Berufung: Zulässigkeit hilfsweise erhobener Klageansprüche; gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung
Leitsatz
1. Legt der Kläger, der in erster Instanz mit seinem Hauptantrag obsiegt hat, als Berufungsbeklagter seinen bereits erstinstanzlich in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise hilfsweise erhobenen Klageanspruch erstmalig in dem Berufungsrechtszug schlüssig dar, muss er sich hierfür nicht gemäß § 524 ZPO der Berufung des Berufungsklägers anschließen.
2. Ausführungen des Berufungsgerichts zu der fehlenden Begründetheit des Hilfsantrags gelten als nicht geschrieben, wenn das Berufungsgericht zugleich rechtsfehlerhaft annimmt, der erstinstanzlich mit dem Hauptantrag erfolgreiche Kläger hätte sich für die Geltendmachung seines Hilfsantrags in der Berufungsinstanz gemäß § 524 ZPO der Berufung des Beklagten anschließen müssen.
Gesetze: § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 524 ZPO
Instanzenzug: OLG Zweibrücken Az: 5 U 106/20vorgehend LG Frankenthal Az: 6 O 101/19
Tatbestand
1Die Kläger erwarben von dem Beklagten auf der Grundlage eines notariellen Kaufvertrags vom zu einem beurkundeten Kaufpreis von 150.000 € ein Grundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Das Grundstück war bei Vertragsschluss mit einem unbewohnten renovierungsbedürftigen Vorderhaus und einem ausgebauten, von dem Beklagten und seiner Ehefrau bewohnten Hinterhaus (im Folgenden: Bungalow) bebaut. Nach der Baugenehmigung, welche der Beklagte den Klägern erst nach Vertragsschluss zukommen ließ, ist der Bungalow als „Rückgebäude mit Garage und Abstellräumen“ baurechtlich genehmigt, nicht aber als Wohnung. Die Kläger leisteten noch vor Übergabe des Grundstücks eine Barzahlung von 85.000 € an den Beklagten, deren Grund zwischen den Parteien im Streit steht.
2Gestützt auf die Behauptung, der Beklagte habe ihnen gegenüber die werkvertragliche Verpflichtung zu dem Ausbau des Vorderhauses übernommen, haben die Kläger mit der Klage nach erklärtem Rücktritt von dem behaupteten Werkvertrag zunächst die Rückzahlung der nach ihrer Behauptung als Werklohn gezahlten 85.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Hilfsweise stützen sie ihre Klage auf eine kaufrechtliche Minderung bzw. einen Schadensersatzanspruch wegen arglistigen Verschweigens der fehlenden Genehmigung für die Nutzung des Bungalows zu Wohnzwecken. Das Landgericht hat der Klage aufgrund des Hauptvorbringens der Kläger stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ausschließlich ihren Hilfsantrag weiter.
Gründe
I.
3Das Berufungsgericht meint, die Klage bleibe auch mit dem Hilfsantrag erfolglos. Die Kläger hätten ihren Eventualklageanspruch in erster Instanz in Bezug auf die behauptete Arglist des Beklagten sowie den angeblich verminderten Verkehrswert des Kaufgrundstücks bzw. die behauptete Schadenshöhe nicht schlüssig dargelegt. Sie hätten sich daher der Berufung des Beklagten anschließen müssen, soweit sie ihre in erster Instanz erfolgreiche Klage auf Rückzahlung von Werklohn in der Berufungsinstanz hilfsweise auf diesen Eventualklagegrund hätten stellen wollen und sie hierfür erstmals schlüssigen Vortrag gehalten hätten. Auch wenn die Einführung des neuen Klagegrundes eine Änderung des Sachantrags nicht erforderlich mache, weil die beiden Ansprüche kumulativ geltend gemacht werden könnten, sei das Rechtsschutzziel der Kläger in der Berufung über die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung hinausgegangen, wenn sie tatsächlich auch Schadensersatz hätten geltend machen wollen.
4Der Hilfsantrag sei auch in der Sache unbegründet. Aus dem Vortrag ergebe sich weder Arglist des Beklagten noch hätten die Kläger die Höhe der von ihnen begehrten Kaufpreisminderung bzw. den Verkehrsminderwert des Grundstücks schlüssig dargelegt. Der neue Sachvortrag zur Höhe eines Schadensersatzanspruchs sei zudem sowohl nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen als auch als verspätet nach § 521 Abs. 2, § 277, § 296 Abs. 1 ZPO.
II.
5Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
61. Die angefochtene Entscheidung lässt sich nicht mit der Begründung aufrechterhalten, die Kläger hätten ihr Hilfsbegehren in der Berufungsinstanz nur im Wege der Anschlussberufung geltend machen können.
