(Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten des Wehrdienstes in der gesetzlichen Rentenversicherung - Verfassungsmäßigkeit des § 256a Abs 4 SGB 6)
Leitsatz
Es ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, dass Zeiten des in der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR absolvierten Wehrdienstes im gesamtdeutschen Rentenrecht in derselben Höhe mit Entgeltpunkten bewertet werden wie die seit 1982 und auch bei Inkrafttreten der Rentenüberleitung in den alten Bundesländern zurückgelegten Wehrdienstzeiten.
Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 248 Abs 1 SGB 6, § 256 Abs 3 SGB 6, § 256a Abs 4 SGB 6, § 259a Abs 1 S 5 SGB 6, RÜG, Art 3 Abs 1 GG
Instanzenzug: SG Dresden Az: S 34 R 365/21 Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 10 R 313/22 Urteilnachgehend Az: 1 BvR 1509/23 Nichtannahmebeschluss
Gründe
1I. Der im Jahr 1955 geborene Kläger begehrt die Berücksichtigung zusätzlicher Entgeltpunkte (1,0 statt 0,75 Entgeltpunkte <EP> pro Kalenderjahr) für die Zeit seines bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR abgeleisteten Wehrdienstes ( bis ) bei seiner Altersrente.
2Klage und Berufung gegen die ablehnende Entscheidung des beklagten Rentenversicherungsträgers sind ohne Erfolg geblieben (Rentenbescheid vom , Widerspruchsbescheid vom , ). Das LSG hat ausgeführt, die Bewertung des streitbefangenen Zeitraums sei nach den Vorgaben in § 256a Abs 4 SGB VI zur Ermittlung von EP für Wehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet erfolgt. Die Berücksichtigung von 0,75 EP je Kalenderjahr entspreche der Bewertung von Grundwehrdienstzeiten, die in den alten Bundesländern ab dem bis zum zurückgelegt worden seien. Die Vorschrift verstoße weder gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 und Abs 3 GG noch gegen Art 14 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber sei nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, im Rahmen der Rentenüberleitung die Berechtigten aus Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiografie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Aufgrund der in unterschiedlichen Rentenversicherungssystemen mit unterschiedlichen Beitragszahlungen absolvierten Wehrdienstzeiten sei eine generelle Gleichstellung der Bewertung dieser Zeiten nicht geboten. Im Rentenversicherungssystem der DDR seien für Wehrdienstleistende keine Beiträge gezahlt worden. Demgegenüber habe der Bund in den alten Bundesländern Beiträge für die Wehrdienstleistenden entrichtet. Die vom Kläger begehrte Bewertung seiner Wehrdienstzeit mit 1,0 EP je Kalenderjahr würde zudem eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung gegenüber anderen Versicherten bewirken, die ihren Wehrdienst in der DDR unter denselben sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen, aber nach dem geleistet haben.
3Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
4II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Dabei kann offenbleiben, ob ihre gegenüber vorangegangenen vergleichbaren Verfahren (vgl BSG Beschlüsse vom - B 5 R 24/22 B, B 5 R 55/22 B, B 5 R 89/22 B, B 5 R 93/22 B - und vom - B 5 R 119/22 B, B 5 R 125/22 B, B 5 R 126/22 B, B 5 R 129/22 B, B 5 R 134/22 B, B 5 R 136/22 B, B 5 R 137/22 B, B 5 R 145/22 B, B 5 R 164/22 B, B 5 R 175/22 B, B 5 R 189/22 B) in einzelnen Punkten ergänzte Begründung in vollem Umfang den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen entspricht. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und daher zurückzuweisen, weil der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zukommt.
5a) Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zu revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (stRspr; zB - juris RdNr 11; - juris RdNr 7). Eine Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl - juris RdNr 7; zu Umständen, die zu erneutem Klärungsbedarf führen können, vgl zB - juris RdNr 11 sowie BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1/23 - juris RdNr 8). An weiterem Klärungsbedarf fehlt es aber auch, wenn sich die aufgeworfene Frage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung klar beantworten lässt (vgl - SozR 4-2600 § 137b Nr 2 RdNr 4; - juris RdNr 7). Demnach ist eine Rechtsfrage auch dann als bereits geklärt anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage geben (vgl - juris RdNr 7 mwN; - juris RdNr 5). Das ist hier der Fall.
