Änderung der Planfeststellung eines kombinierten Straßen- und Eisenbahntunnels (Feste Fehmarnbeltquerung)
Leitsatz
1. Zur Klagebefugnis einer anerkannten Vereinigung gegen einen vorprüfungspflichtigen Planänderungsbeschluss.
2. Die Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses kann sich auf die ihm zugrunde liegende Methodik zur Berechnung des eingriffsrechtlichen Kompensationsbedarfs und -umfangs mit der Folge erstrecken, dass ein Planänderungsbeschluss, der auf derselben Methodik basiert, insoweit nicht mehr angefochten werden kann.
Gesetze: § 15 Abs 2 BNatSchG 2009, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 UmwRG, § 2 Abs 1 S 1 Nr 3 Buchst a UmwRG, § 6 Abs 1 Nr 1 UVPG, § 7 UVPG, § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 UVPG, § 9 Abs 4 UVPG, § 76 VwVfG
Tatbestand
1Die Kläger - zwei nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigungen - wenden sich gegen den Planänderungsbeschluss des Beklagten vom "betreffend die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und Ergänzung von Maßnahmen zur Realkompensation". Der Beschluss ändert den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom für den deutschen Abschnitt des Baus einer Festen Fehmarnbeltquerung (im Folgenden: FFBQ) von Puttgarden nach Rødby.
2Die gegen diesen Planfeststellungsbeschluss erhobene Klage des Klägers zu 1 hat der Senat mit Urteil vom - 9 A 9.19 - (BVerwGE 170, 210) abgewiesen. Darin hat der Senat zu dem im dortigen Verfahren erhobenen Einwand einer unzureichenden Riffkartierung ausgeführt, ungeachtet dreier im Zuge wissenschaftlicher Untersuchungen nachträglich erkannter Riffflächen seien sowohl die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Definition als auch die Methodik und der Umfang der Bestandsaufnahme der Riffe rechtmäßig; auf dieser Grundlage habe der Planfeststellungsbeschluss zu Recht eine erhebliche Beeinträchtigung geschützter Biotope verneint. Der Beklagte und die Vorhabenträger müssten sich jedoch daran festhalten lassen, dass sie die Existenz der betreffenden Riffe sowie die Notwendigkeit ihrer naturschutzfachlichen Berücksichtigung anerkannt und die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 76 VwVfG vor Abschluss des Vorhabens im Bereich der betreffenden Biotope zugesagt haben.
3Der darauf ergangene Planänderungsbeschluss vom enthält für die vorgenannten Riffflächen eine Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG von dem biotopschutzrechtlichen Beeinträchtigungs- und Zerstörungsverbot nach § 30 Abs. 2 BNatSchG sowie eine Verkleinerung der Ankerzone im Bereich der sogenannten Rifffläche 1 um 4,5 ha und ordnet als zusätzliche Kompensationsmaßnahme die Wiederherstellung von 17,5 ha Riffstrukturen nördlich des FFH-Gebiets "Sagas-Bank" an.
4Die Kläger machen geltend, der Planfeststellungsbeschluss habe nicht ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erlassen werden dürfen. Darüber hinaus sei die vorgesehene Kompensationsmaßnahme unzureichend.
5Die Kläger beantragen,
den Planänderungsbeschluss des Beklagten vom "betreffend die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG und Ergänzung von Maßnahmen zur Realkompensation" für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen zu 1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts Vorkehrungen bzw. Maßnahmen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, welche die nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt ausschließen bzw. verringern bzw. kompensieren.
6Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen,
die Klage abzuweisen.
7Sie erachten die Klage als unzulässig. Im Übrigen verteidigen sie den Planfeststellungsbeschluss und treten dem Vorbringen der Kläger im Einzelnen entgegen.
Gründe
8Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
9A. Die Klage ist zulässig.
10I. Die Kläger sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG i. V. m. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG klagebefugt.
11Bei dem angefochtenen Planänderungsbeschluss handelt es sich um eine Zulassungsentscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens i. S. v. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG. Dem steht nicht entgegen, dass die Errichtung und der Betrieb der FFBQ bereits mit dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss vom genehmigt wurden. Der Senat hat mit Urteil vom - 9 A 9.19 - (BVerwGE 170, 210 Rn. 179) entschieden, dass aufgrund der dort genannten besonderen Umstände das Vorhaben vor Abschluss des Planänderungsverfahrens nach § 76 VwVfG im Bereich der vorgenannten drei Riffflächen nicht durchgeführt werden darf. Die vorliegend ausgesprochene Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG von dem biotopschutzrechtlichen Beeinträchtigungs- und Zerstörungsverbot nach § 30 Abs. 2 BNatSchG regelt damit Zulässigkeitsaspekte, die für die Realisierung des Vorhabens unerlässlich sind. Sie stellt - soweit man sie nicht als von dessen Konzentrationswirkung umfasst (§ 17c FStrG i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) ohnehin als Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses ansieht - folglich zumindest eine neben der eigentlichen Zulassung zu erteilende sonstige behördliche Zulässigkeitsentscheidung i. S. d. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG dar (vgl. hierzu - NuR 2018, 137 <138>; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht <September 2021>, § 1 UmwRG Rn. 35, 109; Schlacke, in: Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 1 UmwRG Rn. 14).
