BGH Beschluss v. - 4 StR 372/21

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Wegfall der Zäsurwirkung bei gesamtstrafenrechtlich verbrauchtem Urteil

Gesetze: § 55 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Essen Az: 27 KLs 3/21

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagte unter Auflösung der durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und unter Einbeziehung der dort verhängten Einzelstrafen verurteilt

- wegen Diebstahls in zwei Fällen sowie wegen versuchten Computerbetruges unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Unna vom verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten,

- wegen Diebstahls in zwei Fällen, wegen versuchten Diebstahls in zwei Fällen und wegen Computerbetruges in zwei Fällen unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten und

- wegen Diebstahls in sechs Fällen sowie wegen Computerbetruges in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten.

2„Von der Freiheitsstrafe“ hat es wegen der von der Angeklagten aufgrund des Bewährungsbeschlusses des Amtsgerichts Essen vom erbrachten Arbeitsstunden acht Tage als vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Anordnung der „Einziehung von Wertersatz“ durch das Urteil des Amtsgerichts Essen vom in Höhe von 8.730 Euro aufrechterhalten und die „Einziehung von Wertersatz“ in Höhe eines weiteren Betrages von insgesamt 7.745 Euro angeordnet.

3Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision und rügt die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

4Die Verfahrensrüge ist entgegen den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und daher unzulässig.

II.

51. Die Prüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat zum Schuldspruch und zu den Einzelstrafaussprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

62. Dagegen hält die vorgenommene Bildung der mehrfach gebrochenen Gesamtstrafe revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer dem Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom zu Unrecht Zäsurwirkung beigemessen hat.

7a) Nach den Feststellungen wurde die dem Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom zugrundeliegende Tat bereits am und damit vor dem noch nicht erledigten Strafbefehl des Amtsgerichts Unna vom begangen. Die für diese Tat verhängte Strafe ist noch nicht vollstreckt und ist daher mit der Strafe aus dem vorbezeichneten Strafbefehl und den Einzelstrafen für die vor dem begangenen Taten aus dem vorliegenden Urteil gesamtstrafenfähig (§ 55 Abs. 1, § 53 StGB). Dies hat zur Folge, dass das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne gesamtstrafenrechtlich verbraucht ist und deshalb keine weitere Zäsurwirkung entfalten kann (vgl. ; Beschluss vom - 1 StR 79/03 mwN).

8Der Ausspruch über die Gesamtstrafen beruht auf dem Rechtsfehler. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die rechtsfehlerhafte Bildung von drei Gesamtstrafen im Hinblick auf das Gesamtstrafübel zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben.

9b) Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidungen im Rahmen des Gesamtstrafenausspruchs dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuzuweisen.

10Bei Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafen wird wegen des Verschlechterungsverbots nach § 358 Abs. 2 StPO zu beachten sein, dass diese nur so hoch bemessen werden dürfen, dass sie zusammen die Summe der im angefochtenen Urteil verhängten Gesamtfreiheitsstrafen nicht übersteigen (vgl. Beschluss vom - 4 StR 426/04; Beschluss vom - 2 StR 513/90, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Fehler 1).

11Der neue Gesamtstrafenausspruch wird sich (nochmals) zur gemäß § 56f Abs. 3, § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB zu treffenden Anrechnungsentscheidung zu verhalten und zu bestimmen haben, auf welche Gesamtstrafe die Anrechnung stattzufinden hat; dabei begegnet der von der Kammer insoweit herangezogene Anrechnungsmaßstab keinen rechtlichen Bedenken.

123. Die Einziehungsentscheidung ist entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern, weil das Landgericht auf eine einheitliche Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der Summe der Einziehungsbeträge aus dem einbezogenen und aus dem angefochtenen Urteil hätte erkennen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 313/20 Rn. 4; vom - 6 StR 311/21 Rn. 5 und vom Rn. 6 jeweils mwN). Die Summe der Einziehungsbeträge aus dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Essen vom und aus dem angefochtenen Urteil beträgt 16.475 Euro. Die Einziehungsanordnung in dem früheren Urteil wird damit gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB und bedarf keiner Aufrechterhaltung. Die entsprechende Anordnung entfällt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 203/21 Rn. 6 mwN und vom - 1 StR 110/22 Rn. 5).

134. Mit der abschließenden Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden (vgl. Rn. 6; Beschluss vom - 4 StR 426/04 Rn. 8 ff.).

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ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:310822B4STR372.21.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-47379