7Er führt aus, die unterschiedliche rentenrechtliche Bewertung von Wehrdienstzeiten, die zwischen dem und dem in der Bundesrepublik Deutschland und denjenigen, die in der DDR absolviert worden seien, verletze den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Annahme des LSG, insoweit lägen zwei unterschiedliche Gruppen vor und eine Gleichbehandlung sei schon deshalb nicht notwendig, sei unzutreffend. Der Gesetzgeber habe nach dem Beitritt der DDR in § 248 Abs 1 SGB VI ausdrücklich die Gleichstellung der im Beitrittsgebiet geleisteten Pflichtwehrdienstzeiten als Pflichtbeitragszeiten angeordnet. Damit sei klargestellt, dass für beide Gruppen hinsichtlich der rentenrechtlichen Einordnung dieser Zeiten keine Unterschiede bestünden. Eine unterschiedliche Behandlung lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass seitens der Bundesrepublik Deutschland Pauschalbeiträge aus dem Bundeshaushalt in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt worden seien, während in der DDR nach § 2 der Rentenverordnung für Wehrdienstzeiten schon keine Versicherungspflicht bestanden habe. Beide Gruppen von Wehrdienstleistenden hätten selbst keine Beiträge zur Rentenversicherung durch Abzug vom Wehrsold gezahlt. Die Beitragsentrichtung durch den Bund in den alten Bundesländern betreffe nur dessen Rechtsverhältnis zu den Rentenversicherungsträgern, lasse aber das Rechtsverhältnis zwischen den Wehrpflichtigen und den Rentenversicherungsträgern unberührt. Zudem habe die pauschale Beitragszahlung durch den Bund bei den Grundwehrdienstleistenden nicht zu einer individuell zuordnungsfähigen Beitragszeit geführt; sie sei insoweit mit den Zahlungen des Bundes für Kindererziehungszeiten nach § 177 SGB VI vergleichbar. Ein sachgerechtes Konzept des Gesetzgebers zur Berücksichtigung des in der DDR geleisteten Wehrdienstes in der gesetzlichen Rentenversicherung sei nicht erkennbar.
8c) Die damit aufgeworfene Frage, ob § 256a Abs 4 SGB VI gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt und deshalb verfassungswidrig ist, ist auf der Grundlage der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Reichweite des Gleichbehandlungsgebots im Rahmen der Rentenüberleitung klar zu verneinen. Dass die Bewertungsregelung in § 256a Abs 4 SGB VI verfassungskonform ist und ersichtlich keinen Anlass für eine Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG bietet, bedarf keiner vertieften Erörterung in einem Revisionsverfahren. Dem entspricht es, dass in keinem der insgesamt 15 Parallelverfahren, über die der Senat mit Beschlüssen vom und vom entschieden hat, Verfassungsbeschwerde erhoben worden ist.
9aa) § 256a Abs 4 SGB VI bestimmt, dass für im Beitrittsgebiet vor dem aufgrund gesetzlicher Pflicht abgeleistete Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes von mehr als drei Tagen bei der Rentenberechnung je vollem Kalenderjahr 0,75 EP und für jeden Teilzeitraum der entsprechende Anteil zugrunde gelegt werden. Die Vorschrift ist als Bestandteil der Rentenüberleitung durch Art 1 Nr 71 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (RÜG - vom , BGBl I 1606) mit Wirkung ab dem in das SGB VI eingefügt worden.
