Anwaltsgerichtliche Maßnahmen bei Verstößen gegen anwaltliche Kardinalpflichten - Vertretungs- und Beistandsverbot
Leitsatz
Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrags zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, macht sich der Untreue in der Variante des Treuebruchtatbestands strafbar. Für den Mandanten oder einen von diesem bestimmten Empfänger eingehende Gelder hat er unverzüglich zu übermitteln oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür zu sorgen, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
Ein Rechtsanwalt verstößt gegen seine Verpflichtung aus § 10 Abs. 2 S. 3 BORA, wenn er mit der Kurzbezeichnung „& Kollegen” dem rechtssuchenden Publikum suggeriert, dass in der Kanzlei mindestens drei zugelassene Rechtsanwälte tätig sind, obwohl tatsächlich mit ihm lediglich insgesamt zwei Rechtsanwälte tätig sind. (Rn. 24 und 74) (redaktioneller Leitsatz)
Ein Rechtsanwalt verstößt gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), wenn er Mutter und Tochter in einem gegen diese wegen ein und derselben Straftat geführten einheitlichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vertritt. (Rn. 27 – 30 und 75 – 76) (redaktioneller Leitsatz)
Ein Rechtsanwalt verletzt seine anwaltliche Verschwiegenheitspflicht und verhält sich unsachlich (§ 43a Abs. 2 und 3 BRAO), wenn er bei Antworten im Internet auf dort abgegebene Bewertungen Details aus dem Mandat, über von ihr vertretene, namentlich benannte Personen und deren Angehörige sowie über das betreffende familiengerichtliche Verfahren preisgibt. (Rn. 38 – 47 und 79 – 83) (redaktioneller Leitsatz)
Bei der Frage, welche Rechtsgebiete im Einzelfall für das Vertretungs- und Beistandsverbot gem. § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO in Betracht kommen, ist unter Berücksichtigung der Schuld des Rechtsanwalts und des mit der Maßnahme verfolgten Zwecks zu entscheiden. Regelmäßig handelt es sich hierbei um das Rechtsgebiet, auf dem sich der Rechtsanwalt Berufspflichtverletzungen zu Schulden kommen hat lassen. Dabei gebietet es das Interesse der Öffentlichkeit, Anwälte von der Vertretung auf Rechtsgebieten auszuschließen, auf denen sie schwere Berufspflichtverletzungen begangen haben. (Rn. 110) (redaktioneller Leitsatz)
Fundstelle(n): DStRE 2023 S. 508 Nr. 8 OAAAJ-42234
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