BGH Urteil v. - X ZR 14/21

Instanzenzug: Az: 6 Ni 1/17 (EP) Urteil

Tatbestand

1Die Beklagte war Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 957 594 (Streitpatents), das sie im Laufe des Berufungsverfahrens auf die Streithelferin übertragen hat. Das Streitpatent ist am unter Inanspruchnahme einer japanischen Priorität vom angemeldet worden. Es betrifft ein Synchronisationsverfahren für ein mobiles Kommunikationssystem.

2Patentanspruch 1, auf den sechs weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

A slot timing synchronization method in a code division multiple access mobile communication system, said slot timing synchronizing method comprising the steps of:

transmitting from a base station a control signal via perch channels (106, 107), said perch channels being formed such that a long period code assigned to said base station and a first short period code is mapped in a first section (102) of one slot of said perch channel and an predetermined short period code is mapped in a second section (131) of said one slot; and

in a mobile terminal calculating a correlation value for said second section of said one slot by using said predetermined short period code, and conducting slot timing synchronization by using said calculated correlation value,

characterized in that a spreading factor of said predetermined short period code is set to a value lower than a spreading factor of said first short period code of said first section.

3Patentanspruch 8, auf den drei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, schützt sinngemäß ein Mobilgerät, das zur Durchführung eines solchen Verfahrens geeignet ist. Patentanspruch 12, auf den ein weiterer Anspruch zurückbezogen ist, schützt sinngemäß eine Basisstation für ein solches Verfahren.

4Die Klägerinnen zu 1 und 2 haben das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1, 3, 7, 8 und 9 angegriffen und geltend gemacht, dieser Gegenstand gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 3 hat entsprechende Angriffe gegen die Patentansprüche 1 und 8 gerichtet. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise mit neunzehn Hilfsanträgen verteidigt.

5Die Klägerin zu 1 hat zusätzlich den Patentanspruch 12 angegriffen. Insoweit ist der Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt worden.

6Das Patentgericht hat das Streitpatent hinsichtlich der Patentansprüche 3, 7 und 9 ohne Einschränkung und hinsichtlich der Patentansprüche 1 und 8 insoweit für nichtig erklärt, als deren Gegenstand über die mit dem ersten Hilfsantrag (Antrag B.6') verteidigte Fassung hinausgeht. Die weitergehenden Klagen hat es abgewiesen.

7Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin zu 1 ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Die Beklagte verteidigt mit ihrer Berufung das Streitpatent vorrangig in zwei anderen Fassungen (Anträge B.2 und hilfsweise dazu B.8), hilfsweise in der Fassung des angefochtenen Urteils und in sieben weiteren Fassungen (Anträge D.1', D.2', C.4', D.1, D.2, C4, C''). Die Parteien treten dem Rechtsmittel der jeweils anderen Partei entgegen.

8Die Klägerinnen zu 2 und 3 haben zunächst ebenfalls Berufung eingelegt, ihre Klage im Laufe des Berufungsverfahrens aber zurückgenommen.

Gründe

9Alle Berufungen sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.

10I. Das Streitpatent betrifft ein Synchronisationsverfahren für ein mobiles Kommunikationssystem.

11In der Streitpatentschrift wird erläutert, bei Beginn der Kommunikation oder bei einem Wechsel in eine andere Funkzelle (hand over) führe ein mobiles Endgerät eine Zellensuche durch. Ein Beispiel für ein herkömmliches Suchverfahren sei in einem technischen Bericht des Institute of Electronics, Information and Communication Engineers (Higuchi et al., Fast Cell Search Algorithm using Long Code Masking in DS-CDMA Asynchronous Cellular System, D1 oder Higuchi IEICE) beschrieben. Bei diesem würden als Festkanäle (perch channels) bezeichnete Steuerkanäle verwendet, wie sie in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 dargestellt seien.

12Dabei würden ein erster und ein zweiter Festkanal (106, 107) überlagert (multiplexed). In einem Datensymbolabschnitt (102) des ersten Festkanals (106) werde an das Mobilgerät ein Steuersignal übermittelt, welches mit einem Langcode und einem Kurzcode (103) gespreizt sei. An einer Position (101), an der der Langcode maskiert sei, also nicht zur Spreizung eingesetzt werde, würden im ersten Festkanal (106) ein erster gemeinsamer Kurzcode (Common Short Code, CSC), d. h. ein erster Suchcode (104) und im zweiten Festkanal (107) ein Kurzcode zur Gruppenidentifikation (Group Identification Short Code, GISC), d. h. ein zweiter Suchcode (105) abgebildet (mapped, Abs. 7).

13Ein Langcode sei ein langer Spreizcode (long period spreading code), der einer Basisstation eindeutig zugeordnet sei. Ein Kurzcode sei ein kurzer Spreizcode (short period spreading code). Jedem eingesetzten Kanal sei ein solcher Code eindeutig zugeordnet. Die Langcodes seien in mehrere Gruppen eingeteilt. Durch Erfassen des GISC könne das Mobilgerät den Kreis der in Frage kommenden Langcodes einschränken. Der CSC sei ein Kurzcode, der dem mobilen Kommunikationssystem eindeutig zugeordnet sei (Abs. 8).

14Die Synchronisation durch das Mobilgerät erfolge in drei Schritten. Zunächst entspreize das Mobilgerät die Festkanäle unter Verwendung des CSC. Auf der Grundlage eines so ermittelten Korrelationswerts erfasse es den Fenstertakt. Gemäß dem synchronisierten Takt erfasse es den GISC. Daraufhin entspreize es das Signal mit allen Langcodes aus der dem GISC zugeordneten Gruppe und ermittle den eingesetzten Langcode (Abs. 9).

15Hierbei nehme der erste Schritt - die Zeitschlitzsynchronisation - die meiste Zeit in Anspruch. In vielen Fällen werde ein angepasstes Filter (MF) verwendet, das Korrelationsergebnisse zu mehreren Taktzeitpunkten gleichzeitig ableiten könne (Abs. 11). Bei einem Filter mit 64 Anschlüssen (taps) und einem Spreizfaktor von 256 sei ein Koeffizientenwechsel notwendig. Ein Filter mit 256 Anschlüssen führe zu einem hohen Stromverbrauch (Abs. 13).

162. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine schnelle Zellensuche bei möglichst niedrigem Stromverbrauch zu ermöglichen.

173. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in der im Berufungsverfahren in erster Linie (Antrag B.2) verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

194. Patentanspruch 8 schützt ein Mobilgerät, mit dem ein solches Verfahren ausgeführt werden kann. Dieser Gegenstand unterliegt derselben Beurteilung wie derjenige von Patentanspruch 1.

205. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.

21a) Bei einem CDMA-Kommunikationssystem im Sinne von Merkmal 1 werden mehrere Datenströme gleichzeitig in einem gemeinsamen Frequenzbereich übertragen.

22Zur Unterscheidung der Datenströme werden die (als Symbole bezeichneten) kleinsten Informationseinheiten durch eine Kombination kürzerer Signale (so genannter Chips) dargestellt. Für jeden Datenstrom wird eine individuelle Chipfolge (ein so genannter Spreizcode) definiert. Der Spreizfaktor gibt an, wie viele Chips zur Übertragung eines Symbols eingesetzt werden.

23Um die Signale der einzelnen Basisstationen voneinander unterscheidbar zu machen, werden die mit den kanalspezifischen Kurzcodes gespreizten Signale mit einem für die Basisstation spezifischen längeren Code multipliziert. Nach den Feststellungen des Patentgerichts wird hierdurch der Spreizfaktor nicht geändert. Das resultierende Signal wird aber gleichmäßiger.

24Um die übertragenen Signale korrekt interpretieren zu können, muss ein Mobilgerät zunächst den Takt der zur Übertragung eingesetzten Zeitschlitze (time slots) ermitteln, also bestimmen, wann ein Zeitschlitz beginnt und endet. Dieser Synchronisation dient das geschützte Verfahren.

25b) Nach Merkmal 2 muss ein Steuersignal über mindestens zwei Festkanäle (106, 107) gesendet werden.

26Die weiteren Merkmale von Patentanspruch 1 betreffen lediglich einen dieser Steuerkanäle. Der zweite Steuerkanal kann zur Übersendung eines GISC eingesetzt werden.

27c) Entscheidende Bedeutung für die Erreichung des angestrebten Ziels einer möglichst schnellen und dennoch wenig energieintensiven Synchronisation kommt der Vorgabe in Merkmal 4 zu, wonach der Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes im Sinne von Merkmal 2.3 niedriger ist als der Spreizfaktor des ersten Kurzcodes im Sinne von Merkmal 2.2.

28Die Reduzierung des Spreizfaktors hat zur Folge, dass für die Übertragung eines Symbols weniger Chips eingesetzt werden müssen. Demgemäß werden bei den in der Streitpatentschrift geschilderten Ausführungsbeispielen für CSC und GISC jeweils nur 64 Chips eingesetzt, während die Symbole in dem ersten Bereich jeweils aus 256 Chips bestehen (Abs. 26).

29Um andere herkömmliche Symbolfolgen nicht zu beeinträchtigen, wird die Länge des Abschnitts, in dem CSC und GISC angeordnet werden, nicht in gleichem Maße reduziert. Diese beträgt vielmehr 256 Chips (Abs. 26 Z. 38-41). Dies hat zur Folge, dass die beiden genannten Kurzcodes - soweit sie nicht mehrfach eingefügt werden - den Abschnitt, auf den sie abgebildet sind, nicht vollständig ausfüllen. Dies ist unter anderem in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt.

30d) Damit ein Code auf einen Abschnitt eines Zeitschlitzes im Sinne der Merkmale 2.2' und 2.3 abgebildet (mapped) ist, muss er so in die übertragenen Signale eingebracht sein, dass er vom Mobilgerät erkannt werden kann. Dies kann in der Weise geschehen, dass ein Symbol, also die kleinste übertragene Informationseinheit, mit Hilfe des Codes gespreizt wird, so dass ein Entspreizen mit demselben Code ein Symbol mit dem Wert +1 oder -1 ergibt.

31Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, geben die Merkmale 2.2' und 2.3 nach der erteilten und nach der mit der Berufung der Beklagten in erster Linie (Antrag B.2) verteidigten Fassung ein solches Spreizen nicht zwingend vor. Für ein Abbilden im Sinne dieses Merkmals kommt vielmehr jede mathematische Funktion in Betracht, die eine Wiedererkennung des Codes ermöglicht.

32e) Aus Merkmal 4.1, wonach der Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes kleiner als 256 ist, ergibt sich, dass der Kurzcode eine Länge von weniger als 256 Chips haben muss.

33f) Die Synchronisation wird gemäß Merkmal 3.2 anhand eines Korrelationswertes durchgeführt.

34Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift kann hierzu das empfangene Basisbandsignal chipweise in ein signalangepasstes Filter eingegeben und dort mit dem im mobilen Endgerät vorliegenden Kurzcode CSC verglichen werden. Bei vollständiger oder zumindest nahezu vollständiger Übereinstimmung gibt das Filter einen großen Korrelationswert aus, der mit einer Spitzenwerterfassungsschaltung (peak detector 904) erfasst wird. Dessen Ausgangssignal wird auf eine Integrierschaltung (accumulator 903) zugeführt, um den Vorgang für mehrere aufeinanderfolgende Zeitschlitze durchzuführen (Abs. 19).

35Der Einsatz eines relativ kleinen Spreizfaktors ermöglicht es, diesen Vorgang auch mit einem Filter mit relativ wenigen Anschlüssen in jeweils nur einem Durchgang (pro Zeitschlitz) durchzuführen. Diese Vorgehensweise hat allerdings eine geringere Präzision bei der Erfassung zur Folge. Um dies zu kompensieren, kann die Sendeleistung erhöht werden. Um hierdurch drohende Interferenzen zu vermeiden, empfiehlt die Patentschrift, CSC und GISC zeitlich versetzt zu versenden (Abs. 27), wie dies auch in der oben wiedergegebenen Figur 3 dargestellt ist. Derartige Maßnahmen sind nach Patentanspruch 1 indes nicht zwingend vorgesehen.

36II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

37Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlangen hinaus. Der Fachmann, ein Ingenieur (Diplom oder Master) der Fachrichtung Elektro- oder Nachrichtentechnik, der über mehrjährige Berufserfahrung sowie Kenntnisse auf dem Gebiet der Konzeption von Mobilfunksystemen verfüge, entnehme der Anmeldung, dass der vorgegebene Kurzcode gemäß Merkmal 2.3 im zweiten Abschnitt eines Zeitschlitzes nur einmal eingefügt werde. Die Möglichkeit eines mehrfachen Einfügens ergebe sich allein aus dem Begriff des Abbildens (Mapping). Eine solche Lehre könne der Fachmann der Anmeldung nicht als zur Erfindung gehörend entnehmen. Gleiches gelte für die Merkmale 2.1, 2.2 und 2.2'.

38Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung sei zudem durch den Inhalt der Patentanmeldung PCT/JP98/01786 vorweggenommen, die aufgrund ihrer Nachveröffentlichung als WO 98/47246 A1 (EP 1 011 211 A1, ZP10A oder EP 211) Stand der Technik bilde.

39Demgegenüber könne die Beklagte das Patent in der Fassung nach Hilfsantrag B.6' mit Erfolg verteidigen.

40In ZP10A sei Merkmal 4 nicht offenbart.

41Der genannte Gegenstand sei auch neu gegenüber dem ARIB-Standard (ZP14h). Dabei könne offen bleiben, ob die vorgelegten, im März 2020 von der Website der südkoreanischen Telecommunications Technology Association (TTA) abrufbaren Unterlagen schon vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents öffentlich zugänglich gewesen seien. Jedenfalls sei in diesen Unterlagen die Kombination der Merkmale 4 und 4.1 nicht offenbart. Für den FDD-Modus seien unterschiedliche Spreizfaktoren im Sinne von Merkmal 4 dort nur für Varianten vorgesehen, bei denen der vorgegebene Kurzcode einen Spreizfaktor von 256 aufweise. Für den TDD-Modus sei eine Variante mit einem Spreizfaktor von 128 vorgesehen. Dieser werde aber auch für den ersten Kurzcode eingesetzt. Für höhere Chipraten betrügen die Spreizfaktoren des ersten Kurzcodes zwar 256 bzw. 512. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen sei jedoch auch bei diesen Varianten nicht ein Spreizfaktor für den vorgegebenen Kurzcode mit einem Wert von 128 offenbart. Der Fachmann entnehme der Veröffentlichung vielmehr, dass auch im TDD-Modus der Gold-Code-Generator des FDD-Modus zu verwenden sei, der einen 256 Chips langen Code ausgebe, und dass ein kleinerer Spreizfaktor nur dann zum Einsatz kommen solle, wenn im langcode-maskierten Symbol nicht ausreichend Platz sei.

42In dem von einer Arbeitsgruppe des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) erstellten Konzept (Concept Group Alpha - Wideband Direct-Sequence CDMA [WCDMA], Tdoc SMG2 359/97, ZP11 oder Ireland) sei jedenfalls Merkmal 4 nicht offenbart. Die Spreizfaktoren des ersten Kurzcodes und der Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes wiesen beide den Wert 256 auf.

43Der mit Hilfsantrag B.6' verteidigte Gegenstand gelte auch als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

44Ausgehend vom ARIB-Standard habe der Fachmann keine Veranlassung, im TDD-Modus bei den höheren Chipraten den vorgegebenen Kurzcode von 256 auf 128 zu kürzen, da damit eine Verschlechterung der Zeitschlitzsynchronisation verbunden sei. Gleiches gelte für eine Verringerung des Spreizfaktors im FDD-Modus für die Variante mit den höheren Chipraten. Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 3 sei der ARIB-Standard insoweit weder lückenhaft noch widersprüchlich.

45Die europäische Patentanmeldung 797 315 (D5) gebe dem Fachmann keinen Anlass, den Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes in den in ZP11 und dem ARIB-Standard vorgesehenen Systemen einzusetzen. Der Fachmann betrachte das System aus D5 als eine in sich geschlossene Lösung, die nicht auf andere Systeme übertragbar sei.

46Die Abhandlung von Nakamura et al. (Configuration and characteristics estimation of a W-CDMA experimental system for third generation mobile communications, Conference VTC '98, S. 973-977, ZP12) bilde schon keinen Stand der Technik nach Art. 54 EPÜ, da sie frühestens am veröffentlicht worden sei und das Streitpatent die Priorität vom aus der japanischen Anmeldung 10-129995 (ZP2) wirksam in Anspruch nehme. Im Übrigen übernehme der Fachmann mangels abweichender Angaben den für den ersten Kurzcode angegebenen Spreizfaktor auch für den vorgegebenen Kurzcode.

47III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Beklagten und ihrer Streithelferin stand.

481. Die Berufung der Beklagten ist jedenfalls im Ergebnis zulässig.

49Ob es an der für eine Berufung erforderlichen Beschwer fehlt, weil die Beklagte die nunmehr in erster Linie verteidigte Fassung gemäß Antrag B.2 in erster Instanz nachrangig zu der vom Patentgericht für rechtsbeständig erachteten Fassung nach Antrag B.6' verteidigt und den nunmehr in zweiter Linie gestellten Antrag B.8 erstmals in zweiter Instanz gestellt hat, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Selbst wenn es an einer Beschwer fehlte, wäre das Rechtsmittel jedenfalls als Anschlussberufung zulässig.

50Ebenso wie die klagende Partei (dazu , GRUR 2021, 1375 Rn. 22 - Bediengerät für Spiele) kann auch die beklagte Partei eines Patentnichtigkeitsverfahrens im Wege einer Anschlussberufung unter Beachtung der durch § 116 und § 117 PatG gezogenen Grenzen Anträge stellen, die sie in erster Instanz nicht oder nur nachrangig gestellt hat.

51Im Streitfall ist die Antragsänderung sachdienlich, weil dadurch eine umfassende Beilegung des Rechtsstreits erreicht werden kann und die neuen Anträge anhand der Angriffs- und Verteidigungsmittel beurteilt werden können, die auch für die Fassung relevant sind, die die Patentansprüche nach dem angefochtenen Urteil erhalten sollen.

522. Der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag (Antrag B.2) verteidigte Gegenstand geht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

53a) Eine unzulässige Erweiterung liegt allerdings nicht darin, dass Merkmal 4.1 einen Spreizfaktor von weniger als 256 vorsieht, ohne zugleich eine Anhebung der Sendeleistung vorzuschreiben.

