BGH Beschluss v. - 2 StR 56/22

Wohnungseinbruchdiebstahl und Computerbetrug; Darlegungen in Revisionsvortrag

Gesetze: § 243 Abs 4 S 2 StPO, § 273 Abs 1a StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO, § 244 Abs 1 Nr 3 StGB, § 244 Abs 4 StGB, § 263a StGB

Instanzenzug: Az: 103 KLs 18/20

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte J.      wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen, davon in 22 Fällen in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl, versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl, Diebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und Computerbetrugs in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat angeordnet, dass die in Frankreich erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 auf diese anzurechnen ist.

2Die zur Tatzeit heranwachsende Angeklagte S.     hat es wegen schweren Bandendiebstahls in 31 Fällen, davon in 22 Fällen in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl, und wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchtem schweren Wohnungseinbruchdiebstahl, zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt.

3Ferner hat es die Angeklagte D.      und die nicht revidierende Mitangeklagte Dj.      jeweils wegen schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl, schuldig gesprochen und Gesamtfreiheitsstrafen von vier (D.    ) bzw. fünf Jahren (Dj.     ) verhängt.

4Schließlich hat das Landgericht Einziehungsentscheidungen getroffen.

5Hiergegen richten sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Angeklagte J.     beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

6Der von der Angeklagten J.     erhobenen Verfahrensbeanstandung bleibt der Erfolg ebenso versagt (1.) wie ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur weiteren Begründung dieser Rüge (2.).

71. Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte eine Verletzung der Vorschriften zur Verständigung geltend macht, ist unzulässig.

8a) Die Revision hat Folgendes vorgetragen:

9aa) Am zweiten Tag der Hauptverhandlung wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen den Verfahrensbeteiligten ein Verständigungsgespräch geführt. Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung wurde in das Protokoll der Satz aufgenommen, wonach der Vorsitzende den „wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs“ mitgeteilt habe. Eine konkrete Dokumentation dieses wesentlichen Inhalts im Protokoll erfolgte zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Am vierten Hauptverhandlungstag ließ sich die Angeklagte sodann geständig ein. Danach – am fünften Hauptverhandlungstag – verlas der Vorsitzende einen umfassenden – und von der Revision nicht beanstandeten – Vermerk zum wesentlichen Inhalt der zuvor geführten Verständigungsgespräche, der als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen wurde.

10bb) Die Revision meint, es liege damit ein durchgreifender Verfahrensfehler vor. Im Zeitpunkt, in dem sich die Angeklagte geständig eingelassen habe, habe das Protokoll entgegen den Anforderungen des § 273 Abs. 1a StPO den wesentlichen Inhalt der geführten Gespräche nicht dokumentiert. „Diese Mitteilung kam erst einen Monat später mit einem Wochen nach dem eigentlichen Gespräch gefertigten Vermerk, und zwar nachdem – und das ist entscheidend – sich die Angeklagte umfassend zur Sache geständig eingelassen und damit eine Entscheidung über ihre Verteidigungsposition getroffen hatte.“ Bereits die im Zeitpunkt der Ablegung des Geständnisses unzureichende Protokollierung begründe einen eigenständigen Rechtsfehler. Das Risiko einer informellen Verständigung sei mit Händen zu greifen.

11b) Der Revisionsvortrag genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht.

12aa) Nach dieser Vorschrift sind die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so vollständig und verständlich darzulegen, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden. Der Revisionsführer muss die vorgebrachten Tatsachen mit Bestimmtheit behaupten, das heißt keinen Zweifel daran lassen, dass sie sich tatsächlich ereignet haben. Für einen erschöpfenden Vortrag ist hierbei nicht nur erforderlich, dass der Beschwerdeführer die ihm nachteiligen Tatsachen nicht übergeht, sondern auch, dass er die Fakten vorträgt, die für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes sprechen können, der seiner Rüge den Boden entzieht (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom – 2 StR 389/13, juris Rn. 55; Beschluss vom – 2 StR 269/21, NStZ-RR 2022, 355; , BGHSt 30, 131, 135; Beschluss vom – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 40 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 38 ff. mwN).

13bb) Einen erschöpfenden und widerspruchsfreien Vortrag zum maßgeblichen Verfahrensgeschehen lässt die Revision vermissen.

