BGH Urteil v. - XIII ZR 14/21

Vergabeverfahren: Rechtsmäßigkeit der zwingenden Einreichung eines Angebots als GAEB-Datei - GAEB-Dateiformat

Leitsatz

GAEB-Dateiformat

1. Der Auftraggeber kann gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind.

2. Werden vorgegebene elektronische Mittel bei der Einreichung des Angebots nicht verwendet, ist das Angebot nicht formgerecht übermittelt und gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschließen.

Gesetze: § 11 VOBA1 2016, § 11a VOBA1 2016, § 13 Abs 1 Nr 1 S 1 VOBA1 2016, § 16 Abs 1 Nr 2 VOBA1 2016

Instanzenzug: Az: 11 U 118/20vorgehend LG Aachen Az: 12 O 423/19

Tatbestand

1Die Klägerin, ein auf Abbruch und Sanierungsarbeiten spezialisiertes Bauunternehmen, macht gegen den beklagten landeseigenen Betrieb Ansprüche auf Ersatz entgangenen Gewinns wegen fehlerhafter Durchführung eines Vergabeverfahrens geltend.

2Am machte der Beklagte eine öffentliche Ausschreibung nach Abschnitt 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (nachfolgend: VOB/A 2016) bekannt. Zuvor hatte eine Kostenberechnung eine Auftragssumme von 136.950 € netto für den zu vergebenden Auftrag ergeben. In der Bekanntmachung heißt es unter "Angaben zum elektronischen Vergabeverfahren und zur Ver- und Entschlüsselung der Unterlagen":

"Es werden elektronische Angebote akzeptiert: Ohne elektronische Signatur (Textform) (…)"

3Gemäß der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (nachfolgend: Vergabeunterlagen) war unter anderem ein Angebotsschreiben wie folgt einzureichen:

"Angebotsschreiben

Teile der Leistungsbeschreibung: Leistungsverzeichnis Leistungsprogramm als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 Hinweis: Vom [Auftraggeber] wurde eine sog. Auftraggeberlizenz des Softwareprogramms WinGAEB erworben, welche den Bietern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Damit können Angebot[e] auf elektronischem Weg bearbeitet und gespeichert werden." [Es folgt ein entsprechender Link].

4In Ziffer 7 der Vergabeunterlagen war unter der Überschrift "Angebote können abgegeben werden:" angekreuzt "elektronisch in Textform".

5Die Klägerin gab unter dem das günstigste Angebot ab, wobei sie die Angebotsunterlagen jedenfalls im PDF-Format vollständig einreichte. Ob sie das Angebot auch in Form einer GAEB-Datei übermittelt hat, ist zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte schloss das Angebot der Klägerin von der Prüfung aus, weil es nicht als GAEB-Datei eingereicht worden sei. Am hob er die Ausschreibung auf. Ohne die Klägerin zu beteiligen, schrieb er die Leistungen im formlosen Verhandlungsverfahren neu aus und beauftragte am einen Drittunternehmer.

6Mit der Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz für den ihr entgangenen Auftrag in Höhe von 36.307,31 € nebst Rechtsverfolgungskosten und Rechtshängigkeitszinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Gründe