54Die isolierte Aufnahme einzelner Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch ist unzulässig, wenn den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist, dass diese Merkmale in untrennbarem Zusammenhang mit anderen Merkmalen stehen, die der Patentanspruch nicht vorsieht (, GRUR 2002, 49, 51 - Drehmomentübertragungseinrichtung; Urteil vom - X ZR 161/12, BGHZ 204,199 Rn. 31 - Wundbehandlungsvorrichtung; Urteil vom - X ZR 41/14, GRUR 2016, 1038 Rn. 48 - Fahrzeugscheibe II). Der Beanspruchung von Schutz ohne ein bestimmtes Merkmal kann insbesondere entgegenstehen, dass in der Anmeldung sämtliche Ausführungsbeispiele ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Kombination von mehreren Merkmalen aufweisen und dem Inhalt der Anmeldung zu entnehmen ist, dass die im Anspruch vorgesehenen Mittel der Lösung eines Problems dienen, das das Vorhandensein des betreffenden Merkmals oder der betreffenden Merkmalskombination voraussetzt (vgl. , GRUR 2018, 175 Rn. 35 - Digitales Buch; Urteil vom - X ZR 67/20, GRUR 2022, 1575 Rn. 71 - Übertragungsparameter).

55Im Streitfall ist den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht zu entnehmen, dass die Verringerung des Spreizfaktors unter 256 zwingend mit einer Erhöhung der Sendeleistung einhergehen muss.

56Ebenso wie in der Streitpatentschrift wird in der Anmeldung zwar ausgeführt, dass die Empfangspräzision bei einer Verringerung des Spreizfaktors nachlasse und die Sendeleistung erhöht werden müsse, um dieselbe Präzision erzielen zu können. Dementsprechend wird der CSC bei allen vier geschilderten Ausführungsbeispielen mit höherer Leistung versendet als die vorangehenden Signale auf dem Festkanal. Aus all dem lässt sich aber nicht ableiten, dass eine Beibehaltung der ursprünglichen Präzision und eine zu diesem Zweck vorgenommene Leistungserhöhung stets erforderlich sind.

57Bei der Schilderung des in Figur 3 dargestellten Ausführungsbeispiels wird ausgeführt, die Genauigkeit könne auch dadurch gesteigert werden, dass der CSC und der GISC zeitlich versetzt gesendet werden, um Interferenzen zu vermeiden (ZP1A Abs. 24). Bei diesem Ausführungsbeispiel wird dies zwar nur als zusätzliche Maßnahme zu einer (moderaten) Leistungserhöhung eingesetzt. Dieses Beispiel betrifft aber bereits eine relativ weitgehende Reduzierung des Spreizfaktors von 256 auf 64, also auf ein Viertel des Vergleichswerts. Angesichts des ebenfalls bereits in der Anmeldung enthaltenen Hinweises, dass ähnliche Effekte auch bei anderen Ausgestaltungen erzielt werden können, solange der Spreizfaktor kleiner ist als 256 (ZP1A Abs. 22), lässt dies die Möglichkeit offen, bei einer geringeren Reduzierung, etwa von 256 auf 128, lediglich einen zeitlich versetzten Versand von CSC und GISC vorzusehen und von einer Leistungserhöhung abzusehen.

58b) Der verteidigte Gegenstand geht jedoch über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, weil die Merkmale 2.2' und 2.3 anstelle eines Spreizens eine beliebige Abbildung (mapped) des ersten Kurzcodes und des vorgegebenen Kurzcodes vorsehen. Der Anmeldung ist nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass jede beliebige Abbildung der beiden Kurzcodes genügt.

59Sämtliche Patentansprüche der Anmeldung erfordern ein Spreizen (z.B. Patentanspruch 1: being spread by a long period code…being spread by a predetermined short period signal), bei dem es sich um eine konkrete Form des Abbildens handelt.

60Eine weitergehende Offenbarung ergibt sich auch nicht aus der Beschreibung der Anmeldung. Danach betrifft die Erfindung eine Zellensuche, für die ein langcodemaskiertes Symbol in Festkanälen eingesetzt wird (ZP1A Abs. 1 Z. 9). Bei dem nach der Beschreibung der Anmeldeunterlagen im referierten Stand der Technik bekannten Verfahren wird ein Steuersignal der Festkanäle gespreizt (ZP1A Abs. 4, Z. 42: is spread as described below). In der Erläuterung dieses Spreizvorgangs wird zwar davon gesprochen, dass der CSC gemappt werde (ZP1A Abs. 4 Z. 46-47). Aus der Einleitung und aus zahlreichen anderen Stellen geht aber deutlich hervor, dass damit lediglich ein Spreizen gemeint ist. So wird in der Beschreibung der Anmeldung kritisiert, dass in dem bekannten System der Spreizprozess in dem Abschnitt des langcodemaskierten Symbols mit derselben Symbolrate erfolge wie in dem Datensymbolabschnitt (ZP1A Abs. 8 Z. 41-43). Dem Gesamtinhalt der Anmeldung ist dabei zu entnehmen, dass die Erfindung das im Stand der Technik bekannte Verfahren, bei dem sowohl der erste Kurzcode als auch der vorgegebene Kurzcode spreizen, im Ausgangspunkt nicht ändern will, sondern dass es nur darum geht, den Spreizfaktor des langcodemaskierten Symbols, welches die Anmeldung synonym für den Kurzcode verwendet (ZP1A Abs. 3 Z. 25-26), gegenüber den anderen Spreizfaktoren in den Festkanälen zu verringern (ZP1A Abs. 11).

61c) Zu Recht hat das Patentgericht auch angenommen, dass in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als Mittel zur Synchronisation lediglich ein Korrelationswert (Merkmal 3.2) als zur Erfindung gehörend offenbart wird, der durch Entspreizen des Steuersignals mit Hilfe des vorgegebenen Kurzcodes ermittelt wird, nicht hingegen ein Wert, der durch Berechnung mittels eines beliebigen anderen Verfahrens mit Hilfe dieses Codes hergeleitet wird.

62aa) In der Anmeldung wird - ebenso wie im Streitpatent (Abs. 9) - der Stand der Technik dahin beschrieben, dass das Mobilgerät die Festkanäle mit Hilfe des CSC entspreizt und den Takt der Zeitschlitze mit Hilfe des Korrelationswerts ermittelt (ZP1A Abs. 6). Als Mittel, um die angestrebten Ziele einer schnelleren Synchronisation mit geringem Energieaufwand zu ermöglichen, wird lediglich eine Verringerung des Spreizfaktors angegeben (ZP1A Abs. 11), nicht aber eine sonstige Änderung bei der Bestimmung des Korrelationswerts.

63Daraus ist nicht hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die vorgeschlagene Lösung auch mit anderen Verfahren zur Bestimmung des Korrelationswerts kombiniert werden kann.