12Der Planänderungsbeschluss vom ist tauglicher Gegenstand einer Verbandsklage nach § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Soweit deren Zulässigkeit danach voraussetzt, dass für die angefochtene Zulassungsentscheidung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, genügt zwar nicht, dass die Möglichkeit einer solchen Pflicht nicht von vornherein auszuschließen ist (vgl. 4 C 14.12 - BVerwGE 149, 17 Rn. 7 ff. und vom - 7 C 25.15 - Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 18). Jedoch ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn für das Vorhaben bzw. dessen Änderung - wie vorliegend - eine Vorprüfung durchzuführen ist, ohne dass es auf deren Ergebnis ankommt (vgl. 9 A 8.16 - Buchholz 407.4 § 17c FStrG Nr. 6 Rn. 5 und Urteil vom - 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 19).
13Die Kläger waren darüber hinaus i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a UmwRG zur Beteiligung berechtigt. Bei vorprüfungspflichtigen Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG genügt es im Rahmen der Zulässigkeit, wenn die klagende Vereinigung - wie hier - geltend macht, eine Beteiligung sei aufgrund einer im Rahmen der Vorprüfung fehlerhaft verneinten UVP-Pflicht zu Unrecht unterblieben ( 7 C 5.18 - BVerwGE 166, 321 Rn. 24; 11 S 20.18 - juris Rn. 20).
14II. Der Zulässigkeit der Klage des Klägers zu 2, der gegen den Planfeststellungsbeschluss vom keine Klage erhoben hatte, steht nicht die Bestandskraft dieses Planfeststellungsbeschlusses entgegen.
15Zwar sind die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine erneute Entscheidung in einem ergänzenden Verfahren, welches zur Heilung gerichtlich festgestellter Mängel durchgeführt wurde, eingeschränkt (vgl. 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31 Rn. 28 und vom - 9 C 3.16 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 14 Rn. 61). So kann grundsätzlich nur ein im Ausgangsverfahren obsiegender Kläger gegen die Entscheidung im ergänzenden Verfahren geltend machen, die vom Gericht festgestellten Mängel seien weiterhin nicht behoben (vgl. 9 A 4.17 - BVerwGE 162, 102 Rn. 47 f.; Beschluss vom - 4 B 9.17 - juris Rn. 17). Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um eine Fortsetzung des ursprünglichen Planfeststellungsverfahrens zur Fehlerheilung, sondern um ein selbstständiges, einen anderen Streitgegenstand betreffendes Planänderungsverfahren nach § 76 VwVfG. Denn der Senat hat mit Urteil vom - 9 A 9.19 - (BVerwGE 170, 210 Rn. 142 ff.) nicht die Fehlerhaftigkeit, sondern die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom festgestellt. Der Planänderungsbeschluss kann daher - allerdings nur, soweit er gegenüber dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss eigene Regelungen enthält (vgl. 9 A 22.19 - BVerwGE 168, 368 Rn. 35 ff. und vom - 9 A 10.20 - juris Rn. 12 und - 9 A 12.20 - UPR 2022, 95 Rn. 11; Beschluss vom - 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189 Rn. 5) - unabhängig von der Bestandskraft des zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschlusses angefochten werden.
16B. Die Klage ist jedoch unbegründet.
17Der Beklagte hat die Vorprüfung ordnungsgemäß durchgeführt und die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu Recht verneint (I.). Die planfestgestellte Wiederherstellung von 17,5 ha Riffstrukturen genügt darüber hinaus den biotopschutz- und den eingriffsrechtlichen Kompensationsanforderungen (II.).
18I. Die Durchführung und das Ergebnis der unter dem durchgeführten Vorprüfung begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
19Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG besteht für die Änderung eines Vorhabens, für das eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, eine UVP-Pflicht, wenn die allgemeine Vorprüfung nach § 9 Abs. 4 i. V. m. § 7 UVPG ergibt, dass die Änderung zusätzliche oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Die diesbezügliche Einschätzung der Behörde ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nur daraufhin gerichtlich zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 7 UVPG durchgeführt wurde (1.) und ob das Ergebnis nachvollziehbar begründet ist (2.). Beides ist vorliegend der Fall.
201. Die Vorprüfung wurde nicht deshalb fehlerhaft durchgeführt, weil sie unter dem und damit sieben Wochen nach Einreichung der finalen Unterlagen am abgeschlossen wurde. Gemäß § 9 Abs. 4 i. V. m. § 7 Abs. 6 UVPG muss die Prüfung zügig und grundsätzlich spätestens sechs Wochen nach Erhalt der erforderlichen Angaben des Vorhabenträgers erfolgen. Insoweit sieht die Vorschrift allerdings selbst eine ausnahmsweise Verlängerung der Frist um bis zu drei - bei einer besonderen Schwierigkeit der Prüfung sogar um bis zu sechs - Wochen vor. Danach begegnet die geringfügige Überschreitung der sechswöchigen Frist angesichts des Beginns der schleswig-holsteinischen Sommerferien am keinen Bedenken. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, wie sich ein etwaiger Verstoß gegen die genannten Vorgaben auf das Ergebnis der Vorprüfung und damit auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Planänderung hätte auswirken können.