14(1) Insbesondere ergibt sich aus ihrer Begründung nicht eindeutig, ob der Vorsitzende bereits am zweiten Sitzungstag der Hauptverhandlung – mithin vor Ablegung des Geständnisses durch die Angeklagte – seiner mündlichen Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nachgekommen ist (vgl. zum Zeitpunkt , NStZ 2022, 761).

15(a) Hierfür kann zwar der – indes mit Blick auf § 257b StPO nicht gänzlich eindeutige und auch deswegen von der Revision beanstandete – Protokollinhalt angeführt werden, wonach der Vorsitzende den „wesentlichen Inhalt des Rechtsgesprächs“ mitgeteilt habe. Auch der Vortrag der Revision, wonach es der Vorsitzende vor Ablegung des Geständnisses durch die Angeklagte versäumt habe, den wesentlichen Inhalt der Erörterungen zwischen den Verfahrensbeteiligten „zu Protokoll“ mitzuteilen, spricht dafür, dass zwar eine mündliche Mitteilung erfolgt ist, diese jedoch ihrem Inhalt nach nicht protokolliert wurde.

16(b) Diese Erwägungen lassen sich aber nicht mit dem weiteren Vortrag der Revision vereinbaren, wonach das Vorliegen einer „informellen Verständigung“ zu besorgen sei. Gleiches gilt für die Ausführungen der Revision, dass „diese Mitteilung“ erst nach Ablegung des Geständnisses durch Verlesung eines Vermerks am fünften Sitzungstag erfolgt sei.

17(2) Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Senat in einer früheren Entscheidung das Vorbringen eines Revisionsführers zu § 273 Abs. 1a StPO grundsätzlich bereits dann als den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügend erachtet hat, sofern sich daraus ergibt, dass Verständigungsgespräche außerhalb der Hauptverhandlung geführt wurden und eine (mündliche) Mitteilung des Vorsitzenden über deren wesentlichen Inhalt jedenfalls nicht entsprechend § 273 Abs. 1a StPO im Protokoll dokumentiert wurde (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 311 f.).

18(a) Indes hat der Gesetzgeber Verstöße gegen die verfahrensrechtlichen Sicherungen der Verständigung nicht als absolute Revisionsgründe eingestuft (vgl. BVerfGE 133, 168, 223). Die Bandbreite bei Verstößen gegen die Transparenz- und Dokumentationspflichten reicht von geringfügigen Unvollständigkeiten bis hin zu deren völliger Missachtung oder groben Falschdarstellungen (vgl. BVerfG, NStZ 2015, 170, 171 f.). Die Revisionsgerichte sind daher nicht gehindert, aufgrund einer an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Gesamtbetrachtung ausnahmsweise zu einer Unbeachtlichkeit des Verstoßes gegen die Vorschriften zur Verständigung zu gelangen (vgl. BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464; , NStZ 2020, 751, 752).

19Auch der Senat hat in seiner Entscheidung vom auf die Möglichkeit hingewiesen, dass ein Angeklagter „im Einzelfall auch bei fehlerhaftem Hauptverhandlungsprotokoll durch eine ebenso zuverlässige Dokumentation in anderer Weise so unterrichtet wird, dass das Beruhen des Urteils auf dem Protokollierungsfehler ausgeschlossen werden kann“ (Senat, Urteil vom – 2 StR 195/12, BGHSt 58, 310, 314).

20(b) Um dem Senat die Möglichkeit einer entsprechenden Gesamtbetrachtung des gerügten Verstoßes gegen § 273 Abs. 1a StPO zu eröffnen, hätte die Revisionsführerin aber darlegen müssen, ob der Vorsitzende vor Ablegung des Geständnisses den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO entsprechend den wesentlichen Inhalt der geführten Verständigungsgespräche mündlich mitgeteilt hat (vgl. zur Authentizität solcher Mitteilungen BVerfG, NJW 2020, 2461, 2464 mwN). Aufschluss hierüber gibt im vorliegenden Fall – anders als im Verfahren 2 StR 195/12 – auch nicht der gänzlich abstrakt gehaltene Protokolleintrag vom zweiten Sitzungstag.

