Vorläufiger Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau und den Betrieb der Energietransportleitung ETL 180 Brunsbüttel - Hetlingen (1. Bauabschnitt)
Leitsatz
1. Der Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 4 Abs. 1 LNGG steht mit Unionsrecht im Einklang.
2. Bei Energietransportleitungen sind diejenigen Tätigkeiten, die die Verbraucher zu einem späteren Zeitpunkt mit der Energie (Strom oder Gas) ausüben, nicht mit in die Klimabilanz nach § 13 Abs. 1 KSG einzustellen.
Gesetze: Art 2 Abs 4 EURL 92/2011, Art 12 GG, Art 14 GG, Art 20a GG, § 1 LNGG, § 2 LNGG, § 3 LNGG, § 4 LNGG, § 11 LNGG, § 12 LNGG, § 13 KSG, § 43 EnWG, § 1 BImSchV 12
Gründe
I
1Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Neubau und den Betrieb der Energietransportleitung ETL 180 Brunsbüttel - Hetlingen (1. Bauabschnitt) vom .
2Die Beigeladene ist Vorhabenträgerin einer zu errichtenden Energietransportleitung zwischen Brunsbüttel und Hetlingen. Mit dieser soll das in Brunsbüttel geplante, landgebundene LNG-Terminal sowie eine geplante schwimmende FSRU-Anlage zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases an das bestehende Gasfernleitungsnetz angeschlossen werden.
3Die Antragsteller sind Landwirte und Eigentümer von Grundstücken, die im Planbereich liegen. Von dem Antragsteller zu 1 sollen insgesamt sieben Flurstücke teilweise, in einem Gesamtumfang von 15 000 qm, und von dem Antragsteller zu 2 zwei Flurstücke teilweise, in einem Gesamtumfang von 6 500 qm, für das Vorhaben dauerhaft in Anspruch genommen werden. Weitere Flächen werden während der Bauzeit benötigt. Bei den Flächen handelt es sich um Acker- und Grünland. Ein Teil der Flurstücke des Antragstellers zu 1 ist zudem verpachtet und mit einer Photovoltaikanlage bebaut. Diese Teile der Flurstücke liegen außerhalb des Vorhabens.
4Der Planfeststellungsbeschluss wurde mit Bekanntmachung vom veröffentlicht.
5Die Antragsteller haben am Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben und zugleich den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gestellt. Sie beanstanden, dass die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterblieben sei. Auch liege keine Planrechtfertigung vor. Das Vorhaben stehe im Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Bundesrepublik Deutschland. Zudem seien die Vorgaben der Störfall-Verordnung nicht beachtet worden. Schließlich sei auch die Variantenauswahl fehlerhaft. Die geplante Energieleitung durchschneide die Grundstücke und die vorhandenen Drainageleitungen der Antragsteller willkürlich. Die von ihnen vorgeschlagene Verlegung der Leitung an den Rand ihrer Grundstücke sei nicht hinreichend geprüft worden.
6Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners für den Neubau und den Betrieb der Energietransportleitung ETL 180 Brunsbüttel - Hetlingen (1. Bauabschnitt) vom anzuordnen.
7Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,
den Antrag abzulehnen.
8Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
II
9Der Antrag ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
101. a) Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 12 Satz 1 und 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz - LNGG) vom (BGBl. I S. 802), zuletzt geändert durch Gesetz vom (BGBl. I S. 1726) i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. Gemäß § 12 Satz 1 LNGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und im letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 dieses Gesetzes. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 LNGG gilt dieses Gesetz u. a. für Leitungen, die der Anbindung von Anlagen nach Nummer 1 oder Nummer 2 an die Gasversorgungsnetze dienen (LNG-Anbindungsleitungen). Nummer 1 und 2 erfassen u. a. schwimmende und landgebundene Anlagen zur Einfuhr, Entladung, Lagerung und Wiederverdampfung verflüssigten Erdgases.
11Bei den in Brunsbüttel geplanten Anlagen handelt es sich um eine landgebundene und eine schwimmende Anlage im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift. Die streitgegenständliche Energietransportleitung (ETL 180) dient der Anbindung dieser Anlagen an das bestehende Gasfernleitungsnetz.