7I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit erheblich - ausgeführt, der Anspruch stehe der Klägerin dem Grunde nach zu. Durch ihre Teilnahme an der Ausschreibung sei ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet worden. Der Beklagte habe durch den Ausschluss des Angebots der Klägerin eine ihr gegenüber bestehende Rücksichtnahmepflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Die Vergabe richte sich nach Abschnitt 1 der VOB/A 2016. Das Angebot der Klägerin habe nicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen werden dürfen. Nach dieser Vorschrift seien unter anderem solche Angebote auszuschließen, die § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 nicht entsprächen. Danach lege der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote einzureichen seien. Elektronische Angebote seien nach Wahl des Auftraggebers in Textform oder mit einer bestimmten Signatur zu übermitteln. Im Streitfall habe das Angebot der Klägerin dieser Bestimmung entsprochen. Die unstreitig eingereichten PDF-Dokumente entsprächen der vom Beklagten in Ziffer 7 der Ausschreibungsbedingungen gewählten Textform. Ob die Klägerin das Leistungsverzeichnis darüber hinaus auch als GAEB-Datei eingereicht habe, sei unerheblich. Die diesbezügliche Vorgabe des Beklagten sei keine Festlegung im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016. Die Vorschrift nenne als mögliche Formen nur die Schriftform und die elektronische Form, wobei bezüglich der elek-tronischen Form nach Wahl des Auftraggebers die Übermittlung in Textform oder mit einer fortgeschrittenen oder qualifizierten elektronischen Signatur vorgesehen seien. Eine darüberhinausgehende Befugnis, bestimmte Dateiformate vorzugeben, lasse sich der Regelung nicht entnehmen. Der Beklagte hätte deshalb die angeblich fehlende Datei nach § 16a Satz 1 VOB/A 2016 nachfordern müssen, was nicht geschehen sei. Infolge der Pflichtverletzung könne die Klägerin Ersatz des Gewinns verlangen, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte. Die Voraussetzungen dafür lägen vor.

8II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, dass der Klägerin gemäß § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz des Gewinns zusteht, den sie mit der Ausführung des Auftrags erzielt hätte.

91. Zutreffend geht das Berufungsgericht zwar davon aus, dass durch die Teilnahme der Klägerin an der Ausschreibung ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis zustande gekommen ist, das die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet und auf beiden Seiten Sorgfaltspflichten begründet, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann (st. Rspr., siehe nur , BGHZ 190, 89 Rn. 9 ff. - Rettungsdienstleistungen II; vom - XIII ZR 19/19, BGHZ 228, 15 Rn. 9 f. - Flüchtlingsunterkunft).

102. Das Berufungsgericht hätte auf der festgestellten Tatsachengrundlage aber nicht annehmen dürfen, dass der Beklagte durch den Ausschluss der Klägerin eine sich ihr gegenüber aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Rücksichtnahmepflicht verletzt hat. Es hat offengelassen, ob die Klägerin das Angebot auch als GAEB-Datei eingereicht hat. Da dazu keine Feststellungen getroffen sind, ist im Folgenden zugunsten der Revision zu unterstellen, dass dies nicht erfolgt ist. Auf dieser Grundlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte das Angebot gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 zu Recht nicht berücksichtigt hat.

11a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 festlegen, welche elektronischen Mittel (§§ 11, 11a VOB/A) bei der Einreichung von elektronischen Angeboten zu verwenden sind.

12aa) Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 legt der Auftraggeber fest, in welcher Form die Angebote einzureichen sind. Elektronische Angebote sind nach Wahl des Auftraggebers in Textform oder mit einer (fortgeschrittenen oder qualifizierten) Signatur zu übermitteln (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 VOB/A 2016), wenn der Auftraggeber gemäß § 11 Abs. 1 VOB/A 2016 die elektronische Kommunikation vorgegeben hat. In diesem Fall übermitteln die Unternehmen nach § 11 Abs. 4 VOB/A 2016 ihre Angebote in Textform mithilfe elektronischer Mittel und versehen sie gegebenenfalls mit der vorgegebenen Signatur (§ 11 Abs. 5 VOB/A 2016).

13bb) Der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A verwendete Begriff der "Form" lässt entgegen der Ansicht der Klägerin nach seinem Wortlaut die Auslegung dahin zu, dass die Form eines Angebots auch die bei seiner Einreichung zu verwendenden elektronischen Mittel umfasst.

