesetzt werden. Ein gleichzeitiger Wechsel nach ... scheide insofern aus und risse ferner eine Lücke in die Mangelverwaltung ... Die Begründung eines neuen Lebensmittelpunkts am kostenintensiven Standort ... sei nicht geplant. Die behandelnde Kinderärztin habe erklärt, dass ein Umzug der Familie vor dem Hintergrund zunehmender gesundheitlicher und psychosomatischer Probleme vermieden werden solle. Die Agentur für Arbeit habe ihn am schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellt. Insofern sei Nr. 217 i. V. m. Nr. 215 ZDv A-1420/ 37 nicht beachtet worden, wonach ein Verwendungswechsel auf ein unumgängliches Maß beschränkt werden müsse. Auch besitze er nicht die fachliche Eignung für den neuen Dienstposten, da er bereits zehn Jahre nicht mehr im Personalwesen der Streitkräfte tätig gewesen sei. Einer Versetzung stehe auch seinem ehrenamtlichen Engagement in der Schulelternsprecherschaft entgegen.

22Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom anzuordnen.

23Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

24Die Versetzung sei rechtmäßig. Neben dem Wegfall des Dienstpostens des Antragstellers stelle auch die fehlende Zustimmung seiner Vorgesetzten im Bereich der ... einen unbenannten Regelfall im Sinn der Nr. 205 AR A-1420/37 dar, so dass mehrere dienstliche Erfordernisse für eine Versetzung vorlägen. Der Antragsteller könne sich nicht auf schwerwiegende persönliche Gründe berufen. Insbesondere stehe sein Gesundheitszustand nach militärärztlicher Bewertung einer Versetzung derzeit nicht entgegen. Die Betreuung der Kinder sei nicht gefährdet, da diese von seiner Frau gewährleistet werden könne. Dienstliche Einschränkungen seien hinzunehmen, da familieninterne Absprachen nicht zu verbindlichen Vorgaben für den Dienstherrn führen könnten. Abgemildert würde die Betreuungsproblematik auch durch die in Aussicht gestellte Telearbeit an drei Tagen pro Woche. Weiter stehe dem Antragsteller aufgrund der Zusage der Umzugskostenvergütung frei, nach ... umzuziehen. Die Vorgaben zur Versetzung schwerbehinderter Menschen gleichgestellter Personen nach den Nrn. 215, 217 AR A-1420/37 seien nicht verletzt, da die Versetzung wegen des Wegfalls des Dienstpostens im dringenden dienstlichen Interesse erforderlich sei.

25Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Gründe

26Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat Erfolg.

271. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom anzuordnen, ist, nachdem das Bundesministerium der Verteidigung Abhilfe und damit der Sache nach einen Antrag nach § 3 Abs. 2 WBO abgelehnt hat, gemäß § 17 Abs. 6 Satz 2 und 3 WBO zulässig.

282. Der Antrag ist auch begründet.

29Der Gesetzgeber hat dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit truppendienstlicher Maßnahmen grundsätzlich den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Soldaten eingeräumt (§ 17 Abs. 6 Satz 1 WBO). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt deshalb nur in Betracht, wenn sich bereits bei summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme ergeben oder dem Soldaten durch deren sofortige Vollziehung unzumutbare, insbesondere nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden (stRspr, vgl. z. B. 1 WDS-VR 3.14 - juris Rn. 22 m. w. N.).

30Bei summarischer Prüfung bestehen gegen die Versetzungsverfügung des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom durchgreifende rechtliche Bedenken.

31Ein Soldat hat keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung oder auf eine Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte oder die zuständige personalbearbeitende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verwendung eines Soldaten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 S. 24 und vom - 1 WB 42.16 - juris Rn. 32). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte oder die personalbearbeitende Stelle den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften festgelegten Maßgaben und Verfahrensregeln eingehalten sind (vgl. 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27>), wie sie sich hier insbesondere aus der Allgemeinen Regelung (AR) A-1420/37 zur "Versetzung, Dienstpostenwechsel und Kommandierung von Soldatinnen und Soldaten" ergeben.

32a) Die Versetzungsverfügung ist verfahrensfehlerfrei ergangen.

33Gemäß Nr. 211 AR A-1420/37 müssen Soldaten zu den Gründen für beabsichtigte Versetzungen angehört werden und es ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Von diesem Recht hat der Antragsteller in zwei Stellungnahmen gegenüber seiner personalbearbeitenden Stelle Gebrauch gemacht.