10 (1) Diese Sonderregelung für "Beitragszeiten im Beitrittsgebiet" - so die amtliche Überschrift des § 256a SGB VI - knüpft daran an, dass nach § 248 Abs 1 SGB VI in der ab dem geltenden Neufassung (vgl Art 1 Nr 58 iVm Art 42 Abs 1 RÜG) Zeiten des Pflichtwehrdienstes im Beitrittsgebiet im gesamtdeutschen Rentenrecht des SGB VI als "Pflichtbeitragszeiten" behandelt werden, obwohl für diese Wehrdienstzeiten von den staatlichen Stellen der DDR keine Beiträge zur dortigen Sozialversicherung abgeführt worden sind (vgl § 1 Abs 2 der ab dem geltenden Besoldungsverordnung vom , GBl DDR I 253; zuvor § 3 Abs 1 Satz 1 der Besoldungsverordnung vom , GBl DDR II 49). Vielmehr wurden im Rentenversicherungssystem der DDR sämtliche "Dienstzeiten bei den bewaffneten Organen" (dh nicht nur Pflichtwehrdienstzeiten) in gleicher Weise wie etwa auch Zeiten eines Direktstudiums oder der Kriegsgefangenschaft einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt (vgl § 2 Abs 2 Buchst b, e und l der ab dem geltenden Rentenverordnung vom , GBl DDR I 401; zuvor ab § 2 Abs 2 Buchst b, e und m der Rentenverordnung vom , GBl DDR I 201; ab § 4 Abs 2 Buchst b, e und k der Rentenverordnung vom , GBl DDR II 135). Aufgrund dieser Gleichstellung konnten in der DDR Wehrdienstzeiten zum Erwerb einer Rentenanwartschaft beitragen (zur dort erforderlichen Mindestzeit von 15 Jahren einer versicherungspflichtigen Tätigkeit für eine Altersrente vgl § 3 Abs 1 Rentenverordnung vom ). Sie hatten aber auch Einfluss auf die Rentenhöhe (zum Steigerungsbetrag von 1 % des Durchschnittsverdienstes für jedes Jahr einer versicherungspflichtigen Tätigkeit vgl § 5 Abs 1 Buchst b, Abs 2 Buchst b der Rentenverordnung vom ; zu den rentenrechtlichen Auswirkungen des Grundwehrdienstes in der DDR s auch 5b/5 RJ 168/80 - BSGE 54, 93, 94 f = SozR 5050 § 15 Nr 22 S 74).
11Das Rentenrecht der Bundesrepublik Deutschland vor Inkrafttreten des SGB VI berücksichtigte bei Versicherten, die aus der DDR zugewandert waren, die Zeiten des Grundwehrdienstes in der NVA nach den Regelungen des im Wesentlichen für Heimatvertriebene geschaffenen Fremdrentenrechts. § 17 Abs 1 Buchst a FRG (in der ab dem geltenden Fassung von Art 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom , BGBl I 93) ordnete hierzu die Anwendung von § 15 FRG auch auf DDR-Übersiedler an, die Beiträge an einen dortigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hatten. § 15 Abs 1 FRG sah vor, dass Beitragszeiten, die nach dem bei einem außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes befindlichen deutschen Rentenversicherungsträger zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen. Hierzu hat das BSG entschieden, dass unter Berücksichtigung des diese Vorschrift noch tragenden Entschädigungsgedankens die Grundwehrdienstzeiten in der DDR, die in der rentenrechtlichen Wirkung einer bundesdeutschen Beitragszeit vergleichbar seien, trotz fehlender Beitragsleistung als Beitragszeit iS von § 15 Abs 1 FRG zu entschädigen sind (vgl - BSGE 60, 100, 105 ff = SozR 5050 § 15 Nr 32 S 102 ff; zur Bewertung dieser Zeiten vgl § 22 Abs 2 Satz 4 FRG in der ab dem bis zum geltenden Fassung von Art 15 Abschn B Nr 3 Rentenreformgesetz 1992 <RRG 1992> vom , BGBl I 2261).