64bb) Aus den von der Beklagten angeführten Darlegungen zu Figur 9 (ZP1A Abs. 16, Streitpatent Abs. 19) ergeben sich diesbezüglich keine weiteren Hinweise.

65Dort wird ausgeführt, zur Synchronisation werde ein angepasstes Filter verwendet, welches die Korrelationsergebnisse für mehrere Takte gleichzeitig liefern könne. Dass diese Korrelationswerte dadurch erhalten werden, dass ein Entspreizen mit Hilfe des CSC stattfindet, ergibt sich aus den Ausführungen, wonach für die Koeffizienten ein von einer CSC-Codiereinrichtung erzeugter CSC verwendet werde (ZP1A Sp. 4 Z. 58 bis Sp. 5 Z. 1).

663. Da die Merkmale 2.2' und 2.3 aus den oben genannten Gründen nicht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart sind, hat auch die Verteidigung der Beklagten und der Streithelferin mit Antrag B.8 keinen Erfolg.

67IV. Die Berufung der Klägerin zu 1 hat ebenfalls keinen Erfolg. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand des Hilfsantrags B.6' als patentfähig angesehen.

681. Nach dem vom Patentgericht zugesprochenen Antrag B.6' sind die Merkmale 2.2', 2.3, 3.1, 3.2 und 4.1 wie folgt gefasst (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

702. Damit ist eine Spreizung durch die Kurzcodes sowohl in Merkmal 2.2' als auch in Merkmal 2.3 zwingend vorgesehen.

71Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist damit nicht ausgeschlossen, dass der vorgegebene Kurzcode gemäß Merkmal 2.3 mehrmals hintereinander mittels Spreizung in den zweiten Abschnitt des Zeitschlitzes eingefügt wird.

72Eine diesbezügliche Einschränkung ist weder Patentanspruch 1 noch der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmen.

73In den Zeichnungen ist eine mehrfache Übertragung eines Kurzcodes innerhalb desselben Abschnitts zwar nur für den GISC offenbart. Weder hieraus noch aus der Beschreibung ergibt sich aber die Schlussfolgerung, dass eine entsprechende Vorgehensweise für den CSC ausgeschlossen ist.

74Im Stand der Technik wurde zwar nur ein Symbol übertragen, das nicht mit dem Langcode gespreizt war. Patentanspruch 1 sieht eine Spreizung durch den vorgegebenen Kurzcode aber nicht zwingend nur für ein einzelnes Symbol vor, sondern für einen Abschnitt eines Zeitschlitzes. Ein solcher Abschnitt wird in der Beschreibung als long code masked symbol section bezeichnet (Abs. 10 und 11). Wie bereits oben dargelegt, füllt das Abbilden eines einzelnen Kurzcodes einen solchen Abschnitt nicht zwingend aus, weil der Abschnitt mehr Chips umfassen kann als der Kurzcode.

75Nach der Beschreibung dürfen Abschnitte, die nicht der Abbildung von CSC und GISC dienen, zwar nicht mit Symbolen versehen werden (Abs. 26 Z. 51-53). Auch damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die genannten Kurzcodes mehrfach zur Spreizung in einem Abschnitt verwendet werden.

76Eine weitergehende Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Erfindungsgedanken.

77Die Beschreibung bezeichnet es zwar als nachteilig, wenn das Spreizverfahren im maskierten Abschnitt mit derselben Symbolrate durchgeführt wird wie im Abschnitt für die Datensymbole (Abs. 11 Z. 21-25), und schlägt deshalb vor, für das maskierte Symbol einen kleineren Spreizfaktor einzusetzen (Abs. 14). Damit wäre eine mehrfache Spreizung durch den vorgegebenen Kurzcode in einem einzelnen Abschnitt aber nur dann ausgeschlossen, wenn auch die Abschnittslänge in gleichem Maße reduziert würde. Letzteres sieht das Streitpatent gerade nicht vor.

78Im Falle wiederholter Einfügung des vorbestimmten Kurzcodes erhöht sich allerdings die Zahl der Abtastvorgänge pro Zeitschlitz gegenüber der Verwendung nur eines langcodemaskierten Symbols. Dennoch ermöglicht die Verringerung des Spreizfaktors des langcodemaskierten Symbols gegenüber dem Spreizfaktor der anderen Abschnitte auch bei einer mehrfachen Einfügung des Kurzcodes eine schnelle Zellensuche unter stromsparender Verwendung eines Filters mit geringer Gattergröße. Auch in diesem Fall ist nämlich die vom Streitpatent angestrebte Verwendung von Filtern mit weniger taps (Abgriffen) bei gleichzeitiger Verringerung oder Vermeidung der Koeffizientenwechsel (Abs. 13 Z. 51-55) möglich, da sich die Anzahl der Chips und ihre Reihenfolge bei wiederholter Übersendung desselben Codes nicht unterscheiden.

79Die vom Patentgericht getroffene Feststellung, dass eine mehrfache Übertragung des CSC im gleichen Abschnitt für die Synchronisation eher nachteilig sein kann, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

80Patentanspruch 1 liegt zwar das Ziel einer möglichst effizienten Synchronisation zugrunde. Er definiert insoweit aber keine Mindestanforderungen und ist insbesondere nicht auf eine in jeder Hinsicht optimale Ausgestaltung beschränkt.

81Welche Folgerungen sich hieraus für das Verletzungsverfahren ergeben, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner abschließenden Entscheidung.

82Der mit Antrag B.6' verteidigte Gegenstand geht nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

83Der mit Antrag B.6' verteidigte Gegenstand ist nicht deshalb unzulässig erweitert, weil Merkmal 2.3 ein mehrfaches Spreizen des vorgegebenen Kurzcodes in demselben Abschnitt nicht ausschließt.

84In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob eine Ausführungsform, bei der der CSC zwingend mehrfach denselben Abschnitt spreizt, unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend offenbart ist. Eine solche Ausgestaltung sieht auch das Streitpatent nicht zwingend vor.

85Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Anmeldung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, dass eine mehrfache Abbildung des CSC in denselben Abschnitt zwingend ausgeschlossen ist. Diese Frage ist zu verneinen.