12Anders als von den Antragstellern angenommen, wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten betreffend die ETL 180 auch nicht durch § 2 Abs. 2 LNGG ausgeschlossen. Die Vorschrift schränkt den Anwendungsbereich des Gesetzes mit Blick auf Zulassungen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 auf die in der Anlage bezeichneten Vorhaben ein und schließt damit im Zusammenwirken mit § 12 LNGG die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Zulassungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LNGG aus, soweit die jeweiligen Vorhaben nicht in der Anlage zu diesem Gesetz aufgeführt sind. Nr. 1.3 der Anlage benennt jedoch für Leitungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 in Brunsbüttel die Standorte German LNG Terminal und Hafen als Anschlusspunkt für das Gasleitungsnetz. Mit dem Standort Hafen wird der Anschlusspunkt für die geplante schwimmende FSRU-Anlage und mit dem Standort German LNG Terminal der Anschlusspunkt für das landgebundene LNG-Terminal in Brunsbüttel genannt (vgl. PFB S. 81 f.).
13b) Gemäß § 11 Abs. 1 LNGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentscheidung für die Vorhaben nach § 2 keine aufschiebende Wirkung. Hiergegen ist der von den Antragstellern, die als Eigentumsbetroffene antragsbefugt sind, sinngemäß gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft und fristgerecht gestellt worden. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LNGG ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Zulassungsentscheidung zu stellen und zu begründen. Hier ist der Planfeststellungsbeschluss am bekanntgegeben worden. Der Antrag ist am gestellt und begründet worden.
142. Die Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage steht im Ermessen des Gerichts der Hauptsache (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die in diesem Rahmen vorzunehmende Abwägung zwischen dem Vollziehungsinteresse des Antragsgegners und dem Suspensivinteresse der Antragsteller geht zu deren Lasten aus. Dies beruht vor allem darauf, dass sich bei der hier anzustellenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage diese als voraussichtlich unbegründet erweist.
15a) Es liegt kein Verstoß gegen zwingendes Recht vor.
16aa) Die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung war entbehrlich. Gemäß § 4 Abs. 1 LNGG ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 UVPG nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 nicht anzuwenden, wenn eine beschleunigte Zulassung des konkreten Vorhabens geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden (1). Dabei sind nach Absatz 4 der Vorschrift der Öffentlichkeit vor Erteilung der Zulassung verschiedene Informationen zugänglich zu machen (2) und nach Absatz 5 der Vorschrift die Europäische Kommission zu unterrichten (3). Diese Ausnahmeregelung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (4).
17(1) Der Planfeststellungsbeschluss ist zu Recht von einer Krise der Gasversorgung ausgegangen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am die Frühwarnstufe und am die weiterhin bestehende Alarmstufe des Notfallplans Gas nach der Verordnung (EU) 2017/1938 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 ausgerufen. Nach dem von dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf der Grundlage von Art. 8 der Verordnung vom beschlossenen Notfallplan Gas rechtfertigen u. a. gravierende Reduzierungen von Gasströmen an wichtigen physischen Einspeisepunkten und der Ausfall von wichtigen Aufkommensquellen, die Ausrufung der Alarmstufe. Sowohl im Zeitpunkt der Anordnung der Alarmstufe als auch im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses lagen beide Voraussetzungen vor. Soweit die Antragsteller geltend machen, die Gasspeicher seien inzwischen wieder gefüllt und der Gaspreis stark gefallen, führt dies zu keiner anderen Einschätzung der Gaskrise. Der Planfeststellungsbeschluss begründet die Notwendigkeit des Baus der ETL 180 vor allem mit der notwendigen Vorbereitung auf den Winter 2023/2024. Betont wird in diesem Zusammenhang, dass erst mit der Zerstörung der Nord Stream-Pipelines im September 2022 die russischen Gaslieferungen vollständig zum Erliegen gekommen seien. Bis dahin sei noch Gas in deutsche Speicher geflossen, ein Umstand, der im Winter 2022/2023 genutzt werden konnte, im Winter 2023/2024 jedoch nicht mehr. Hieran ändert nichts, dass die Bundesnetzagentur in ihrer gegenwärtigen Lagebeurteilung die Gasversorgung in Deutschland als stabil und die Versorgungssicherheit als gegeben beurteilt (www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/start.html). Auch der Umstand, dass nach diesem Bericht der Speicherfüllstand bereits vorfristig zum wieder einen Füllstand von 75% erreicht hat, ist nicht ausschlaggebend. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses und damit auch für das Vorliegen einer Krise der Gasversorgung im Sinne des § 4 Abs. 1 LNGG ist - wie auch sonst im Fachplanungsrecht - der Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses. Zu diesem Zeitpunkt waren die Gasspeicher weit weniger gefüllt und wurde die Vorbereitung auf den Winter 2023/2024 von der Bundesnetzagentur als eine zentrale Herausforderung bezeichnet (Lagebericht Gasversorgung der Bundesnetzagentur vom ).