12Mit Inkrafttreten der Sozialunion am wurde die weitere Anwendung des FRG für Versicherte aus der DDR weitgehend ausgeschlossen (vgl Art 20 Abs 7 des Vertrags vom sowie Art 23 § 1 des Gesetzes vom zu dem Vertrag vom über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion <WWSUVtrG>, BGBl II 518; s auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 713/13 - NJW 2017, 876 = juris RdNr 3 ff). Bei "gebietsübergreifenden Rentenberechnungen" waren Zeiten des Grundwehrdienstes in der DDR jedoch weiterhin wie Beitragszeiten zu behandeln (vgl Art 23 § 2 Abs 1 Satz 1 und 5 WWSUVtrG). Der Einigungsvertrag (EinigVtr) bestimmte, dass das Rentenrecht der DDR im Grundsatz noch bis zum fortgalt (vgl Art 9 Abs 2 iVm Anlage II Kap VIII Sachgebiet F Abschn III Nr 6 Buchst a EinigVtr, BGBl II 1990, 889) und dass bis dahin die Einzelheiten der Überleitung des SGB VI zu regeln waren (vgl Art 30 Abs 5 EinigVtr). Bestimmungen des RRG 1992 zur Versicherungs- und Beitragspflicht (vgl § 3 Satz 1 Nr 2, § 166 Nr 1 SGB VI) wurden aber bereits mit Wirksamwerden des Beitritts und damit früher als in den alten Bundesländern in Kraft gesetzt (vgl Art 8 iVm Anlage I Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 1 Buchst b und c EinigVtr). Damit war bereits ab dem die Versicherungs- und Beitragspflicht auch für im Beitrittsgebiet absolvierte Wehrdienstzeiten begründet (zur Beitragsbemessung für Wehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet bis zum auf der Grundlage von 70 vH der Bezugsgröße vgl Finke in Hauck/Noftz, SGB VI, § 166 RdNr 8, Stand November 2009).
13 (2) In der Sache sollte die in § 256a Abs 4 SGB VI ab dem für das gesamtdeutsche Rentenrecht vorgegebene Bewertung der im Beitrittsgebiet absolvierten Wehrdienstzeiten (0,75 EP pro Kalenderjahr) "der aktuellen Bewertung dieser Zeiten in den alten Bundesländern" entsprechen (vgl Gesetzesbegründung zum RÜG, BT-Drucks 12/405 S 127 - zu § 256a Abs 4). Allerdings war in den alten Bundesländern der Beitragsbemessung für die nach § 1227 Abs 1 Nr 6 RVO versicherungspflichtigen Wehrdienstleistenden im Zeitraum vom bis zum gemäß § 1385 Abs 3 Buchst d RVO (in der ab dem geltenden Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom , BGBl I 1857; entsprechende Regelungen enthielten auch § 112 Abs 3 Buchst d AVG und § 130 Abs 5 Buchst b RKG) nur 70 vH des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts aller Versicherten im entsprechenden Zeitraum zugrunde gelegt worden. Das hätte bei der Rentenberechnung zu lediglich 0,7 EP pro Jahr geführt. Mit Überführung des Rentenversicherungsrechts in das SGB VI zum durch das RRG 1992 sah § 166 Nr 1 SGB VI jedoch vor, der Beitragsbemessung für Zeiten des Wehrdienstes nunmehr 80 vH der "Bezugsgröße" zugrunde zu legen (vgl dazu § 18 Abs 1 SGB IV: Durchschnittsentgelt im vorvergangenen Kalenderjahr; damit war nicht mehr - wie bisher - das Durchschnittsentgelt im Zeitraum der Wehrdienstleistung maßgeblich). Das sollte im Ergebnis EP im Umfang "von etwa 75 % des Durchschnittsentgelts" - also 0,75 EP - gewährleisten (vgl Gesetzesbegründung zum RRG 1992, BT-Drucks 11/4124 S 185 - zu § 161).
14Daran anknüpfend bestimmte die Übergangsregelung in § 256 Abs 3 SGB VI, dass für Wehrdienstzeiten im Zeitraum vom bis zum , für die Pflichtbeiträge gezahlt worden sind (dh in den alten Bundesländern), einheitlich 0,75 EP je Kalenderjahr berücksichtigt werden, für Wehrdienst im Zeitraum vom bis zum entsprechend der damals höheren Beitragsbemessungsgrundlage 1,0 EP. Das bedeutete für Versicherte, die im Zeitraum vom bis zum in den alten Bundesländern Wehrdienst geleistet hatten, "abweichend vom geltenden Recht" (vgl BT-Drucks 11/4124 S 201 - zu § 251) eine (geringfügige) Verbesserung. Die hier bedeutsame Regelung zur Rentenüberleitung in § 256a Abs 4 SGB VI übernahm mit der Bewertung der im Beitrittsgebiet vor dem absolvierten Grundwehrdienstzeiten mit 0,75 EP je Kalenderjahr im Ergebnis somit die für Zeiten des Wehrdienstes ab dem in den alten Bundesländern und ebenso für Wehrdienstzeiten im wiedervereinigten Deutschland ab dem maßgebliche Bewertung wirkungsgleich auch für alle bis zum in der DDR sowie für die im Zeitraum vom bis zum im Beitrittsgebiet zurückgelegten Wehrdienstzeiten.