14(1) Die "Form" einer Erklärung bezeichnet die Anforderungen an die Art und Weise ihrer Verkörperung und Abgabe. Das Gesetz kennt unter anderem die Schriftform (§ 126 BGB) und ihren Sonderfall, die elektronische Form (§ 126a BGB), ferner Textform (§ 126b BGB), die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) und die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB). Es sieht ferner eine Vielzahl von besonderen Formen vor wie beispielsweise die gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten zur Niederschrift eines Notars (§§ 1410, 2276 BGB), eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung (§ 2247 BGB) oder eine mündliche Erklärung vor drei Zeugen (§ 2250 BGB; vgl. Einsele in MüKoBGB, 9. Aufl., § 125 Rn. 2).

15(2) Die bei der Abgabe eines Angebots verwendeten elektronischen Mittel bestimmen die Art und Weise der Verkörperung des Angebots und seiner Abgabe.

16(a) §§ 11, 11a VOB/A 2016 enthalten für den Unterschwellenbereich keine Definition des Begriffs der elektronischen Mittel, sondern setzen diesen voraus. Zur Ausfüllung des Begriffs kann indes die in § 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016 enthaltene Definition herangezogen werden, weil nach dem Einführungserlass des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) 2016 vom (B I 7 -81063.6/1) für die Durchführung der elektronischen Kommunikation im Ober- und Unterschwellenbereich übereinstimmende Regelungen gelten sollen. Aus diesem Grund wurden §§ 11, 11a VOB/A-EU 2016 mit wenigen Ausnahmen wörtlich in den ersten Abschnitt der VOB/A 2016 übernommen (ebenda, S. 4).

17(b) Danach sind elektronische Mittel Geräte und Programme für die elektronische Datenübermittlung (§ 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016). Eine gleichlautende Definition enthält § 9 Abs. 1 der auf der Grundlage von § 113 GWB erlassenen Vergabeverordnung (nachfolgend: VgV). Beide Regelungen dienen der Umsetzung von Art. 22, Art. 51, 53 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (nachfolgend: Richtlinie 2014/24 oder RL 2014/24; Wichmann in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 9 VgV Rn. 1, § 11 VOB/A-EU Rn. 1; Schranner in Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl., § 11a VOB/A-EU Rn. 1, § 11 VOB/A-EU 1 ff., 5 ff.; Brockhoff in Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, 2. Aufl., § 9 VgV Rn. 1, § 11 VOB/A-EU Rn. 1, § 11 VOB/A Rn. 1). Schon nach dem Wortlaut umfasst der Begriff der elektronischen Mittel danach auch Softwareprogramme, die der elektronischen Datenübermittlung dienen.

18(c) Das ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen 52 und 53, Art. 2 Abs. 1 Nr. 13 und Nr. 19 sowie Art. 22 RL 2014/24. Elektronische Mittel sind nach der in Art. 2 Abs. 1 Nr. 19 RL 2014/24 enthaltenen Definition elektronische Geräte für die Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten, die über Kabel, per Funk, mit optischen Verfahren oder mit anderen elektromagnetischen Verfahren übertragen, weitergeleitet und empfangen werden. Zwar umfasst diese Definition nicht ausdrücklich auch (Software-) Programme. Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 13 RL 2014/24 zählen zu den Auftragsunterlagen aber auch Formate für die Einreichung von Unterlagen seitens der Bewerber und Bieter. Ferner lässt sich den Erwägungsgründen 52 und 53 sowie Art. 22 Abs. 1 Unterabsatz 2 und Abs. 6 RL 2014/24 klar entnehmen, dass die dort genannten elektronischen Kommunikationsmittel auch spezifische Instrumente, Vorrichtungen, Anwendungen und Dateiformate und damit auch (Software-)Programme umfassen. Denn durch die Vorgaben in Art. 22 RL 2014/24 soll sichergestellt werden, dass es sich bei den zur Einreichung elektronischer Angebote verwendeten elektronischen Kommunikationsmitteln entweder um allgemein verfügbare und von allgemein verfügbaren Anwendungen unterstützte Instrumente, Vorrichtungen und Dateiformate handelt oder der Auftraggeber diese den Bietern zur Verfügung stellt (Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b RL 2014/24). Bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/24 durch § 11 Abs. 1 VOB/A-EU 2016 und § 9 Abs. 1 VgV wurde der Hinweis auf die Programme für die Datenübermittlung vor diesem Hintergrund lediglich klarstellend aufgenommen (Müller in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl., § 9 Rn. 26). Entgegen der Ansicht der Klägerin sind elektronische Mittel im Sinn der Richtlinie 2014/24 daher nicht lediglich Kommunikationsmittel ohne Aussage zur Vorgabe von Dateiformaten.

