Leugnung und Verharmlosung des Holocaust
Leitsatz
Ein Soldat, der den Holocaust leugnet und auf diese Weise das nationalsozialistische Unrechtsregime verharmlost, verletzt seine politische Treuepflicht.
Gesetze: Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 21 Abs 2 GG, § 8 SG, § 10 Abs 6 SG, § 91 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 126 Abs 2 S 1 WDO 2002, § 1 Abs 1 Nr 1 VwVfG, § 39 VwVfG, § 45 Abs 1 Nr 2 VwVfG, § 45 Abs 2 VwVfG
Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 5 GL 07/21 Beschluss
Tatbestand
1Die Beschwerde betrifft ein gegen eine vorläufige Dienstenthebung, ein Uniformtrageverbot und die teilweise Einbehaltung von Dienstbezügen gerichtetes Verfahren wegen Verletzung der politischen Treuepflicht.
21. Der mit einer Disziplinarbuße aus dem Jahr 2019 disziplinarisch, nicht aber strafrechtlich vorbelastete, ... geborene Soldat ist Hauptfeldwebel, dessen Dienstzeit regulär am 30. November ... enden soll. Er bezieht - nach dem Stand September 2022 - gekürzte Dienstbezüge in Höhe von etwa 1 909,15 € netto.
3Der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten hat unter dem ausgeführt, der Soldat sei ein im persönlichen Gespräch aufgeschlossener und freundlicher, auf vielen Ebenen überaus interessierter, weitgehend selbständig agierender Unteroffizier mit Portepee, der sich nennenswert durch Fachkenntnis und praktisches Knowhow profiliere. Im Dienst zeichne er sich prinzipiell durch eine ausgeprägte Eigenständigkeit und, insofern er die erteilten Aufträge angehe, gute Zielerreichungsquote aus. Sobald er mit der Umsetzung der ihm übertragenen Aufgaben beginne, sei er bestrebt, diese zielbewusst zu erfüllen. Allerdings präsentiere er sich zunehmend kalkuliert bei der Umsetzung von Aufträgen und lasse bisweilen eine angemessene Motivation vermissen, was sich zum Teil auch negativ auf den unterstellten Bereich auswirke. Im Kern nehme er seine Aufgaben nahezu ausschließlich im "Grundbetrieb" wahr. Er stehe nicht uneingeschränkt zu seinem Beruf und sei nicht in der Lage, sich mit dem gesamten Aufgabenspektrum als Soldat, als militärischer Führer und Vorgesetzter zu identifizieren. Er setze nicht den richtigen Schwerpunkt und räume privaten Obliegenheiten gegenüber dienstlichen Interessen den Vorrang ein. Seine Fähigkeit zur Aufnahme konstruktiver Kritik bzw. zum Umgang mit Erwartungen sei deutlich entwicklungsbedürftig. Er erfülle nicht die Anforderung seines Berufs, sodass er für den Statuswechsel zum Berufssoldaten nicht infrage komme.
42. Unter dem teilte das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit, ihm sei durch einen Kameraden des Soldaten bekannt geworden, dass dieser im Rahmen eines Gesprächs mit diesem und einem weiteren Kameraden in der Nacht vom 10. auf den geäußert haben solle, dass es bezüglich des Holocaust unterschiedliche Meinungen gebe, so beispielsweise Fotos verschiedener Konzentrationslager, die immer denselben jungen Inhaftierten zeigten, was aus der Sicht des Soldaten auf eine Geschichtsverfälschung während der Nürnberger Prozesse hindeute. Ebenso solle der Soldat betont haben, dass es bezüglich der in dem Buch "Mein Kampf" dargestellten Vernichtungsabsichten von Juden in verschiedenen Ausgaben dieses Buchs inhaltliche Unterschiede gebe. Eine namentlich bekannte Auskunftsperson habe zudem angegeben, sie könne sich zwar nicht mehr an den genauen Gesprächsverlauf erinnern, aber es seien Formulierungen des Soldaten wie "der Holocaust ist nicht wahr", "Adolf Hitler war ein netter Mann" und "der Gewinner schreibt die Geschichte" oder zumindest ähnlich klingend gefallen. Darüber hinaus habe eine Internetrecherche unter dem Namen "..." eingesehen werden können. Dort sei festgestellt worden, dass der NPD Landesverband Thüringen durch den Soldaten gelikt worden sei. Im Rahmen der Befragung durch das BAMAD habe durch Einsichtnahme in das Mobiltelefon des Soldaten auf Facebook ein Gesprächsverlauf zwischen diesem und einem Herrn ... am festgestellt werden können, der ebenfalls disziplinarisch relevant sei.
