Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 8 Ca 2646/20 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 1 Sa 311/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin über die von einer Zusatzversorgungskasse gezahlte Betriebsrente hinaus weitere Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewähren muss.
2Die im Februar 1952 geborene Klägerin war seit dem zunächst als Angestellte bei der Beklagten - der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (Körperschaft des öffentlichen Rechts) - in deren Landeskirchenamt beschäftigt. Die wesentlichen Arbeitsbedingungen richteten sich zunächst nach dem Arbeitsvertrag für kirchliche Angestellte vom .
3Mit Wirkung zum trat die „Verordnung über die Gewährung eines kirchlichen Treuegeldes an kirchliche Angestellte und Arbeiter im Ruhestand und ihrer Witwen (Witwer) (Treuegeld-Verordnung)“ vom (ABl. S. A 58) in Kraft. Diese bestimmte in der zum in Kraft getretenen Fassung der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Treuegeld-Verordnung vom “ vom (ABl. S. A 86) ua.:
4Nach § 11 Abs. 2 der Treuegeld-Verordnung vom wurde das Kirchengesetz über die zusätzliche kirchliche Altersversorgung der kirchlichen Mitarbeiter und ihrer Witwen (Witwer) (Mitarbeiterversorgungsgesetz - MAVG) vom außer Kraft gesetzt.
5Unter dem vereinbarten die Parteien einen neuen „Dienstvertrag“, der nach einem auf das Schriftstück gesetzten Stempel in „Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses“ und „im Sinne eines Nachtrages“ zum bisherigen Arbeitsvertrag gelten soll. Nach § 1 des Dienstvertrags war die Klägerin seit dem bei der Beklagten im Landeskirchenamt als vollbeschäftigte Mitarbeiterin eingestellt. Im Übrigen enthielt der Dienstvertrag ua. folgende Regelungen:
6Mit Wirkung vom trat die „Verordnung über die Treuegeldgewährung an kirchliche Mitarbeiter als Kirchliche Altersversorgung (VKAV)“ vom (ABl. S. A 159) in Kraft (im Folgenden VKAV 1994). Die VKAV 1994 bestimmt auszugsweise:
7Die betriebliche Altersversorgung bei der Beklagten wurde durch die „Ordnung über die Kirchliche Altersversorgung (KAV)“ vom (ABl. S. A 270) mit Wirkung zum geändert (im Folgenden KAV 1997). Die KAV 1997 sah für die in ihrem § 1 Abs. 2 aufgeführten Arbeitnehmer - zu denen die Klägerin nicht gehörte - die Gewährung einer Gesamtversorgung durch die Beklagte vor. Daneben regelt § 20 KAV 1997, dass die Rentenzahlungen jeweils zum 1. Juli eines Jahres um ein Prozent erhöht werden und sich die Gesamtversorgungsstufen bei allgemeinen Rentenerhöhungen jeweils um den Prozentsatz erhöhen, um den sich die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhöhen. § 24 KAV 1997 lautet:
8Ebenfalls Ende des Jahres 1996 beschloss die Landessynode der Beklagten das „Kirchengesetz über die Zusatzversorgung der kirchlichen Mitarbeiter im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (Zusatzversorgungsgesetz - ZVG)“ vom (ABl. S. A 244) (im Folgenden ZVG 1997). Das zum in Kraft getretene ZVG 1997 bestimmt ua.:
9Arbeitnehmer, für die die KAV 1997 keine Übergangsregelung enthält und die folglich keine Leistungen nach der KAV 1997 erhalten sollten, wurden entsprechend der Vorgaben des ZVG 1997 zum bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse Darmstadt - Anstalt des öffentlichen Rechts - (im Folgenden Zusatzversorgungskasse) angemeldet; deren Leistungen bestimmen sich nach der jeweils gültigen Satzung. Diese sah entsprechend der Regelung, die die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes für die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) für die neuen Bundesländer und den östlichen Teil Berlins mit Wirkung zum gefunden hatten, ab diesem Zeitpunkt die Gewährung einer Gesamtversorgung vor. Dieses Gesamtversorgungssystem wurde zum durch ein Punktemodell abgelöst. Auch diese Neuregelungen folgten der von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes für die VBL gefundenen Lösung. Zudem sah § 62 Abs. 2 der Satzung der Zusatzversorgungskasse für die Jahre 2002 bis 2005 die Möglichkeit der Zahlung verminderter Beiträge vor, denen verminderte Anwartschaften gegenüberstehen. Davon hat die Beklagte aufgrund eines Beschlusses ihrer Arbeitsrechtlichen Kommission vom (ABl. S. A 132) Gebrauch gemacht.