19(3) Elektronische Mittel bestimmen durch die Vorgabe von Dateiformaten die Art und Weise der (äußeren) Verkörperung und der Abgabe und Übermittlung des Angebots. Wenn ein zum Datenaustausch verwendetes Softwareprogramm zur Verkörperung und Übermittlung der Erklärung ein bestimmtes Dateiformat erfordert, beinhaltet die Verwendung des Programms notwendig dieses Dateiformat und legt damit die (äußere) Verkörperung des Angebots und die Art seiner Übermittlung fest (vgl. zu § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG , NJW 2023, 623 Rn. 43 ff. mwN; zu § 130a Abs. 6 ZPO , FamRZ 2023, 624 Rn. 20 f.). Unter den Begriff der Form kann daher auch die Vorgabe elektronischer Mittel fallen, ohne dass dies - wie die Klägerin meint - die Wortlautgrenze des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A überschreiten würde.

20cc) § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 ist nach der systematischen Stellung und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit §§ 11, 11a VOB/A 2016 dahin auszulegen, dass die Festlegung des Auftraggebers, in welcher Form die Angebote einzureichen sind, auch die dabei zu verwendenden elektronischen Mittel umfassen darf. Da der Auftraggeber das Recht hat, die bei der Einreichung der Angebote zu verwendenden elektronischen Mittel zu bestimmen, kann er auch die Verwendung der dafür erforderlichen Dateiformate vorgeben.

21(1) § 13 VOB/A 2016 fasst die für Form und Inhalt der Angebote geltenden Vorgaben zusammen, wobei die Vorschrift in engem Zusammenhang mit den in § 4 und §§ 7 bis 12 VOB/A 2016 enthaltenen Vorgaben zu den Vertragsarten, der Leistungsbeschreibung, den Vergabeunterlagen und Vertragsbedingungen, den Fristen und Kommunikationswegen sowie der Bekanntmachung steht. Sie ist daher jeweils im Zusammenhang mit diesen Vorschriften zu betrachten und auszulegen (von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 21. Auflage, § 13 VOB/A Rn. 1 aE; Portner in jurisPK-Vergaberecht, Stand , § 13 VOB/A Rn. 3).

22(2) Die die Form betreffende Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 weist eine enge Verbindung zu dem in §§ 11, 11a VOB/A geregelten Recht des Auftraggebers zur Festlegung der Kommunikationsformen und -wege auf (Franke/Klein in Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen/Mertens, VOB, 7. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 2, § 13 VOB/A-EU Rn. 1). Deren Wahl liegt beim Auftraggeber, wobei ihm ein weiter Ermessensspielraum zukommt, auf welchem Weg er die Möglichkeit zur Einreichung des Angebots eröffnet (Koenigsmann-Hölken in Heuvels/Höß/Kuß/Wagner, Vergaberecht, 2. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 10; von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 2; Stollhoff in MüKoWettbewerbsR, 4. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 13 f.; Haupt in Jagenburg/Baldringer/Haupt, VOB, 2022, § 13 VOB/A Rn. 5).

