BVerwG Beschluss v. - 5 PB 3/22, 5 PB 3/22 (5 P 4/23)

Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung zwischen Teil- und Gesamtpersonalrat

Gesetze: § 9 Abs 5 S 4 Halbs 1 ArbGG, § 11 Abs 2 S 2 Nr 4 ArbGG, § 11 Abs 4 S 1 ArbGG, § 11 Abs 4 S 2 ArbGG, § 11 Abs 4 S 3 ArbGG, § 11 Abs 5 ArbGG, § 72 Abs 5 ArbGG, § 89 Abs 1 ArbGG, § 72a Abs 2 S 1 ArbGG, § 72a Abs 3 S 1 ArbGG, § 89 Abs 1 ArbGG, § 11 Abs 2 S 2 Nr 5 ArbGG, § 92a S 2 ArbGG, § 94 Abs 1 ArbGG, § 92 Abs 1 S 2 ArbGG, § 92 Abs 2 ArbGG, § 85 Abs 2 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 S 2 ZPO, § 236 ZPO, § 555 Abs 1 ZPO, § 319 Abs 1 ZPO, § 1 Abs 3 PersVG BW 2015, § 8 Abs 1 S 1 PersVG BW 2015, § 22 PersVG BW 2015, § 66 Abs 7 S 1 PersVG BW 2015, § 79 Abs 2 Halbs 2 PersVG BW 2015, § 17 Abs 1 LVerbO NW 1994

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 20 A 1710/17.PVL Beschlussvorgehend Az: 22 K 1091/15.PVL

Gründe

11. Das Rubrum war hinsichtlich der Bezeichnung des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 4 von Amts wegen zu berichtigen (§ 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92a Satz 2, §§ 72a, 72 Abs. 5 ArbGG, § 555 Abs. 1, § 319 Abs. 1 ZPO). Für die Dienststelle handelt im Anwendungsbereich des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen deren Leiter (§ 8 Abs. 1 Satz 1 LPVG NRW), was auch für das gerichtliche Verfahren gilt (vgl. 5 P 17.21 - juris Rn. 7). Dienststellenleiter und daher Beteiligter zu 1 ist dementsprechend der Direktor des Landschaftsverbands (vgl. § 17 Abs. 1 LVerbO NRW). Beteiligte zu 4 ist die Betriebsleitung der LWL-Maßregelvollzugsklinik S. (vgl. § 6 Abs. 1 der Betriebssatzung für die Kliniken des LWL-PsychiatrieVerbundes vom - GV. NRW. S. 114 -).

22. Die Nichtzulassungsbeschwerden des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 4 sind unzulässig. Sie sind innerhalb der insoweit geltenden Fristen des § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 ArbGG (a) schon nicht ordnungsgemäß eingelegt und im Übrigen auch nicht begründet worden, weil beide Beteiligte nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten waren (b). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war nicht zu gewähren (c).

3a) Die Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom waren gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts einzulegen und gemäß § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses zu begründen.

4Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 4 galt für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht die Jahresfrist gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 ArbGG. Danach ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, wenn die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt ist, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsmittel nicht gegeben sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a ArbGG stellt jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen hat, kein Rechtsmittel, sondern einen Rechtsbehelf dar, für den § 9 Abs. 5 ArbGG nicht gilt (BVerwG, Beschlüsse vom - 5 PB 15.18 - juris Rn. 5 f. und vom - 5 PB 10.18 - juris Rn. 5 f., jeweils m. w. N.; vgl. etwa <F> - BAGE 127, 180 Rn. 17 m. w. N.).

5b) Die Nichtzulassungsbeschwerden des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 4 sind schon nicht rechtzeitig innerhalb der Notfristen des § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG ordnungsgemäß eingelegt und im Übrigen auch nicht in der des § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG begründet worden.

6aa) Soweit sie innerhalb dieser Fristen eingegangen sind, genügte dies nicht für die Fristwahrung, weil der Beteiligte zu 1 und die Beteiligte zu 4 nicht durch einen Prozessbevollmächtigten gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 ArbGG vertreten waren.

