(Erlöschen des staatlichen Einziehungsanspruchs gegen die Mitangeklagten aufgrund der im Wege der Zwangsvollstreckung bei einem Tatbeteiligten erfolgten Befriedigung von Ansprüchen aus der Tat)
Gesetze: § 73e Abs 1 S 1 StGB, § 264 Abs 9 StGB, § 154 Abs 2 StPO
Instanzenzug: LG München II Az: 3 KLs 19 Js 21690/19
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen Betrugs in 52 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichem versuchten Betrug in 28 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit gemeinschaftlichem Subventionsbetrug“ verurteilt. Den Angeklagten S. hat das Landgericht darüber hinaus wegen „Betrugs in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit mittelbarer Falschbeurkundung“ verurteilt und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verhängt. Daneben hat es gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 45.120,72 Euro angeordnet. Die Revision des Angeklagten S. , mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
21. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat im Fall C. V. der Urteilsgründe das Verfahren gegen den Angeklagten S. gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen ein. Nach den insoweit lückenhaften Feststellungen kann nicht überprüft werden, ob der Angeklagte unrichtige Angaben über subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 Abs. 9 StGB gemacht hat.
32. Die Teileinstellung zieht die Änderung des Schuldspruchs betreffend den Angeklagten S. nach sich, den der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO neu fasst; der Schuldspruch wegen Subventionsbetruges entfällt. Unter Erstreckung auf die Mitangeklagte G. (§ 357 Satz 1 StPO) ändert der Senat den Schuldspruch auch, soweit dem Landgericht bei der Anzahl der vollendeten Betrugstaten ein Zählfehler zulasten der Angeklagten unterlaufen ist, die sich in den Tatkomplexen I., II. und III. der Urteilsgründe lediglich wegen 51 und nicht wegen 52 Fällen des vollendeten Betruges schuldig gemacht haben. Zudem entfällt die Angabe „gemeinschaftlich“ (vgl. Rn. 4 mwN).
43. Die Teileinstellung führt überdies zum Wegfall der wegen dieser Tat verhängten Einzelfreiheitsstrafe. Die gegen den Angeklagten erkannte Gesamtfreiheitsstrafe kann bestehen bleiben, da der Senat mit Blick auf die verbleibenden 82 Einzelstrafen ausschließen kann, dass das Landgericht ohne die im Fall C. V. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
5Lediglich zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht in den Fällen I. 1. und I. 39. der Urteilsgründe gegen den Angeklagten S. jeweils Freiheitsstrafen von acht Monaten und gegen die Mitangeklagte G. jeweils Freiheitsstrafen von sechs Monaten festgesetzt hat. Das Landgericht hat bei der Aufzählung der Fälle, in denen eine Rückzahlung erfolgt ist, die beiden gleichgelagerten Fälle I. 1. und I. 39. der Urteilsgründe erkennbar aufgrund eines Schreibversehens nicht explizit aufgeführt.
64. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
7a) Angesichts der Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall C. V. der Urteilsgründe musste – ihn betreffend – die daran anknüpfende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 5.000 Euro entfallen.
8b) Zutreffend hat der Generalbundesanwalt ausgeführt, dass die Urteilsgründe bereits eine detaillierte Darstellung der Umstände vermissen lassen, welche tatgegenständlichen Vermögenswerte durch den Angeklagten S. , durch die Mitangeklagte G. oder durch beide Angeklagte im Sinne des § 73 StGB erlangt wurden. Zwar enthält das Urteil Angaben dazu, auf welche Konten die Geschädigten eines Tatkomplexes Zahlungen geleistet haben und wer Zugriff auf diese Konten hatte. Dabei versäumt das Landgericht jedoch in den Tatkomplexen I. und III. der Urteilsgründe, in denen Zahlungen auch auf Konten geleistet wurden, bei denen nach den Urteilsfeststellungen entweder der Angeklagte oder die Mitangeklagte alleinverfügungsberechtigt waren, festzustellen, welche Beträge auf die einzelnen Konten überwiesen wurden. Bereits diese Feststellungslücke steht einer vollständigen revisionsrechtlichen Überprüfung entgegen.
9c) Das Landgericht hat zudem versäumt, die bei der Mitangeklagten G. im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten Schadensbeitreibungen durch Geschädigte zu konkretisieren. So hat es weder festgestellt, welche Geschädigten ihre Ansprüche (teilweise) gegen die Mitangeklagte durchsetzen konnten, noch in welcher Höhe die Mitangeklagte die Ansprüche bereits befriedigt hat. Da auch die im Wege der Zwangsvollstreckung bei einem Tatbeteiligten erfolgte Befriedigung von Ansprüchen aus der Tat dem Anwendungsbereich des § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB unterfällt (vgl. LK StGB/Lohse, 13. Aufl., § 73e Rn. 4) und für alle Gesamtschuldner (vgl. Rn. 5) insoweit ein Erlöschen des staatlichen Einziehungsanspruchs bewirkt, hätte das Landgericht exakte Feststellungen treffen müssen, um den Umfang des (noch) bestehenden Einziehungsanspruchs bestimmen zu können.
10d) Die Einziehungsentscheidung bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben und um solche ergänzt werden, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
11e) Die Aufhebung der Einziehungsentscheidung ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Mitangeklagte zu erstrecken, da die lückenhaften Feststellungen zu den Anordnungsvoraussetzungen auch sie betreffen (vgl. Rn. 9).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:050423B1STR379.22.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-41159