18Zur Eignung der ETL 180, einen relevanten Beitrag zur Abwendung der Krise zu leisten, stellt der Antragsgegner im Planfeststellungsbeschluss fest, dass die FSRU in Brunsbüttel eine Aufnahmekapazität von 7,5 Mrd. cbm Gas pro Jahr hat; zusammen mit dem landgebundenen LNG-Terminal steige die Kapazität auf 8 bis 10 Mrd. cbm Gas pro Jahr. Bei einem nationalen Gasverbrauch von 96 Mrd. cbm pro Jahr (vgl. PFB S. 95), ist die Annahme, dass die Leistung der hier geplanten Maßnahme relevant ist, naheliegend. Die Begründung zum Gesetzentwurf für das LNG-Beschleunigungsgesetz selbst geht von einer relevanten Menge ab 5 Mrd. m³ pro Jahr aus (BT-Drs. 20/1742 S. 18).
19(2) Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 LNGG sind der Öffentlichkeit vor Erteilung der Zulassung der Entwurf der Zulassungsentscheidung einschließlich Begründung, die wesentlichen Antragsunterlagen einschließlich der Unterlagen, mit denen die wesentlichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt dargestellt werden, und die Gründe für die Gewährung der Ausnahme nach Absatz 1 von den Anforderungen nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung zugänglich zu machen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift hat die Zugänglichmachung für die Dauer von vier Tagen zu erfolgen. Mit diesen Anforderungen wird der Wegfall der eigentlichen Umweltverträglichkeitsprüfung teilweise kompensiert; so soll ein Mindestmaß an Transparenz auch in der Ausnahmekonstellation sichergestellt werden, die einen Verzicht auf Vorgaben der UVP-Richtlinie erlaubt (BT-Drs. 20/1742 S. 19). Aus dem Planfeststellungsbeschluss ergibt sich, dass diese Zugänglichmachung durch Auslegung in den Räumen der Planfeststellungsbehörde sowie durch Veröffentlichung im Internet ab dem durchgeführt worden ist (PFB S. 91).
20(3) Auch ist die Europäische Kommission innerhalb derselben Frist durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz der Vorschrift des § 4 Abs. 5 LNGG entsprechend unterrichtet worden.