86Wie in der Streitpatentschrift (Abs. 26) wird schon in der Anmeldung ausgeführt, dass der Abschnitt, in welchen der Kurzcode eingefügt wird, mehr Platz haben kann, als für den Kurzcode benötigt wird (ZP1A Abs. 23). Damit bleibt aus den oben zu Merkmal 3.2 dargelegten Gründen bereits nach den Ausführungen in der Anmeldung die Möglichkeit offen, den verbleibenden Raum durch wiederholtes Spreizen des Kurzcodes auszufüllen.

87Anspruch 1 der Anmeldung verlangt einen vorbestimmten Kurzcode, der den zweiten Abschnitt des Zeitschlitzes spreizt. Er reicht damit weiter als der in der Anmeldung beschriebene Stand der Technik, bei welchem ein spezieller Kurzcode - das sogenannte "long code masked symbol" - verwendet wird (ZP1A Abs. 3).

88Aus den zu Hauptantrag B.2 genannten Gründen liegt eine unzulässige Erweiterung auch nicht darin, dass Merkmal 4.1 einen Spreizfaktor von weniger als 256 vorsieht, ohne zugleich eine Anhebung der Sendeleistung vorzuschreiben.

89Ohne Erfolg wendet sich die Berufung der Klägerin zu 1 gegen die Auffassung des Patentgerichts, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Antrags B6' sei nicht durch Band 3 des Entwurfs für den ARIB-Standard in der Version 0 (ZP14) und den Unterversionen 0-1.0 (ZP14g) und 0-4.0 (ZP14h) neuheitsschädlich vorweggenommen.

90ZP14, ZP14f und ZP14g enthalten, soweit hier von Interesse, übereinstimmende Vorgaben für die Luft-Schnittstelle eines Mobilfunksystems der dritten Generation (Überschrift) mit CDMA (Kap. 3.1).

91Bei diesem System sendet jede Basisstation über zwei logische Rundsendekanäle (BCCH1, BCCH2), die auf physikalische Festkanäle (perch channels) abgebildet werden, Steuersignale (system control information) an die mobilen Endgeräte ihrer Funkzelle (Fig. 3.2-1; Fig. 3.2-3). Bei den in den Festkanälen repräsentierten Symbolen - mit Ausnahme der langcode-maskierten Symbole - kommen zwei Spreizmethoden zur Anwendung, nämlich das short code spreading (Kap. 3.2.2.1.3 Punkt 2), welches kanalspezifisch ist, und das long code spreading bei dem es sich um scrambling handelt (Kap. 3.2.4.2.2). Jeder der Festkanäle überträgt ein langcode-maskiertes Symbol. Dabei handelt es sich um Symbole, welche nicht mit dem Langcode gespreizt sind (Kap. 3.2.2.1.3 Punkt 4). Sie sind am Ende des zugehörigen Zeitschlitzes angeordnet (Fig. 3.2.2-1).

92Zur Synchronisation untersucht die Mobilstation den ersten Festkanal unter Verwendung des im System einheitlich verwendeten Kurzcodes (Kap. 3.2.7.9).

93Wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat, fehlt es hinsichtlich des in Band 3 des Entwurfs vorgesehenen Betriebsmodus FDD an einer Offenbarung des Merkmals 4.1.

94Der Spreizfaktor für die kanalbezogenen Kurzcodes hängt von der Symbol- und der Chiprate ab. Die Beziehungen zwischen diesen Werten sind in der nachfolgend wiedergegebenen Tabelle 3.2.4-3 dargestellt.

95Für die beiden Festkanäle ist im FDD-Modus eine Symbolrate von 16 ksps vorgesehen (Fig 3.2.2-1). Wie sich aus den vom Senat kolorierten Einträgen ergibt, stehen danach bei einer Trägerchiprate von 4,096 Mcps für jeden Kurzcode 256 Chips zur Verfügung.

96Der den zweiten Abschnitt spreizende vorgegebene Kurzcode ist im FDD-Modus ein orthogonaler Gold-Code der Länge 256 (Kap. 3.2.2.1.3). Details der den Gold-Code erzeugenden Generator-Polynome sind in Kapitel 3.2.4.2.2.3.2 angegeben.

97Bei einer Chiprate von 4,096 Mcps ist der Spreizfaktor der Kurzcodes für den ersten Abschnitt mithin gleich lang wie derjenige des vorgegebenen Kurzcodes. Dieser ist zudem nicht kleiner als 256.

98Bei einer geringeren Chiprate ist der Spreizfaktor des ersten Kurzcodes kleiner. Wie das Patentgericht festgestellt hat, muss auch der Spreizfaktor für den vorgegebenen Kurzcode entsprechend verringert werden. Auch in diesem Modus besteht zwischen den beiden Spreizfaktoren kein Unterschied.

99Bei Chipraten von 8,192 oder 16,384 Mcps bei der Anwendung des FDD-Modus ist der auf 256 begrenzte Spreizfaktor für den vorgegebenen Kurzcode zwar kleiner als derjenige für den ersten Kurzcode. Damit ist aber nur Merkmal 4 vorweggenommen, nicht jedoch Merkmal 4.1.

100Band 3 des Entwurfs für den ARIB-Standard nimmt für den TDD-Modus auch bei Chipraten von 8,192 Mcps und 16,384 Mcps das Merkmal 4.1 nicht vorweg.

101Wie das Patentgericht seiner Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt hat, sind die Spreizfaktoren des ersten Kurzcodes für TDD ebenfalls der oben wiedergegebenen Tabelle 3.2.4-3 zu entnehmen. Dies ergibt sich aus der Vorgabe, dass hinsichtlich des Kurzcodes für andere als nicht langcode-maskierte Symbole dasselbe gelten soll wie im FDD-Modus (Kap. 3.3.4.2.2.3).

102Abweichend von den Festlegungen für den FDD-Modus ist für die beiden Festkanäle im TDD-Modus allerdings eine Symbolrate von 32 ksps vorgesehen (Fig. 3.3-2). Daraus folgt, dass für eine Chiprate von 1,024 Mcps der Spreizfaktor des ersten Kurzcodes 32 beträgt. Bei einer Chiprate von 4,096 Mcps beträgt er 128, bei 8,192 Mcps liegt er bei 256 und bei einer Chiprate von 16,384 ergibt sich ein Wert von 512.

103Für die langcode-maskierten Symbole wird ebenfalls auf die Festlegungen für den FDD-Modus verwiesen. Abweichend davon sollen die Kurzcodes für solche Symbole im TDD-Modus einen orthogonalen Gold-Code der Länge 128 benutzen (Kap. 3.3.2.1.3). In den Festlegungen für die Datenmodulation findet sich der Hinweis, für Kurzcodes für langcode-maskierte Signale gelte dasselbe wie im FDD-Modus (Kap. 3.3.4.2.2.3.2).