21Letzteres gilt auch, soweit die Kläger die Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange sowie von Umweltvereinigungen im Rahmen der Vorprüfung rügen. Dass diese im Falle einer UVP-Pflicht erneut zu beteiligen gewesen wären, schließt zudem nicht aus, ihnen schon zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, solange die Planfeststellungsbehörde - woran vorliegend keine Zweifel bestehen - den Prüfungsmaßstab einer Vorprüfung wahrt.
222. Die Vorprüfung vom - maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung ist diese, nicht die im Verfahren nachgereichte Fassung, die im Wesentlichen sprachliche Anpassungen enthält - kommt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass der Erlass des Planänderungsbeschlusses keine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung erforderte.
23a) Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG durchzuführen, wenn die Änderung des Vorhabens nach Einschätzung der zuständigen Behörde zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Entsprechend ihrer verfahrenslenkenden Funktion beschränkt sich die Vorprüfung in ihrer Prüftiefe auf eine überschlägige Vorausschau (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 UVPG), welche die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorwegnehmen darf ( 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 35 und vom - 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 25.). Dementsprechend (vgl. BT-Drs. 18/11499 S. 77) begrenzt § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG den Maßstab der gerichtlichen Überprüfung auf die Nachvollziehbarkeit des Vorprüfungsergebnisses. Das Gericht hat das Ergebnis der behördlichen Prognose demnach nicht auf dessen materielle Richtigkeit zu überprüfen. Gefordert ist vielmehr (lediglich) eine Plausibilitätskontrolle, bei der die von der Behörde für ihr Prüfergebnis gegebene Begründung zugrunde zu legen ist. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich insoweit auch darauf, ob die Behörde den Rechtsbegriff der Erheblichkeit zutreffend ausgelegt hat (vgl. 9 A 31.10 - BVerwGE 141, 282 Rn. 29 und vom - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 37).
24b) Der Beklagte hat eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung mit der Begründung verneint, für den überwiegenden Teil der Schutzgüter komme es zu keinen zusätzlichen oder neuen Betroffenheiten. Nur für die Teilschutzgüter Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt ergäben sich im Einzelfall durch dauerhafte und temporäre Verluste sowie durch temporäre Sedimentation stärkere Auswirkungen, da teilweise höherwertige rifftypische Gesellschaften betroffen seien als bisher in die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) eingestellt. Diese nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen seien jedoch nicht erheblich i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG.
25Insgesamt werde eine Fläche von rund 84,3 ha von nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen betroffen, die jedoch lediglich 1,9 % der Riffflächen zwischen Puttgarden und Staberhuk bzw. 0,2 % der Riffkulisse um ganz Fehmarn ausmache. Die Riffe 1 bis 3 würden nur anteilig zerstört, ihr weitaus größerer Teil bleibe in seiner Struktur und Funktionsfähigkeit für das Ökosystem erhalten. Die Gemeinschaften in der Ankerzone seien nur punktuell betroffen und könnten sich nach Abschluss der Bauarbeiten regenerieren. Im unmittelbaren Umfeld der Störstellen durch die Ankerwürfe verblieben ausreichend Flächen mit vergleichbaren Gemeinschaften, welche die ökologischen Funktionen des Gebiets aufrechterhielten und von denen aus eine Besiedlung der gestörten Stellen ausgehe. Auch von den Auswirkungen der Sedimentation würden sich die Bestände binnen zwei Jahren erholen. Zudem würden die Eingriffe durch die Herstellung einer neuen Rifffläche im Bereich der Sagas-Bank ausgeglichen. Die Beeinträchtigung der Riffe beeinflusse weder die Linienfindung noch die Wahl der Bauwerksvariante und habe damit keinen Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses. Artenschutzrechtliche Konflikte und eine Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten seien ausgeschlossen.
26c) Dies hält der gerichtlichen Überprüfung stand. Zwar liegen nachteilige Umweltauswirkungen, die die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen, nicht erst dann vor, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können. Jedoch begründet nicht jede Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens die Pflicht zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung; insbesondere ist nicht jeder erhebliche Eingriff im Sinne des Naturschutzrechts gleichbedeutend mit dem Begriff der erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG. Es bedarf vielmehr bereits in der Vorprüfung einer Gewichtung der abwägungserheblichen Belange unter Berücksichtigung der vorhaben- und standortbezogenen Kriterien; steht nach einer diese Maßstäbe berücksichtigenden Vorausschau im Zeitpunkt der Vorprüfung fest, dass ein abwägungserheblicher Umweltbelang keinen Einfluss auf das Ergebnis des Planfeststellungsbeschlusses haben kann, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich ( 9 A 1.13 - BVerwGE 150, 92 Rn. 21 f., 29 und vom - 3 C 3.19 - BVerwGE 168, 287 Rn. 29).
27aa) Das vorliegende Planänderungsverfahren ist durch die Besonderheit geprägt, dass - worauf auch die Vorprüfung abstellt - das unter dem planfestgestellte Tunnelbauwerk in seiner technischen und räumlichen Ausprägung durch den angefochtenen Planänderungsbeschluss unverändert bleibt. Es handelt sich dennoch um eine Änderung des planfestgestellten Vorhabens.