21c) Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob er – wozu er neigt – eingedenk einer neueren Entscheidung des ; vgl. auch MüKo-StPO/Knauer/Kudlich, § 344 Rn. 138 ff.) seine bisherige Rechtsprechung zur Revisibilität von Verstößen gegen § 273 Abs. 1a StPO aufgibt (diese bereits ablehnend , NStZ 2023, 306, 307; Beschluss vom – 3 StR 210/13, BGHSt 59, 130, 136).

222. Der Antrag der Angeklagten J.     auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung zur Frist zur weiteren Begründung der Verfahrensrüge ist – ungeachtet des Umstandes, dass sie ihn entgegen § 45 Abs. 1 StPO an die Staatsanwaltschaft Köln gerichtet hat – ebenfalls unzulässig.

23a) Die Revision der Angeklagten ist nämlich infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden. In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur weiteren Begründung der Revision nur bei besonderen Verfahrenslagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs eines Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich ist (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom – 2 StR 267/20, NStZ 2021, 753; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46, und vom – 1 StR 346/12; vgl. auch KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 345 Rn. 26 mwN).

24b) Eine solche Ausnahmesituation liegt hier nicht vor. Der Antrag ist auf eine Ergänzung der Revisionsbegründung um den vollständigen Inhalt des durch den Vorsitzenden am fünften Sitzungstag verlesenen Vermerks gerichtet. Indes hat die Revision bereits innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgetragen, dass der Inhalt dieses Vermerks nicht zu beanstanden sei und daher von ihr nicht angegriffen werde. Der Anspruch der Angeklagten auf rechtliches Gehör gebietet damit keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.

25Mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts erzielen die Revisionen der Angeklagten einen Teilerfolg.

261. Das Landgericht hat – soweit für die Rechtsmittel von Bedeutung – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

27a) Die Angeklagten und die nicht revidierende Mitangeklagte Dj.     trafen spätestens Mitte des Jahres 2019 mit weiteren – teils unbekannt gebliebenen – Personen die Absprache, künftig im Einzelnen noch unbestimmte Diebstähle zum Nachteil älterer Menschen zu begehen. Hierdurch beabsichtigten sie, sich eine fortlaufende Einnahmequelle nicht unerheblichen Umfangs zu verschaffen. In Umsetzung dieser Abrede begingen sie unter anderem folgende Taten:

28aa) Am begaben sich die vier Angeklagten zu einer Seniorenresidenz in H.   . Dort öffneten sie die Tür zur Wohnung der Geschädigten B.     auf unbekannte Weise. Während die Angeklagten J.     und S.    die Wohnung nach Stehlgut absuchten, sicherten D.    und Dj.     den Flur ab. Aus der Wohnung entwendeten die Angeklagten insbesondere ein Sparbuch und Schmuck im Gesamtwert von rund 39.000 Euro (Fall 6 der Urteilsgründe).

29bb) Einen Tag später verschaffte sich ein Teil der vor Ort anwesenden Tätergruppe um die Angeklagten auf nicht bekannte Weise Zutritt zur Wohnung der Geschädigten E.    in einer Seniorenresidenz in B.    und entwendete Goldschmuck im Wert von 4.800 Euro (Fall 12 der Urteilsgründe).

30cc) Am betrat die Angeklagte J.    zusammen mit der gesondert verfolgten N.    die in einem W.    Seniorenstift gelegene Wohnung der Geschädigten H.    durch die angelehnte Tür, während die Angeklagte S.    das Umfeld sicherte. Aus der Wohnung entwendete J.       250 Euro Bargeld und Goldschmuck im Wert von 430 Euro (Fall 44 der Urteilsgründe).

31dd) Mit einer zuvor der Geschädigten W.   aus deren Wohnung entwendeten ec-Karte hob die Angeklagte J.     unter anderem am um 1.41 Uhr (Fall 26) bzw. 1.42 Uhr (Fall 25) jeweils 107,10 Euro bei einer Bank in P.   ab.

32b) Das Landgericht hat das Verhalten sämtlicher Angeklagten in den Fällen 6 und 12, hinsichtlich J.    und S.    zudem in Fall 44, als schweren Bandendiebstahl in Tateinheit mit schwerem Wohnungseinbruchdiebstahl gewertet. Die Angeklagte J.     habe sich zudem in den Fällen 25 und 26 jeweils wegen Computerbetruges strafbar gemacht.

