BGH Beschluss v. - 6 StR 137/23

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Transport von Betäubungsmitteln

Gesetze: § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 29 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Rostock Az: 11a KLs 118/22 (1)

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs (entsprechend § 354 Abs. 1 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Zum Schuldspruch hat der Generalbundesanwalt in seiner Antrags-schrift im Wesentlichen ausgeführt:

Die Verurteilung des Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG wird von den Feststellungen nicht getragen. Beim Betäubungsmittelhandel gelten für die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe die allgemeinen Grundsätze über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Ob ein Beteiligter eine Tat als Täter oder Gehilfe begeht, ist danach in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zu ihr sein (vgl. Senat, Urteil vom – 6 StR 317/20 –, juris Rdnr. 13; BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 331/20 –, juris Rdnr. 3; und vom – 3 StR 270/11 –, NStZ 2012, 40, 41). Beschränkt sich – wie regelmäßig bei einem Kurier – die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, ist regelmäßig von einer untergeordneten Bedeutung auszugehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 72/21 –, juris Rdnr. 4; und vom – 4 StR 506/20 –, juris Rdnr. 5).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist der Tatbeitrag des Angeklagten lediglich als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu bewerten. Nach den getroffenen Feststellungen wurde dem Angeklagten von einer unbekannt gebliebenen Person in Berlin angeboten, künftig Betäubungsmittel nach Schweden zu überführen. Hierfür erhielt er ein Fahrzeug, das er „weisungsgemäß“ auf seinen Namen zuließ (UA S. 3). Unmittelbar vor der Tat erhielt er „die Anweisung“, nach Gronau zu fahren, wo die Betäubungsmittel schließlich im Fahrzeug deponiert wurden, während er im Hotel übernachtete (UA S. 3). Entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 8) oblagen dem Angeklagten folglich nicht einmal die konkreten Modalitäten des Transportgeschäfts (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 270/11 –, NStZ 2012, 40, 41; und vom – 2 StR 359/06 –, juris Rdnr. 3). Der Umstand, dass er weder begleitet noch von anderen Tatbeteiligten observiert wurde, vermag seine bloße Gehilfenstellung nicht zu einer Täterschaft aufzuwerten (vgl. –, juris Rdnr. 3). (…)

Mit dem Wegfall der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge lebt der gleichfalls verwirklichte Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ebenso wieder auf, da Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln mit täterschaftlichem Besitz derselben gemäß § 52 StGB in Tateinheit steht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 409/17 –, juris Rdnr. 3; vom – 4 StR 240/14 –, juris Rdnr. 6; und vom – 3 StR 352/08 –, NStZ-RR 2009, 58), wie jener der versuchten Ausfuhr von Betäubungsmitteln im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (zur konkurrenzrechtlichen Bewertung von Beihilfe zum Handeltreiben und Einfuhr vgl. –, juris Rdnr. 4; Beschluss vom – 2 StR 693/83 –, NStZ 1984, 171; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rdnrn. 519, 534). Der Angeklagte hatte sich als Betäubungsmitteltransporteur im Bereich des Rostocker Seehafens eingefunden, bereits ein Ticket für die Überfahrt erworben und sich damit unmittelbar auf die deutsche Grenze zubewegt, um das deutsche Hoheitsgebiet mit den Betäubungsmitteln zu verlassen (vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rdnr. 797), als er von den Ermittlungsbehörden aufgegriffen worden ist.

3Dem schließt sich der Senat an. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

42. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Es ist auszuschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine niedrigere Strafe verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Strafrahmen ergibt sich nach wie vor aus § 29a Abs. 1 BtMG. Schon mit Blick auf die beträchtliche Menge von 1,221 Kilogramm Kokainhydrochlorid und die Gefährlichkeit des Betäubungsmittels scheidet die Annahme eines minder schweren Falls im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG aus.

53. Angesichts des geringen Erfolges der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:030523B6STR137.23.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-42597