5Ausweislich der Erklärung des BAMAD vom ist der Soldat über die Freiwilligkeit seiner Angaben (nach § 4 Abs. 1 Satz 1 MADG i. V. m. § 8 Abs. 4 BVerfSchG) belehrt worden.
6Im Vermerk der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom ist zudem festgehalten, dass die Protokolle des BAMAD über die Gespräche mit dem Soldaten nicht vorliegen. Nach Ansicht des BAMAD handele es sich dabei nicht um Vernehmungen und sie seien auf freiwilliger Basis erfolgt. Die Protokolle würden auch deshalb nicht übersendet, weil unerwünscht sei, dass die Gesprächspartner gerichtlich geladen und befragt würden; damit sei die Preisgabe ihrer Identität verbunden. Grundlage dieser Gespräche sei § 8 Abs. 4 BVerfSchG gewesen. Bezogen auf das Mobiltelefon gebe es keinen Sicherstellungsbericht, da der Soldat es freiwillig ausgehändigt habe.
73. Nachdem im Juni 2021 gegen den Soldaten disziplinarische Vorermittlungen aufgenommen worden waren und gegen ihn ein Dienstausübungsverbot (nach § 22 SG) ausgesprochen worden war, wurde unter dem die Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens verfügt (Einleitungsverfügung). Zugleich wurde ihm verboten, Uniform zu tragen, er vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 % seiner Dienstbezüge angeordnet (Nebenentscheidungen).
84. In der Einleitungsverfügung wird dem Soldaten vorgehalten, ein Dienstvergehen in Form eines Verstoßes gegen §§ 7, 8, 10 Abs. 6, § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG durch folgendes Verhalten begangen zu haben:
"1.) In der Nacht vom 10. September auf den führten Sie an einem noch zu ermittelnden Ort mit einem noch zu ermittelnden Kameraden ein Gespräch, in dem Sie den Holocaust leugneten bzw. zumindest zu relativieren suchten. So äußerten Sie unter anderem, dass es diesbezüglich unterschiedliche Meinungen gebe, beispielsweise zeigten Fotos verschiedener Konzentrationslager immer denselben Jungen. Sie gaben zum Ausdruck, dass dies aus Ihrer Sicht auf Geschichtsfälschungen während der Nürnberger Prozesse deute. Dass Häftlinge in den Konzentrationslagern zum Teil verhungert seien, haben Sie mit einer allgemeinen Nahrungsmittelknappheit gegen Kriegsende abzumildern versucht. Weiter haben Sie die Meinung vertreten, dass die Alliierten die Leichen verhungerter Menschen in die Konzentrationslager verbracht hätten. Schließlich kommunizierten Sie, dass Sie den Grund des Angriffs Deutschlands auf Polen darin sahen, dass zuvor geführte diplomatische Verhandlungen mit friedlichen Absichten Deutschlands gescheitert seien und insbesondere Frankreich und Großbritannien hierbei Informationen falsch oder unvollständig weitergegeben haben sollen. Sinngemäß gaben Sie während des Gesprächs wieder, dass der Holocaust nicht wahr sei, dass Adolf Hitler ein netter Mann gewesen sei und dass der Gewinner die Geschichte schreibe.
2.) Am , um 20:57 Uhr sendeten Sie von einem unbekannten Ort außerhalb militärischer Anlagen einem ... über den Kurznachrichtendienst WhatsApp diverse Sprachnachrichten. Darunter befanden sich Sprachnachrichten mit folgenden Inhalten:
Um 20:57 Uhr: 'Ich sage es immer wieder, es wird Zeit für die NSDAP. Das ist und war das einzig wahre, aber leider sind die Leute alle so dämlich in diesem Land. Ja, jetzt müssen wir mit den Konsequenzen leben',
Um 21:01 Uhr: 'Ah, das hast du gut auf den Punkt getroffen ..., da geb' ich dir zu 100 Prozent recht. Ja die Partei ist, ist, ja klar, aber es geht ja meistens alles nur um Überparteien, aber, ein Führer, wie du schon gesagt hast, Reichskanzler, ne, ja und ja des ist schon der richtige Ansatz. Adolf hat damals auch gesagt das ganze Parteisystem ist Blödsinn, ja weißte, ähm, ja richtig, ne Verfassung, ne Verfassung wäre nicht schlecht. Wir haben ja eigentlich auch eine gültige Verfassung, eigentlich wohlgemerkt, aber ne wir haben ja ein Grundgesetz, was uns immer noch auferlegt ist, aber rein rechtlich gesehen, wie du schon gesagt hast, haben uns ja eigentlich Polizisten, Beamte, egal welcher Art nichts zu sagen, äh, ja oder dieser Staat, will ich überhaupt nichts zu sagen, wenn wir' s genau nehmen will, haste ganz gut auf den Punkt getroffen, ja weil das Deutsche Reich existiert, so sieht' s aus'.
