BGH Urteil v. - XI ZR 118/22

Instanzenzug: Az: I-16 U 70/21vorgehend LG Wuppertal Az: 3 O 361/20

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

2Der Kläger erwarb im April 2019 einen Gebrauchtwagen VW CC 2.0 TDI zum Kaufpreis von 24.177 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom einen Darlehensvertrag über 24.177 €. Das mit einem gebundenen Sollzinssatz von 0,99% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 48 Monatsraten zu je 270 € und einer Schlussrate von 11.935,41 € zurückgezahlt werden.

3Nummer 5 der Darlehensbedingungen enthält folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften kann Ihnen bei Zahlungsverzug der der Bank entstandene Verzugsschaden (z.B. etwaige Kosten der Rechtsverfolgung) in Rechnung gestellt werden. Der gesetzliche Verzugszinssatz - als Mindestbetrag - beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt."

4Mit Schreiben vom erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Mit Anwaltsschreiben vom forderte er die Beklagte zur Zahlung von 4.320 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs auf. Die Beklagte wies den Widerruf als verfristet zurück.

5Mit der Klage hat der Kläger erstinstanzlich (1.) die Zahlung von 3.361,58 € nach Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs, (2.) die Feststellung, dass er der Beklagten aufgrund seiner Widerrufserklärung aus dem Darlehensvertrag weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulde, und (3.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

6Nachdem dem Kläger auf seinen Wunsch von der Beklagten mitgeteilt worden war, dass er das Darlehen gegen Zahlung von 18.822,67 € vorzeitig ablösen könne, veräußerte er das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom zu einem Kaufpreis von 16.500 € an einen - weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten - Fahrzeughändler und zahlte an diesen 2.322,67 €. Der Händler löste daraufhin das Darlehen gegen Zahlung von 18.822,67 € bei der Beklagten ab, woraufhin diese ihr Sicherungseigentum an dem Fahrzeug freigab.

7Mit seiner gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten Berufung hat der Kläger (1.) die Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 24.762,67 € abzüglich eines nach seiner Auffassung der Beklagten zustehenden Wertersatzes von 18.624,30 €, mithin 6.138,37 €, nebst Zinsen und (2.) die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Im Übrigen hat er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

8Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Soweit der Kläger den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, hat die Beklagte dem im Laufe des Revisionsverfahrens zugestimmt.

Gründe

9Die Revision ist unbegründet.

I.

10Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

11Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen. Die Widerrufsfrist für die Ausübung des Widerrufsrechts aus § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 BGB sei im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht abgelaufen gewesen, weil der Darlehensvertrag keine ausreichenden Angaben zu dem Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung enthalten habe.

12Dem Kläger sei es jedoch gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Rechtsfolgen des wirksam erklärten Widerrufs zu berufen. Mit dem Verkauf des finanzierten Fahrzeugs im Anschluss an das klageabweisende Urteil des Landgerichts habe er sich in einen unauflösbaren Widerspruch zu dem von ihm zuvor erklärten Widerruf gesetzt. Mit dem Widerruf habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Darlehensvertrag nicht mehr festhalten zu wollen. Seiner Pflicht, das Fahrzeug an die Beklagte zurückzugeben, habe er aber nicht genügt. Vielmehr habe er das Darlehen - im Widerspruch zu der von ihm eingenommenen Rechtsposition - in Wahrnehmung eines vertraglich eingeräumten Rechts sogar vorzeitig abgelöst, um das Eigentum an dem Fahrzeug einem Dritten zu übertragen. Damit habe er sich wieder auf den Boden des Darlehensvertrags begeben. Zudem habe er durch die Veräußerung des Fahrzeugs verhindert, dass die Beklagte eigene Feststellungen zur Laufleistung und zum Erhaltungszustand des Fahrzeugs habe treffen können, um den ihr zustehenden Wertersatzanspruch bestimmen zu können. Schließlich habe er eine eigenständige Verwertung des Fahrzeugs durch die Beklagte vereitelt.

II.

13Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

141. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger seine auf Abschluss eines mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat.

15Dem Kläger stand bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die vierzehntägige Widerrufsfrist aus § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB gemäß § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu laufen begann, da die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.

16Wie der Senat bereits entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 179/21, WM 2022, 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

172. Ob das Berufungsgericht entgegen den Angriffen der Revision ohne revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler davon ausgehen durfte, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist, bedarf keiner Entscheidung. Aufgrund dessen kann auch dahinstehen, ob oder inwieweit die Rechtsprechung des Senats zur Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf das Widerrufsrecht nach § 495 BGB im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-33/20, WM 2021, 1986 - Volkswagen Bank) und die weitere Rechtsprechung des Gerichtshofs hierzu gegebenenfalls angepasst, d.h. eingeschränkt werden muss (vgl. aber Senatsbeschluss vom - XI ZR 113/21, WM 2022, 420).

18a) Der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers ist nämlich bereits aus einem anderen Grund unbegründet.