10Im Nachgang zum Urteil des Senats vom (- 3 AZR 517/13 -) wurde die KAV 1997 durch die „Verordnung zur Änderung der Ordnung über die Kirchliche Altersversorgung (KAV)“ vom (ABl. S. A 195) geändert. Diese bestimmt ua.:
11Mit Ablauf des schied die Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus und bezog seit dem eine Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie - ausweislich der Rentenmitteilung der EZVK vom - aus der Zusatzversorgungskasse eine monatliche Versorgungsrente iHv. 177,12 Euro brutto.
12Auf Antrag der Klägerin führte die Beklagte zur Prüfung eines Anspruchs auf Ergänzungsleistung nach § 1 Abs. 2 Buchst. f, § 23 KAV 1997 eine Vergleichsberechnung durch. Diese führte zu dem Ergebnis, dass der Klägerin als Mindestversorgung nach § 10 VKAV 1994 bei Eintritt in die Versorgungsphase 158,72 Euro monatlich zugestanden hätten.
13Die Klägerin hat mit ihrer Klage ab dem für die Dienstzeit bis zum ein erdientes, unverfallbares monatliches Treuegeld iHv. 94,82 Euro brutto, ab dem iHv. 98,01 Euro brutto, ab dem iHv. 101,86 Euro brutto und ab dem ein solches iHv. 106,15 Euro brutto verlangt. In diesen aus der VKAV 1994 rührenden Anspruch habe durch das ZVG 1997 nicht wirksam eingegriffen werden können, weil ihr in der durch dieses ab eingeführten Versorgung über die Zusatzversorgungskasse keine Startgutschrift erteilt worden sei. Deshalb bestehe der Anspruch nach der VKAV 1994 weiter und die bis zum erdiente Anwartschaft sei entsprechend der in § 20 KAV 1997 enthaltenen Regelung zur Anpassung der Rentenleistungen anzupassen.
14Die Klägerin hat beantragt,
15Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
16Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht wegen der von ihm angenommenen Divergenz seiner Entscheidung zum Urteil des Senats vom (- 3 AZR 517/13 -) zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
17Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
18I. Die Revision ist zulässig. Die Revisionsbegründung setzt sich mit dem angefochtenen Urteil in ausreichendem Maße auseinander, soweit es die Frage der wirksamen Ablösung der VKAV 1994 durch die KAV 1997 und das ZVG 1997 betrifft. Von der Revisionsbegründung kann nur eine Auseinandersetzung mit den vorhandenen Entscheidungsgründen des Landesarbeitsgerichts verlangt werden. Die Revisionsbegründung zeigt hinreichend deutlich auf, dass die Klägerin - entgegen dem Landesarbeitsgericht - davon ausgeht, die ursprüngliche Versorgungsordnung VKAV 1994 gelte fort, weil die KAV 1997 und das ZVG 1997 in erdiente Besitzstände eingegriffen hätten. Der Eingriff liege darin, dass der Klägerin für die Betriebszugehörigkeit bis zum keine Rentenanwartschaft zugebilligt werde. Stünde dies einer wirksamen Ablösung entgegen, würde dies dem angefochtenen Urteil den Boden insgesamt entziehen.
