BGH Beschluss v. - V ZR 171/22

Nichtzulassungsbeschwerde: Bemessung des Beschwerdewertes bei einer Herausgabeklage

Gesetze: § 6 ZPO, § 544 Abs 2 Nr 1 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 19 U 196/18vorgehend LG Frankfurt Az: 2-10 O 226/17

Gründe

I.

1Der Beklagte ist Insolvenzverwalter. Die Insolvenzschuldnerin bot Beteiligungen an großflächigen Photovoltaikanlagen in Form einer Teileigentumsübertragung an. Die Gesamtanlage mietete sie von den einzelnen Investoren zurück; die Miete sollte durch die Einspeisevergütung bestritten werden. Die Klägerin schloss nach diesem Modell mit der Insolvenzschuldnerin im September 2010 einen Vertrag über den Erwerb und die Errichtung einer Photovoltaikanlage und die Überlassung von Dachflächen zum Betrieb der Anlage sowie eines Mietverhältnisses über die Anlage. Der Kaufpreis für die von der Klägerin zu erwerbenden Teile der Gesamtanlage betrug 31.402,50 € netto. Mit einem Nachtrag vereinbarten die Klägerin, die Insolvenzschuldnerin und eine neue Mieterin einen Abänderungsvertrag, in dessen Folge die neue Mieterin und die Klägerin im April/Mai 2011 einen Mietvertrag über die Photovoltaikanlage schlossen. Nach Insolvenz der neuen Mieterin wählte deren Insolvenzverwalter im August 2016 die Nichterfüllung des Vertrags.

2Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Herausgabe ihrer Solarmodule an sich, hilfsweise an die Gemeinschaft der Eigentümer, an welche auch die zugehörigen Wechselrichter nebst Unterkonstruktion herausgegeben werden sollen. Ferner begehrt sie Auskunft über die seit dem vereinnahmten Einspeisevergütungen. Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin Auskunft über die seit dem vereinnahmte Einspeisevergütung für die Photovoltaikanlage zu erteilen. Auf die wechselseitigen Berufungen der Parteien hat das Berufungsgericht den Beklagten weitergehend verurteilt, 53 Solarmodule an die Klägerin und diverse, näher bezeichnete Wechselrichter nebst Zubehör an die namentlich bezeichnete Gemeinschaft der Eigentümer herauszugeben. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

II.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

41. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend; um dem Revisionsgericht die Prüfung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung zu ermöglichen, muss der Beschwerdeführer innerhalb laufender Begründungsfrist darlegen und gemäß § 294 ZPO glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 140/20, BeckRS 2021, 5163 Rn. 4 mwN).

52. Der Beklagte hat in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eine 20.000 € übersteigende Beschwer nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.

6a) Er meint, seine Beschwer stimme mit dem von dem Berufungsgericht für das Berufungsverfahren festgesetzten Streitwert von 21.960 € überein. Dies trifft nicht zu. Dieser Vortrag genügt zur Glaubhaftmachung nicht.

7aa) Bei einer Herausgabeklage ist der Wert nach § 6 ZPO zu bemessen. Die Beschwer des Beklagten wird deshalb durch den Wert der herauszugebenden Sache bestimmt (vgl. , NJW-RR 2001, 518; Beschluss vom - XII ZR 65/91, NJW-RR 1991, 1210). Im Zusammenhang mit der Berechnung der Beschwer im Sinne des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und damit des Wertes des Beschwerdegegenstandes für das beabsichtigte Revisionsverfahren ist Stichtag für die Bewertung der einzelnen Gegenstände abweichend von § 4 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am (vgl. , GRUR-RS 2020, 34934 Rn. 8; Beschluss vom - VII ZR 151/19, NJW-RR 2020, 1258 Rn. 9). Damit sind die in diesem Zeitpunkt bestehenden Verhältnisse für die Wertberechnung maßgeblich. Dies gilt auch für die Fälle, in denen sich - bei unverändertem Streitgegenstand - der Wert des Beschwerdegegenstandes gegenüber dem Zuständigkeitsstreitwert erster Instanz (vgl. für das insoweit vergleichbare Berufungsverfahren , BeckRS 2016, 2705 Rn. 9) oder gegenüber dem Wert der Beschwer im Berufungsverfahren verändert hat. Das bedeutet für das Beschwerdeverfahren, dass die zwischenzeitliche Wertminderung der herausverlangten Gegenstände bei der Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstandes zu berücksichtigen ist.

8bb) Die Festsetzung des Wertes durch das Berufungsgericht bindet das Revisionsgericht dabei nicht, da es selbst über die Höhe der Beschwer zu befinden hat (vgl. , GRUR-RS 2020, 34934 Rn. 8; Beschluss vom - XII ZR 110/02, NJW-RR 2005, 224). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beeinflusst der Wert der hinterlegten Einspeisevergütung die Höhe der Beschwer des Beklagten nicht, da die Freigabe der hinterlegten Einspeisevergütung nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.

9cc) Nach diesen Grundsätzen fehlt es an einer Darlegung des Wertes der herauszugebenden Bestandteile der Photovoltaikanlage, die von der Klägerin im September 2010 zum Kaufpreis von 31.402,50 € netto erworben wurden und im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am bereits annähernd 12 Jahre alt waren. Insbesondere hat der Beklagte keinen Vortrag zur zwischenzeitlichen Wertminderung der herauszugebenden Gegenstände gehalten.

10b) Der Senat schätzt die Beschwer auf 13.321 €.

11aa) Das Revisionsgericht muss im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegebenenfalls eine Schätzung vornehmen; als Grundlage der Schätzung dienen dabei aber nur solche Tatsachen, die der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist dargelegt und glaubhaft gemacht hat oder die jedenfalls in Verbindung mit dem Berufungsurteil offenkundig sind (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 149/21, ZWE 2022, 293 Rn. 7).

12bb) Das Berufungsgericht orientiert sich bei seiner Wertfestsetzung offenkundig an der Streitwertfestsetzung durch das . Dieses nimmt für die Herausgabeklage wiederum Bezug auf die Berechnung der Klägerin in der Klageschrift. Die Klägerin hat den Streitwert unter Zugrundelegung einer gleichmäßigen Abschreibung der im September 2010 erworbenen Solaranlage über einen Zeitraum von 20 Jahren ermittelt, in dem nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) eine Einspeisevergütung garantiert wird. Unter Berücksichtigung eines Kaufpreises von 31.402,50 € netto und einer Restnutzungszeit von etwa acht Jahren im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am schätzt der Senat den Restwert auf 12.561 €. Für den Auskunftsantrag legt der Senat mangels anderer Anhaltspunkte den von dem Berufungsgericht angenommenen Wert von 760 € zugrunde.

III.

13Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:300323BVZR171.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-43558