Unbestraftheit als gewichtiger Strafzumessungsgrund
Gesetze: § 46 StGB, § 267 Abs 3 S 1 StPO
Instanzenzug: Az: 1 KLs 14/22
Gründe
1Das Landgericht hatte die Angeklagte im ersten Rechtsgang unter Freisprechung im Übrigen wegen Beihilfe durch Unterlassen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Revision der Angeklagten hob der Senat das Urteil im Strafausspruch auf und verwarf die weiter gehende Revision. Die Feststellungen wurden aufrechterhalten.
2Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht die Angeklagte erneut zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
31. Der Strafausspruch kann – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. Rn. 18 mwN) – wiederum keinen Bestand haben.
4a) Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minder schweren Falls gemäß § 176a Abs. 4 StGB (in der ab geltenden Fassung) und bei der konkreten Strafzumessung das Vorleben der Angeklagten lediglich unter den Gesichtspunkten ihrer eigenen Missbrauchserfahrung und ihrer besonderen Haftempfindlichkeit als Erstverbüßerin berücksichtigt.
5b) Die Unbestraftheit eines Angeklagten ist ein gewichtiger Strafzumessungsgrund (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), dessen Berücksichtigung es regelmäßig bedarf (st. Rspr.; vgl. Rn. 2 mwN; Beschluss vom – 2 StR 63/16 Rn. 15; Urteil vom – 1 StR 492/87, NStZ 1988, 70; Beschluss vom – 3 StR 110/82, NStZ 1982, 376).
6c) Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das straffreie Vorleben der Angeklagten hat die Strafkammer nicht ausdrücklich strafmildernd angeführt. Auch im Übrigen lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass das Landgericht das Fehlen von Vorstrafen bei der Strafrahmenwahl und der konkreten Strafzumessung beachtet hat. Es ist daher zu besorgen, dass ihm dies trotz der Übernahme der bindenden Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten aus dem Urteil im ersten Rechtsgang aus dem Blick geraten ist.
7d) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diesen Rechtsfehler eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
82. Der Aufhebung der ergänzend getroffenen Feststellungen bedarf es nicht, da es sich bei dem festgestellten Rechtsfehler lediglich um einen Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:060623B4STR133.23.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-42911