34Ob das Beratungsgespräch nach Nr. 206 AR A-1473/3 stattgefunden hat, ist für die Rechtmäßigkeit der konkreten Versetzung unerheblich. Das Gespräch dient der Information des Schwerbehinderten über seine Rechte, seine Ansprüche auf Nachteilsausgleich und über die Aufgaben und Rechte der Schwerbehindertenvertretung. Die Durchführung des Beratungsgesprächs ist weder nach Nr. 206 AR A-1473/3 noch nach § 178 SGB IX Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einzelner Personalmaßnahmen (vgl. 1 WB 39.21 - juris Rn. 30).

35Die Anhörung des Beteiligungsorgans zu seiner Versetzung gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 1 SBG hat der Antragsteller ausdrücklich abgelehnt.

36Die sechsmonatige Schutzfrist bei Änderungen des Dienstorts (Nr. 226 Satz 2 AR A-1420/37) - deren Verletzung allerdings ohnehin nur den Zeitpunkt des Dienstantritts, nicht aber die Rechtmäßigkeit der Versetzung als solche berühren würde (stRspr, vgl. zur Vorläufervorschrift der Nr. 602 Satz 1 ZE B-1300/46 1 WB 34.15 - juris Rn. 30 m. w. N.) - ist vorliegend gewahrt. Die Schutzfrist begann mit Bekanntgabe der Versetzung am (Nr. 226 Satz 3 AR A-1420/37). Fristende ist gemäß Nr. 226 Satz 4 AR A-1420/37 das "Datum der Versetzung". Dabei kommt es nicht auf das Datum, ab dem der Soldat formal auf dem Dienstposten geführt wird, sondern auf das Datum des tatsächlichen Dienstantritts an (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 15.20 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 110 Rn. 34 und vom - 1 WB 25.20 - juris Rn. 36). Bereits der ursprünglich auf den festgesetzte Dienstantritt wahrte damit die Schutzfrist.

37Die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 178 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX erfolgte am . Es wurden ausdrücklich keine Bedenken gegen die Wegversetzung geäußert, jedoch um Prüfung einer heimatnäheren Verwendung gebeten.

38b) Die Versetzungsverfügung ist jedoch nach summarischer Prüfung materiell-rechtlich zu beanstanden.

39aa) Für die Versetzung des Antragstellers besteht zwar ein dienstliches Erfordernis im Sinne der Nr. 204 Buchst. a AR A-1420/37.

40Dabei ist für die Frage, ob ein dienstliches Erfordernis besteht, im Ausgangspunkt nicht die Einschätzung des Antragstellers, sondern diejenige des Dienstherrn maßgeblich. Ebenso wenig ist das Gericht befugt, sich über die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus an die Stelle der Personalführung zu setzen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 7.20 - juris Rn. 20 und vom - 1 W-VR 14/22 - juris Rn. 23).

41Ein dienstliches Erfordernis liegt nach Nr. 205 Buchst. a AR A-1420/37 regelmäßig vor, wenn ein freier Dienstposten zu besetzen ist. Der verfügte Dienstposten im Kommando Heer als Personaloffizier im Referat ... ist frei und zu besetzen. Der Antragsteller ist für den Dienstposten geeignet. Er kann dem Dienstherrn nicht mit Erfolg entgegenhalten, ihm fehle aufgrund einer fast zehnjährigen Verwendung in der Karriereberatung die erforderlichen Kenntnisse in der Personalbewirtschaftung. Im Jahr 2011 wurde dem Antragsteller die Qualifikation Personaloffizier Streitkräfte unbefristet zuerkannt. Eine Aberkennung wurde weder vorgetragen noch ist diese dem Personalstammblatt zu entnehmen.

42Darüber hinaus besteht ein dienstliches Erfordernis für die (Weg-)Versetzung nach Nr. 205 Buchst. c AR A-1420/37 unter dem Gesichtspunkt, dass der Dienstposten des Antragstellers im Jahr 2019 weggefallen ist und er derzeit auf einer befristeten Beamtenwechselstelle verwendet wird. Für die Zweckmäßigkeit der Streichung des militärischen Dienstpostens und des Erhalts eines Beamtendienstpostens kommt es auf die Entscheidung des Bedarfsträgers und nicht auf die Einschätzung des Antragstellers an.

43bb) Der Antragsteller kann sich nach summarischer Prüfung jedoch auf das Vorliegen eines schwerwiegenden persönlichen Grundes berufen.

44Gemäß Nr. 206 AR A-1420/37 kann von einer Versetzung abgesehen werden, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorliegen und vorrangige dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Nach Nr. 207 Buchst. d AR A-1420/37 kann ein schwerwiegender persönlicher Grund darin liegen, dass durch eine Versetzung wegen der Eigenart des Dienstes die Betreuung eines mit dem Soldaten in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes unter 14 Jahren nicht sichergestellt werden kann, weil weitere Betreuungspersonen nicht zur Verfügung stehen.