28Die Frage, ob ein bestehendes Vorhaben geändert oder erweitert wird, beurteilt sich nach dem materiellen Recht (vgl. 4 C 4.14 - BVerwGE 152, 219 Rn. 15). Der Vorhabenbegriff ist dabei nicht mit dem in § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG, § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG verwendeten Begriff der die Planfeststellung auslösenden Maßnahmen von Bau und Änderung eines Verkehrswegs identisch. Vielmehr umfasst das "Vorhaben" im Sinne des Fachrechts auch die vorhabenbedingten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ( 9 A 4.17 - BVerwGE 162, 102 Rn. 23, vgl. auch 9 A 1.13 - BVerwGE 150, 92 Rn. 15 f., dort zur UVP-Vorprüfung für eine Änderung von Ausgleichsmaßnahmen; ferner Pokorni, in: Müller/Schultz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 17 Rn. 7). In der nachträglichen Ergänzung von Maßnahmen der Realkompensation liegt daher eine Änderung des Vorhabens. Zudem enthält der Planänderungsbeschluss im verfügenden Teil eine Verkleinerung der Ankerzone.
29bb) Die Vorprüfung gelangt plausibel zu dem Ergebnis, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht notwendig ist. Die nachteiligen vorhabenbedingten Umweltauswirkungen für die Teilschutzgüter Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt durch dauerhafte und temporäre Verluste sowie durch temporäre Sedimentation sind nicht als erheblich i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG anzusehen. Die Änderung beschränkt sich in räumlicher Hinsicht auf die Verringerung einer Ankerzone sowie die Wiederherstellung von Riffstrukturen, mithin auf Maßnahmen, die keine nachteiligen, sondern positive Umweltauswirkungen haben. Die vom Planänderungsbeschluss angeordnete zusätzliche Ausgleichsmaßnahme der Wiederherstellung von 17,5 ha Riffstrukturen ist die rechtliche Konsequenz aus dem Umstand, dass im Planänderungsbeschluss erstmals die Rechtsfolgen der Zerstörung der neu entdeckten Riffe geregelt werden. Soweit sich die Kläger für ihre gegenteilige Ansicht auf das Urteil des OVG Lüneburg vom - 7 KS 87/18 - (NuR 2022, 128 Rn. 49) berufen, betrifft dies - ebenso wie weitere Entscheidungen, deren Obersätze die Kläger anführen - den anders gelagerten Fall einer tatsächlichen Änderung im baulichen Bestand; diese zeitigt regelmäßig weitergehende, zuvor nicht untersuchte Auswirkungen. Die Folgen der FFBQ für die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 UVPG wurden indes bereits umfassend im Rahmen der UVS untersucht. Mit dem Planänderungsbeschluss wird zudem nicht erstmals die vorhabenbedingte Betroffenheit von Riffen erkannt und berücksichtigt oder erfährt diese ein besonderes, im Rahmen der Abwägung des Vorhabens - und nicht nur der Befreiung - neu zu berücksichtigendes Gewicht.
30Vielmehr waren sedimentationsbedingte Auswirkungen auch auf Riffe bereits Prüfungsgegenstand des ursprünglichen Planfeststellungsverfahrens und sah schon die bisherige Planfeststellung vor, baubedingte Flächeninanspruchnahmen im Umfang von insgesamt 173,0199 ha sowie baubedingte Beeinträchtigungen/Störungen im Bereich der Anker- sowie der Wirk- und Störzone von insgesamt 5 861,5133 ha durch die Wiederherstellung von 25 ha neuer Riffstrukturen im Bereich der Sagas-Bank zu kompensieren (Maßnahme 8.7 E/VFFH/VAr). Gegenstand des Planänderungsbeschlusses sind erst nachträglich erkannte dauerhafte Verluste von 7,7 ha und temporäre Verluste von 1,5 ha Rifffläche sowie eine Betroffenheit durch Sedimentation von 75,1 ha. Die damit insgesamt betroffene Fläche von 84,3 ha entspricht 1,9 % der Riffflächen zwischen Puttgarden und Staberhuk bzw. 0,2 % der Riffflächen um Fehmarn. Mit dem Planänderungsbeschluss wird nicht die Abwägung des Vorhabens neu eröffnet oder ergänzt, sondern geht es allein um die Erteilung einer Befreiung und den Umfang der Kompensation für die Beeinträchtigung der Riffe, auf die sich diese Befreiung bezieht.
31Folgt somit angesichts der bereits vorliegenden UVS sowie des Umstands, dass die Ausgestaltung des Vorhabens selbst und damit auch seine Auswirkungen unverändert bleiben, aus der rechtlichen Neubewertung der Betroffenheit einzelner Flächen keine Notwendigkeit für eine erneute Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens, so bedeutet es keinen Fehler, dass die fehlende UVP-rechtliche Relevanz der bloßen Neubewertung auch durch einen Verweis auf die Relation zur sonstigen Gebietskulisse sowie die Ausgleichsmöglichkeiten verdeutlicht wird.