Von der in derselben Unterhaltung um 21:01 Uhr von Herrn ... erhaltenen Sprachnachricht mit dem Inhalt: 'Vor allen Dingen brauchen wir einen Rechtskreis, der Machtgültigkeit hat und dieser Rechtskreis ist nach unserer Verfassung von 1870/71, denn alles andere ist ungültig und nicht rechtens' haben Sie sich nicht distanziert, sondern mit der o. g. Sprachnachricht um 21:01 Uhr geantwortet.
Ebenso haben Sie sich in derselben Unterhaltung nicht von den Sprachnachrichten des Herrn ... um 22:16 Uhr mit dem Inhalt: 'Unsere einzig rechtsgültige Verfassung ist die von 1870/71', sowie um 22:17 Uhr mit dem Inhalt: 'Alles was mit der Weimarer Republik zutun hat ist rechtsmäßig ungültig laut, äh, die ganzen Staatsgründungen seitdem sind eigentlich illegal gewesen, auf deutschem Gebiet' distanziert, sondern um 22:20 Uhr geantwortet: 'Ok großer'.
3.) Zumindest zwischen dem und dem befand sich auf Ihrem Facebook-Profil unter dem Namen '...' mit der ID ... eine 'Gefällt mir'-Angabe der 'NPD Thüringen' datiert vom , eingestellt von einem nicht mehr ermittelbaren Ort."
95. Der Antrag des Soldaten vom auf Aufhebung der Nebenentscheidungen wurde mit Bescheid des Kommandeurs der ... vom abgelehnt, ein weiterer Antrag vom mit Bescheid vom .
106. Den im Hinblick auf die Ablehnungsentscheidung vom gerichteten Antrag des Soldaten vom auf Entscheidung des Gerichts hat die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit Beschluss vom - beim Verteidiger eingegangen am , beim Soldaten am - zurückgewiesen.
117. Mit Beschwerde vom , der nicht durch dieselbe Kammer, die ihn erlassen hat, nicht abgeholfen worden ist, wendet sich der Soldat gegen den Beschluss im Wesentlichen mit der Begründung, das Truppendienstgericht habe unbeachtet gelassen, dass seit dem Antrag auf Aufhebung der Nebenentscheidungen das Disziplinarverfahren nicht gefördert worden sei. Die Disziplinarbehörde verschleppe das Verfahren. Darüber hinaus ließen sich die Vorwürfe, welche ganz überwiegend auf Zeugenaussagen vor vielen Jahren beruhten, sich aufgrund des Verlustes bzw. der Verfälschung des menschlichen Erinnerungsvermögens nicht mehr beweisen. Auch deshalb sei eine schwerwiegende Disziplinarmaßnahme nicht naheliegend.
12Die Nebenentscheidungen könnten auch nicht mehr als formell ordnungsgemäß angesehen werden. Insbesondere die Begründung werde rechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Zwar möge zutreffen, dass § 39 VwVfG nicht den Maßstab dafür gebe; jedoch sei von einem weitaus strengeren Maßstab auszugehen, weil die Verfügung den Charakter eines bereits lang andauernden Grundrechtseingriffs habe. Erforderlich wäre auch gewesen, die konkreten Beweise - soweit sie denn zulässig erhoben worden seien - dem behauptenden Verstoß jeweils zuzuordnen. Die Einleitungsbehörde hätte dann erkannt, dass der Sachverhalt die verfügte Rechtsfolge nicht trage. Die hohen Anforderungen an die Begründung ergäben sich auch unmittelbar aus der "Wehrdienstordnung". Soweit hier verfahrensrechtliche Grundsätze in Ansatz zu bringen seien, gelte aufgrund des weitreichenden Eingriffs im Rahmen einer "Strafverfolgung", dass die Voraussetzungen zur Begründung höher seien als im Verwaltungsverfahren. Unzutreffend nehme das Truppendienstgericht auch an, der besondere, die Nebenentscheidungen rechtfertigende Grund sei gegeben.