332. Das Urteil war im Schuldspruch und in der Anordnung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen teilweise zu korrigieren.

34a) Die Verurteilung sämtlicher Angeklagter wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in den Fällen 6 und 12 sowie der Angeklagten J.     und S.      darüber hinaus in Fall 44 hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

35aa) Nach § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB macht sich insbesondere strafbar, wer einen Diebstahl begeht, bei dem er zur Ausführung der Tat in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung einbricht, einsteigt oder mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt.

36bb) Als Einbrechen im Sinne der Vorschrift ist das gewaltsame Öffnen einer Umschließung zu verstehen (vgl. , NStZ 2000, 143; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 243 Rn. 11; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 243 Rn. 76 mwN). Einsteigen bedeutet dagegen das Betreten der Wohnung auf einem dafür regelmäßig nicht bestimmten Weg unter Entfaltung einer gewissen Geschicklichkeit oder Kraft (vgl. , BGHSt 10, 132, 133; Beschluss vom − 3 StR 404/15, BGHSt 61, 166). Schließlich dringt derjenige im Sinne der Vorschrift ein, der gegen oder ohne den Willen des Berechtigten die Räumlichkeit mit einem nicht oder nicht mehr zur Öffnung bestimmten Schlüssel oder einem sonstigen auf den Schließmechanismus des Verschlusses einwirkenden Werkzeug betritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 349/17, NStZ 2018, 212, und vom – 4 StR 35/20, BGHSt 65, 194, 195 f.; MüKoStGB/Schmitz, 4. Aufl., § 243 Rn. 25 ff.).

37cc) Die Feststellungen zu den Fällen 6, 12 und 44 belegen keine dieser Tatmodalitäten.

38(1) Das Landgericht hat festgestellt, dass die Angeklagten im Fall 6 die Tür zur Wohnung der Geschädigten B.    auf unbekanntem Wege „öffneten“ bzw. sich in Fall 12 Zutritt zur Wohnung der Geschädigten E.    „verschafften“. Aufgrund dieser allgemein gehaltenen Formulierungen ist für den Senat nicht auszuschließen, dass die Angeklagten auf eine äußerlich den regelmäßigen Umständen entsprechende Weise in die Räumlichkeiten der Geschädigten gelangt sein könnten, zumal das Landgericht solches in anderen Fällen festgestellt hat (vgl. Fälle 2, 9, 15, 18, 19, 36, 41 und 47). Für den Tatbestand des schweren Wohnungseinbruchdiebstahls genügt es nicht, wenn der Täter zwar einen ihm verbotenen, jedoch offenen bzw. herkömmlich zu öffnenden Eingang durchschreitet (vgl. LK-StGB/Vogel/Brodowski, 13. Aufl., § 243 Rn. 22 mwN).

39(2) Für Fall 44 gilt Entsprechendes.

40(a) Diesbezüglich hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Angeklagte J.    und die gesondert verfolgte N.   die Wohnung der Geschädigten H.   – während die Angeklagte S.    den Flur absicherte – durch die nur angelehnte Tür betraten. Sie haben sich daher nicht im Sinne einer der Tatmodalitäten des § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB Zutritt verschafft.

41(b) Der mit dem dieses die Urteilsgründe nach Eingang der Revisionsbegründungen berichtigt hat, ändert hieran nichts. Dieser ist unbeachtlich (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 119, 120; , BGHSt 3, 245, 247 f.).

42(aa) Das Landgericht hat ausgeführt, dass die Formulierung in den Urteilsgründen, wonach die Angeklagte J.    und die gesondert verfolgte N.     in Fall 44 durch die nur angelehnte Tür in die Wohnung der Geschädigten gelangt seien, offensichtlich unrichtig sei. Ausgehend von dem Beratungsergebnis müsse es vielmehr heißen, sie hätten die geschlossene Tür aufgehebelt und so die Wohnung betreten. Der Vorsitzende habe am achten Hauptverhandlungstag einen rechtlichen Hinweis erteilt, wonach ausgehend von den entsprechenden Einlassungen der Angeklagten eine Verurteilung wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in Betracht komme. Dieser Hinweis sei von den Verfahrensbeteiligten nicht beanstandet worden. Es ergebe sich zudem aus dem schriftlichen Urteil, dass eine solche Verurteilung der Angeklagten unzweifelhaft erfolgt sei.