32Den Einwand, die Beeinträchtigung der Riffe bedeute auch deshalb eine erhebliche nachteilige Umweltauswirkung, weil sie die Schwellenwerte der Fachkonvention von Lambrecht/Trautner (Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP, Endbericht zum Teil Fachkonventionen, Schlussstand Juni 2007) überschreite, haben die Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung und damit nach Ablauf der Klagebegründungsfrist (§ 18e Abs. 5 AEG) erhoben. Die Konvention erlaubt darüber hinaus bereits aufgrund der dargelegten Besonderheiten des vorliegenden Planänderungsverfahrens keine Rückschlüsse auf die Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung.
33II. Die gegen die vorgesehene Ausgleichsmaßnahme 8.9 A erhobenen fachlichen Einwände sind unbegründet.
34Insoweit unterliegt der Planänderungsbeschluss einem eingeschränkten gerichtlichen Kontrollmaßstab. Die darin vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und daraus abgeleitete Kompensationsmaßnahmen sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (stRspr, vgl. 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 93). Danach genügt die planfestgestellte Wiederherstellung von 17,5 ha Riffstrukturen sowohl den biotopschutz- (1.) als auch den eingriffsrechtlichen (2.) Kompensationsanforderungen.
351. Der Erteilung der Befreiung gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG steht keine fehlende Eignung der nach § 67 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 15 Abs. 2 BNatSchG angeordneten Ausgleichsmaßnahme 8.9 A entgegen.
36Der Einwand der Kläger, die geringere Wassertiefe, die stärkere Nährstoffbelastung sowie die unterschiedliche hydrografische Situation (Strömung, Salzgehalt, Lichtdurchlässigkeit) in dem für die Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Gebiet nördlich des FFH-Gebiets "Sagas-Bank" verhinderten die Entstehung hochwertiger Riffe, die den beeinträchtigten Flächen vergleichbar seien, ist unbegründet. Die Kläger messen die naturräumlichen Rahmenbedingungen des für die Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen vorgesehenen Gebiets nicht an denjenigen der Riffflächen, die Gegenstand des Planänderungsbeschlusses sind, sondern an denjenigen der deutlich tiefer und rund 20 km entfernt im FFH-Gebiet "Fehmarnbelt" gelegenen Riffe. In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter Herr B. für den Beklagten zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass insbesondere die Wassertiefe, der Sauerstoffgehalt, die Salinität und das Artenspektrum der betroffenen Riffflächen und der Sagas-Bank einander entsprechen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass als Ausgleich keine identische, sondern eine gleichartige Wiederherstellung erforderlich ist (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, vgl. Guckelberger, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 15 Rn. 46).
37Der weitere Einwand, aufgrund der Schwankungsbreiten der Werte könne kein verlässlicher Vergleich gezogen werden, steht dem nicht entgegen. Wassertiefen sowie die - insbesondere den Salzgehalt berücksichtigende - Einstufung der Gewässer nach der Wasserrahmenrichtlinie als meso- und polyhalin, in deren Übergangsbereich sich die betroffenen Riff- und die Kompensationsflächen befinden, unterliegen keinen Schwankungen. Auch die Verbreitung von Makrozoobenthos verändert sich regelmäßig nicht kurzfristig. Der Sauerstoffgehalt, der ausweislich der vorgelegten Übersicht im September 2022 in der Umgebung sowohl der Eingriffs- als auch der Kompensationsflächen mit "gut" bewertet wurde, ist hingegen zwar jeweils eine Momentaufnahme. Anhaltspunkte dafür, dass er sich in den hier zu vergleichenden Bereichen in anderen Monaten jeweils erheblich unterschiedlich entwickeln könnte, sind jedoch nicht ersichtlich. Insoweit hat der Sachverständige B. dargelegt, dass die Problematik des Sauerstoffmangels in der Regel jenseits der 15 m-Linie und besonders im Sommer/Herbst auftritt. Da in dem für die Wiederherstellung der Riffstrukturen vorgesehenen Gebiet die Wassertiefe nicht mehr als 15 m beträgt und sich die Sauerstoffsituation dort selbst in einem problematischen Zeitraum als "gut" darstellt, rechtfertigen die naturräumlichen Rahmenbedingungen auch insoweit die Prognose einer vollständigen Kompensation.
38Hierfür spricht auch, dass die Nähe zu vorhandenen Riffen eine Besiedlung mit benthischen Gemeinschaften erwarten lässt, welche für die Entwicklung eines Riffs i. S. d. § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 BNatSchG grundlegend ist (vgl. 9 A 9.19 - BVerwGE 170, 210 Rn. 144 ff.). In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige Dipl.-Biol. B. für die Beigeladene zu 1 plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass der vorgesehenen Steingröße hierfür eine Schlüsselfunktion zukommt, weil sie sowohl eine hinreichend große Oberfläche als auch Nischen bietet, welche eine Besiedlung fördern. Aufgrund der großflächigen Beeinträchtigung und Zerstörung von Riffen durch die sogenannte Steinfischerei, in deren Zuge größere Steine entnommen wurden, lassen sich aus einer geringeren Dichte hochwertiger Riffe im Bereich der Sagas-Bank keine Rückschlüsse auf eine fehlende Eignung des Gebiets für die vorgesehene Kompensationsmaßnahme ziehen, zumal Untersuchungen der Vorhabenträger auch das Vorhandensein derartiger Riffe bestätigt haben. Aufgrund des Abstands von 700 m zur nächsten Sandbank sind auch durch diese keine Einschränkungen zu erwarten. Hinzu kommt, dass die Ausgleichsmaßnahme mit den Naturschutzbehörden des Landes - dem vormaligen Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung sowie dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume - abgestimmt wurde (zur Bedeutung der Einbeziehung von und der Abstimmung mit unabhängigen Fachbehörden in der Planung für die Bewertung der Tragfähigkeit planerischer Konzepte vgl. 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 156) und der Planänderungsbeschluss, um den Klägern entgegenzukommen, vorsorglich ein langjähriges Monitoring anordnet, in welches die Kläger einbezogen werden.