13Die Einleitungsbehörde habe auf einen Sachverhalt abgestellt, welcher sich vor mehr als sieben Jahren zugetragen haben solle, und die Dokumentation sei lückenhaft. Sie habe es bis heute nicht für erforderlich gehalten, den Sachverhalt abschließend zu ermitteln. Dem entspreche, dass selbst das Truppendienstgericht Erstaunen darüber geäußert habe, dass wichtige Zeugen bislang nicht vernommen worden seien. Nach so langer Zeit sei nicht zu erwarten, dass die Zeugen noch deutliche Erinnerung an seine Äußerungen hätten. Dabei nehme das Gericht Bezug auf das Gedächtnisprotokoll des Oberleutnants ..., dem nicht zu entnehmen sei, dass er sich bestimmte Quellen und die dort genannten Meinungsbilder zu Eigen gemacht oder als zutreffend dargestellt habe. Wenn jede einzelne Aussage für sich nicht ausreiche, insbesondere von einer Leugnung des Holocaust auszugehen, könne sich dies auch nicht aus der Zusammenschau der Aussagen ergeben. Im Übrigen habe das Gericht nicht gesehen, dass er zwischen 2015 und 2022 nur ein einziges Mal in ein solches Gespräch verwickelt gewesen sein solle. Auch sonst sei nicht erkennbar, dass er dazu neige, den Holocaust in Abrede zu stellen oder an der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu zweifeln. Soweit sich die Wehrdisziplinaranwaltschaft auf die Sprachnachricht auf seinem Mobiltelefon berufe, sei die Verwertung unzulässig. Ein Soldat sei bei Beginn der ersten Vernehmung darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen. Diese Grundsätze würden mindestens in gleicher Weise für Aussagen gelten, welche im Rahmen einer Sprachnachricht verfasst seien. Zwingend hätte ihm vor dem Herausgabeverlangen seines Mobiltelefons mitgeteilt werden müssen, dass er die Freiheit habe, es nicht herauszugeben. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 WDO dürfe seine Aussage nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Darüber hinaus fehle es in der Einleitungsverfügung an einer Ermessensausübung. Es heiße lediglich, danach sei die vorläufige Dienstenthebung erforderlich.
148. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft und der Bundeswehrdisziplinaranwalt treten dem entgegen, worauf der Verteidiger repliziert hat. Dem Verteidiger ist von der Wehrdisziplinaranwaltschaft Einsicht in den - dem Senat erst unter dem übermittelten - 2. Teil der Verfahrensakte gewährt worden, soweit es die Blätter 112 bis 188a betrifft.
159. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte und die Personalgrundakte des Beschwerdeführers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
161. Ob die Beschwerde nach § 114 WDO zulässig ist, lässt der Senat dahingestellt. Zweifel daran bestehen deshalb, weil sie sich gegen den Beschluss des Truppendienstgerichts vom richtet, mit dem die Ablehnungsentscheidung der Einleitungsbehörde vom bestätigt worden ist, obwohl ein späterer Antrag des Beschwerdeführers nach § 126 WDO vom mit Bescheid vom abgelehnt worden ist und er dagegen keinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat.
172. Jedenfalls ist die Beschwerde unbegründet.
18a) Das Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO ist durch eine nur summarisch mögliche Prüfung der aktuellen Sach- und Rechtslage charakterisiert ( 2 WDB 9.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 13 Rn. 11). Insbesondere die Richtigkeit der gegen den Soldaten erhobenen disziplinarischen Anschuldigung wird in einem disziplinargerichtlichen Hauptsacheverfahren eingehend geprüft und dort abschließend geklärt werden müssen (vgl. 2 WDB 3.21 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 17 Rn. 7). Sollte sich die im vorliegenden Verfahren angestellte Prognose nicht bestätigen, werden die mit der Einbehaltensanordnung verbundenen Folgen besoldungsrechtlicher Art kompensiert (§ 127 Abs. 2 Satz 1 WDO, § 27 Abs. 9 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 BBesG; 2 WDB 14.22 - juris Rn. 18).
19b) Angesichts dieses Prüfungsmaßstabs hat die Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts Bestand, dass der Soldat voraussichtlich eine Pflichtverletzung begangen hat, die mit der Höchstmaßnahme zu ahnden wäre.
20aa) Die auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO beruhende Einbehaltensanordnung begegnet zwar in formeller Hinsicht Bedenken, weil ihr nicht zu entnehmen ist, dass die Einleitungsbehörde sie in Kenntnis dessen erlassen hat, trotz Vorliegens der Gründe nach § 126 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WDO nicht gezwungen, sondern nur berechtigt ("kann") zu sein, sie zu erlassen. Dasselbe gilt für den Bescheid vom , mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung der Nebenentscheidungen zurückgewiesen worden ist. Allerdings folgt aus der Beschwerdeerwiderung des Bundeswehrdisziplinaranwalts hinreichend deutlich, dass eine einzelfallbezogene Abwägung erfolgt ist. Denn dort heißt es, der besondere Grund für die Maßnahmen sei "regelmäßig" dann gegeben, wenn eine Dienstgradherabsetzung oder die Entfernung aus dem Dienstverhältnis im Raum stehe und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde. Nachfolgend heißt es zudem, "im Fall des Beschwerdeführers" stehe dies zu erwarten.