23(3) Durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 4 sowie § 11 Abs. 4 VOB/A 2016 werden systematisch die Textform und die zur Übermittlung verwendeten elek-tronischen Mittel verknüpft. Formgerecht übermittelt beziehungsweise eingereicht ist das Angebot deshalb nur, wenn dies mithilfe der vom Auftraggeber vorgegebenen elektronischen Mittel erfolgt (vgl. Christiani in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1, § 13 VOB/A-EU Rn. 10; zu § 53 VgV vgl. , juris Rn. 56; Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom , BeckRS 2019, 7485 Rn. 130 bis 132; Soudry in Müller-Wrede, VgV/UVgO, 5. Aufl., § 57 VgV Rn. 40; Herrmann in Ziekow-Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 53 VgV Rn. 7; offengelassen für die Verschlüsselung von OLG Frankfurt, Beschluss vom - 11 Verg 7/19, juris Rn. 26 f.; vgl. auch Müller in Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2. Aufl., § 9 Rn. 18 sowie aaO Dittmann/Dicks, § 57 Rn. 52).

24(4) Demgegenüber greift die Ansicht der Klägerin, eine etwaige Befugnis zur Vorgabe des Dateiformats könne in systematischer Hinsicht allenfalls aus einer die Vergabeunterlagen betreffenden Vorschrift hergeleitet werden, nicht durch. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, betrifft die Verwendung von durch elektronische Mittel vorgegebenen Dateiformaten nicht den Inhalt der Vergabeunterlagen, sondern ihre äußere Form und die Art und Weise der Abgabe und Einreichung des Angebots. Schließlich besteht auch keine - von der Klägerin befürchtete - Gefahr einer Umgehung ausdrücklich normierter Vorgaben technischer Standards, weil Auftraggeber diese bei ihren Vorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016 zu beachten haben.

25dd) Die Auslegung, wonach der Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A die bei der Abgabe des Angebots zu verwendenden elektronischen Mittel festlegen darf, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

26(1) § 13 VOB/A 2016 soll den ordnungsgemäßen Wettbewerb im Vergabeverfahren sichern, Chancengleichheit und Transparenz gewährleisten und insbesondere der Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Angebote für die Wertungsphase dienen (von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1; Planker in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 8. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1; Stollhoff in MüKoWettbewerbsrecht, 4. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 3; Portner in jurisPK-Vergaberecht, Stand , § 13 VOB/A Rn. 1; Christiani in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl., § 13 VOB/A Rn. 1, § 13 VOB/A-EU Rn. 2). Die Verwendung elektronischer Informations- und Kommunikationsmittel soll zudem ausweislich des Erwägungsgrunds 52 RL 2014/24 die Bekanntmachung von Aufträgen erheblich vereinfachen und Effizienz und Transparenz der Vergabeverfahren steigern.

27(2) Die Vorgabe der bei der Einreichung von Angeboten zu verwendenden elektronischen Mittel dient in besonderem Maße der Vergleichbarkeit der Angebote und der Effizienz des Vergabeverfahrens. Die Verwendung einheitlicher Dateiformate durch alle Bieter stellt eine (auch elektronische) Vergleichbarkeit sicher und verhindert beim Auftraggeber zusätzlichen Aufwand, der durch die gegebenenfalls erforderliche Umwandlung und Überprüfung von Angeboten anfällt, bei deren Einreichung andere elektronische Mittel und Dateiformate verwendet worden sind. §§ 11, 11a VOB/A könnten ihren Sinn und Zweck, wonach der Auftraggeber die Kommunikationsmittel im Interesse der Effizienz und Transparenz festlegt, daher nicht erfüllen, wenn eine Verletzung entsprechender Vorgaben keinen Ausschluss des Angebots gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 zur Folge hätte.

