Übergang in den Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie - Krankengeldzuschuss
Gesetze: § 1 TVG
Instanzenzug: Az: 2 Ca 1223/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Az: 6 Sa 155 öD/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Höhe eines Krankengeldzuschusses.
2Der Kläger war seit Januar 1989 zunächst beim Land Schleswig-Holstein als Pflegehelfer und später Krankenpflegehelfer im früheren Landeskrankenhaus beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Nach § 37 Abs. 4 BAT konnte der Kläger bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit für längstens 26 Wochen einen Krankengeldzuschuss beanspruchen.
3Nach einer Umwandlung des Landeskrankenhauses in die Fachklinik S AöR wurde diese zum in die Fachklinik S gGmbH umgewandelt. Seit Juli 2006 firmierte sie als S-Klinikum GmbH. Seit dem galten für das Arbeitsverhältnis die Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Nach § 22 Abs. 3 TV-L wird bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren ein Krankengeldzuschuss längstens bis zum Ende der 39. Woche seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit gezahlt.
4Seit Anfang des Jahres 2008 gehörte die S-Klinikum GmbH zur Damp Holding AG. Infolgedessen fanden seitdem die Tarifverträge der Damp-Gruppe auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Manteltarifvertrag Damp vom sah in der ab dem geltenden Fassung (MTV Damp) ua. folgende Regelung vor:
5Zum übernahm die am neu gegründete Beklagte den Bereich der Eingliederungshilfe, in welcher der Kläger tätig war, von der S-Klinikum GmbH. Anlässlich des Betriebsübergangs schloss die Damp Holding AG mit der Gewerkschaft ver.di am einen Tarifvertrag zur Begleitung der Teilbetriebsübergänge in die Hesterberg & Stadtfeld GmbH (im Folgenden TV Überleitung Hesterberg). Dieser galt ua. für alle Arbeitnehmer der S-Klinikum GmbH, deren Arbeitsverhältnisse im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte in ihrer damaligen Rechtsform übergingen und sah in § 2 ua. vor, dass der MTV Damp in der Fassung vom weiterhin dynamisch Anwendung finden sollte. Dementsprechend wandte die Beklagte den MTV Damp weiterhin an.
6Am schlossen der Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger in Norddeutschland (VKDA) und die Gewerkschaft ver.di mit Wirkung zum einen Tarifvertrag zur Einführung des Kirchlichen Tarifvertrages Diakonie (KTD) in der Hesterberg & Stadtfeld gGmbH (im Folgenden EinführungsTV). Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
7Der in Bezug genommene Kirchliche Tarifvertrag Diakonie (im Folgenden KTD) vom lautet auszugsweise wie folgt:
8Der Kläger war seit dem durchgehend wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig und bezog seit dem jedenfalls bis Ende des Jahres 2020 Krankengeld. Mit Schreiben seiner gewerkschaftlichen Vertreter vom verlangte er einen Krankengeldzuschuss nach § 19 Abs. 3 MTV Damp. Dieser gelte nach § 31 Abs. 4 KTD als günstigere Regelung weiter. Die Beklagte teilte diese Auffassung nicht.
9Mit seiner Klage hat der Kläger weiterhin die Ansicht vertreten, sein Anspruch auf Krankengeldzuschuss richte sich nach § 19 Abs. 3 MTV Damp. Nach § 31 Abs. 4 KTD sollten günstigere Regelungen, welche zum „Zeitpunkt des Überganges“ Anwendung fanden, aufrechterhalten bleiben. Unter „Zeitpunkt des Überganges“ sei nach § 31 Abs. 2 Buchst. a KTD die Wirksamkeit der KTD-Regelung in der jeweiligen Einrichtung zu verstehen. Da der KTD hier seit dem Anwendung finde, gelte die damals maßgebliche Regelung in § 19 Abs. 3 MTV Damp weiter, weil sie günstiger als § 15 Abs. 3 KTD sei. Dass § 31 Abs. 4 KTD die Weitergeltung günstigerer Regelungen auch im Fall der Überleitung der Beklagten in die Diakonie ermöglichen sollte, werde durch § 3 Abs. 1 EinführungsTV belegt. Hiernach würden nur § 31 Abs. 1 bis 3 KTD bezüglich dieser Einführung nicht angewendet. Daraus sei zu schließen, dass § 31 Abs. 4 KTD uneingeschränkt Anwendung finden sollte. Die Beklagte sei daher zur Zahlung eines Krankengeldzuschusses iHv. 626,01 Euro verpflichtet.
