BGH Beschluss v. - 4 StR 398/22

Begründungsanforderungen beim Antrag eines Nebenklägers auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision

Gesetze: § 44 StPO, § 45 Abs 1 S 1 StPO, § 45 Abs 2 S 2 StPO, § 341 Abs 1 StPO, § 401 Abs 2 S 1 StPO, § 85 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 31 Ks 12/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die Nebenklägerin mit ihrer Revision, mit der sie u. a. die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung erstrebt. Die beantragte Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision und die Revision der Nebenklägerin sind unzulässig.

21. Der Antrag der Nebenklägerin auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision ist nicht zulässig erhoben.

3a) Gegen das in Anwesenheit des anwaltlichen Vertreters der Nebenklägerin verkündete Urteil vom legte dieser am per Fax und am per Brief für die Nebenklägerin Revision ein. Die Revisionsbegründung reichte er über das besondere elektronische Anwaltspostfach fristgerecht am ein. Die Staatsanwaltschaft wies in ihrer Gegenerklärung vom auf die formunwirksame Einlegung hin. Nach einem Erledigungsvermerk der Staatsanwaltschaft vom wurde ein Abdruck der Gegenerklärung an den Vertreter der Nebenklage abgesandt. Nach Zugang eines Faxes am , mit dem ihm das Landgericht die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft übermittelte, beantragte der Vertreter der Nebenklägerin am über das elektronische Anwaltspostfach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und holte die Revisionseinlegung nach. Zum Zeitpunkt der Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses verhält sich der Wiedereinsetzungsantrag nicht. Dazu trug der Vertreter der Nebenklägerin erst nach Zugang der Antragsschrift des Generalbundesanwalts am vor und versicherte anwaltlich, nicht durch ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, sondern erst durch das Fax des Landgerichts am Kenntnis von dem Formmangel erhalten zu haben.

4b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Innerhalb dieser Frist muss der Antragsteller auch Angaben zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen, sofern sich die Wahrung der Frist nicht offensichtlich aus den Akten ergibt (vgl. Rn. 3, NStZ-RR 2021, 112; Beschluss vom – 4 StR 452/15 Rn. 2). Da bei der Nebenklage dem Säumigen ein Verschulden seines Rechtsanwalts zuzurechnen ist und deshalb bereits dessen Kenntnis den Fristlauf auslöst (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom – 3 Ws 959/03; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 45 Rn. 3; Cirener in Beck-OK-StPO, 46. Ed., § 45 Rn. 3; Brauer in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 45 Rn. 5; a. A. Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 44 Rn. 62), muss sich der Antragsteller dabei auch dazu verhalten, wann seinem Prozessbevollmächtigten der Wegfall des Hindernisses bekannt geworden ist.

5c) Daran fehlt es hier. Entsprechender Vortrag war nach Aktenlage auch nicht entbehrlich. Denn die Wahrung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO durch die Nebenklägerin ist daraus gerade nicht ersichtlich. In der Akte findet sich ein Abfertigungsvermerk der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft vom mit einer Ablichtung des Anschreibens an den Vertreter der Nebenklägerin. Anhaltspunkte gegen ein tatsächliches Versenden der Gegenerklärung oder für eine verzögerte oder fehlerhafte Übermittlung lassen sich den Akten nicht entnehmen. Vielmehr bestehen damit sogar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der anwaltliche Vertreter der Nebenklägerin deutlich vor dem Kenntnis von dem Formmangel hatte, das Hindernis damit weggefallen war und die Antragsfrist nicht gewahrt ist. Das Vorbringen des Vertreters der Nebenklägerin in Reaktion auf den Antrag des Generalbundesanwalts ist verspätet und damit unbeachtlich.

6d) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen in die Wiedereinsetzungsfrist des § 45 Abs. 1 StPO (vgl. Rn. 2, NStZ 1996, 149) zur Nachholung des versäumten Vortrags zum Zeitpunkt der Kenntnis kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden der Nebenklägerin nicht ausgeschlossen ist (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO). Angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Pflicht, bei Wiedereinsetzungsgesuchen Angaben zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses zu machen, ist vorliegend von einem Verschulden des Prozessbevollmächtigen der Nebenklägerin auszugehen, das sich diese nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

72. Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht wirksam (§ 32d Satz 2 StPO) innerhalb der Frist von § 341 Abs. 1, § 401 Abs. 2 Satz 1 StPO eingelegt worden und der Nebenklägerin ist keine Wiedereinsetzung in die Einlegungsfrist zu gewähren.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010223B4STR398.22.0

Fundstelle(n):
MAAAJ-40791