7a) Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei erkennt das Berufungsgericht, dass die Kläger bereits erstinstanzlich eine Klagehäufung in Eventualstellung nach §260 ZPO vorgenommen haben, indem sie sich hilfsweise auf kaufrechtliche Sachmängelansprüche im Hinblick auf die baurechtlich nicht genehmigte Nutzung des Bungalows zu Wohnzwecken berufen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die von dem Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 298/13, NJW 2014, 3314 Rn. 12; , BGHZ 204, 134 Rn. 14, jeweils mwN). Die Kläger, die erstinstanzlich mit dem auf den Rücktritt von dem Werkvertrag gestützten Zahlungsbegehren durchgedrungen waren, haben dadurch, dass sie dieses Begehren zusätzlich mit dem Minderungs- bzw. Schadensersatzanspruch wegen arglistigen Verschweigens der fehlenden Baugenehmigung unterlegt haben, zwar äußerlich nur einen Antrag gestellt, ihr Klagebegehren aber auf zwei verschiedene Klagegründe gestützt. Sie haben damit erklärt, für den Fall einer Abweisung des auf Rückzahlung von Werklohn gerichteten Hauptantrags eine Titulierung des auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützten Anspruchs auf Minderung bzw. Schadensersatz herbeiführen zu wollen.
8b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts mussten die Kläger weiteren Vortrag zum Hilfsklagegrund des Minderungs- bzw. Schadensersatzanspruchs zweitinstanzlich nicht im Wege der Anschlussberufung (§ 524 ZPO) in den Rechtsstreit einführen.
9aa) Richtig ist allerdings, dass sich der Berufungsbeklagte, der sich nicht nur auf die Abwehr der Berufung beschränken will, sondern seine in erster Instanz erfolgreiche Klage erweitern oder auf einen neuen Klagegrund stellen will, dazu gemäß § 524 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen muss (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 13; , BGHZ 204, 134 Rn. 15; Urteil vom - VII ZR 145/12, NJW 2015, 2812, Rn. 28). Das gilt auch dann, wenn die Einführung des neuen Klagegrundes eine Änderung des Sachantrags nicht erforderlich macht. Auch in einem solchen Fall will nämlich der Berufungsbeklagte, der im Berufungsrechtszug seine Klage auf einen anderen Klagegrund stützt, damit mehr erreichen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 14; , BGHZ 204, 134 Rn. 15).
10bb) Das Berufungsgericht verkennt jedoch, dass die Kläger ihren Hilfsantrag schon im ersten Rechtszug rechtshängig gemacht haben, so dass sie ihn in der Berufungsinstanz weiterverfolgen können, ohne sich der Berufung des Beklagten anschließen zu müssen.
11(1) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt ein wegen Zuerkennung des Hauptantrags erstinstanzlich nicht beschiedener Hilfsantrag des Klägers in der Berufungsinstanz allein durch die Rechtsmitteleinlegung seitens des Beklagten an, ohne dass es einer Anschlussberufung bedarf. Es besteht keine Veranlassung, von dem in erster Instanz voll obsiegenden Kläger die Einlegung eines Rechtsmittels, auch nicht im Wege einer Eventual-Anschließung, gegen ein zu seinen Gunsten ergangenes Urteil zu verlangen, um die volle Überprüfung seines unveränderten Klagebegehrens im Rechtsmittelzug sicherzustellen (vgl. , NJW-RR 2005, 220; Beschluss vom - VIII ZR 190/18, NJW 2019, 1950 Rn. 19; Urteil vom - III ZR 208/12, NJW-RR 2013, 1334 Rn. 9).
12(2) So ist es hier. Die Kläger haben sich bereits im ersten Rechtszug auf ihren Hilfsantrag berufen. Mit der Verfolgung ihres auf Minderung bzw. Schadensersatz gerichteten Hilfsantrags gehen die Kläger im Berufungsverfahren sachlich nicht über ihr bereits erstinstanzlich anhängiges Begehren hinaus. Insbesondere erweitern sie weder ihre Klage noch stellen sie diese auf einen neuen Klagegrund.