21(4) Der Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung steht mit Unionsrecht, namentlich mit der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL) im Einklang. Nach Art. 2 Abs. 4 UVP-RL können Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 7 der Richtlinie in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt von den Bestimmungen der UVP-RL ausnehmen, wenn sich die Anwendung dieser Bestimmungen nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Ziele der UVP-RL verwirklicht werden. Art. 2 Abs. 4 UVP-RL stellt damit zwar ausdrücklich darauf ab, dass nur "in Ausnahmefällen ein bestimmtes Projekt" von den Bestimmungen der UVP-RL ausgenommen werden kann, während § 4 Abs. 1 LNGG das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) hinsichtlich aller Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4 und 5 LNGG unter bestimmten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt. Die Ausnahme von den Bestimmungen des UVPG erfordert aber, dass für jedes einzelne Vorhaben und damit für jedes "bestimmte Projekt" im Sinne des Art. 2 Abs. 4 UVP-RL geprüft wird, ob die beschleunigte Zulassung geeignet ist, einen relevanten Beitrag zu leisten, um eine Krise der Gasversorgung zu bewältigen oder abzuwenden. Damit entscheidet die jeweilige Zulassungsbehörde darüber, ob hinsichtlich des "konkreten Vorhabens" (so ausdrücklich in § 4 Abs. 1 LNGG) eine Ausnahme im Sinne des Art. 2 Abs. 4 UVP-RL in Betracht kommt. Die Kritik, dass § 4 Abs. 1 LNGG einen Verzicht für abstrakt-generelle, nur mittels des Standorts näher konkretisierte Projekte und damit für eine ganze Projektkategorie anordne (so Schlacke/Wentzien/Römling, NVwZ 2022, 1577 <1585 f.> und Kment/Fimpel, NuR 2022, 599 <604>) überzeugt nicht. Durch die Prüfung der Eignung im Sinne des § 4 Abs. 1 LNGG wird sichergestellt, dass nur solche Vorhaben von der Anwendung des UVPG ausgenommen werden, bei denen sich die Anwendung der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung nachteilig auf den Zweck des Projekts auswirken würde. Daher ist die Regelung in § 4 Abs. 2 LNGG auch nicht mit einer Ausnahmeregelung vergleichbar, die pauschal an bestimmte Schwellenwerte anknüpft (vgl. EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom - C-570/13 [ECLI:EU:C:2014:2374] Rn. 60).
22bb) Eine Planrechtfertigung liegt vor.
23Die Planung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Gesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht. Das ist nicht erst bei der Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (stRspr, vgl. 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 208). Die Planrechtfertigung kann sich bindend aus einer gesetzlichen Bedarfsfeststellung oder im Einzelfall ergeben.
24Die Planrechtfertigung folgt hier aus § 3 Satz 2 LNGG. Diese Vorschrift stellt für die Vorhaben im Anwendungsbereich des Gesetzes die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und den Bedarf zur Gewährleistung der Versorgung der Allgemeinheit mit Gas fest. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf handelt es sich hierbei um die gesetzliche Planrechtfertigung (BT-Drs. 20/1742 S. 17). Der Planfeststellungsbeschluss nimmt zutreffend hierauf Bezug (PFB S. 103).
25Die gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfeststellung und das gerichtliche Verfahren grundsätzlich verbindlich und vom Gericht nur darauf zu überprüfen, ob der Gesetzgeber den ihm insoweit zukommenden weiten Gestaltungs- und Prognosespielraum überschritten hat, weil die Bedarfsfeststellung evident unsachlich ist, es also für das Vorhaben offensichtlich keinerlei Bedarf gibt, der die Annahme des Gesetzgebers rechtfertigen könnte (vgl. nur 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 41 und vom - 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 17). Der Gesetzgeber bemisst den von der Bedarfsfeststellung nach § 3 Satz 2 LNGG umfassten Vorhaben eine energiewirtschaftliche Notwendigkeit bei, weil sie in besonderem Maße zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit sowie zur Schaffung einer zukunftsoffenen diversifizierten Gasversorgung beitragen könnten und ihre Realisierung dringlich sei (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 17). Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung für die hier in Rede stehende LNG-Anbindungsleitung offensichtlich unzutreffend sein könnte, sind nicht ersichtlich.
26cc) Der Planfeststellungsbeschluss verstößt entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht gegen die Störfall-Verordnung. Die ETL 180 unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung - 12. BImSchV. Nach deren § 1 Abs. 3 gelten die Absätze 1 und 2 nicht für Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, die in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates genannt sind, es sei denn, es handelt sich um eine in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit. Danach unterfällt eine Erdgasversorgungsleitung nicht dieser Verordnung. In ihrem Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. d) wird nämlich die Beförderung gefährlicher Stoffe in Rohrleitungen, einschließlich der Pumpstationen, außerhalb der unter diese Richtlinie fallenden Betriebe genannt (vgl. - DVBl. 2018, 54 <62>). Eine Gegenausnahme enthält Unterabs. 2 dieser Vorschrift für Erdgasversorgungsleitungen nicht.
27b) Der Planfeststellungsbeschluss leidet an keinen Mängeln der Abwägung.