19II. Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Klägerin wurde die VKAV 1994 durch die KAV 1997 und das ZVG 1997 wirksam abgelöst. Durch die Ablösung wurde weder in den erdienten Teilbetrag noch in die erdiente Dynamik oder künftige Zuwächse eingegriffen. Vielmehr erhält die Klägerin nach der KAV 1997 iVm. dem ZVG 1997 eine höhere Leistung der betrieblichen Altersversorgung, als sie sie nach der VKAV 1994 erhalten würde. Damit sind die durch das vom Senat entwickelte dreistufige Prüfungsschema bestimmten Grenzen eingehalten. Weitere Unwirksamkeitsgründe sind von der Klägerin nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
201. Zwischen den Parteien gilt das kirchliche Recht der betrieblichen Altersversorgung in seiner für die Beklagte jeweils geltenden Fassung.
21a) Dies folgt nicht aus den kirchlichen Rechtssetzungsakten selbst. Die Kirchen haben nicht die Rechtsmacht, eine normative Wirkung ihrer Regelungen im privaten Arbeitsverhältnis anzuordnen. Wählen sie die privatrechtliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsverhältnisse, so haben sie auch nur die privatrechtlichen Gestaltungsmittel ( - Rn. 19 mwN).
22b) Die Geltung der jeweiligen kirchenrechtlichen Regelungen folgt aus § 5 des „Dienstvertrags“ der Parteien vom , der als Jeweiligkeitsklausel zu verstehen ist.
23aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verweisungen auf die für die betriebliche Altersversorgung beim Arbeitgeber geltenden Bestimmungen im Regelfall dynamisch. Sie verweisen, soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, auf die jeweils beim Arbeitgeber geltenden Regelungen. Das Verständnis einer solchen Bezugnahme als dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden Versorgungsregelungen ist sachgerecht und wird in der Regel den Interessen der Parteien eher gerecht als eine statische Verweisung auf einen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehenden Rechtszustand. Nur so wird eine einheitliche Anwendung der Versorgungsordnung auf alle von ihr erfassten Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger des Arbeitgebers sichergestellt. Der Arbeitgeber will im Zweifel die betriebliche Altersversorgung nach einheitlichen Regeln, dh. als System, erbringen. Ein solches System darf nicht erstarren. Dies ist bei der Auslegung dahingehender Vereinbarungen zu berücksichtigen. Deshalb ist für den Regelfall eine dynamische Verweisung anzunehmen ( - Rn. 24; - 3 AZR 255/05 - Rn. 18 mwN, BAGE 118, 326; - 3 AZR 529/96 - zu I 2 der Gründe). Will der Arbeitgeber eine Versorgung unabhängig von der jeweils geltenden allgemeinen Versorgungsordnung zusagen, muss er dies deutlich zum Ausdruck bringen ( - Rn. 22; - 3 AZR 415/10 - Rn. 25, BAGE 143, 90).
24bb) Danach ist die Klausel in § 5 des Dienstvertrags vom als dynamische Bezugnahme auf die jeweils bei der Beklagten geltenden Regelungen der betrieblichen Altersversorgung zu verstehen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien lediglich die am Tag des Vertragsschlusses geltende Versorgungsregelung, also die rückwirkend zum in Kraft getretene Treuegeld-Verordnung idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der Treuegeld-Verordnung vom , in Bezug nehmen wollten. Dafür fehlt es - unabhängig davon, ob dies für sich genommen ausreichend wäre - schon an einer konkreten Bezeichnung der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei der Beklagten geltenden Versorgungsregelungen.
252. Dementsprechend richtete sich die zusätzliche Altersversorgung der Klägerin nach § 5 des Dienstvertrags vom seit dem nach der VKAV 1994. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt aufgrund der dynamischen Bezugnahme in ihrem Dienstvertrag bereits eine Anwartschaft auf ein Treuegeld nach der Treuegeld-Verordnung vom idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der Treuegeld-Verordnung vom erworben hatte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre die Treuegeld-Verordnung vom idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der Treuegeld-Verordnung vom zum für die Klägerin wirksam durch die VKAV 1994 abgelöst worden. Die Klägerin macht ausschließlich Ansprüche aus der VKAV 1994 gegen die Beklagte geltend und lässt die vorherige Ablösung der Treuegeld-Verordnung durch die VKAV 1994 gegen sich gelten.
