BGH Beschluss v. - 1 StR 79/23

Steuerhinterziehung durch unterlassene Abgabe der Einkommensteuererklärung; Einziehung bei Versuchsstraftat

Leitsatz

1. Unternehmergesellschaften sind Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln. Ein Gewinn wird beim Betriebsvermögensvergleich u.a. dann realisiert, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen durch Veräußerung ausscheidet und der Steuerpflichtige stattdessen eine Gegenleistung erlangt, deren zu bilanzierender Wert höher ist als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirt-schaftsguts. Diesen Anforderungen werden die Feststellungen des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat den Gewinn der K., deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte war, rechtsfehlerhaft nach Art einer Einnahmeüberschussrechnung ermittelt und von dem im maßgeblichen Veranlagungszeitraum zugeflossenen Erlös aus dem Verkauf der Innenausstattung und des Inventars des Gastronomiebetriebs in Höhe von 270.000 € lediglich die laufenden Betriebsausgaben, vornehmlich solche für eine Eröffnungsfeier, abgezogen; zum Buchwert der veräußerten Gegenstände, der betragsmäßig nicht zu vernachlässigen sein dürfte, verhält sich das Urteil aber nicht.

2. Bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen tritt – sofern nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist – der Taterfolg der Steuerverkürzung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung pflichtgemäß eingereicht worden wäre; dies ist spätestens dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat Der Tatvorwurf war jedoch von der Anklageschrift vom umfasst, der Angeklagte erlangte damit spätestens durch die Übermittlung der Anklage und somit bereits vor Tatvollendung Kenntnis von dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren. Da die [Strafbewehrung der] Erklärungspflicht wegen des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung von diesem Zeitpunkt an suspendiert war, ist der Angeklagte nur wegen Versuchs und nicht wegen Vollendung zu bestrafen.

Gesetze: § 370 Abs 1 Nr 2 AO, § 1 Abs 1 Nr 1 KStG, § 8 Abs 1 S 1 KStG

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 71 KLs 4/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in zwei Fällen und wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der ersparten Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag mit einem Betrag von (abgerundet) 69.200 € angeordnet. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. In den Fällen III. 2. und III. 3. der Urteilsgründe (Körperschaft- und Gewerbesteuer 2018 der K.     ) ist der Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) aufzuheben, weil das Landgericht den Gewinn rechtsfehlerhaft berechnet hat und der Senat anhand der lückenhaften Feststellungen den Gewinn nicht selbst ermitteln kann.

3a) Unternehmergesellschaften sind Kapitalgesellschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 7 Abs. 1 GewStG, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) ermitteln (, BFHE 273, 137 Rn. 22 mwN). Ein Gewinn wird beim Betriebsvermögensvergleich u.a. dann realisiert, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen durch Veräußerung ausscheidet und der Steuerpflichtige stattdessen eine Gegenleistung erlangt, deren zu bilanzierender Wert höher ist als der Buchwert des ausgeschiedenen Wirtschaftsguts (, BFHE 237, 453 Rn. 22 mwN).

4b) Diesen Anforderungen werden die Feststellungen des Landgerichts nicht gerecht. Das Landgericht hat den Gewinn der K.    , deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Angeklagte war, rechtsfehlerhaft nach Art einer Einnahmeüberschussrechnung ermittelt und von dem im maßgeblichen Veranlagungszeitraum zugeflossenen Erlös aus dem Verkauf der Innenausstattung und des Inventars des Gastronomiebetriebs in Höhe von 270.000 € lediglich die laufenden Betriebsausgaben, vornehmlich solche für eine Eröffnungsfeier, abgezogen; zum Buchwert der veräußerten Gegenstände, der betragsmäßig nicht zu vernachlässigen sein dürfte, verhält sich das Urteil aber nicht.

52. Im Fall III. 5. der Urteilsgründe wird eine vollendete Steuerhinterziehung durch die unterlassene Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) nicht von den Feststellungen getragen.

6a) Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom zutreffend ausgeführt:

„Bei der Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch Unterlassen tritt - sofern nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist - der Taterfolg der Steuerverkürzung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung pflichtgemäß eingereicht worden wäre; dies ist spätestens dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom - 1 StR 215/21 -, Rn. 8 m. w. N.). Bei dem für die Veranlagung des Angeklagten zuständigen Finanzamt H.  waren die Arbeiten für die Einkommensteuer des Jahres 2019 bis zum ganz überwiegend abgeschlossen (UA S. 31).

Der Tatvorwurf war jedoch von der Anklageschrift vom umfasst (vgl. UA S. 32). Der Angeklagte erlangte spätestens durch die Übermittlung der Anklage und somit bereits vor Tatvollendung Kenntnis von dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren. Da die [Strafbewehrung der] Erklärungspflicht wegen des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung von diesem Zeitpunkt an suspendiert war, ist der Angeklagte nur wegen Versuchs und nicht wegen Vollendung zu bestrafen (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 215/21 -, Rn. 10 m. w. N.).“

7b) Der Senat ändert daher den Schuldspruch selbst ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog); die zugehörige Einzelstrafe ist aufzuheben. Dem geänderten Antrag des Generalbundesanwalts vom , diesen Fall nach § 154 Abs. 2, 1 Nr. 1 StPO einzustellen, ist der Senat nicht gefolgt.

83. Die Aufhebung der Fälle III. 2. und III. 3. sowie der Einzelstrafe im Fall III. 5. der Urteilsgründe bedingen die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Die Strafzumessung in den übrigen und anders gelagerten Fällen bleibt hiervon unbeeinflusst.

94. Da der Angeklagte im Fall III. 5. der Urteilsgründe nur des Versuchs schuldig ist, hat der zugehörige Einziehungsbetrag in Höhe von 12.976,58 € zu entfallen (zuletzt Rn. 6 mwN). Allein die Vermögensabschöpfung im Fall III. 4. der Urteilsgründe (Einkommensteuerverkürzung betreffend das Jahr 2018 durch Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung trotz Vereinnahmens verdeckter Gewinnausschüttungen von der K.    , von der sich der Angeklagte den überwiegenden Teil des Kaufpreises für das Inventar ausbezahlen ließ) hat Bestand.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:160523B1STR79.23.0

Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 246 Nr. 8
AO-StB 2023 S. 247 Nr. 8
wistra 2023 S. 430 Nr. 10
IAAAJ-43662