Instanzenzug: Az: 21 Ks 13/20
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (Tat zu II.2.a und 2.b der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Misshandlung von Schutzbefohlenen (Tat zu II.2.c der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ihre auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
32. Zur Sachrüge sind lediglich folgende Ausführungen veranlasst:
4a) Der Senat beschränkt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen das Verfahren betreffend Fall II.2.b der Urteilsgründe auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen. Dadurch entfällt im Hinblick auf dieses Tatgeschehen der zwar nicht ausgeurteilte, aber ausweislich der Urteilsgründe vom Landgericht bejahte Qualifikationstatbestand einer schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 StGB.
5Die für die (einheitliche) Tat zu II.2.a und 2.b der Urteilsgründe verhängte Strafe unterliegt der Aufhebung, weil der Senat nicht auszuschließen vermag, dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre. Dies entzieht zugleich der Gesamtstrafe die Grundlage.
6b) Im Fall II.2.c der Urteilsgründe hat die Verurteilung wegen einer tateinheitlichen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB keinen Bestand. Die Verwirklichung einer schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 Var. 1 StGB setzt den Eintritt einer konkreten Gefährdung des Lebens voraus. Die mitverwirklichte, lediglich eine abstrakte Lebensgefährdung erfordernde gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB tritt mangels eigenen Unrechtsgehalts hinter diese zurück (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 142/22, NStZ 2022, 676, 677; vom − 3 StR 22/16, BGHR StGB § 225 Konkurrenzen 5).
7Die für diese Tat ausgeurteilte Strafe ist von dem Rechtsfehler nicht betroffen und kann bestehen bleiben. Soweit das Landgericht zu Lasten der Angeklagten berücksichtigt hat, dass sie mehrere Strafgesetze verwirklicht hat, trifft dies weiterhin zu.
8Der Senat hat schließlich den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO klarstellend dahin neu gefasst, dass sich die Angeklagte – wie vom Landgericht zutreffend angenommen, aber nicht in die Urteilsformel aufgenommen worden ist – durch die Tat zu II.2.c der Urteilsgründe tateinheitlich zum versuchten Mord des Qualifikationstatbestands einer schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 StGB schuldig gemacht hat (vgl. , Rn. 20; vom – 1 StR 624/14, Rn. 55; Beschluss vom – 3 StR 22/16). § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung ebensowenig entgegen wie das – nur für die Rechtsfolgen geltende – Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO.
9c) Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten hält rechtlicher Prüfung stand.
10aa) Das Landgericht hat die unter II.2.a und 2.b der Urteilsgründe festgestellten Einzelhandlungen der Angeklagten, die ab Ende Januar 2018 – bereits kurze Zeit nach der Geburt ihrer Tochter – überdauernd bis November 2018 böswillig ihre Pflicht vernachlässigte, für das Kind zu sorgen, aufgrund der zeitlichen, situativen und subjektiven Zusammengehörigkeit zurecht als einheitliche Tat der Misshandlung von Schutzbefohlenen bewertet (vgl. , Rn. 19 ff.; vom – 5 StR 92/07, BGHR StGB § 225 Misshandlung 2; Beschluss vom – 3 StR 142/22, aaO; jeweils zur Tatvariante des Quälens). Der Senat weist klarstellend darauf hin, dass damit auch die Tat zu II.2.a der Urteilsgründe abgeurteilt ist.
11bb) Soweit das Landgericht die unter II.2.b und 2.c der Urteilsgründe festgestellten und zutreffend als rohe Misshandlungen im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB bewerteten körperlichen Übergriffe, jeweils durch heftiges Schütteln des Säuglings und stumpfe Gewalteinwirkung gegen dessen Kopf, als zwei eigenständige Taten gewürdigt hat, begegnet dies gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die fortdauernde böswillige Vernachlässigung der Geschädigten steht hierzu jeweils in tatbestandlicher Handlungseinheit (vgl. , aaO; MüKo-StGB/Hardtung, 4. Aufl., § 225 Rn. 10, 21).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280623B6STR153.23.1
Fundstelle(n):
RAAAJ-45535