13(3) Eine andere Beurteilung wäre selbst dann nicht angezeigt, wenn die Annahme des Berufungsgerichts - wie nicht (hierzu unten Rn. 21 ff.) - zutreffend wäre, die Kläger hätten ihren Eventualklageanspruch in erster Instanz nicht schlüssig vorgetragen. Legt der Kläger, der in erster Instanz mit seinem Hauptantrag obsiegt hat, als Berufungsbeklagter seinen bereits erstinstanzlich in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise hilfsweise erhobenen Klageanspruch erstmalig in dem Berufungsrechtszug schlüssig dar, muss er sich hierfür nicht gemäß § 524 ZPO der Berufung des Berufungsklägers anschließen. Denn in diesen Fällen erweitert der Berufungsbeklagte durch seinen ergänzenden Sachvortrag den Streitgegenstand der Rechtsmittelinstanz nicht. Für eine Individualisierung des Klageanspruchs im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig und substantiiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann (vgl. , NZG 2020, 1149 Rn. 11; Urteil vom - VIII ZR 194/17, NJW-RR 2019, 398 Rn. 13; Urteil vom - X ZR 62/98, NJW 2000, 3492, 3493). Diesen Anforderungen wird der Vortrag der Kläger auch im Hinblick auf einen Minderungs- bzw. Schadensersatzanspruch gerecht. Die Kläger haben ihren Anspruch darauf gestützt, dass der Beklagte die fehlende Baugenehmigung für den Bungalow zu Wohnzwecken bei Abschluss des Kaufvertrags arglistig verschwiegen hat. Dieser Vortrag war jedenfalls ausreichend, um den Klagegegenstand im vorliegenden Verfahren im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend zu bestimmen. Ob ergänzender Vortrag hierzu im Berufungsrechtszug Berücksichtigung finden kann, richtet sich - wie die Revision zu Recht geltend macht - allein nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 529, 530, 531 ZPO.
142. Soweit das Berufungsgericht den Hilfsantrag auch in der Sache für unbegründet hält, gelten die hilfsweise gemachten Ausführungen zur Unbegründetheit des Hilfsantrags als nicht geschrieben und sind daher unbeachtlich.
15a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine gleichzeitige Prozess- und Sachabweisung in demselben Urteil wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen einer Sach- gegenüber einer Prozessabweisung nicht zulässig. Der Teil des Urteils, der sich auf die fehlende Begründetheit bezieht, gilt in einem solchen Fall als nicht geschrieben (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 266/16, NJW-RR 2018, 974 Rn. 15; Urteil vom - V ZR 58/08, BeckRS 2009, 22035 Rn. 11; , NJW 1997, 2176, 2177).
16b) Nach diesen Grundsätzen sind die beiden Abweisungsgründe auch im vorliegenden Fall miteinander unvereinbar. Das Berufungsgericht nimmt an, dass sich die Kläger der Berufung des Beklagten rechtzeitig hätten anschließen müssen, wenn sie in der Berufungsinstanz ihre Klage auch auf den Hilfsantrag hätten stützen wollen. Da es an einer Anschlussberufung fehlt, ist der Hilfsantrag aus der Sicht des Berufungsgerichts in der Berufungsinstanz nicht zur Entscheidung angefallen, so dass über das Hilfsbegehren nicht zu entscheiden und dessen Begründetheit nicht zu prüfen war. Erachtet das Berufungsgericht gleichwohl den Hilfsantrag nach rechtlicher Prüfung als unbegründet, bleibt unklar, ob die klageabweisende Entscheidung als Sachurteil in Rechtskraft erwächst. Ausführungen des Berufungsgerichts zu der fehlenden Begründetheit des Hilfsantrags gelten daher ebenfalls als nicht geschrieben, wenn das Berufungsgericht - wie hier - zugleich rechtsfehlerhaft annimmt, der erstinstanzlich mit dem Hauptantrag erfolgreiche Kläger hätte sich für die Geltendmachung seines Hilfsantrags in der Berufungsinstanz gemäß § 524 ZPO der Berufung des Beklagten anschließen müssen.
III.
171. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur Nachholung der für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
182. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
19a) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich, anders als das Berufungsgericht meint, ein Anspruch der Kläger auf Minderung (§ 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1, § 346 Abs. 1 BGB) bzw. Schadensersatz (§ 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB) nicht verneinen, wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, dass der Kaufvertrag wirksam und die Kaufsache mangelhaft ist, weil es an einer baurechtlichen Genehmigung der Nutzung des Bungalows zu Wohnzwecken fehlt (vgl. hierzu Senat, Urteil vom - V ZR 266/11, NJW 2013, 2182 Rn. 9; Urteil vom - V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, 2381).
20aa) Das Berufungsgericht wird die Voraussetzungen des arglistigen Verschweigens der fehlenden Baugenehmigung zu prüfen haben. Nach dem Vorbringen der Revision soll der Beklagte nicht vorgetragen haben, dass der Beklagte die von ihm vorgenommenen Umbauarbeiten für von der erteilten Baugenehmigung abgedeckt bzw. für nicht genehmigungsbedürftig gehalten habe. Das Gericht darf seiner Entscheidung nur das Tatsachenmaterial zugrunde legen, das von den Parteien vorgetragen ist (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 241/88, NJW-RR 1990, 507). Andernfalls verletzt es den im Zivilverfahren geltenden Beibringungsgrundsatz und verstößt gegen § 286 ZPO.
21bb) Die Annahme, dass die Kläger die Anspruchshöhe nicht schlüssig dargelegt haben, überspannt die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags.