15 (3) Die Vorschrift in § 256a Abs 4 SGB VI zur Bewertung der "beitragslosen" DDR-Wehrdienstzeiten wird ergänzt durch die Vertrauensschutzregelung für Alt-Übersiedler aus der DDR in § 259a SGB VI (in der rückwirkend ab dem geltenden Fassung von Art 1 Nr 16, Art 18 Abs 4 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom , BGBl I 1038). Nach dieser Bestimmung werden für Versicherte, die vor dem geboren sind und die am ihren gewöhnlichen Aufenthalt bereits im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hatten, EP weiterhin nach den Regelungen des FRG ermittelt. Dabei ist für Wehrdienstzeiten gemäß § 259a Abs 1 Satz 5 SGB VI die Bewertungsvorschrift in § 256 Abs 3 SGB VI anzuwenden (zur Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Vertrauensschutzes auf rentennahe Jahrgänge vgl - SozR 4-2600 § 248 Nr 1 RdNr 19 ff und nachfolgend BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 713/13 - NJW 2017, 876).
16bb) Ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung in § 256a Abs 4 SGB VI mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) bestehen nicht. Ist eine Regelung zur Überleitung von Anwartschaften aus der Rentenversicherung der DDR in das einheitliche deutsche Rentenrecht am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, so ist nach der Rechtsprechung des BVerfG den Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG Genüge getan, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zugrunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt (vgl ua - BVerfGE 112, 368, 401 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 54 = juris RdNr 98; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 616/99 ua - SozR 4-2600 § 256a Nr 1 RdNr 33 = juris RdNr 37). Dieser Prüfungsmaßstab berücksichtigt den besonders weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften (vgl ua - BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 52 = juris RdNr 129). Die Regelung in § 256a Abs 4 SGB VI wird den genannten Anforderungen offenkundig gerecht.
17Nach dem Konzept, das der im RÜG näher ausgestalteten Rentenüberleitung zugrunde lag, sollte nach der Wiedervereinigung ein einheitliches Rentenrecht geschaffen werden; die Absicherung im Alter in West- und Ostdeutschland sollte sich dabei künftig an einheitlichen ordnungs- und sozialpolitischen Grundentscheidungen orientieren (vgl Gesetzentwurf zum RÜG, BT-Drucks 12/405 S 108). Zu diesen Grundentscheidungen gehört auch der Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten, der bereits in Art 20 Abs 1 Satz 1 des Vertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (vom , BGBl II 537) als Leitlinie vorgegeben war. Gemessen am Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten bedeutet die Anerkennung der in der DDR ohne Beitragsentrichtung bzw -abführung zurückgelegten Wehrdienstzeiten als "Pflichtbeitragszeiten" (vgl § 248 Abs 1 SGB VI) im gesamtdeutschen Rentenrecht bereits eine erhebliche Begünstigung.