28aa) Die Variantenprüfung ist nicht zu beanstanden.
29Das fachplanerische Abwägungsgebot (§ 43 Abs. 3 EnWG) verlangt, sich ernsthaft anbietende Alternativlösungen bei der Zusammenstellung des abwägungserheblichen Materials zu berücksichtigen und mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der von den möglichen Alternativen jeweils berührten öffentlichen und privaten Belange einzustellen ( 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 16). Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit wären nur überschritten, wenn der Behörde beim Auswahlverfahren infolge fehlerhafter Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen wäre oder sich eine andere Variante unter Berücksichtigung aller Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere hätte aufdrängen müssen ( 9 A 4.13 - NVwZ 2014, 1008 Rn. 117 und vom - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 67 ff.).
30Das Ausscheiden der Null-Variante ist nachvollziehbar mit der Sicherstellung der Gasversorgung begründet worden. Insoweit kann auf die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 264) und zur Planrechtfertigung (vgl. oben Rn. 22 ff.) Bezug genommen werden.
31Auch im Verhältnis zu der von den Antragstellern favorisierten Variante der Verschiebung der Trasse um ca. 150 m nach Norden und damit an den Rand ihrer Grundstücke (vgl. den von der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren als Anlage 8 vorgelegten Lageplan) ist die Variantenprüfung des Antragsgegners nicht fehlerhaft. Mit diesem Vorschlag setzt er sich auf S. 274 f. des Planfeststellungsbeschlusses auseinander. Dem Bedenken der Antragsteller, dass ihre Grundstücke willkürlich durchschnitten und zahlreiche Drainagen durchtrennt würden, hat der Antragsgegner zutreffend entgegengesetzt, dass bei der von den Antragstellern bevorzugten Variante andere Eigentümer anstatt ihrer beeinträchtigt würden. Insoweit mag es zutreffen, dass die Antragsteller durch die von ihnen favorisierte Variante weniger in Anspruch genommen würden. Das ginge aber automatisch zu Lasten anderer Eigentümer.
32Außerdem halte sich die planfestgestellte Variante am weitesten an die fachlichen Grundsätze der Trassierung. Hierzu gehören - anders als von den Antragstellern dargestellt - nicht nur ein möglichst geradliniger Verlauf, sondern auch das Gebot der Trassenbündelung und eine möglichst zu erzielende Parallellage zu Hochspannungs-Freileitungen (PFB S. 266; Erläuterungsbericht vom S. 37 f.). Hierdurch werden Natur und Landschaft regelmäßig am wenigsten belastet ( 11 VR 16.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 6; - juris Rn. 43). Die Parallelführung mit der vorhandenen Hochspannungs-Freileitung wird mit der planfestgestellten Variante verwirklicht, nicht aber mit der von den Antragstellern favorisierten Variante.
33Ergänzend kann darauf hingewiesen werden, dass auch die von den Antragstellern bevorzugte Variante ihre Drainagen zerschneidet; dies lediglich am Rand und nicht in der Mitte ihrer Grundstücke. Im Landschaftspflegerischen Begleitplan wird durch Maßnahme V/M/B10 im Übrigen gewährleistet, dass während der Baumaßnahmen der Wasserabfluss gesichert wird und dass die Drainage-Systeme nach Abschluss der Baumaßnahmen in Abstimmung mit den Eigentümern durch eine Fachfirma wiederhergestellt, und sollte dies nicht möglich sein neu angelegt werden (vgl. auch den Erläuterungsbericht vom S. 89). Vor diesem Hintergrund erscheint die Variantenwahl erst recht nicht als unvertretbar.
34Zu Recht hat der Antragsgegner dem Einwand des Antragstellers zu 1, er wolle auf einem seiner Grundstücke eine vorhandene Photovoltaikanlage erweitern, kein maßgebliches Gewicht beigemessen. Diese Planung ist im gesamten Verfahren vage geblieben und erreicht als bloße, nicht weiter substantiierte Absichtserklärung nicht die Konkretheit, die erforderlich wäre, um sie dem Schutzbereich eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) zuzuordnen.
