Bindung an die Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren - unzulässige Teilkostenentscheidungen - Berichtigung von Kostengrundentscheidungen bei offenbarer Unrichtigkeit
Gesetze: § 103 Abs 1 ZPO, § 104 ZPO, § 319 Abs 1 ZPO, § 321 ZPO
Instanzenzug: Az: 42 Ca 2702/17 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 6 Sa 1407/18 Beschlussvorgehend Az: 42 Ca 2702/17 Beschlussvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 26 Ta (Kost) 6240/21 Beschluss
Gründe
1I. Die Beklagten wenden sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss.
2Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer durch den Beklagten zu 1. ausgesprochenen Kündigung, Vergütungsansprüche, Reisekosten und eine Verzugspauschale gestritten. Der Beklagte zu 1. hat widerklagend Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts haben sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 1. Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung mit Schriftsatz vom zurückgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom selben Tag dem Kläger „die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten“ auferlegt. Der Beklagte zu 1. hat die Frist für die Begründung seiner Berufung versäumt. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin seine Berufung mit Beschluss vom als unzulässig verworfen und ihm „die Kosten der Berufung“ auferlegt.
3Der Kläger hat mit Schriftsatz vom Kostenausgleichung nach § 106 ZPO beantragt.
4Mit Schriftsatz vom haben die Beklagten „unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom “ beantragt, ihre Kosten in vollem Umfang gegen den Kläger festzusetzen. Für eine Kostenquotelung fehle es an einer entsprechenden Kostengrundentscheidung.
5Mit Beschluss vom hat das Arbeitsgericht eine Kostenfestsetzung vorgenommen. Dabei hat es die Kostenentscheidungen des Landesarbeitsgerichts ausgelegt und eine Verteilung der Kosten nach Quoten vorgenommen.
6Die Beklagten haben sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landesarbeitsgericht hat sie zurückgewiesen, weil es an einer für die Kostenfestsetzung erforderlichen Kostengrundentscheidung fehle. Den Beschluss des Arbeitsgerichts hat es „zur Klarstellung“ aufgehoben und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
7II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und den aufgehoben.
81. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
9a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Grundlage der Kostenfestsetzung ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel ist (§ 103 Abs. 1 ZPO). Die Kostenfestsetzung erfordert, dass der Titel besagt, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat ( - Rn. 8). Der im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO zu treffende Beschluss füllt lediglich die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus. Er ist deshalb sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines Bestandes von der Kostengrundentscheidung abhängig ( - Rn. 5). Ein Kostenfestsetzungsbeschluss entfaltet von Beginn an keine rechtlichen Wirkungen, wenn der die Kostengrundentscheidung enthaltende Titel nicht zur Zwangsvollstreckung geeignet ist ( - Rn. 11).
10b) Eine Kostengrundentscheidung ist nicht bereits dann zur Zwangsvollstreckung ungeeignet, wenn sie inhaltlich unzutreffend ist. Sie ist selbst dann bindend, wenn sie unrichtig oder unzulässig ist (vgl. - Rn. 9). Eine fehlerhafte oder unvollständige Grundentscheidung darf im Festsetzungsverfahren allerdings weder korrigiert noch ergänzt werden. Diese Befugnis steht im Rahmen der §§ 319, 321 ZPO nur dem für das Erkenntnisverfahren zuständigen Gericht zu (vgl. - Rn. 22).
11Hierdurch wird die Auslegung einer unklaren, mehrdeutigen oder widersprüchlichen Kostengrundentscheidung nicht von vornherein ausgeschlossen, solange der sachliche Gehalt des Titels nicht verändert wird (vgl. - Rn. 22). Bei der Bestimmung des Auslegungsmaßstabs ist aber zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren allein die Frage zum Gegenstand hat, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Es ist auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und auf die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und in Folge dessen dem Rechtspfleger übertragen (vgl. - Rn. 8; - Rn. 7 mwN).