392. Die Kompensationsfestsetzung lässt auch in eingriffsrechtlicher Sicht keine Fehler erkennen.
40Der Bestimmung des eingriffsrechtlichen Kompensationsumfangs liegt die Methodik des vom Wirtschafts- und vom Umweltministerium Schleswig-Holstein herausgegebenen Orientierungsrahmens zur Kompensationsermittlung Straßenbau (im Folgenden: Orientierungsrahmen) zugrunde. Das Vorhaben führt im Bereich der Tunneltrasse zu dauerhaften Verlusten der drei Riffflächen von insgesamt 7,6769 ha. Hinzu kommen temporäre Verluste im Bereich der Ankerzone von 1,5044 ha. Bezüglich Letzterer geht die Planung davon aus, dass eine Wiederbesiedlung durch die benthische Flora und Fauna innerhalb von maximal fünf Jahren erfolgt, weshalb sie mit einer Beeinträchtigungsintensität von 70 %, d. h. 1,0531 ha, rechnet. Weitere vorübergehende Beeinträchtigungen durch Sedimentation sind eingriffsrechtlich bereits durch Kompensationsmaßnahmen mit abgedeckt, die im Planfeststellungsbeschluss vom festgesetzt wurden. Betroffen hierdurch sind 19,9601 ha mit einer Beeinträchtigungsintensität von 10 %, d. h. rechnerisch 1,996 ha, sowie 135,1504 ha mit einer Beeinträchtigungsintensität von 5 %, mithin 6,7575 ha. Abzüglich der bereits im Planfeststellungsbeschluss vom berücksichtigten Flächen belaufen sich die letztgenannten Werte auf 55,089 ha und 2,754 ha und beträgt die beeinträchtigte Fläche insgesamt 84,23 ha.
41a) Der Methodik des Orientierungsrahmens im Grundsatz folgend, werden die vorgenannten Flächen mit zwei Faktoren multipliziert, um die naturschutzfachliche Wertstufe und die zeitliche Wiederherstellbarkeit (sogenannter Regelkompensationsfaktor; RKF) sowie die Lage der Biotope in Biotopkomplexen und geschützten Flächen (Lagefaktor) bei der Bemessung des Kompensationsbedarfs zu berücksichtigen. Der Planänderungsbeschluss geht von einem RKF von 3 und einem Lagefaktor von 2 aus. Da für die hier inmitten stehenden Flächen - wenngleich ohne deren Bewertung als Riffe - bereits im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss unter Zugrundelegung derselben Methodik ein Kompensationsbedarf planfestgestellt wurde, ermittelt der Planänderungsbeschluss die zusätzlich erforderliche Kompensation für dauerhafte und temporäre Verluste anhand der Differenz beider Berechnungen mit 35,996 ha.
42Der eingriffsrechtlichen Bewertung der Maßnahme 8.9 A legt der Planänderungsbeschluss die Vorgaben des mit dem Planfeststellungsbeschluss vom planfestgestellten Landschaftspflegerischen Begleitplans (LBP) zugrunde. Danach führt die ökologische Aufwertung der Lebensraumfunktion im vorgesehenen Maßnahmengebiet zu mehreren, einander verstärkenden Effekten, die bei der Anrechenbarkeit und Aufwertung von Riffgebieten als Kompensationsmaßnahme additiv zu berücksichtigen sind. Der Kompensationsumfang wird demnach vorliegend bestimmt durch das Maß der ökologischen Aufwertung der Habitate sowie den Wert für die Aufwertung faunistischer Funktionen (Artenschutz). Diesen Einzelansätzen wird jeweils ein Faktor zugewiesen, der mit der Fläche der Kompensationsmaßnahme multipliziert wird. Hinsichtlich des "Maßes der ökologischen Aufwertbarkeit" wurden als Kompensationsflächen benthische Habitate mit dem Naturschutzfachwert (NFW) 3 ausgewählt, die innerhalb des (geologischen) Erhaltungszustands B-C liegen. Da eine Aufwertung der Flächen auf den NFW 5 angestrebt wird, ist hierfür nach dem LBP ein Wert von 2 anzusetzen. Die "Aufwertung faunistischer Funktionen" wird mit Blick auf die Schaffung neuer Aufwuchs- und Laichlebensräume, positive Auswirkungen auf den Meeresboden, die Biodiversität und die Wasserqualität sowie die Verbesserung des Nahrungsangebots für Wasservögel und Schweinswale ebenfalls mit dem Wert 2 bewertet. Unter Zugrundelegung des sich danach ergebenden Anrechnungsfaktors 4 kommt der Planänderungsbeschluss zu dem Ergebnis, dass die 17,5 ha herzustellende Rifffläche mit 70 ha im Sinne der Eingriffsregelung anzurechnen ist, sodass der ermittelte eingriffsrechtliche Kompensationsbedarf von 35,9959 ha erfüllt ist.
