Strafausspruch bei Tötungsdelikt: Berücksichtigung der Tatvollendung zu Lasten des Angeklagten
Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 212 StGB
Instanzenzug: LG Aachen Az: 52 Ks 17/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt und das Tatwerkzeug eingezogen. Seine auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.
32. Schuldspruch und Einziehungsentscheidung halten rechtlicher Nachprüfung stand.
43. Hingegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
5a) Soweit die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, des sich über einen langen, mehrere Stunden andauernden Tatzeitraums habe ihm – trotz seines eingeschränkten Konfliktbewältigungspotentials – zahlreiche Gelegenheiten geboten, von der Einwirkung auf seine Lebensgefährtin Abstand zu nehmen, besorgt der Senat, dass das Landgericht damit fehlerhaft dem Angeklagten entgegen § 46 Abs. 3 StGB zur Last gelegt hat, dass er die Tat überhaupt vollendete, anstatt davon Abstand zu nehmen und damit vom Versuch der Tötung zurückzutreten (vgl. ; ausf. mit weiteren Nachweisen zur Rspr. MK-Maier, StGB, 4. Aufl., § 46, Rn. 540). Das Landgericht beschränkt sich insoweit – wie die weitere Formulierung belegt, der Angeklagte habe sich über offenkundige, körperliche Ausfallerscheinungen hinweggesetzt, ohne sich hierdurch in seiner Tatbegehung beirren zu lassen – nicht lediglich darauf, das Tatunrecht in seiner konkreten Ausgestaltung in den Blick zu nehmen. Vielmehr würdigt es zu Lasten des zunächst mit Körperverletzungsvorsatz handelnden Angeklagten, dass dieser schließlich den Todeserfolg vorsätzlich herbeigeführt hat. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB.
6b) Im Hinblick auf die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe seiner Tochter durch die Tat seine Mutter genommen, berücksichtigt es das mit nahezu jeder Tötung einhergehende Leid der Angehörigen. Dies stellt – wenn es sich nicht um besondere Auswirkungen der Tat handelt – keinen Strafschärfungsgrund dar (st. Rspr.; vgl. Senat, NJW 2017, 1253, 1255; zuletzt ).
7c) Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine niedrigere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
8Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um einen bloßen Wertungsfehler handelt. Der Tatrichter ist nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:230523B2STR428.22.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-45314