12c) Bei in Teilentscheidungen enthaltenden Kostenentscheidungen kann durch Auslegung nicht ermittelt werden, welcher prozessuale Anspruch in welchem Umfang entschieden werden sollte. Die Kosten der einzelnen Verfahrensstadien lassen sich nicht trennen. Daher kann mit einer Teilentscheidung grundsätzlich keine Kostenentscheidung verbunden werden (vgl. für das Teilurteil: - zu III der Gründe, BAGE 96, 95; für das Zwischenurteil: - Rn. 23). Anders ist dies nur dann, wenn der Prozess durch eine Teilentscheidung hinsichtlich einzelner Parteien abschließend entschieden wird ( - Rn. 35; - V ZR 22/00 - zu IV der Gründe).
13d) Die Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts vom und vom bieten keine Grundlage für eine Kostenfestsetzung.
14aa) Die Beschlüsse betreffen jeweils nur die Kosten bezüglich eines Teils des Verfahrens. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung; es handelt sich um evident unzulässige Teilkostenentscheidungen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass es an einer Grundentscheidung, die besagt, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, fehlt.
15bb) Die erfolgte Quotelung der Kosten durch das Arbeitsgericht auf Grundlage der fehlerhaften Kostengrundentscheidungen erweist sich als unzulässig.
16Treffen wie im vorliegenden Fall mehrere unzulässige Teilkostenentscheidungen über einzelne Verfahrensgegenstände in einem Verfahren zusammen, ist es nicht Aufgabe des Rechtspflegers, die Verteilung der Kosten nach Quoten korrigierend nachzuholen. Die Befugnis zur Korrektur fehlerhafter oder unvollständiger Kostengrundentscheidungen steht im Rahmen der §§ 319, 321 ZPO nur dem für das Erkenntnisverfahren zuständigen Gericht zu. Andernfalls obläge es dem Rechtspfleger zu prüfen, wie die Teilkostenentscheidungen ins Verhältnis zueinander zu setzen sind und ob durch sie alle Verfahrensgegenstände und Prozessrechtsverhältnisse abschließend geregelt sind. Darauf ist das Kostenfestsetzungsverfahren, in dem lediglich eine formale Prüfung der Kostentatbestände sowie die Klärung einfacher Fragen des Kostenrechts erfolgen soll, nicht zugeschnitten.
17cc) Offenbare Unrichtigkeiten iSd. § 319 Abs. 1 ZPO, die von Amts wegen zu berichtigen sind, können auch bei Kostenentscheidungen auftreten. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Kostenentscheidung versehentlich ganz unterblieben ist (vgl. - Rn. 3). Auch Fehler bei der Verteilung der Kosten sind einer Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO zugänglich, wenn sie offenkundig sind, zB bei einem Berechnungsfehler (vgl. - Rn. 2). Eine offenbare, der gerichtlichen Selbstkorrektur unterliegende Unrichtigkeit liegt auch dann vor, wenn das Gericht - wie hier - unter Verstoß gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung zwei evident unzulässige Teilkostenentscheidungen über einzelne Verfahrensgegenstände getroffen hat, obwohl zwingend eine Kostenentscheidung für das gesamte Verfahren hätte ergehen müssen, in der die Kosten anteilig verteilt werden. In einer solchen Konstellation kann nicht angenommen werden, dass sich das Gericht bei der jeweiligen Entscheidung bewusst gewesen ist, nur über einen Teil der Verfahrenskosten zu entscheiden. Wäre es sich darüber im Klaren gewesen, dass sich die Rücknahme des Rechtsmittels nicht auf das gesamte Verfahren, sondern nur Teile davon bezogen hat, hätte es zweifellos einheitlich über die Kosten des gesamten Verfahrens entschieden.
182. Die Aufhebung des ist ebenfalls zu Recht erfolgt. Sie beseitigt den von dem Beschluss ausgehenden fehlerhaften Rechtsschein (vgl. -; - X ZB 36/07 - Rn. 5).
193. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:010623.B.9AZB1.23.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-43392