35bb) Die Abwägungsentscheidung ist auch im Hinblick auf die Berücksichtigung des Klimaschutzes rechtens. Die Antragsteller machen geltend, dass der Planfeststellungsbeschluss die Belange des Klimaschutzes nicht hinreichend würdigt.
36Grundsätzlich können die Antragsteller, denen wegen ihrer Eigentumsbetroffenheit ein Vollüberprüfungsanspruch zukommt (stRspr, vgl. 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 23), im Rahmen der Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses sich auch auf Belange des Klimaschutzes berufen, obwohl § 4 Abs. 1 Satz 10 des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) vom (BGBl. I S. 2513), geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 3905) festlegt, dass subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen durch dieses Gesetz nicht begründet werden. Denn ihnen steht - außerhalb des Klimaschutzgesetzes - ein Anspruch auf eine fehlerfreie Abwägungsentscheidung zu (vgl. 9 A 30.10 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 33 Rn. 16).
37Der Vollüberprüfungsanspruch der Antragsteller unterliegt hier auch keinen Einschränkungen. Grundsätzlich führt auch bei eigentumsbetroffenen Antragstellern nicht jeder objektiv-rechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, zur vollständigen oder teilweisen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Diese Rechtsfolge scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Eigentumsbetroffenheit der Antragsteller aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des betroffenen Grundstücks führen würde (stRspr, vgl. 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24 und vom - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 27, 33 ff.).
38Diese Einschränkungen greifen hier nicht, weil der Einwand der Antragsteller betreffend die Berücksichtigung des Klimaschutzes grundsätzlicher Natur ist und darauf abzielt, das Vorhaben insgesamt zu verhindern. So argumentieren die Antragsteller, dass keine Gasmangellage bestehe und wenden sich ohne Einschränkungen gegen die Einfuhr von Flüssiggas. Setzten sich die Antragsteller mit dieser Argumentation durch, wäre der zu unterstellende Fehler auch kausal für ihre Eigentumsbetroffenheit.
39Es liegt diesbezüglich aber kein Abwägungsfehler vor. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG haben die Träger öffentlicher Aufgaben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Dies betrifft den in § 1 KSG niedergelegten Zweck des Gesetzes und insbesondere die Auswirkungen des Vorhabens auf die nationalen Klimaschutzziele, die in § 3 Abs. 1 KSG näher definiert werden. Der Behörde kommt insoweit eine Pflicht zu, die zu erwartende Menge an Treibhausgasen, welche aufgrund des Projekts emittiert werden, zu ermitteln; nur bei unverhältnismäßigem Ermittlungsaufwand kommt eine Schätzung in Betracht (vgl. Fellenberg, in: Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 1. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 23 f.).
40Die ermittelten Auswirkungen auf die Ziele des Klimaschutzes sind sodann bei der Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen. Berücksichtigen ist dabei nicht im Sinne eines Optimierungsgebotes zu verstehen, sondern bedeutet, die Belange mit dem Gewicht, das ihnen zukommt, in den Abwägungsprozess einfließen zu lassen. Dabei hängt es bei konfligierenden Interessen vom Einzelfall ab, ob oder gegebenenfalls in welchem Ausmaß sich am Ende der Klimaschutz oder ein anderer Belang durchsetzt (vgl. 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 85, 87; Fellenberg, in: Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 1. Aufl. 2022, § 13 KSG Rn. 21; Kment, NVwZ 2020, 1537 <1543 f.>). Auch Art. 20a GG kommt insoweit nur eine relative Bedeutung zu. Das Bundesverfassungsgericht räumt dieser Vorschrift keinen unbedingten Vorrang vor anderen Belangen ein (, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20 - BVerfGE 157, 30 Rn. 198, 207; 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 86) und misst - hergeleitet aus dem Recht auf eine menschenwürdige Existenz - auch der Sicherstellung der Energieversorgung eine überragende Bedeutung für das Gemeinwohl bei (, 1 BvR 3386/08 - BVerfGE 134, 242 Rn. 286).
41Vor diesem Hintergrund ist die Abwägungsentscheidung des Antragsgegners nicht zu beanstanden.