21Damit liegt eine Heilung des Begründungsmangels nach §§ 39, 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG vor. Ihr steht auch nicht entgegen, dass § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO keinen Verweis auf das Verwaltungsverfahrensgesetz enthält. Denn die Auflistung der ergänzend heranzuziehenden Rechtsvorschriften bezieht sich ausdrücklich auf das gerichtliche Disziplinarverfahren, welches in den §§ 58 ff. WDO geregelt ist, und nicht auf das - davon zu unterscheidende - behördliche Verfahren, das durch das gerichtliche Antragsverfahren nach § 126 Abs. 5 Satz 2 WDO überprüft werden kann. Da § 126 WDO keine Aussage dazu trifft, welche Folgen sich aus einer unzureichenden Begründung ergeben, findet somit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG subsidiär das Verwaltungsverfahrensgesetz Anwendung (vgl. zu § 43 Abs. 2 VwVfG: 2 WDB 3.21 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 17 Rn. 6; zu dessen Anwendung im Bereich einfacher Disziplinarmaßnahmen: 2 WDB 1.22 - juris Rn. 23; zur Anwendung im Bereich des Soldatenrechts: Poretschkin/Lucks, Soldatengesetz, 11. Aufl. 2022, Vorbemerkungen SG, Rn. 20 f.). Eine Verwaltungstätigkeit liegt - anders als vom Truppendienstgericht angenommen - auch vor, da die Entscheidungen der Einleitungsbehörde nach § 126 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WDO nur die dienstrechtlichen Rechte und Pflichten des Soldaten während des gerichtlichen Disziplinarverfahrens regeln. Als Verwaltungsentscheidungen unterliegen sie der gerichtlichen Kontrolle im Verfahren nach § 126 Abs. 5 Satz 3 und 4 WDO, sind aber nicht selbst justizielle Akte.
22bb) Die Nebenentscheidungen sind materiell-rechtlich rechtmäßig.
23Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 WDO das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Schließlich ermächtigt § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO dazu, die Dienstbezüge teilweise einzubehalten. Die Anordnungen müssen auf einer wirksamen Einleitungsverfügung beruhen, von einem besonderen, sie rechtfertigenden Grund getragen und nach pflichtgemäßem Ermessen ergangen sein.
24(1) An der Rechtswirksamkeit der Einleitungsverfügung bestehen keine Zweifel.
25(2) Die für die Anordnung nach § 126 Abs. 2 WDO erforderliche Prognose der Verhängung der Höchstmaßnahme und der für Anordnungen nach § 126 Abs. 1 Satz 1 und 2 WDO erforderliche besondere Grund liegen vor.
26(a) Das Erfordernis eines besonderen rechtfertigenden Grundes beruht darauf, dass das Gesetz nicht stets bei der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens die in § 126 Abs. 1 WDO vorgesehenen Maßnahmen anordnet, sondern dafür eine behördliche Einzelfallprüfung vorsieht. Aus § 126 Abs. 2 WDO, wonach eine Einbehaltensanordnung nur bei einer voraussichtlich zu verhängenden Höchstmaßnahme ergehen darf, folgt im Umkehrschluss, dass für den Erlass von Nebenentscheidungen nach § 126 Abs. 1 WDO die Höchstmaßnahme nicht zwingend zu erwarten sein muss (vgl. 2 WDB 6.05 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 3 Rn. 27). Daher kommt ein besonderer Grund bei Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO regelmäßig bereits dann in Betracht, wenn eine Dienstgradherabsetzung oder die schwerste Disziplinarmaßnahme im Raum steht und der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde ( 2 WDB 4.22 - juris Rn. 12 ff. m. w. N.).
27Dabei impliziert die für eine Einbehaltensanordnung nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO erforderliche Prognose der Verhängung der Höchstmaßnahme bereits, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Soldaten und dem Dienstherrn aller Voraussicht nach objektiv zerstört ist. Dies spricht regelmäßig bereits mit hohem Gewicht für die Annahme, dass der Dienstbetrieb bei einem Verbleib des Soldaten im Dienst erheblich gestört ist und dass der Soldat deshalb nicht im Dienst bleiben kann ( 2 WDB 14.22 - juris Rn. 18). Insbesondere ist die Entscheidung einer Einleitungsbehörde, einen Soldaten, dessen Verfassungstreue ernsthaft in Zweifel steht, vorübergehend auf keinem Dienstposten einzusetzen, regelmäßig nicht sachwidrig (vgl. 2 WDB 5.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 12 Rn. 45).
28(b) Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungsergebnisse und unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel sowie von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind ( 2 WDB 4.22 - juris Rn. 16), besteht der hinreichend begründete Verdacht, dass der Soldat bereits durch das unter Ziffer 1.) der Einleitungsverfügung beschriebene Verhalten gegen § 8 SG in einer Weise verstoßen hat, die seine Entfernung aus dem Dienstverhältnis gebietet.