7Nach der gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW entsprechend anwendbaren Regelung des § 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 ArbGG müssen sich die Beteiligten vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dabei sind als solche außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Absatz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen, die zudem nach § 11 Abs. 4 Satz 3 ArbGG durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln müssen. Dieser Vertretungszwang gilt nicht nur, wie es § 94 Abs. 1 ArbGG durch Verweisung auf § 11 Abs. 4 und 5 ArbGG ausdrücklich anordnet, für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde, sondern auch für die Einlegung und Begründung der in § 92a Satz 2 ArbGG geregelten Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. etwa - BAGE 152, 209 Rn. 5; Fischer/Goeres/Gronimus/Lechtermann, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, Stand Februar 2015, § 92a ArbGG Rn. 6, jeweils m. w. N.). Dies folgt unmittelbar aus § 11 Abs. 4 ArbGG, weil diese allgemeine Regelung grundsätzlich für alle Verfahrensarten gilt, soweit nicht in den die jeweilige Verfahrensart betreffenden Vorschriften etwas Abweichendes bestimmt worden ist (vgl. Ahrendt, in: GK-ArbGG, Stand September 2021, § 92a Rn. 17; Gronimus, Das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren, 1. Aufl. 2017, § 92a ArbGG Rn. 21; im Ergebnis ebenso, aber in der Begründung auf eine analoge Anwendung des § 94 Abs. 1 ArbGG abstellend: Tiedemann, in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 92a Rn. 8 m. w. N.). Eine Ausnahme vom Vertretungszwang nach § 11 Abs. 4 ArbGG ist in § 92a Satz 2 ArbGG nicht vorgesehen. Vielmehr verweist diese Vorschrift auf § 72a Abs. 2 bis 7 ArbGG, sodass für die Nichtzulassungsbeschwerde im Beschlussverfahren dieselben Regelungen wie für die Nichtzulassungsbeschwerde im Urteilsverfahren gelten. Dazu gehört auch, was vom Sinn und Zweck des Vertretungserfordernisses geboten ist, der Vertretungszwang bei der Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ( - BAGE 152, 209 Rn. 5; Weth, in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 11 Rn. 46 und 55).

8Etwas anderes ergibt sich nicht deshalb, weil § 79 Abs. 2 LPVG NRW die Verweisung auf die Vorschriften über das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren insoweit einschränkt, als § 89 Abs. 1 ArbGG mit der Maßgabe gilt, dass die Dienststellen auf die Prozessvertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt verzichten können. Denn § 89 Abs. 1 ArbGG gilt ausschließlich für die Einlegung und Begründung der Beschwerde im zweiten Rechtszug, sodass diese Möglichkeit für die Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht besteht.

9Den Anforderungen gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 ArbGG an die Prozessvertretung vor dem Bundesverwaltungsgericht genügten die Nichtzulassungsbeschwerden, die der Beteiligte zu 1 zugleich als Vertreter für die Beteiligte zu 4 mit Schriftsätzen vom und erhoben und begründet hat, nicht, weil sie nicht von einem Rechtsanwalt oder einem der in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Verbände oder Verbandsvertreter eingelegt wurden, sondern von einer Beschäftigten (mit Befähigung zum Richteramt).

10bb) Die nach einem entsprechenden Hinweis der Berichterstatterin von den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 und 4 mit Schriftsatz vom eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden sind dagegen nicht mehr rechtzeitig innerhalb der Notfrist des § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG erhoben und im Übrigen auch nicht innerhalb der Notfrist des § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG begründet worden. Die Monatsfrist für die Erhebung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss vom , der am dem Beteiligten zu 1, der im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zugleich als Bevollmächtigter der Beteiligten zu 4 aufgetreten ist, zugestellt wurde, endete am , die Zweimonatsfrist für die Begründung am .

11c) Dem Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 4 ist wegen des Fristversäumnisses keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92 Abs. 2 und § 72 Abs. 5 ArbGG i. V. m. § 233 ZPO zu gewähren. Der diesbezügliche Antrag ist zulässig (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 ZPO), aber unbegründet.