18Entgegen der Ansicht des Klägers war der Gesetzgeber bei der näheren Ausgestaltung dieser Begünstigung nicht verpflichtet, die Wehrdienstzeiten in der NVA zeitabschnittsweise jeweils in exakt demselben Umfang mit EP zu bewerten wie die zeitgleich in der Bundeswehr zurückgelegten Wehrdienstzeiten. Vielmehr ist es unter Berücksichtigung des bei Regelungen zur Rentenüberleitung eröffneten weiten Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber des RÜG für die Bewertung der "beitragslosen" NVA-Wehrdienstzeiten im einheitlichen Rentenrecht des SGB VI an die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rentenüberleitung - zum - "aktuelle(n) Bewertung dieser Zeiten in den alten Bundesländern" angeknüpft und von einer "Übertragung von im alten Bundesgebiet aufgrund von tatsächlicher Beitragszahlung bestehenden unterschiedlichen Werten auf das Beitrittsgebiet" abgesehen hat (vgl BT-Drucks 12/405 S 127 - zu Nr 67 <§ 256a> - zu Abs 4). In der Rechtsprechung des BVerfG ist geklärt, dass der Gesetzgeber bei der Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaften in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland verfassungsrechtlich nicht verpflichtet war, die Versicherten aus der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiografie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt (vgl ua - BVerfGE 100, 1, 40 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 53 = juris RdNr 134; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 616/99 ua - SozR 4-2600 § 256a Nr 1 RdNr 45 = juris RdNr 49). Eine solche Verpflichtung ist insbesondere auch nicht dadurch entstanden, dass der Gesetzgeber in § 248 Abs 1 SGB VI die Wehrdienstzeiten in der DDR als "Pflichtbeitragszeiten" in die Systematik des SGB VI eingeordnet hat. Ein verfassungsrechtlich verbürgter Anspruch auf eine Bewertung dieser Zeiten in gleicher Höhe wie Pflichtbeitragszeiten, die für Wehrdienstleistende in den alten Bundesländern in demselben Zeitraum begründet wurden, folgt daraus nicht. Die Forderung des Klägers, dass den Versicherten "bei der Bewertung eines alltäglichen und einfachen Lebenssachverhalts wie hier der Wehrdienstleistung" ein "strengerer Schutzmaßstab zustehen sollte", findet in der Rechtsprechung des BVerfG zur Rentenüberleitung keine Stütze (zu bergmännischen Tätigkeiten vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 1484/06 - SozR 4-8575 Art 2 § 23 Nr 1 RdNr 10; zur wissenschaftlichen Aspirantur vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 319/98 - SozR 3-2600 § 248 Nr 6 S 33 f).
19Eine Verengung oder gar Beseitigung des im Rahmen der Rentenüberleitung bestehenden weiten Gestaltungsspielraums ergibt sich aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch nicht daraus, dass - wie der Kläger vorträgt - für die Grundwehrdienstzeiten in der Bundesrepublik Deutschland lediglich pauschale Beträge "in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt" worden seien, deren Rechtswirkungen mit den Abgeltungen für Kindererziehungszeiten nach § 177 Abs 2 SGB VI vergleichbar wären (unter Bezugnahme auf - BSGE 129, 192 = SozR 4-2600 § 70 Nr 3, RdNr 34 mwN). Diese Annahme des Klägers trifft nicht zu. Zwar ist richtig, dass die Beiträge für Wehrdienstzeiten in der Bundeswehr im Zeitraum vom bis zum auf der Grundlage des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts der Versicherten aller Versicherungszweige mit Ausnahme von Lehrlingen und Anlernlingen berechnet wurden und vom Bund in Form eines Gesamtbetrags zu zahlen waren (§ 1385 Abs 3 Buchst d, Abs 5 RVO, § 112 Abs 3 Buchst d, Abs 5 AVG, § 130 Abs 5 Buchst b, Abs 8 RKG, jeweils in der ab dem bis zum geltenden Fassung). Dieser Gesamtbetrag wurde aber unter Anwendung des für den Versicherungszweig (Arbeiter-, Angestellten- bzw knappschaftliche Rentenversicherung) jeweils maßgeblichen Beitragssatzes und unter Berücksichtigung des auf den jeweiligen Versicherungszweig entfallenden Anteils an der Gesamtzahl der Tage errechnet, an denen Personen im Kalenderjahr Wehrdienst geleistet hatten (vgl § 1 Abs 1, 3 und 4 RV-Pauschalbeitragsverordnung für Wehr- oder Ersatzdienstzeiten vom , BGBl I 515, sowie § 2 Abs 1, 3 und 4 RV-Pauschalbeitragsverordnung vom , BGBl I 757). Die Ausgestaltung als in gewissem Umfang pauschalierter Gesamtbetrag sollte die Bundeswehr lediglich von der individuellen Erfassung der Versicherten und der Einzelberechnung der Beiträge entlasten (vgl BT-Drucks 3/2424 S 3 - zu I. Nr 7 Buchst b). Ungeachtet dessen führten diese in vereinfachter Form berechneten Beitragszahlungen rentenrechtlich zu Beitragszeiten mit tatsächlich korrespondierender Beitragsentrichtung (vgl - juris RdNr 10), die jedem einzelnen Wehrdienstleistenden zuzuordnen waren. Die Zuordnung erfolgte mittels einer Dienstzeitbescheinigung der Bundeswehr. Sie ermöglichte dem Rentenversicherungsträger, die entsprechenden Zeiträume als Pflichtbeitragszeiten einschließlich der zugehörigen beitragspflichtigen Einnahmen nach Maßgabe der individuellen Verhältnisse des einzelnen Wehrdienstleistenden in dessen Versicherungskonto zu speichern (vgl dazu § 149 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGB VI) und später der Rentenberechnung zugrunde zu legen.