43(bb) Gemäß § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO dürfen die Urteilsgründe nach Ablauf der Absetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO grundsätzlich nicht mehr geändert werden. Danach können nur noch offensichtliche Schreibversehen und Unrichtigkeiten berichtigt werden. „Offensichtlich“ sind aber nur solche Fehler, die sich ohne Weiteres aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss – auch ohne Berichtigung – eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht, die Berichtigung also lediglich dazu dient, die äußere Übereinstimmung des Urteils mit dem tatsächlich durch das Gericht in der Beratung Entschiedenen und sodann Verkündeten herzustellen (vgl. Senat, Urteil vom – 2 StR 290/14, NStZ-RR 2015, 119, 120; Beschluss vom – 2 StR 48/20, NStZ-RR 2021, 181; , BGHSt 12, 374, 376; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 267 Rn. 39; MüKoStPO/Valerius, § 275 Rn. 14 ff.).

44(cc) Bei Anlegung dieses Maßstabs fehlt es hier an einer offensichtlichen Unrichtigkeit.

45Die Erteilung eines rechtlichen Hinweises ist allein Aufgabe des Vorsitzenden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 265 Rn. 30). Ihm kommt kein bindender Charakter zu (vgl. mwN), weswegen er auch nicht die Möglichkeit ausschließt, dass die Strafkammer später in ihrer Urteilsberatung zu einer anderen tatsächlichen oder rechtlichen Würdigung der Beweisaufnahme gelangt.

46Die erst im Nachhinein gefassten schriftlichen Urteilsgründe reichen zudem für sich alleine regelmäßig nicht aus, um die wahre Entscheidung des Gerichts aufzuzeigen (vgl. Löwe-Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 27. Aufl., § 268 Rn. 54). Diesbezüglich kommt der mündlichen Urteilsbegründung maßgebliche Bedeutung zu (vgl. MüKoStPO/Maier, § 260 Rn. 196; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 268 Rn. 10; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 13; vgl. auch Senat, Urteil vom – 2 StR 645/80). Hinweise darauf, dass das Aufhebeln der Tür in Fall 44 Gegenstand der mündlichen Urteilsbegründung gewesen ist, ergeben sich indes weder aus dem Berichtigungsbeschluss, noch sind solche sonst ersichtlich.

47dd) Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin geändert, dass die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten auch wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls in den Fällen 6 und 12 sowie hinsichtlich J.     und S.    zusätzlich im Fall 44 entfällt und sie damit jeweils – wie durch das Landgericht insoweit rechtsfehlerfrei festgestellt – allein des schweren Bandendiebstahls schuldig sind. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da die geständigen Angeklagten sich nicht anders als geschehen hätten verteidigen können.

48ee) Gemäß § 357 Satz 1 StPO war die Schuldspruchänderung auf die Nichtrevidentin Dj.    zu erstrecken. Diese ist von dem Rechtsfehler in den Fällen 6 und 12 gleichermaßen betroffen wie die Angeklagten.

49ff) Die Strafaussprüche bleiben hiervon unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung insoweit auf niedrigere Einzel- oder Gesamtstrafen erkannt hätte. Das Gesetz sieht für den schweren Bandendiebstahl denselben Strafrahmen wie für den schweren Wohnungseinbruchdiebstahl vor. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung die – aus seiner Sicht – tateinheitliche Verwirklichung zweier Straftatbestände zudem nicht strafschärfend herangezogen.

50b) Die konkurrenzrechtliche Wertung des Landgerichts, die Angeklagte J.     habe in den Fällen 25 und 26 jeweils einen Computerbetrug begangen, ist rechtsfehlerhaft.

51aa) Nach den Feststellungen hob diese mit einer zuvor entwendeten ec-Karte in derselben Bank innerhalb einer Minute zweimal 107,10 Euro vom Konto der Geschädigten W.   ab.