12Im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist nach § 233 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden bzw. ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert war, die Nichtzulassungsbeschwerde fristgemäß einzulegen. Gemäß § 233 Satz 2 ZPO wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

13aa) Das Fehlen des Verschuldens ist nicht deshalb zu vermuten, weil die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft gewesen wäre. Das ist bei der Rechtsmittelbelehrung in dem angegriffenen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts, in der darauf hingewiesen wird, dass die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde innerhalb einer Notfrist von einem Monat angefochten werden kann und innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten schriftlich zu begründen ist, nicht der Fall. Das gilt auch für die wie folgt lautende Belehrung über die ordnungsgemäße Vertretung der Beteiligten:

"Die Beschwerde und die Beschwerdebegründung müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind außer den bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwälten Personen mit der Befähigung zum Richteramt zugelassen, sofern sie einer der in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 4 und 5 ArbGG bezeichneten Organisationen angehören oder von dieser beauftragt sind. Ein vertretungsberechtigter Verfahrensbeteiligter kann sich selbst vertreten."

14Soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren relevant, entspricht diese Belehrung nahezu wörtlich der Regelung über die Prozessvertretung vor dem Bundesarbeitsgericht in § 11 Abs. 4 ArbGG, die gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW in personalvertretungsrechtlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht entsprechend anwendbar ist und - wie oben dargelegt - auch für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gilt.

15Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 4 ist auch der abschließende Hinweis, dass sich ein vertretungsberechtigter Verfahrensbeteiligter selbst vertreten kann, nicht missverständlich. Diese Formulierung, die erkennbar an § 11 Abs. 4 Satz 4 ArbGG anknüpft, lässt sich nur dahin verstehen, dass mit dem letzten Satz der Belehrung die in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG bezeichneten vertretungsberechtigten Organisationen und deren Vertreter gemeint sind. Die danach zulässige Selbstvertretung eines Verfahrensbeteiligten kann auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht etwa Relevanz im Rahmen von Wahlanfechtungen nach § 22 LPVG NRW haben. Auch aus dem Zusammenhang mit § 79 Abs. 2 Halbs. 2 LPVG NRW ergeben sich insoweit keine Unklarheiten. Denn § 79 Abs. 2 Halbs. 2 LPVG NRW begründet für die Prozessvertretung von Dienststellen lediglich eine Ausnahme von § 89 Abs. 1 ArbGG, der ausschließlich die Einlegung und Begründung der Beschwerde im zweiten Rechtszug regelt, sodass daraus nicht gefolgert werden kann, dass auf die Vertretung durch einen Rechtsanwalt stets verzichtet werden kann.

16bb) Der erkennende Senat hat auch nicht dadurch einen Vertrauenstatbestand geschaffen, dass sich der Beteiligte zu 1 in einem vorhergehenden Verfahren über die Nichtzulassung der Beschwerde selbst vertreten hat und dies seitens des (zu diesem Zeitpunkt teilweise anders besetzten) Senats nicht beanstandet worden ist. Zwar kann eine Wiedereinsetzung geboten sein, wenn eine irrige Rechtsauffassung vom Gericht veranlasst und hierdurch bei einem Verfahrensbeteiligten ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 233 Rn. 23.32 m. w. N.). Ein solcher Vertrauenstatbestand entsteht jedoch nicht allein dadurch, dass in einem Einzelfall die Nichtbeachtung von Verfahrensvorschriften unbeanstandet geblieben ist.

173. Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2 und des Beteiligten zu 3 sind jeweils gemäß § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wegen einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

18Die vorliegende Rechtssache kann dem Senat Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob ein Teilpersonalrat bei einer nach § 1 Abs. 3 LPVG NRW zur selbstständigen Dienststelle erklärten Teildienststelle oder Nebenstelle berechtigt ist, bei von ihm beantragten Maßnahmen nach § 66 Abs. 7 Satz 1 LPVG NRW eine dort zu bildende Einigungsstelle anzurufen.

194. Von einer weiteren Begründung wird nach § 79 Abs. 2 LPVG NRW i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:100523B5PB3.22.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-45704