45Derzeit leben zwei Kinder unter 14 Jahren (4 und 12 Jahre) sowie ein weiteres Kind im Alter von 14 Jahren im Haushalt des Antragstellers und seiner Frau und werden von diesen gemeinsam betreut. Die Ehefrau des Antragstellers ist ebenfalls Soldatin am Standort ... Sie befindet sich aktuell im Bereich ... in Ausbildung. Nach dem Vortrag des Antragstellers verlasse sie die Wohnung um 05:45 Uhr und kehre am Nachmittag gegen 17:30 Uhr zurück; bei einer Spätschicht erfolge die Rückkehr erst um 23:30 Uhr. Der Antragsteller macht geltend, dass eine Betreuung der Kinder durch ihn als Tages- oder Wochenendpendler nicht mehr möglich wäre. Im Falle seiner Versetzung wäre seine Ehefrau gezwungen, aus dem mit ihrer derzeitigen Verwendung verbundenen Schichtdienst auszuscheiden oder ihre wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren. Durch die in Aussicht gestellte teilweise Telearbeit wird die Betreuungsproblematik nur gemindert, aber nicht gelöst. Ein Umzug der gesamten Familie nach ... vereitle die weitere Ausbildung und Verwendung der Ehefrau in der ... am Standort ...; in Bezug auf die Kinder werde von dem Wohnortwechsel durch die Kinderärztin abgeraten.

46Werden für die Begründung eines schwerwiegenden persönlichen Grundes persönliche Belange geltend gemacht, die - wie hier die gemeinsame Betreuung der Kinder durch den Antragsteller und seine Ehefrau - eine gesamte familiäre Situation betreffen, und sind beide Elternteile Soldaten, so gebietet es der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG), dass unter dem Blickwinkel der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und der Vorgesetzten (§ 10 Abs. 3, § 31 SG) nicht nur die Belange des von der Personalmaßnahme Betroffenen (hier des Antragstellers), sondern gleichzeitig und gleichermaßen auch die Belange von dessen Ehepartner in die Bewertung und Abwägung eingestellt werden. Die Frage, wie die negativen Rückwirkungen der Versetzung des Antragstellers nach ... aufgefangen werden, ist zwar vorrangig, aber in dieser Konstellation nicht alleine eine innerfamiliäre Privatangelegenheit. Denn die Bedingungen, unter denen die Ehefrau des Antragstellers Dienst leistet (Standortgebundenheit, noch laufende Ausbildung, Schichtbetrieb), sind von demselben Dienstherrn gesetzt, der auch die Verwendung des Antragstellers steuert. Wird infolge der Versetzung des Antragstellers die Ausbildung oder weitere Verwendung der Ehefrau am Standort gefährdet oder die Ehefrau gezwungen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder aus dem verwendungstypischen Schichtbetrieb oder der Verwendung in der ... überhaupt auszuscheiden, so fällt dies nicht allein, wie das Bundesministerium der Verteidigung meint, in die Risikosphäre des Antragstellers oder seiner Familie, sondern unterliegt auch der Folgenverantwortung und Fürsorgepflicht des Dienstherrn der Soldatin.

47Bei der Bewertung eines schwerwiegenden persönlichen Grundes sind deshalb in Fällen wie dem vorliegenden die Folgen für den Antragsteller und dessen Ehefrau ganzheitlich zu betrachten und insgesamt in die Abwägung der persönlichen mit den entgegenstehenden dienstlichen Belangen einzustellen. Dies wird in der Regel bedeuten, dass die zuständige personalbearbeitende Stelle des Antragstellers auch die personalbearbeitende Stelle seiner Ehefrau in die Entscheidungsfindung einbezieht.

48Aus den vorliegenden Akten und dem Vortrag des Bundesministeriums der Verteidigung ist nicht erkennbar, dass die Rückwirkungen der Versetzung des Antragstellers auf die künftigen dienstlichen Verhältnisse der Ehefrau und die auch ihr gegenüber bestehende Fürsorgepflicht in der dargelegten Form in die Bewertung eingeflossen sind. Die der Versetzung zugrunde liegende Ermessensausübung stellt sich deshalb insoweit als fehlerhaft dar.

49cc) Ob sich auch aus der gesundheitlichen Situation des Antragstellers ein schwerwiegender persönlicher Grund nach Nr. 207 Buchst. a AR A-1420/37 ergibt und ob die Schutzvorschriften für schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte (Nr. 217 AR A-1420/37) Personen auf den Antragsteller anzuwenden sind und ggf. beachtet wurden, bedarf aber an dieser Stelle nach dem oben Ausgeführten auch keiner Entscheidung mehr.

503. Die Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 WBO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:120123B1WVR23.22.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-48047