104Hieraus ergibt sich keine eindeutige Offenbarung der Merkmale 4 und 4.1 in Kombination.

105Bei einer Chiprate von 1,024 Mcps kann der Kurzcode lediglich eine Chiplänge von 32 haben. Daraus ergibt sich ein Spreizfaktor von 32 und damit derselbe Wert wie für die anderen Kurzcodes. Damit ist Merkmal 4 nicht offenbart.

106Bei einer Chiprate von 4,096 Mcps betragen die mögliche Symbollänge und damit auch der Spreizfaktor jeweils 128. Auch damit ist Merkmal 4 nicht offenbart.

107Bei höheren Chipraten wären die Merkmale 4 und 4.1 offenbart, wenn den oben wiedergegebenen Festlegungen eindeutig zu entnehmen wäre, dass die Länge des Gold-Codes stets auf 128 beschränkt ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, weil die beiden oben wiedergegebenen Passagen insoweit in unterschiedliche Richtungen deuten.

108Die Vorgabe in Kapitel 3.3.2.1.3, einen orthogonalen Gold-Code der Länge 128 zu benutzen, spricht zwar für eine entsprechende Begrenzung. Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, deutet aber die vorbehaltlose Bezugnahme auf die Festlegungen für den FDD-Modus in Kapitel 3.3.4.2.2.3.2 darauf hin, dass für TDD und FDD derselbe Gold-Code-Generator zum Einsatz kommen soll. Dieser kann nach den Feststellungen des Patentgerichts Codes bis zu einer Länge von 256 erzeugen. Dies spricht dafür, dass die maximale Kapazität bei Bedarf auch im FDD-Modus nach Möglichkeit ausgenutzt werden soll.

109Ein Rangverhältnis zwischen diesen Festlegungen ist dem Entwurf des ARIB-Standards nicht zu entnehmen. Die ausdrückliche Erwähnung einer Codelänge von 128 könnte zwar dafür sprechen, dass darin eine spezielle Festlegung liegt, die der allgemeinen Bezugnahme auf die Festlegungen für den FDD-Modus vorgeht. Der Grund für die Nennung dieses Werts kann aber auch darin liegen, dass eine Chiprate von 4,096 Mcps als Standardwert betrachtet wurde und deshalb der Spreizfaktor für diese Rate hervorgehoben werden soll. Insgesamt lässt sich der Formulierung in Kapitel 3.3.2.1.3 damit nicht eindeutig entnehmen, dass der genannte Spreizfaktor von 128 stets die Obergrenze bilden soll, obwohl der Gold-Code-Generator Codes bis zu einer Länge von 256 erzeugen kann.

110Ob, wie das Patentgericht angenommen hat, gegen eine strikte Begrenzung auf einen Spreizfaktor von 128 darüber hinaus der Umstand spricht, dass sich dadurch die Zeitschlitzsynchronisation im TDD-Modus im Vergleich zu FDD verschlechterte, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

111Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob es zur Verwirklichung der Merkmale 2.3, 3.1, 3.2 und 4 ausreicht, wenn nur einzelne Teilsequenzen des zweiten Abschnitts als Kurzcode interpretiert und zur Berechnung des Korrelationswerts herangezogen werden.

112Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, würde es zur Offenbarung dieser Merkmale nicht ausreichen, dass die Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise besteht. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 setzt vielmehr voraus, dass von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Ein Mobilgerät nach Patentanspruch 8 muss so eingerichtet sein, dass es eine solche Auswertung vornehmen kann. Weder das eine noch das andere ist im Entwurf des ARIB-Standards offenbart.

113Der mit Antrag B.6 verteidigte Gegenstand wird durch das bei einem Treffen im Dezember 1997 in Irland vorgestellte Dokument der Concept Group Alpha (Wideband Direct-Sequence CDMA (WCDMA), ZP11 oder Ireland-WCDMA) ebenfalls nicht vollständig offenbart.

114ZP11 betrifft ein Konzept für mobile CDMA-Kommunikation im Rahmen des Systems UMTS (S. 6). Im Downlink werden zwischen Basis- und Mobilstation ein Dedicated Physical Data Channel (DPDCH) und ein Dedicated Physical Control Channel (DPCCH) übertragen (S. 12).

115Die nachfolgend wiedergegebene Figur 3 zeigt die Spreizung und Modulation für die beiden Kanäle.

116Die Datenmodulation erfolge nach der Methode QPSK (Quadrature Phase-Shift Keying). Jedes Paar von zwei Bits werde seriell-parallel umgewandelt und dem I- bzw. Q-Zweig zugeordnet. Der I- und der Q-Zweig würden dann mit demselben Kanalisierungscode cch auf die Chiprate gespreizt und anschließend mit dem gleichen zellenspezifischen Scramblingcode cscramb verwürfelt (S. 12).

117Der Downlink-Scrambling code cscramb ist ein 40960 chips (10 ms) langes Segment eines Gold-Codes der Länge 218 - 1, das in jedem Rahmen wiederholt werde (S. 12 drittletzter Abs.). Die Kurzcodes seien als OVSF-Codes (Orthogonal Variable Spreading Factor) ausgebildet (Figur 4). Der Wert des Spreizfaktors auf dem DPDCH/DPCCH könne zwischen 4 und 256 liegen (S. 11 viertletzter Abs.).

118Der logische Broadcast Control Channel (BCCH) werde auf den physikalischen Primary Common Control Physical Channel (Primary CCPCH) abgebildet (S. 10 Fig. 1). Dieser bilde zusammen mit dem Secondary CCPCH den CCPCH (S. 14 Überschrift 2.4.2.1). Dieser Fest- oder Steuerkanal CCPCH werde auf dieselbe Weise gespreizt wie die Downlink Dedicated Physical Channels (S. 14, drittletzter Abs.). Der primäre CCPCH weise eine konstante Bitrate von 32 kbps (also 16 ksps) auf (S. 14 letzter Abs.).

119Ferner wird ein Synchronisation Channel (SCH) beschrieben, bei dem es sich um ein Downlinksignal handle, welches zur Zellsuche verwendet werde. Dieses umfasse zwei Subkanäle, nämlich den primären und den sekundären SCH. Die Struktur dieses Kanals ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur dargestellt (S. 15 Kap. 2.4.2.3).