42Als relevant für den Klimaschutz hat der Antragsgegner die Rodung von Baum- und Waldbeständen und deren Funktion als Kohlendioxid-Senken in die Abwägung eingestellt. Insoweit ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner auch berücksichtigt hat, dass die so verlorenen Waldflächen im Verhältnis von 1:2 bzw. 1:3 ausgeglichen werden und somit die Voraussetzungen für in der Zukunft noch größere Kohlendioxid-Senken als bislang geschaffen werden (PFB S. 283 f.).
43Eingriffe in torfhaltige Böden hat der Antragsgegner nach Bewertung des von dem Vorhabenträger vorgelegten Bodenschutzkonzepts als nicht quantifizierbar eingestuft. Hierbei sind Fehler nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.
44Im Hinblick auf den Baustellen- und Lieferverkehr hat der Antragsgegner betont, dass eine genaue Quantifizierung von Treibhausgasemissionen im Vorhinein nicht möglich ist; insoweit hat er aber den von der Vorhabenträgerin geschätzten Verbrauch von 4 700 000 l Diesel für Baumaschinen und -geräte in die Abwägung mit eingestellt. Auch das Entweichen von Gas durch zu erwartende Undichtigkeiten hat der Antragsgegner aufgrund von Erfahrungswerten mit berücksichtigt.
45Sodann hat der Antragsgegner zu Recht von ihm so bezeichnete mittelbare Auswirkungen des Vorhabens bei der Betrachtung unbeachtet gelassen. Das gilt namentlich für diejenigen Treibhausgasemissionen, welche spätere Verbraucher des transportierten Gases verursachen werden. Denn zu den Auswirkungen einer Energietransportleitung gehören nicht die mit der fortgeleiteten Energie durchgeführten Tätigkeiten ( 4 B 25.20 - juris Rn. 22). Es fehlt insoweit an dem nach § 43 Abs. 3 EnWG erforderlichen Vorhabenbezug. Danach sind nur "die von dem Vorhaben" berührten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Hierin kommt der Vorhabenbezug der planerischen Abwägung zum Ausdruck. Das Vorhaben in diesem Sinne besteht vorliegend in der Errichtung der Anbindungsleitung. Der Leitungsbetrieb umfasst den Transport des Erdgases, nicht hingegen auch den späteren Gasverbrauch. Zwar sind auch mittelbare Auswirkungen eines Vorhabens in die Abwägung einzustellen. Stets muss es sich aber um Auswirkungen gerade des Vorhabens handeln. Das setzt voraus, dass die jeweiligen Auswirkungen dem Vorhaben bei wertender Betrachtung zurechenbar sind, weil sich in ihnen ein vorhabenspezifisches Risiko realisiert, dessen Bewältigung das gesetzliche Planfeststellungserfordernis zu dienen bestimmt ist. Das ist in der Rechtsprechung etwa im Rahmen der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung bei einem eindeutigen Ursachenzusammenhang zwischen einem Straßenbauvorhaben und der zu erwartenden Verkehrszunahme auf einer anderen, nicht vom Planfeststellungsbeschluss umfassten Straße angenommen worden ( 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <157>), ferner dann, wenn sich die Auswirkungen eines Vorhabens auf die Aufgabenerfüllung einer anderen Behörde dauerhaft erheblich auswirken können ( 9 A 11.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 171 Rn. 13 und - 9 A 8.15 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 170 Rn. 15 sowie vom - 3 A 4.16 - BVerwGE 165, 33 Rn. 28). Eine solche oder vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor (ebenso 4 B 25.20 - juris Rn. 22). Die bestimmungsgemäße Nutzung der Anbindungsleitung liegt im Gastransport und erschöpft sich darin. Der spätere Verbrauch des Gases findet an anderer Stelle statt und unterliegt eigenen Regulierungen gerade auch mit dem Ziel einer Reduktion damit verbundener Treibhausgasemissionen, insbesondere durch das einschlägige Anlagenzulassungsrecht, das Treibhausgas-Emissionshandelsrecht sowie rechtliche Vorgaben für den Energieeinsatz in Gebäuden.