263. Die Regelungen der VKAV 1994 galten nach dem für die zusätzliche Altersversorgung der Klägerin nicht weiter. Nach § 24 Satz 2 KAV 1997 trat die VKAV 1994 zum außer Kraft. Die von § 1 Abs. 2 KAV 1997 erfassten Mitarbeiter erhielten stattdessen eine zusätzliche Altersversorgung nach den §§ 4 ff. KAV 1997. Die nicht unter § 1 Abs. 2 KAV 1997 fallenden Mitarbeiter - wie ursprünglich die Klägerin - wurden entsprechend den Vorgaben des ZVG 1997 ab dem bei der Zusatzversorgungskasse versichert. Ihre Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sollten sich demnach ausschließlich nach den jeweils geltenden Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungskasse richten. § 5 des Dienstvertrags der Klägerin erfasst diese Änderungen.
27a) Die Auslegung von § 5 des Dienstvertrags ergibt, dass von der Bezugnahme nur Regelungen erfasst werden sollen, die den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit und damit - soweit keine Rechtsgründe entgegenstehen - dem diese Grundsätze konkretisierenden dreistufigen Prüfungsschema des Senats für Eingriffe in bestehende Versorgungsrechte entsprechen.
28aa) § 5 des Dienstvertrags ist Bestandteil eines Formulararbeitsvertrags. Bereits das äußere Erscheinungsbild des Dienstvertrags der Parteien vom begründet damit eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB (vgl. - Rn. 17, BAGE 150, 380). Nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB unterliegt die Verweisungsklausel daher der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Denn mit der Verweisung auf das jeweils geltende Recht in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens hat die Beklagte sich die Möglichkeit vorbehalten, die Arbeitsbedingungen einseitig durch ihre Organe zu ändern. Die Verweisung erfasst nicht nur auf dem sog. „Dritten Weg“, dh. durch Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission zustande gekommene Regelungen, sondern auch Bestimmungen, die durch einseitige kirchliche Rechtsetzungsakte erlassen wurden.
29bb) Eine Verweisung auf die jeweils geltenden Regelungen für die betriebliche Altersversorgung des Arbeitgebers hält nur dann einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB oder § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand, wenn die in Bezug genommenen Änderungen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Nur in diesem Fall ist der in der Jeweiligkeitsklausel liegende Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders zumutbar. Dies beruht darauf, dass der Arbeitnehmer erwarten kann, für die durch seine Betriebszugehörigkeit bereits erbrachten Vorleistungen auch die ihm versprochene Gegenleistung zu erhalten, soweit dem nicht Gründe auf Seiten des Arbeitgebers entgegenstehen, die seine schützenswerten Interessen überwiegen ( - Rn. 27; - 3 AZR 415/10 - Rn. 30 ff., BAGE 143, 90).
30cc) Es ist davon auszugehen, dass der kirchliche Arbeitgeber als Verwender der Jeweiligkeitsklausel nur eine rechtlich zulässige Regelung vereinbaren will. Daher ist - soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen - eine dynamische Verweisung auf die geltenden Versorgungsregelungen so auszulegen, dass davon nur Regelungen erfasst sein sollen, die den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Gründe, die den Eingriff rechtfertigen sollen, um so gewichtiger sein müssen, je stärker der Besitzstand ist, in den eingegriffen wird (vgl. - Rn. 34, BAGE 143, 90). Die bei Einschnitten in Versorgungsrechte zu beachtenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit hat das Bundesarbeitsgericht für Versorgungsanwartschaften durch ein dreistufiges Prüfungsschema konkretisiert (st. Rspr. seit - zu B II 3 c der Gründe, BAGE 49, 57), das in derartigen Fällen grundsätzlich anzuwenden ist. Den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer sind danach entsprechend abgestufte unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen (vgl. etwa - Rn. 28; - 3 AZR 56/14 - Rn. 35 mwN).