20Im Übrigen würde die vom Kläger geforderte Bewertung der im Zeitraum von Mai 1961 bis Dezember 1981 im Beitrittsgebiet zurückgelegten Wehrdienstzeiten mit 1,0 EP je Kalenderjahr zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der Wehrdienstleistenden im Beitrittsgebiet führen. Alle Versicherten, die ab Mai 1961 bis zum als Wehrpflichtige in der NVA gedient haben, haben ihren Wehrdienst unter denselben rentenrechtlichen Bedingungen geleistet, mithin ohne dass für sie von den staatlichen Stellen der DDR Beiträge zur Alterssicherung abgeführt worden sind. Rechtfertigende Gründe für eine günstigere Behandlung nur derjenigen Versicherten, die von Mai 1961 bis Dezember 1981 ihren Wehrdienst in der NVA absolviert haben, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger sich in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass "unterschiedliche rentenrechtliche Bewertungen von Lebenssachverhalten in verschiedenen Zeitabschnitten weder ungewöhnlich noch unter dem Blickwinkel des allgemeinen Gleichheitssatzes problematisch" seien, verkennt er, dass die als Beleg hierfür angeführte Rechtsprechung zur Vereinbarkeit von Stichtagsregelungen bei Einführung und Ausweitung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung einen grundlegend anderen Sachverhalt betrifft. Bei der Regelung in § 256a Abs 4 SGB VI geht es nicht um die schrittweise Einführung eines neuen Leistungselements in das Rentenrecht, sondern um die systemkonforme Überführung der in einem anderen Rentensystem bereits erworbenen Anwartschaften in das einheitliche Rentenrecht des SGB VI. Zudem sind auch Stichtagsregelungen im Rentenrecht nicht stets "unbedenklich"; sie bedürfen vielmehr im Lichte des Art 3 Abs 1 GG einer tragfähigen Rechtfertigung (zum Prüfungsmaßstab vgl - <zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen> juris RdNr 26 mwN auch zur Rspr des BVerfG). Eine nach Zeitabschnitten unterschiedlich hohe Bewertung mit EP ist insbesondere dann nicht willkürlich, wenn sie einer unterschiedlichen Beitragsleistung Rechnung trägt (vgl ua - BVerfGE 100, 1, 45 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 57 = juris RdNr 152; BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 616/99 ua - SozR 4-2600 § 256a Nr 1 RdNr 37 = juris RdNr 41). Für sämtliche Wehrdienstleistenden in der NVA im Zeitraum vom bis zum wurden jedoch gleichermaßen keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt (zu der aus Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigten Fortführung der Privilegierung in § 259a Abs 1 Satz 5 SGB VI nur für DDR-Übersiedler rentennaher Jahrgänge s oben RdNr 15 sowie BVerfG <Kammer> Beschluss vom - 1 BvR 713/13 - NJW 2017, 876 = juris RdNr 16, 20).
212. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 und 4 SGG.Düring Körner Gasser
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2023:150623BB5R21722B0
Fundstelle(n):
WAAAJ-44612