46Zudem spricht eine normative Bewertung dieser mittelbaren Auswirkungen des Vorhabens dagegen, sie der Anbindungsleitung zuzurechnen. Das folgt bereits aus dem sektorspezifischen Ansatz des Klimaschutzgesetzes, welches nach § 4 Abs. 1 Satz 1 KSG jährliche Minderungsziele für die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges vorsieht. Das durch das Gasfernleitungsnetz transportierte Gas ist aber sektorneutral und kann in jedem der genannten Sektoren Verwendung finden. Eine Zuordnung zu einem dieser Sektoren kann daher erst mit dem klimarelevanten Verbrauch des Gases, nicht aber mit seinem Transport erfolgen.
47In ähnlicher Weise setzt auch das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz in seinem § 4 Abs. 1 Satz 1 bei der Emission von Treibhausgasen und nicht bei dem Transport fossiler Brennstoffe an. Der durch die genannte Vorschrift in Bezug genommene Anhang 1 Teil 2 Nummer 1 bis 32 führt lediglich Treibhausgas emittierende Anlagen auf. Transportleitungen werden allein in Nr. 31 erwähnt. Dort geht es aber um Leitungen zur Beförderung von Treibhausgasen, die zum Zwecke der geologischen Speicherung - und nicht zu einem späteren Verbraucher - transportiert werden.
48Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Antragsgegner die von ihm ermittelten Emissionen als insgesamt eher geringfügig eingeschätzt hat und vor allem dass er betont, dass es durch das Vorhaben nicht zu einem Mehrverbrauch an Gas kommt. Denn die ETL 180 ist ein Ersatzvorhaben, das dem deutschen Markt Erdgas zur Verfügung stellen soll, das infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine an anderer Stelle wegfällt (PFB S. 286). Zutreffend schätzt der Antragsgegner auch ein, dass es nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde ist, im Rahmen der Berücksichtigungspflicht des § 13 Abs. 1 KSG eine dem Gesetzgeber zukommende Entscheidung über die Frage, ob Erdgas als Energieträger zulässigerweise benutzt wird, zu revidieren (vgl. 9 A 7.21 - BVerwGE 175, 312 Rn. 97). Schließlich war es zulässig, zu beachten, dass das Vorhaben entsprechend der gesetzgeberischen Vorstellung (vgl. BT-Drs. 20/1742 S. 16) geeignet ist, in Zukunft auch Wasserstoff zu transportieren, der nach gegenwärtigem Kenntnisstand ein wichtiger Baustein der angestrebten Klimaneutralität sein wird.
49cc) Neben einem Verstoß gegen die Störfall-Verordnung (siehe oben, Rn. 26) beanstanden die Antragsteller auch, dass das Störfallrisiko nicht angemessen in der Abwägungsentscheidung des Antragsgegners berücksichtigt worden ist. Namentlich sei das Risiko im Hinblick auf zahlreiche Industriebetriebe im Raum Brunsbüttel nicht angemessen gewürdigt worden.
50Insoweit fehlt den Antragstellern die Rügebefugnis. Die in Betracht kommenden Industriebetriebe sind in 20 km Entfernung zu den Grundstücken der Antragsteller angesiedelt. Selbst wenn insoweit ein objektiv-rechtlicher Fehler vorliegen sollte, ist durch nichts ersichtlich, wie dieser kausal für die Inanspruchnahme des Eigentums der Antragsteller geworden sein soll (vgl. hierzu 9 A 64.07 - BVerwGE 134, 308 Rn. 24). Diesbezüglicher Vortrag fehlt.
51Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO und berücksichtigt im Verhältnis der Antragsteller untereinander die unterschiedliche flächenmäßige Grundstücksbetroffenheit.
52Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Die Bedeutung der Sache bestimmt sich hier entsprechend Nr. 34.2.4 i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach ist wegen der dauerhaften Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen (rund 21 500 qm) und der zusätzlich vorübergehend in Anspruch genommenen Flächen der Streitwert auf 20 000 € festzusetzen. Der Gesamtbetrag ist wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu halbieren (vgl. zur Besitzeinweisung im Verfahren gleichen Rubrums 7 VR 1.23 - juris Rn. 28.).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:220623B7VR3.23.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-45909