31b) Danach erfasst § 5 des Dienstvertrags nur solche abändernden Versorgungsregelungen, die einer Prüfung anhand des vom Bundesarbeitsgericht entwickelten dreistufigen Prüfungsschemas standhalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte sich weitergehende Änderungen vorbehalten wollte, liegen nicht vor (vgl. zu einem insoweit wortgleichen Formularvertrag der Beklagten - Rn. 29).
32c) Das der Beklagten nach Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV zustehende Recht, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten, steht dieser Auslegung nicht entgegen (vgl. dazu ausführlich - Rn. 30 ff.). Dies wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.
33d) Danach ist die Wirksamkeit der Ablösung der VKAV 1994 anhand des dreistufigen Prüfungsschemas des Senats zu überprüfen. Rechtsgründe, dieses Prüfungsschema auf die streitbefangene Ablösung nicht anzuwenden, bestehen nicht.
34aa) Das Betriebsrentengesetz findet auf das Versorgungsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Beklagte hat der Klägerin durch § 5 des Dienstvertrags vom und damit nach dem , dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der §§ 1 bis 18 BetrAVG nach der Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet A Abschn. III Nr. 16 Buchst. a und b des Einigungsvertrags im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrags am , eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erteilt. Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung der vertraglichen Regelung sind weder dargetan noch ersichtlich.
35bb) Für die Anwendbarkeit des dreistufigen Prüfungsschemas ist es nach der - von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr in Zweifel gezogenen - Rechtsprechung des Senats unerheblich, ob die Anwartschaft der Klägerin auf Versorgungsleistungen nach der VKAV 1994 im Zeitpunkt der Ablösung durch die KAV 1997 am nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG in der bis zum geltenden Fassung unverfallbar war ( - Rn. 41 mwN).
36cc) Der Prüfung der die VKAV 1994 ablösenden Regelungen anhand des dreistufigen Prüfungsschemas steht schließlich nicht entgegen, dass es sich bei diesen um kirchenarbeitsrechtliche Bestimmungen handelt (dazu ausführlich - Rn. 42 ff. mwN).
37dd) Soweit die Beklagte mit der Einführung ihres kirchlichen Zusatzversorgungssystems ab dem die Regelungen nachvollzogen hat, die die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes ab diesem Tag für den öffentlichen Dienst der neuen Bundesländer und des östlichen Teils Berlins geschaffen haben, rechtfertigt dies ebenfalls keine Abweichung vom dreistufigen Prüfungsschema (dazu ausführlich - Rn. 45 ff. mwN).
38e) Die Ablösung der VKAV 1994 durch § 24 Satz 2 KAV 1997 und das ZVG 1997 iVm. den am geltenden Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungskasse verstößt nicht gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, wie sie durch das dreistufige Prüfungsschema des Bundesarbeitsgerichts konkretisiert sind.
39aa) Nach dem dreistufigen Prüfungsschema sind den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen (vgl. etwa - Rn. 35 mwN). Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (vgl. etwa - Rn. 24 mwN).
40bb) Die KAV 1997 sowie das ZVG 1997 iVm. den ab dem geltenden Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungskasse greifen zum entscheidenden Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand zum weder in den bis zum Ablösungszeitpunkt von der Klägerin erdienten Teilbetrag noch in eine bis dahin erdiente Dynamik oder in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse ein.
41(1) Es liegt kein Eingriff in den erdienten Teilbetrag vor.
42(a) Der von der Klägerin nach § 10 Satz 1 VKAV 1994 am bereits erdiente Teilbetrag der Mindestversorgung beläuft sich auf 55,06 Euro.
