Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel
Gesetze: § 103 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Instanzenzug: SG Freiburg (Breisgau) Az: S 12 BA 2587/19 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 9 BA 1167/21 Urteil
Gründe
1I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die klagende GmbH gegen die nach einer Betriebsprüfung geltend gemachte Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen iHv 17 419,42 Euro anlässlich der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) als Gesellschafter-Geschäftsführerin.
2An der klagenden GmbH hält die Beigeladene 49 vH der Geschäftsanteile. Neben dem weiteren Gesellschafter ist sie zugleich auch Geschäftsführerin der Klägerin. Nach einer Betriebsprüfung stellte die beklagte Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg die Versicherungspflicht der Beigeladenen aufgrund Beschäftigung fest und forderte Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagen nach (Bescheide vom und , Widerspruchsbescheid vom ).
3Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom ). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Beigeladene habe als Minderheits-Gesellschafterin-Geschäftsführerin nicht über eine hinreichende gesellschaftsrechtlich relevante Rechtsmacht verfügt. Ein zeitlich befristetes Vetorecht sei nur in Darlehensverträgen, nicht aber im Gesellschaftsvertrag geregelt gewesen. Auf die faktischen Verhältnisse bei der Unternehmensführung komme es nicht entscheidend an (Urteil vom ).
4Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
5II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers nicht hinreichend bezeichnet.
6Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 und B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4, jeweils mwN; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX, RdNr 113 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl - juris RdNr 18 mwN; - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht. Diesen Anforderungen an die Bezeichnung eines entscheidungserheblichen Verfahrensmangels genügt die Beschwerdebegründung nicht.
71. In der Beschwerdebegründung vom behauptet die Klägerin einen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, indem das LSG nicht das persönliche Erscheinen der Beigeladenen angeordnet habe. Sie legt aber nicht hinreichend dar, inwieweit der Anspruch eines Beteiligten (§ 69 SGG) auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, § 62 SGG) die mündliche Anhörung eines anderen Beteiligten gebieten soll. Das Gericht ist nicht verpflichtet, dafür Sorge zu tragen (etwa durch Anordnung des persönlichen Erscheinens unter Übernahme der Fahrkosten), dass jeder Beteiligte auch persönlich vor dem Gericht auftreten kann (vgl - juris RdNr 7 mwN). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Reduzierung des bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens bestehenden Ermessens begründen könnten (vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 111 RdNr 2b), bezeichnet die Klägerin nicht. Sie macht lediglich geltend, die Beigeladene hätte zu den faktischen Verhältnissen Auskünfte geben können. Dabei zeigt sie jedoch nicht hinreichend deren Entscheidungsrelevanz auf (dazu unter 3.).
82. Soweit die Klägerin sinngemäß eine Verletzung von § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) geltend machen will, legt sie nicht dar, in der abschließenden mündlichen Verhandlung einen nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG erforderlichen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag aufrecht erhalten oder gestellt zu haben, mit dem sowohl das Beweismittel als auch das Beweisthema angegeben und aufgezeigt wurde, über welche Tatsachen im Einzelnen Beweis erhoben werden sollte (vgl B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 6; - SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; - SozR 3-1500 § 160 Nr 20 S 32 f). Der im schriftlichen Verfahren gestellte Antrag, das persönliche Erscheinen der Beigeladenen anzuordnen, genügt insoweit nicht.
93. Unabhängig hiervon legt die Klägerin auch nicht hinreichend dar, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem von ihr behaupteten Verfahrensfehler einer fehlenden Anhörung der Beigeladenen überhaupt beruhen kann. Unter Berücksichtigung der vom LSG in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte sowie deren Gewichtung hätte die Klägerin darlegen müssen, dass sich durch Anhörung der Beigeladenen die Gesamtabwägung des LSG so verschoben hätte, dass eine Beschäftigung der Beigeladenen nicht mehr hätte angenommen werden können.
104. Mit ihrer Behauptung, das Protokoll sei "absolut unzureichend" und ein "eigentlich nicht als Protokoll zu bezeichnende[s] Exzerpt über die Niederschrift der mündlichen Verhandlung", bezeichnet die Klägerin ebenfalls keinen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise. Sie befasst sich nicht mit den entsprechenden Verfahrensvorschriften, insbesondere hinsichtlich des (notwendigen) Inhalts eines Protokolls (§ 122 SGG iVm §§ 159 bis 165 ZPO).
115. Soweit die Klägerin insgesamt der Auffassung ist, das LSG habe materiell zu Unrecht Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Beigeladenen angenommen, kann dies nicht zum Erfolg ihres Rechtsmittels führen. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, vermag im sozialgerichtlichen Verfahren nicht die Zulassung der Revision zu rechtfertigen (vgl - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
12Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:280323BB12BA2122B0
Fundstelle(n):
YAAAJ-45605