120Der primäre SCH bestehe aus einem unmodulierten Gold-Code mit einer Länge von 256 Chips. Dies sei der primäre Synchronisationsode cp, der jeweils zu Beginn jedes Zeitschlitzes übertragen werde. Dieser Code sei bei jeder Basisstation im System gleich. Der sekundäre SCH bestehe aus einem modulierten orthogonalen Gold-Code der Länge von 256 Chips (S. 15).

121In der nachfolgend wiedergegebenen Figur 9 ist der Kanal SCH in Überlagerung mit den anderen physikalischen Kanälen (DPDCH/DPCCH und CCPCH) dargestellt.

122Aus der Figur ergebe sich, dass SCH nur mit Unterbrechungen (ein Symbol pro Zeitschlitz) übertragen werde und dass SCH erst gemultiplext werde, nachdem DPDCH/DPCCH und CCPCH langcode-verwürfelt worden seien. Daraus ergebe sich, dass SCH nicht orthogonal zu den anderen physikalischen Kanälen im Downlink sei (S. 15 letzter Abs.).

123Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, sind damit die Merkmale 4 und 4.1 nicht offenbart.

124Der Spreizfaktor auf dem Primary CCPCH (Kurzcode des ersten Abschnitts) beträgt danach 256 (4,096 / 16) und entspricht damit dem auf dem primären SCH gesendeten vorgegebenen Kurzcode cp.

125Auch in diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob zur Verwirklichung der genannten Merkmale die Auswertung von Teilsequenzen ausreichen würde. Wie bereits oben dargelegt wurde, reicht es zur Offenbarung der geschützten Lehre jedenfalls nicht aus, dass die Möglichkeit einer solchen Vorgehensweise besteht. Ein Verfahren, bei dem diese Vorgehensweise zur Anwendung kommt, oder ein Mobilfunkgerät, das eine solche Auswertung vornehmen kann, sind auch in ZP11 nicht offenbart.

126Die europäische Patentanmeldung 1 011 211 (ZP10A) offenbart den verteidigten Gegenstand ebenfalls nicht vollständig.

127Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, offenbart ZP10A keinen Spreizfaktor des vorgegebenen Kurzcodes, der kleiner ist als 256.

128Die nachveröffentlichte Entgegenhaltung von Nakamura (ZP12) gehört, wie das Patentgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat, nicht zum Stand der Technik. Die mit Antrag B.6' verteidigte Fassung von Patentanspruch 1 nimmt zu Recht die Priorität der japanischen Patentanmeldung 10-129995 vom (ZP2, deutsche Übersetzung ZP2B) in Anspruch.

129In ZP2 ist als zur Erfindung gehörend offenbart, dass nur der Abschnitt des langcode-maskierten Symbols der Festkanäle so eingerichtet wird, dass er einen Spreizfaktor von 64 aufweist (ZP2B Abs. 18). Eine Einschränkung dahin, dass dieser Abschnitt - wie im Stand der Technik - aus nur einem Symbol bestehen soll, lässt sich der Beschreibung des Prioritätsdokuments nicht entnehmen. Wie in der Streitpatentschrift wird bei der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels von dem Abschnitt des maskierten Symbols gesprochen und lediglich die Vorgabe gemacht, dass mit Ausnahme der Abschnitte für CSC und GISC die Abschnitte mit keinen Symbolen versehen sind (ZP2B Abs. 19).

130Der mit Antrag B.6' verteidigte Gegenstand ist durch den Entwurf des ARIB-Standards sowie die weiteren Druckschriften nicht nahegelegt.

131Der Entwurf des ARIB-Standards sieht zwar für bestimmte Konstellationen für den vorgegebenen Kurzcode einen kleineren Spreizfaktor vor als für den ersten Kurzcode. Er offenbart dies eindeutig aber nur für Betriebsarten, in denen die dem Gold-Code-Generator immanente Größenbegrenzung von 256 erreicht ist. Daraus ergab sich keine Veranlassung, für den vorgegebenen Kurzcode auch dann einen kleineren Spreizcode zu wählen als für den ersten Kurzcode, wenn die Kapazitätsgrenze des Generators noch nicht erreicht ist.

132Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG). Das Streitpatent erweist sich aus den oben dargelegten Gründen in dem mit Hilfsantrag B.6' verteidigten Umfang als rechtsbeständig. Die Berufungen aller Parteien sind damit unbegründet.

133Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 ZPO, § 100 Abs. 1, § 101, § 92 Abs. 1 und 2 und § 269 Abs. 3 ZPO.

134Entgegen der Auffassung des Patentgerichts erscheint es nicht angemessen, der Klägerseite die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

135Entgegen der Auffassung beider Seiten ist nicht offensichtlich, welche Auswirkungen die vorgenommenen Änderungen auf den Ausgang des Verletzungsverfahrens haben. Vor diesem Hintergrund hat sich die Kostenentscheidung vor allem daran zu orientieren, in welchem Umfang der Gegenstand des Patents im Vergleich zur erteilten Fassung eingeschränkt worden ist. Diese Einschränkung ist zwar, wie das Patentgericht im Ansatz zutreffend gesehen hat, als eher gering zu bewerten, aber nicht so gering, dass die Anwendung von § 92 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt erschiene. Vielmehr erscheint es angemessen, der Beklagten ein Fünftel der erstinstanzlichen Kosten aufzuerlegen. Eine Differenzierung zwischen den Kosten erster und zweiter Instanz oder eine Modifizierung im Hinblick auf den beiderseits für erledigt erklärten Teil des ursprünglichen Streitgegenstands erscheint demgegenüber nicht angebracht.

136Die Klägerinnen zu 2 und 3 haben ihre eigenen Kosten sowie einen Teil der Gerichtskosten zu tragen, weil sie ihre Klage zurückgenommen haben. Dies gilt auch für die zweitinstanzlichen Gerichtskosten, weil die Klagerücknahme erst im Laufe des Berufungsverfahrens erfolgt ist. Außergerichtliche Kosten der Beklagten sind diesen Klägerinnen dagegen nicht aufzuerlegen, weil die Beklagte keinen Kostenantrag gestellt hat (vgl. , GRUR 2020, 599 Rn. 69 - Rotierendes Menü; Urteil vom - X ZR 119/18, GRUR 2020, 980 Rn. 88 - Aktivitätsüberwachung).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:180423UXZR14.21.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-41417