19Der Kläger hat zwar gegen die Beklagte aufgrund seiner Widerrufserklärung einen Anspruch auf Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB (in der bis zum geltenden Fassung; im Folgenden: aF) i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB und hinsichtlich der nach Erklärung des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Der Beklagten steht aber - was sie vorliegend geltend gemacht hat, vom Berufungsgericht allerdings offengelassen worden ist - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 Rn. 23). Weder das eine noch das andere ist der Fall.

20Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, entfällt das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht dadurch, dass der Kläger das Fahrzeug nach Ausübung des Widerrufsrechts an einen - wie hier weder an dem Darlehensvertrag noch an dem damit verbundenen Kaufvertrag beteiligten - Dritten veräußert hat (Senatsurteil vom - XI ZR 152/22, WM 2023, 511 Rn. 31 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Die Beklagte kann die von dem Kläger begehrte Rückzahlung der Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung so lange verweigern, bis der Kläger ihr das Fahrzeug herausgibt und rückübereignet. Das dilatorische Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB wird zu einer dauerhaften Einrede, wenn dem Kläger die Rückgewährleistung unmöglich geworden ist (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 32). Dies ist hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall.

21b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zuerkannt. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies setzt voraus, dass der Kläger die von ihm selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Beklagten in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat (vgl. , BGHZ 227, 253 Rn. 25 und vom - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 18). Dies war hier nicht der Fall.

22Der Gläubigerverzug setzt grundsätzlich ein tatsächliches Angebot nach § 294 BGB voraus. Ein solches hat der Kläger nicht abgegeben. Soweit nach § 295 BGB ausnahmsweise ein wörtliches Angebot genügen kann, liegen dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor. Nach dieser Vorschrift genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners unter anderem dann, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde (vgl. , WM 2022, 1371 Rn. 18 und vom - XI ZR 44/22, BGHZ 235, 1 Rn. 44). Hierfür fehlt es vorliegend aber bereits an einer bestimmten und eindeutigen Erklärung der Beklagten, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (vgl. aaO Rn. 18 und vom aaO Rn. 47). Die Beklagte hat sich vielmehr überhaupt nicht zu der Frage geäußert, ob sie - würde es denn tatsächlich angeboten werden - das Fahrzeug entgegennehmen werde. Allein darin, dass die Beklagte vorgerichtlich und im Rechtsstreit das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs bestritten hat, liegt nicht die Erklärung, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (vgl. aaO und vom aaO). Die in dem Widerrufsschreiben vom und in dem Anwaltsschreiben vom abgegebenen wörtlichen Angebote des Klägers vermochten schon deshalb die Beklagte nicht in Annahmeverzug zu versetzen.

23Darüber hinaus waren die wörtlichen Angebote des Klägers zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten auch deshalb unzureichend, weil der Kläger damit seiner Vorleistungspflicht nicht genügt hat. In dem Schreiben vom hat der Kläger die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten und um Benennung des Ortes und eines Termins für die Fahrzeugrückgabe gebeten. Das Fahrzeug ist nach Widerruf zur Erfüllung der Vorleistungspflicht im Sinne einer Bring- oder Schickschuld am Sitz des Darlehensgebers zurückzugeben oder an ihn abzusenden (, BGHZ 227, 253 Rn. 24 und vom - XI ZR 608/20, WM 2021, 2248 Rn. 15). Ein entsprechendes Angebot unter Berücksichtigung seiner Vorleistungspflicht hat der Kläger nicht formuliert. Da Leistungszeit und -ort eindeutig sind, trifft die Beklagte entgegen der Auffassung der Revision keine Mitwirkungsobliegenheit im Sinne des § 295 Satz 1 Fall 2 BGB, dem Kläger mitzuteilen, wann und wo er das Fahrzeug zurückgeben könne. In dem Anwaltsschreiben vom hat der Kläger nur eine Zug-um-Zug-Leistung angeboten und auch damit seiner Vorleistungspflicht nicht genügt.

24Schließlich konnte die Beklagte ab dem Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs endgültig nicht mehr in Annahmeverzug geraten, weil - wie bereits ausgeführt - dem Kläger die von ihm geschuldete Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs infolge der Veräußerung an einen Dritten unmöglich geworden ist. Der Annahmeverzug setzt, wie sich aus § 297 BGB ergibt, voraus, dass der Schuldner zur Leistung bereit und imstande ist.

III.

25Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Senat nach den - auch noch im Revisionsverfahren zulässigen (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZR 571/21, juris Rn. 7 mwN) - übereinstimmenden Erledigungserklärungen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen gemäß § 91a ZPO zu entscheiden. Insoweit kommt es vornehmlich darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits insoweit aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich teilweise für erledigt erklärt worden wäre. Ist der Verfahrensausgang offen, sind die Kosten insoweit gegeneinander aufzuheben. So liegt der Fall hier. Die Frage, ob der Feststellungsantrag bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet war, hängt von der Beurteilung des von der Beklagten erhobenen Rechtsmissbrauchseinwands ab und kann nicht vor einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Senats vom (XI ZR 113/21, WM 2022, 420) beantwortet werden.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:040723UXIZR118.22.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-44421