43Nach § 10 Satz 1 VKAV 1994 setzt sich die Mindestversorgung aus einem Grundbetrag iHv. 100,00 DM monatlich für die ersten zehn anspruchsbegründenden Dienstjahre und jeweils weiteren 10,00 DM monatlich für jedes weitere anspruchsbegründende Dienstjahr zusammen. Vom Beginn der Betriebszugehörigkeit am bis zum Eintritt in den Ruhestand am ergeben sich insgesamt 31 anrechnungsfähige volle Dienstjahre. Daraus folgt eine erreichbare Mindestversorgung iHv. 310,00 DM. Die mögliche Betriebszugehörigkeit iSv. § 2 Abs. 1 BetrAVG umfasst 380 volle Monate. Die tatsächliche Betriebszugehörigkeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Zeitpunkt der Ablösung am umfasst 132 Monate. Dies ergibt einen Quotienten von 0,3474 (132 Monate : 380 Monate) und damit einen zeitanteilig erdienten Anspruch iHv. 107,69 DM (310,00 DM x 0,3474); das entspricht 55,06 Euro.
44(b) Nach der Neuregelung erreicht die Klägerin eine monatliche Versorgungsrente iHv. 177,12 Euro. Da dieser Betrag höher ist als der zum erdiente Teilbetrag nach § 10 Satz 1 VKAV 1994 iHv. 55,06 Euro, führen die neuen Versorgungsregelungen nicht zu einem Eingriff in den bereits erdienten Teilbetrag.
45(2) Ein Eingriff in die erdiente Dynamik liegt ebenfalls nicht vor. Denn die Mindestversorgung nach § 10 VKAV 1994 hängt nicht von dienstzeitunabhängigen Faktoren, wie etwa dem Endgehalt, ab. § 10 VKAV 1994 sieht vielmehr eine Festbetragsregelung für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr vor.
46(3) Die Neuregelung greift auch nicht in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse ein. Bei unveränderter Weitergeltung der VKAV 1994 hätte die Klägerin nach § 10 VKAV 1994 eine Mindestversorgung iHv. 310,00 DM (entspricht 158,50 Euro) erreichen können. Demgegenüber beläuft sich ihre Versorgungsrente auf 177,12 Euro.
47cc) Da die neue Versorgungsordnung der Klägerin höhere Ansprüche zubilligt als die vorherige, bedarf es für die Wirksamkeit der Ablösung keiner Gründe iSd. dreistufigen Prüfungsschemas des Senats. Soweit die Klägerin in der Revision geltend macht, es sei keine Ablösung der VKAV 1994 durch die KAV 1997 und das ZVG 1997 erfolgt, verkennt sie, dass im Grundsatz die neuere Versorgungsregelung die ältere Versorgungsregelung ablöst. Dies wird von § 24 Satz 2 KAV 1997 auch ausdrücklich angeordnet. Nur wenn durch die neuen Versorgungsregelungen in Besitzstände iSd. dreistufigen Prüfungsschemas eingegriffen wird, bedarf die Ablösung durch die Neuregelung einer Rechtfertigung. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin nach der Neuregelung eine höhere Versorgung für ihre gesamte Betriebszugehörigkeit erhält, als sie sie bei Fortgeltung der alten Versorgungsregelung für ihre gesamte Betriebszugehörigkeit beanspruchen könnte. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, weil der Klägerin nach der neuen Versorgungsregelung, keine - von ihr so bezeichnete - „Startgutschrift“ aus der VKAV 1994 durch die neue Versorgungsregelung zuerkannt wird. Entscheidend für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Ablösung von Versorgungsregelungen ist einzig, ob die Neuregelung bei Eintritt des Versorgungsfalls im konkreten Einzelfall mindestens gleiche Versorgungsleistungen gewährt. Führt - wie vorliegend - die Neuregelung für die gesamte Betriebszugehörigkeit zu höheren Ansprüchen als die vorherige Versorgungsregelung, sind die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Mangels einer fortbestehenden Anwartschaft aus der VKAV 1994 muss eine solche auch nicht dynamisiert werden. Es kann deshalb dahinstehen, ob eine solche Pflicht anderenfalls bestünde.
48f) Die Wirksamkeit der Umstellung vom Gesamtversorgungs- auf ein Punktesystem in den Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungskasse zum und die Herabsetzung der Beiträge im Rahmen des Punktesystems durch den Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission vom hat die Klägerin nicht angezweifelt und nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht.
49III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:090523.U.3AZR225.22.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-42786