43b) Die gegen die vorstehend beschriebene Bewertung der Kompensationsfläche erhobenen methodischen Einwände der Kläger sind unbegründet.
44aa) Sie können bereits deshalb keine Berücksichtigung finden, weil die Methodik u. a. der Eingriffs- und Kompensationsbewertung der FFBQ bestandskräftig planfestgestellt ist.
45Gemäß § 75 Abs. 1 VwVfG wird durch die Planfeststellung die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt und werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Diese umfassende Genehmigungs-, Konzentrations- und Gestaltungswirkung bestimmt den Umfang der materiellen Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses, die sich auch darin widerspiegelt, dass ein Kläger Änderungen oder Ergänzungen einer Planung trotz deren Verschmelzens mit dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nur in dem Umfang angreifen kann, in dem die Änderungen eine eigene Regelung enthalten und er hierdurch erstmals oder weitergehend als bisher betroffen wird (stRspr, vgl. 9 A 10.20 - Buchholz 407.4 § 17d FStrG Nr. 3 Rn. 12).
46Die Bestandskraft schließt vorliegend die Methodik zur Berechnung des Kompensationsbedarfs und -umfangs ein. Sie wurde aufwändig eigens für das Vorhaben der FFBQ entwickelt, im Planfeststellungsbeschluss vom näher erläutert und insbesondere mit dem damaligen LBP bestandskräftig planfestgestellt. Ihr liegen mehrjährige, umfangreiche Untersuchungen, Berechnungen und Modellierungen der naturräumlichen Bedingungen sowie der verschiedenen Auswirkungen des Vorhabens zugrunde. Könnte eine derartige für die Regelung der Umweltauswirkungen des Vorhabens zentrale Methode nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses anlässlich eines Planänderungsverfahrens noch zum Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemacht werden, würde das gerade im Planfeststellungsverfahren geltende besondere Bedürfnis nach Rechtsbeständigkeit und Planungssicherheit für den Vorhabenträger, das etwa in den Vorschriften zur erhöhten Bestandskraft (§ 75 Abs. 2 VwVfG) und den Regelungen zur Planerhaltung in § 75 Abs. 1a VwVfG zum Ausdruck kommt (vgl. 9 A 8.19 - BVerwGE 169, 78 Rn. 31), erheblich beeinträchtigt.
47bb) Dessen ungeachtet, begegnet die Eingriffs- und Kompensationsbewertung auch in der Sache keinen Bedenken.
48(1) Dem Ansatz des Faktors 2 für die Aufwertung des für die Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Gebiets steht nicht entgegen, dass der Orientierungsrahmen für die ökologische Aufwertbarkeit der Kompensationsflächen einen Faktor von höchstens 1,0 - und auch dies nur für Ausgleichsflächen des niedrigsten naturschutzfachlichen Ausgangswertes 1 - vorsieht. Die mündliche Verhandlung hat zur Überzeugung des Senats ergeben, dass - anders als im Landbereich, auf den sich der Orientierungsrahmen insoweit bezieht - im marinen Bereich der Naturschutzfachwert 3 der geringstmögliche ist, mithin auch vorliegend eine Anhebung vom schlechtesten auf den besten Wert erfolgt. Darüber hinaus basiert der Orientierungsrahmen auf der Annahme einer 25jährigen Entwicklungsdauer, wohingegen im marinen Bereich mit deutlich kürzeren Zeitspannen zu rechnen ist. Es ist naturschutzfachlich vertretbar, dem durch eine Anhebung des Faktors für die Aufwertung Rechnung zu tragen.
49(2) Darüber hinaus durfte die Planung einen weiteren Faktor 2 für die Aufwertung faunistischer Funktionen in Ansatz bringen. Hierin liegt entgegen der Kritik der Kläger keine doppelte Anrechnung, weil diese nicht bereits in der Berücksichtigung der ökologischen Aufwertung enthalten ist. Der Faktor trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Riffe in einem wegen des geringeren Schiffsverkehrs deutlich störungsärmeren Raum wiederhergestellt werden. Damit entsteht für Meeressäuger, Fische, Wasservögel und die benthische Fauna ein im Vergleich zum Umfeld der Riffflächen 1 bis 3 verbesserter Lebens-, Laich- und Nahrungsraum. Der Einwand der Kläger, auch im Bereich der Sagas-Bank bestünden Störungen, etwa durch Freizeitnutzung und Fischerei, steht dem nicht entgegen. Die durch das Vorhaben betroffenen Riffe liegen in unmittelbarer Nähe des Fährhafens Puttgarden und teilweise sogar im Bereich der Fährroute Puttgarden - Rødby. Auf dieser verkehren fast rund um die Uhr in beide Richtungen halbstündlich Fähren. Hinzu kommt in nördlicher Richtung der Verkehr auf der stark befahrenen sogenannten T-Route, dessen Unterwasserlärm ebenfalls auf das Gebiet der Riffflächen ausstrahlt. Zwar führen auch über das für die Ausgleichsmaßnahmen vorgesehene Gebiet Schiffsrouten, insbesondere in Richtung Travemünde. Die dortige Verkehrsdichte bleibt jedoch ausweislich der auch in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erhebungen der Schiffsverkehrsdichte (www.marinetraffic.com) deutlich hinter derjenigen des Fehmarnbelts zurück. Auch der Planänderungsbeschluss geht nicht davon aus, dass dort kein, sondern dass dort ein geringerer Schiffsverkehr erfolgt.
50Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Anlage 1 der schleswig-holsteinischen Landesverordnung über das Ökokonto, die Einrichtung des Kompensationsverzeichnisses und über Standards für Ersatzmaßnahmen vom (GVBl. S. 233) auch bei der Bestimmung der Höhe der Anrechnung einer Maßnahme aus dem Ökokonto als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme die Schaffung von Biotopen nach § 30 Abs. 2 BNatSchG sowie Maßnahmen zur Förderung des Artenschutzes jeweils mit einem Zuschlag berücksichtigt werden. Damit werden auch dort - wie vorliegend - die Aufwertung des Habitats und der faunistischen Funktion additiv, d. h. durch zwei gesonderte Zuschläge, berücksichtigt.
51(3) Doch auch dann, wenn der eingriffsrechtlichen Bewertung der Ausgleichsmaßnahme nicht der Faktor 4, sondern der Faktor 2 zugrunde gelegt würde, wäre eine hinreichende Kompensation gegeben. Die Anrechnung von dann 35 ha bliebe nur derart unwesentlich hinter dem Kompensationsbedarf von 35,9959 ha zurück, dass hierdurch die gleichartige Wiederherstellung nicht in Zweifel stünde.
52Letztlich ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die eingriffsrechtliche Bewertung unter Einbeziehung unterschiedlicher sowie verschieden gewichteter Faktoren das Ausmaß der Beeinträchtigung (und deren Kompensation) zwar als Flächengröße ausdrückt, es sich hierbei jedoch um einen rechnerischen Wert handelt, der nicht mit der tatsächlich betroffenen Fläche, der Bewertung von deren Betroffenheit nach anderen Kriterien oder der realen Größe der Kompensationsmaßnahme verwechselt bzw. verglichen werden darf, auch wenn diese ebenfalls als Flächenmaß angegeben werden. Daher geht der Einwand der Kläger fehl, die vollständige Vernichtung einer Habitatfläche von 35,9959 ha solle durch die Aufwertung einer mit 17,5 ha nur halb so großen Fläche ausgeglichen werden. Denn sie vergleichen das rein rechnerische - und damit letztlich fiktive - eingriffsrechtliche Flächenmaß mit der tatsächlichen Größe der Ausgleichsmaßnahme. Stellt man indes allein auf Letztere ab, so soll mit der Wiederherstellung von Riffstrukturen auf 17,5 ha ein Verlust von 17,4835 ha ausgeglichen werden. Legt schon dies - wenngleich nur als Kontrollüberlegung - eine gleichartige Wiederherstellung nahe, so kommt hinzu, dass auch der letztgenannte Wert letztlich ein rechnerischer ist, da er nicht nur endgültige, sondern auch bloß temporäre Zerstörungen berücksichtigt. Dauerhaft verloren gehen durch den Bau des Tunnels lediglich 7,6769 ha Riffflächen. Bei der Differenz von 9,8066 ha handelt es sich um vorübergehende Beeinträchtigungen, deren vollständige natürliche Wiederherstellung innerhalb von höchstens fünf Jahren erfolgt. Der Planänderungsbeschluss geht nachvollziehbar von einem vollständigen Wirksamwerden der Ausgleichsmaßnahme innerhalb von fünf bis zehn Jahren aus. Ab diesem Zeitpunkt steht somit einem Verlust von 7,6769 ha die Wiederherstellung von 17,5 ha Riffstrukturen gegenüber. Dies stellt die Richtigkeit der eingriffs- wie auch der biotopschutzrechtlichen Berechnung nicht in Frage, verdeutlicht jedoch ergänzend hierzu, dass der Einwand einer unzureichenden Kompensation unbegründet ist.
53(4) Soweit die Kläger auch in eingriffsrechtlicher Hinsicht die Annahme bestreiten, in dem für die Ausgleichsmaßnahme vorgesehenen Gebiet ließen sich Riffe mit dem Naturschutzfachwert 5 wiederherstellen, wird auf die vorstehenden Ausführungen zum Biotopschutz verwiesen (B. II. 1.).
54III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO sowie auf § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladene zu 2 in der Sache nicht am Verfahren beteiligt und keinen Antrag gestellt hat, waren ihre außergerichtlichen Kosten nicht aus Billigkeit den Klägern aufzuerlegen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:141222U9A18.21.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-44149