29(aa) Die unabhängig vom Dienstgrad nach § 8 SG bestehende politische Treuepflicht eines Soldaten verlangt von diesem zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Bundestag vertretenen Parteien zu identifizieren und sie zu unterstützen, auch wenn ihn dies nicht vom Zurückhaltungsgebot nach § 10 Abs. 6 SG befreit ( 2 WD 15.19 - BVerwGE 169, 66 Rn. 22); sie verpflichtet ihn jedoch, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen, für ihre Erhaltung einzutreten.
30(bb) Der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in § 8 SG ist identisch mit dem gleichlautenden Begriff, wie er bezogen auf Art. 21 Abs. 2 GG konturiert worden ist. Daraus folgt eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Begriffsinhalts ist danach die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip, für das die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller am politischen Willensbildungsprozess sowie die Rückbindung der Ausübung von Staatsgewalt an das Volk maßgeblich ist. Schließlich erfasst der Begriff den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 42 m. w. N.).
31(cc) Ein Soldat muss diese zentralen Verfassungsprinzipien nach § 8 Alt. 1 SG anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für sie eintreten (§ 8 Alt. 2 SG). Die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 39 und vom - 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 44). Mit der politischen Treuepflicht ist demnach ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen (vgl. 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 29). Dies gilt unabhängig davon, ob das Verhalten die Strafbarkeitsschwelle erreicht (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 23).
32(dd) Ein Verhalten, das den Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus erweckt, stellt insbesondere das Erweisen des - unter den Bedingungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbaren - Hitlergrußes (vgl. 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 46 und vom - 2 WD 7.20 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28 m. w. N.) oder die - unter den Bedingungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB strafbare - Präsentation von Hakenkreuzen dar ( 2 WD 1.22 - juris Rn. 19 sowie vom - 2 WD 25.20 - Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 25 m. w. N.).
33(ee) Die Leugnung oder Verharmlosung des Holocaust ist ebenfalls Ausdruck einer hohen Identifikation mit dem nationalsozialistischen Unrechtsregime. Sie ist der Versuch, das "Dritte Reich" von dem Makel des organisierten Judenmordes zu entlasten und die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zu verharmlosen (vgl. 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 <324 f.> und vom - 2 WD 9.99 - BVerwGE 111, 25 <27 f.>; 82 D 1.19 - juris Rn. 133). Es steht fest, dass die systematische wie massenhafte Ermordung jüdischer Menschen und damit die Negierung ihrer Lebens- und Würderechte - wie ausweislich des Besprechungsprotokolls der Wannsee-Konferenz über die "Endlösung der Judenfrage" vom (S. 1) ersichtlich (vgl. Weber, SchlHA 2005, 207) - ein zentrales Anliegen des rassistisch ausgerichteten Nationalsozialismus war (Safferling/Dauner-Lieb, NJW 2023, 1038 <1041 f.>; Essner-Conte, SchlHA 2005, 201; LG Frankfurt, Urteil vom 19./ - 4 Ks 2/63 -, veröffentlicht in: Justiz und NS-Verbrechen, Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945 - 1966, Bd. XXI, 361 <417 - 424>). In der Folgezeit kam es innerhalb und außerhalb der von den Nationalsozialisten errichteten Konzentrationslager zur massenhaften und grausamen Ermordung von Millionen von Juden. Die besondere Verwerflichkeit der Leugnung dieser auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellten historischen Tatsache ( - NJW 2018, 2858 Rn. 29) folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber ein solches Verhalten in der Öffentlichkeit oder in einer Versammlung durch § 130 Abs. 3 StGB für jedermann für strafbar erklärt hat, wenn dies geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören (zur Gesetzesgenese: BT-Drs. 12/7421; Stegbauer, NStZ 2000, 281 <281 ff.>). Die Einführung des § 130 Abs. 5 StGB hat an dieser gesetzgeberischen Wertung nichts geändert (BT-Drs. 20/4085; Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 130 Rn. 41b).