22(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 17/17, NZM 2018, 294 Rn. 10; Beschluss vom - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10; Urteil vom - V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, 70). Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 170/01, NJW-RR 2003, 69, 70; Urteil vom - V ZR 95/91, NJW 1992, 3106). In Fallgestaltungen, in denen ein erfolgversprechender Parteivortrag fachspezifische Fragen betrifft und besondere Sachkunde erfordert, dürfen an den klagebegründenden Sachvortrag der Partei nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Die Partei darf sich in diesem Fall auf den Vortrag von ihr zunächst nur vermuteter Tatsachen beschränken. Zur Ermittlung von Umständen, die ihr nicht bekannt sind, ist eine Partei im Zivilprozess grundsätzlich nicht verpflichtet (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 128/22, juris Rn. 9 mwN).
23(2) Nach diesen Grundsätzen ist der bereits erstinstanzlich gehaltene Vortrag der Kläger zu der Höhe einer Kaufpreisminderung bzw. zu der Schadenshöhe ohne jeden Zweifel schlüssig und hinreichend substantiiert.
24(a) Die Kläger haben bereits erstinstanzlich im Schriftsatz vom vorgetragen und durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt, dass das Grundstück um 85.000 € im Wert gemindert sei, weil es an einer Baugenehmigung fehle, den Bungalow zu Wohnzwecken nutzen zu dürfen. Weiterer Vortrag ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht erforderlich. Kommt es auf den Verkehrswert einer Sache an, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige Partei einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt. Unbeachtlich ist eine solche Behauptung nur dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein” aufgestellt worden ist; bei der Annahme eines solch rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - für welches vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen - ist allerdings Zurückhaltung geboten (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 11).
25(b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, es liege fern, dass der Minderwert des Grundstücks mindestens der Höhe des von den Klägern gezahlten Bargeldbetrags entspreche, stellt zudem eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar. Eine unzulässige Beweisantizipation liegt vor, wenn der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 64/17, BeckRS 2017, 134558 Rn. 19; Beschluss vom - V ZR 141/11, WuM 2012, 164 Rn. 8). So liegt es hier. Die Kläger haben sich zum Beweis des von ihnen behaupteten Minderungsbetrags auf ein Sachverständigengutachten berufen. Das Berufungsgericht darf das erhebliche Beweisangebot jedenfalls nicht unter Hinweis auf fehlende Wahrscheinlichkeit des Klägervortrags unberücksichtigt lassen.
26(c) Entgegen der nicht näher begründeten Ansicht des Berufungsgerichts ist auch der von den Klägern bereits erstinstanzlich gehaltene Vortrag zu der Höhe des durch die behauptete arglistige Täuschung verursachten Schadens schlüssig. Der unter Sachverständigenbeweis gestellte Vortrag der Kläger in dem Schriftsatz vom , das Grundstück sei wegen der fehlenden Baugenehmigung 85.000 € weniger wert, ist nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen ebenfalls geeignet, den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zu begründen. Steht dem Käufer bei Vorliegen eines Mangels ein Schadensersatzanspruch zu, so kann er im Rahmen des kleinen Schadensersatzes Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verlangen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33). Die nicht fachkundigen Kläger durften sich auf den Vortrag eines zunächst nur vermuteten mangelbedingten Minderwerts des Grundstücks von 85.000 € beschränken.
27(d) Weil das Vorbringen schlüssig war, ist der im Schriftsatz vom enthaltene weitere Vortrag nicht neu und kann, wie die Revision zu Recht rügt, nicht verspätet sein; darauf, dass das Vorbringen ohnehin nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO zugelassen werden musste, kommt es ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass das Berufungsgericht die Kläger nicht auf die seiner Ansicht nach fehlende Schlüssigkeit der Darlegung der Schadenshöhe hingewiesen hat, obwohl eine in erster Instanz obsiegende Partei nach ständiger Rechtsprechung darauf vertrauen darf, dass sie vom Berufungsgericht, das der Beurteilung der Vorinstanz in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht folgen will, so rechtzeitig einen Hinweis erhält, dass sie hierauf noch reagieren kann (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 300/18, NZM 2021, 41 Rn. 7).
28b) Sollte das Berufungsgericht arglistiges Verhalten des Beklagten feststellen, wird es den Klägern Gelegenheit geben müssen, abschließend zu erklären, ob sie mindern oder einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend machen wollen. Hinsichtlich derselben Vermögenseinbuße schließen sich Minderung und kleiner Schadensersatz statt der Leistung aus (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 122/10, NJW 2011, 2953 Rn. 16). Eine Frist zur Nacherfüllung wäre jedenfalls nicht erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZR 249/05, NJW 2007, 835 Rn. 15).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:280423UVZR270.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 10 Nr. 29
NJW-RR 2023 S. 1166 Nr. 17
QAAAJ-43402