52bb) Unter diesen Umständen sind die beiden Zugriffe nicht als selbständige Taten, sondern als Teile einer einheitlichen Tat nach § 263a StGB im materiell-rechtlichen Sinne anzusehen (vgl. Senat, Beschluss vom – 2 StR 457/07, wistra 2008, 220; BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 578/14, BGHR StGB § 263a Konkurrenzen 3, vom – 4 StR 148/19 und vom – 5 StR 164/20, StV 2021, 36; LK-StGB/Rissing-van-Saan, 13. Aufl., vor § 52 Rn. 13, 40). Eine Aufspaltung in zwei Taten käme nur dann in Betracht, wenn im äußeren Ablauf oder in der Vorstellung der Angeklagten mit Vollendung der ersten Abhebung eine Zäsur eingetreten wäre. Dies ist hier nicht festgestellt und liegt angesichts des engen zeitlichen Ablaufs – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – auch fern.

53cc) Der Senat hat den Schuldspruch deshalb neu gefasst. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der für die Tat 26 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe.

54c) Auch die Einziehungsentscheidungen die Angeklagten J.    und S.     betreffend war teilweise zu berichtigen.

55aa) Das Landgericht hat gegen die Angeklagten J.    und S.      – gesamtschuldnerisch haftend – die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 141.203,00 Euro angeordnet. Bei der Berechnung der Höhe des Einziehungsbetrages hat das Landgericht hinsichtlich Fall 51 einen Tatertrag in Höhe von 5.100 Euro zugrunde gelegt. Die Feststellungen zu dieser Tat belegen indes lediglich einen Gesamtwert des entwendeten Goldschmucks und Bargelds in Höhe von 4.300 Euro.

56bb) Der Senat hat die Einziehungsentscheidung korrigiert. Dabei war der für Fall 51 zu hoch angesetzte Betrag in Höhe von 800 Euro von einer Gesamtsumme in Höhe von 141.153 Euro in Abzug zu bringen. Zwar hat das Landgericht – unter Zugrundelegung eines Betrages in Höhe von 5.100 Euro für Fall 51 – eine Gesamtsumme in Höhe von 141.203 Euro angenommen. Bei der Addition der im Urteil tabellarisch aufgelisteten Einzelbeträge ist dem Landgericht indes ein offenkundiger Rechenfehler unterlaufen und es hat einen um 50 Euro rechnerisch überhöhten Gesamtbetrag ermittelt.

573. Hinsichtlich der Angeklagten J.    war das Urteil im Strafausspruch hinsichtlich der Einzelstrafen für die Fälle 1 bis 17 und 36 bis 55 und der Gesamtfreiheitsstrafe aufzuheben.

58a) Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt, dass sich die Angeklagte J.    bereits im Zwischenverfahren zu allen Taten geständig eingelassen habe. Dies habe wie ein „Eisbrecher“ gewirkt, so dass anschließend auch die übrigen Angeklagten die ihnen zur Last gelegten Taten gestanden hätten.

59b) Inwieweit das Verhalten der Angeklagten J.    als Aufklärungshilfe im Sinne des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB zu werten sein könnte, hat das Landgericht nicht erkennbar erwogen, obwohl hierzu nach den Ausführungen in den Urteilsgründen hinsichtlich der Fälle 1 bis 17 und 36 bis 55 – denen Katalogtaten im Sinne der Vorschrift zugrunde liegen – Anlass bestanden hätte.

60c) Der Erörterungsmangel führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen 1 bis 17 und 36 bis 55. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der aufgezeigte Rechtsfehler insoweit auf die Strafzumessung ausgewirkt hat. Hieran vermag auch die strafmildernde Berücksichtigung der aufklärenden Angaben der Angeklagten nichts zu ändern (vgl. MüKoStGB/Maier, 4. Aufl., § 46b Rn. 152 mwN). Der Wegfall der Einzelstrafen entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage.

61d) Die Feststellungen haben Bestand, da sie von dem Erörterungsmangel nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB zu treffen haben. Diese dürfen den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.

624. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen, da sich das Verfahren im neuen Rechtsgang nunmehr alleine gegen eine Erwachsene – die Angeklagte J.      – richtet (vgl. , BGHSt 35, 267).

635. Angesichts des nur geringen Erfolgs ihrer Revision ist es nicht unbillig, die Angeklagte D.    mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Hinsichtlich der Angeklagten S.    beruht die Kostenentscheidung auf § 109 Abs. 2 Satz 1, § 74 JGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010323B2STR56.22.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-48019