34Ein Soldat, der mit dem Leugnen der Judenvernichtung die nationalsozialistische Gewaltherrschaft vom Vorwurf des Massenmords reinzuwaschen versucht und dadurch nationalsozialistisches Gedankengut wieder gesellschaftsfähig macht, verletzt seine politische Treupflicht aus § 8 SG auch dann schwerwiegend, wenn dies nicht öffentlich oder außerhalb einer Versammlung erfolgt (vgl. 2 WD 9.99 - BVerwGE 111,25 <26 ff.>). Denn mit der Pflicht die freiheitliche demokratische Grundordnung anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten, sind Äußerungen nicht vereinbar, die aus Sicht eines neutralen Betrachters der Verharmlosung oder Verherrlichung der Gewalt- und Willkürherrschaft des Nationalsozialismus dienen. Die Ideologie des Nationalsozialismus ist mit den Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere mit der Achtung der Menschenwürde, der Anerkennung der Menschenrechte, der parlamentarischen Demokratie und dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Eine Verletzung der politischen Treuepflicht liegt darum schon dann vor, wenn Soldaten als auf die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 SG ausdrücklich Verpflichtete den Nationalsozialismus charakterisierende Fakten objektiv in Abrede stellen und damit nicht mehr die "gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung" des Grundgesetzes als "Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes" anerkennen ( - BVerfGE 124, 300 <328 f.>). Dies gilt insbesondere bezogen auf den Holocaust, der eine Tatsache darstellt, womit dessen Leugnung schon nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit erfasst wird. Denn geschützt werden von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auf (wahre) Tatsachen gestützte Wertungen ( - NJW 2018, 2858 Rn. 28 f.).
35(ff) Ist ein solches Verhalten zudem Ausdruck einer tatsächlich nationalsozialistischen oder ansonsten verfassungsfeindlichen Gesinnung eines Soldaten, womit er nicht nur für die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht eintritt, sondern sie auch nicht anerkennt im Sinne des § 8 Alt. 1 SG ( 2 WD 7.20 - NVwZ-RR 2021, 770 Rn. 32), bildet nicht die Herabsetzung im Dienstgrad den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, sondern die Entfernung aus dem Dienst (vgl. 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 <334 f.>, vom - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 44 ff. und vom - 2 WD 10.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 116 Rn. 44).
36(c) Der hinreichend begründete Verdacht, dass der Soldat tatsächlich über eine nationalsozialistische Gesinnung verfügt, besteht.
37(aa) Zwar hat er eine solche Gesinnung insbesondere in seinem Antrag auf Aufhebung der Nebenentscheidungen (vom ) in Abrede gestellt und sich davon ausdrücklich distanziert; des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass er selbst bei Einbeziehung des unter Ziffer 2.) der Einleitungsverfügung beschriebenen Verhaltens im Jahr 2019 über einen Zeitraum von dann vier Jahren keinen Anlass gegeben habe, an seiner verfassungsgemäßen Gesinnung zu zweifeln, zumal er zu keiner Zeit an irgendwelchen Treffen verfassungsfeindlicher Kräfte teilgenommen habe und die Zitate aus den - unverwertbaren - in Sprachnachrichten im Übrigen sarkastische oder satirische Überziehung gewesen seien. In seinem Antrag auf Entscheidung des Truppendienstgerichts (vom ) hat er zudem zunächst eingeräumte Äußerungen bestritten und behauptet, sie seien angesichts der propagandistischen Verwertung des Lebens des Generalfeldmarschalls Rommels, der in der Bundeswehr immer noch Anerkennung erfahre, in Relation zu stellen, und er kenne Herrn Wolf nur aus einer zwischenzeitlich beendeten Zugehörigkeit zur AfD, womit es sich um eine einmalige persönlichkeitsfremde Äußerung handele. Seine Einlassung, es werde nicht zwischen "nicht ernst gemeinten Äußerungen einerseits und andererseits einem ernst gemeinten nachhaltigen Bekenntnis zu nationalsozialistischen Gedankengut" differenziert, dürfte indes eine Schutzbehauptung sein.
38(bb) Dabei ist bei der Auslegung der in Rede stehenden Äußerungen des Soldaten von deren objektivem Erklärungsgehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen musste. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der die Äußerung fiel, zu berücksichtigen ( 2 WDB 2.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 11 Rn. 21 m. w. N.). Bei mehrdeutigen Äußerungen müssen andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden, bevor eine zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde gelegt wird (vgl. 2 WD 4.21 - Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 34 m. w. N.).