28b) Der Beklagte hat in den Vergabeunterlagen festgelegt, dass das Leistungsverzeichnis unter Verwendung des dort genannten Softwareprogramms einzureichen ist. Etwas Anderes folgt nicht daraus, dass die Bekanntmachung und Ziffer 7 der Vergabeunterlagen die elektronische Abgabe des Angebots in Textform vorsehen. Die Vergabeunterlagen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, auf den bei der Auslegung abzustellen ist (, VergabeR 2023, 205 Rn. 17 - Deponiekosten; Beschluss vom - X ZB 15/13, BGHZ 199, 327 Rn. 31 mwN - Stadtbahnprogramm Gera), eindeutig dahin zu verstehen, dass das Leistungsverzeichnis als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84 eingereicht werden musste. Das ergibt sich zweifelsfrei aus den an das Angebotsschreiben gestellten Anforderungen. Dass das Angebot im Übrigen nach der im Formular unter Ziffer 7 angekreuzten Vorgabe und nach der Bekanntmachung elektronisch in Textform einzureichen war, steht dem nicht entgegen. Unklarheiten ergeben sich daraus nicht. Die Angaben in der Bekanntmachung und unter Ziffer 7 der Vergabeunterlagen betreffen allgemein die elektronische Abgabe der Angebote in Textform und ohne Signatur. Das steht der spezielleren für das Leistungsverzeichnis geltenden Vorgabe zur Verwendung eines vom Beklagten bereitgestellten Programms nicht entgegen. Die Klägerin macht auch nicht geltend, die Vergabeunterlagen nicht im Sinne dieser Anforderung verstanden zu haben, sondern trägt vor, sie habe ihr Angebotsschreiben vom entsprechend der Vorgabe als GAEB-Datei eingereicht.

29c) Den Vortrag des Beklagten - wie revisionsrechtlich geboten - als richtig unterstellt, war das Angebot daher gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 VOB/A 2016 auszuschließen. Dem Einwand der Klägerin, der Beklagte hätte, selbst wenn eine Festlegung der Verwendung des Softwareprogramms zulässig erfolgt sei und sie diese Vorgabe nicht eingehalten habe, ihr Angebot nicht ausschließen dürfen, sondern die fehlende Unterlage gemäß § 16a VOB/A 2016 nachfordern müssen, ist kein Erfolg beschieden.

30aa) Gemäß § 16a Satz 1 VOB/A 2016 setzt die Möglichkeit zur Nachforderung von Unterlagen voraus, dass ein Ausschluss nach § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 VOB/A 2016 nicht erfolgt ist (Holz in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 14. Aufl., § 16a VOB/A Rn. 5; von Wietersheim in Ingenstau/Korbion, VOB, 20. Aufl., § 16a VOB/A [2016] Rn. 3; Frister in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 6. Aufl., § 16a VOB/A [2016] Rn. 1). Das ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut der Regelung. Danach verlangt der Auftraggeber die fehlenden Erklärungen oder Nachweise nach, wenn das Angebot nicht entsprechend § 16 Abs. 1 oder 2 VOB/A 2016 ausgeschlossen wird.

31bb) Hier ist indes letzteres der Fall. Hat die Klägerin ihr Angebotsschreiben vom nicht gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 VOB/A 2016 formgerecht eingereicht, war es nach der damaligen Rechtslage (§ 16 Abs. 1 Nr. 2, § 16a VOB/A 2016) auszuschließen. Es kommt nicht auf die - offene - Frage an, ob § 16a VOB/A 2016 dahin auszulegen ist, dass nicht nur unternehmensbezogene, sondern auch leistungsbezogene Unterlagen nachzufordern sind (vgl. , NZBau 2019, 661 Rn. 51 f. - Straßenbauarbeiten). Diese Frage stellt sich nur, wenn (überhaupt) ein Angebot vorliegt, bei dem (leistungsbezogene) Erklärungen oder Nachweise fehlen. Hier ist schon kein formgerecht übermitteltes Angebot gegeben.

32III. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO). Dabei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls unter Berücksichtigung des im Revisionsverfahren erfolgten Vortrags Feststellungen dazu zu treffen sowie zu bewerten haben, ob das vom Beklagten vorgegebene Softwareprogramm die Anforderungen von § 11a VOB/A erfüllt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:160523UXIIIZR14.21.0

Fundstelle(n):
GAAAJ-42990