39(cc) Der Soldat mag den Holocaust zwar nicht ausdrücklich in Abrede gestellt haben, auch wenn es in der Stellungnahme des Soldaten ... ausdrücklich heißt, dieser habe mehrmals den Holocaust geleugnet; der Soldat hat allerdings an dessen Existenz unter Hinweis auf dies in Frage stellende Quellen jedenfalls erhebliche Zweifel geäußert, damit den Holocaust nicht als historisches Faktum anerkannt und dies als Folge seiner weltanschaulichen Grundpositionierung auch durchaus ernst gemeint. Dies folgt aus der Zusammenschau der aktenkundigen Zeugenaussagen:
40Hauptmann ... hat die im Gedächtnisprotokoll vom dargestellten Äußerungen des Soldaten am 10./, demzufolge er nicht abschließend beurteilen könne, ob ein Holocaust stattgefunden habe, und es Zweifel an der vorherrschenden Meinung zum Ablauf des Holocaust gebe, ausweislich seiner Vernehmung am in der Sache bestätigt. Bestätigt hat er darüber hinaus, den Soldaten nach dem Gespräch noch einmal zeitnah aufgesucht zu haben, um sich - zur Vermeidung einer Meldung - zu vergewissern, dass die Äußerungen tatsächlich ernst gemeint gewesen seien. In diesem zweiten Gespräch habe der Soldat geäußert, er könne nicht abschließend den Holocaust beurteilen. Bereits dieser Umstand spricht dagegen, dass es sich in der Nacht vom 10. auf den um eine unüberlegte Positionierung des Soldaten zum Holocaust gehandelt hat. Zudem hat der in das Gespräch im September 2015 nicht involvierte Soldat ... ausweislich der Niederschriften vom 21. und ausgeführt, der Soldat habe in der Mittagspause anlässlich einer Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg ausgeführt, eine Massenvernichtung von Juden habe niemals stattgefunden, es handle sich um eine Holocaustlüge. Auch der an dem Gespräch im September 2015 Unbeteiligte Soldat ... hat ausweislich der Vernehmungsniederschriften vom 21. März, 20. April und bestätigt, die Meinung des Soldaten sei gewesen, dass es den Holocaust nie gegeben habe. Da er auch ausgesagt hat, diese Äußerungen des Soldaten seien 2018/2019 gefallen, spricht ein weiterer Umstand dagegen, dass es sich um eine einmalige (unbedachte) Äußerung des Soldaten innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren gehandelt hat, die keinen Rückschluss auf seine grundsätzliche Gesinnung zulässt. Weitere dokumentierte Aussagen Dritter runden das Bild von einem Soldaten ab, der sich bewusst von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung distanziert; so etwa die Aussage des Soldaten ... (vom ), demzufolge sich der Soldat als sogenannter Reichsbürger geoutet habe, womit er ebenfalls gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen hätte ( 2 WD 10.21 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 116 Rn. 20). Auch die in den Niederschriften vom 21. März sowie dokumentierte Aussage des Soldaten ..., der Soldat habe mehrfach gesagt, dass das Grundgesetz nur ein vorläufiges und provisorisches Schriftstück sei, unterstreicht, dass die Äußerungen des Soldaten am 10./ auch im Kontext und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der sie seinerzeit fielen (vgl. 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 34 und vom - 2 WD 17.19 - BVerwGE 168, 323 Rn. 31), nicht situativ und affektiv bedingt gefallen sind, nicht mehrdeutig und erst Recht nicht persönlichkeitsfremd waren.
41(3) Die Einbehaltensanordnung weist angesichts der vom Bundeswehrdisziplinaranwalt dargelegten Begründung auch keine Ermessensfehler auf. Sie hält sich in den gesetzlichen Grenzen und ist erkennbar am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgerichtet. Sie genügt dem Verhältnismäßigkeitsgebot, da sie sich mit einem Einbehaltenssatz von 50 % im Rahmen des gesetzlich höchst zulässigen bewegt (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO) und der Soldat auch nicht Umstände dargelegt hat, dass die Kürzung für ihn trotz des Gewichts des ihm vorgeworfenen Fehlverhaltens angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse wirtschaftlich untragbar wäre.
42Sollten weitere Ermittlungen die Prognose zu Gunsten des Soldaten verändern oder sollte das Verfahren überlang dauern, ist die Einleitungsbehörde gemäß § 126 Abs. 5 Satz 1 WDO bereits von Amts wegen gehalten, die Einbehaltensanordnung auf ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen (vgl. 2 WDB 10.20 - Buchholz 450.2 § 126 WDO 2002 Nr. 15 Rn. 20 ff.). Die Aufklärung des im Rahmen der Zeugenvernehmung entstandenen Verdachts ggf. weiterer Pflichtverletzungen - in Gestalt der Beeinflussung ihm unterstehender und impfbereiter Soldaten - rechtfertigt jedenfalls nicht, mit der Vorlage einer Anschuldigungsschrift weiter zuzuwarten, nachdem die Einleitungsverfügung von Juli 2021 datiert. Unberührt bleibt bei alledem das Recht des Soldaten, einen Antrag nach § 101 Abs. 1 Satz 1 WDO zu stellen.
433. Einer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bedurfte es nicht. Diese werden von der zur Hauptsache ergehenden Kostenentscheidung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens miterfasst (vgl. 2 WDB 9.20 - juris Rn. 52 m. w. N.).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:080523B2WDB13.22.0
Fundstelle(n):
AAAAJ-43682