10Der Kläger hat daher zuletzt beantragt,
11Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankengeldzuschuss. Die Übergangsregelung in § 31 Abs. 4 KTD gelte nur für Arbeitsverhältnisse, die bereits bei Einführung des KTD zu einem diakonischen Anstellungsträger bestanden hätten. Dies folge schon aus dem in § 1 Abs. 1 KTD festgelegten Geltungsbereich. Eine zeitlich unbegrenzte Besitzstandssicherung für vormals nichtdiakonische Arbeitsverhältnisse sei erkennbar nicht beabsichtigt gewesen. Auch in zeitlicher Hinsicht beschränke sich § 31 Abs. 4 KTD auf Einführungen des KTD im Jahre 2002 und nicht wie im vorliegenden Fall auf solche des Jahres 2014. Der Kläger könne einen Krankengeldzuschuss daher grundsätzlich nur nach § 15 Abs. 3 KTD verlangen. Im konkreten Fall habe er allerdings die Voraussetzung einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren bei der Beklagten nicht erfüllt. Beschäftigungszeiten bei Rechtsvorgängern seien nicht anzurechnen.
12Das Arbeitsgericht hat einen Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss nach § 15 Abs. 3 KTD bejaht und der Klage iHv. 132,79 Euro netto stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Beklagte hat keine Berufung eingelegt, so dass ihre Verurteilung in Rechtskraft erwachsen ist. Der Kläger hat im Umfang seines Unterliegens Berufung eingelegt.
13Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung weiterer 493,22 Euro netto verurteilt. Damit hat es der Klage im Ergebnis vollumfänglich stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Gründe
14Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte die Berufung des Klägers zurückweisen müssen. Über die vom Arbeitsgericht rechtskräftig zugesprochene Zahlung von 132,79 Euro netto hinaus hat der Kläger keinen Anspruch aus § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD auf Zahlung eines höheren Krankengeldzuschusses.
151. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Regelungen des KTD seit dem auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Es kann unentschieden bleiben, ob es sich bei dem KTD um einen Tarifvertrag im Sinne des Tarifvertragsgesetzes handelt (vgl. hierzu - Rn. 16). Der Kläger hat nach allen denkbaren Auslegungsmaßstäben keinen Anspruch aus § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD.
16a) Bei § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD handelt es sich um eine Besitzstandssicherung, welche entgegen der Auffassung der Revision zeitlich unbegrenzt auch Arbeitsverhältnisse erfasst, welche vor dem Übergang in den KTD zu einem nichtdiakonischen Arbeitgeber bestanden. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
17aa) Schon der Wortlaut des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD ist eindeutig. Er verlangt auf der Tatbestandsebene lediglich das Vorliegen günstigerer Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall „zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages“. Dies war gemäß § 32 Abs. 1 KTD der . Lag zu diesem Stichtag eine solch günstigere Regelung vor, ordnet § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD als Rechtsfolge an, dass diese Rechte „in der zum Zeitpunkt des Überganges gültigen Fassung“ fortgelten. Aus dieser Formulierung ist zu folgern, dass bezüglich der Rechtsfolge nicht auf den abzustellen ist. § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD statuiert seinem Wortlaut nach zwei maßgebliche Zeitpunkte, nämlich zum ersten den als den für das Eingreifen der Besitzstandssicherung maßgeblichen Zeitpunkt und zum zweiten den Tag des Übergangs als den für den Inhalt der Absicherung maßgeblichen Zeitpunkt. Unter „Zeitpunkt des Überganges“ ist ausweislich § 31 Abs. 2 Buchst. a KTD die Wirksamkeit der KTD-Regelung in der jeweiligen Einrichtung zu verstehen. Dieser Zeitpunkt kann nach der Konstruktion des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD auch noch Jahre nach dem liegen. § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD kennt keine zeitliche Begrenzung, sondern ist gerade auf künftige Übergänge ausgerichtet. Anderenfalls hätte kein Anlass bestanden, die Absicherung nach Maßgabe der zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des KTD in der jeweiligen Einrichtung gültigen Fassung der günstigeren Entgeltfortzahlungsregelung und damit dynamisch vorzunehmen. Dies gilt auch für Übergänge von nichtdiakonischen Arbeitgebern, denn § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD enthält keine entsprechende Beschränkung.
18bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Wortlaut des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD jedenfalls bezüglich der hier vorliegenden Konstellation nicht „zu weit“ gefasst. Die von ihr vorgeschlagene teleologische Reduktion auf Arbeitnehmer, die bereits im Jahr 2002 bei diakonischen Anstellungsträgern beschäftigt waren, kommt nicht in Betracht. Es ist insoweit schon keine unbewusste oder nachträglich entstandene Regelungslücke zu erkennen (vgl. hierzu - Rn. 20). § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD sieht ein stimmiges Konzept bezüglich des Bestandsschutzes von Entgeltfortzahlungsansprüchen jedenfalls für den Fall vor, dass die Arbeitnehmerinnen wie hier sowohl am als auch zum Zeitpunkt des Übergangs bei demselben Arbeitgeber oder dessen Rechtsvorgänger beschäftigt waren. Die im KTD vorgesehene Erfassung künftiger Übergänge auch von nichtdiakonischen Arbeitgebern verwirklicht dann widerspruchsfrei das Ziel eines umfassenden Bestandsschutzes. Entgegen der Revision besteht auch kein Grund zur Annahme, dass die zeitlich unbegrenzte Erfassung solcher Übergänge nicht praktikabel sei. Die künftigen Übergänge können unter Berücksichtigung der Verhältnisse in der jeweiligen übergehenden Einrichtung ausgestaltet werden, denn § 31 Abs. 6 KTD sieht die Möglichkeit einer Abänderung auch des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD „durch einen jeweils für die Einrichtung geltenden Einführungstarifvertrag“ vor. Der jeweiligen Situation kann daher durch einen Einführungstarifvertrag Rechnung getragen werden. Ob diese Überlegungen auch dann greifen, wenn die übergeleiteten Arbeitnehmerinnen am bei einem anderen Arbeitgeber zu günstigeren Konditionen beschäftigt waren, kann unentschieden bleiben.
19cc) Dieses Verständnis des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD steht entgegen der Auffassung der Revision nicht im Widerspruch zu § 1 Abs. 1 KTD. Es handelt sich um getrennte Regelungsbereiche. § 1 Abs. 1 KTD definiert in Abgrenzung zu den anderen kirchlichen Tarifverträgen KAT-NEK und KArbT-NEK den Geltungsbereich des KTD bezogen auf diakonische Mitglieder des VKDA (vgl. - Rn. 26). Die Übergangsregelung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD greift nur dann ein, wenn Arbeitnehmerinnen von dem in § 1 Abs. 1 KTD bestimmten Geltungsbereich des KTD erfasst sind. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KTD ermöglicht - abgesehen von den Ausnahmen des § 2 KTD - die erstmalige Anwendung des KTD in einer Einrichtung und damit auch der Besitzstandsregelung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD. Aus § 1 Abs. 1 KTD kann aber nicht geschlossen werden, dass § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD sich nur auf Arbeitsverhältnisse bezieht, welche vor der Einführung des KTD bereits zu diakonischen Anstellungsträgern bestanden. Dies hätte vielmehr in der Übergangsregelung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD selbst bestimmt werden müssen, denn diese regelt bezüglich der vom Geltungsbereich des KTD (nunmehr) erfassten Beschäftigten eigenständig und abschließend die Frage des Bestandsschutzes für günstigere Regelungen im Bereich der Entgeltfortzahlung. Hierbei wird nach § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD - wie dargelegt - nicht danach unterschieden, ob die betroffenen Arbeitnehmerinnen vor der Geltung des KTD bei einem diakonischen, anderen kirchlichen oder weltlichen Arbeitgeber beschäftigt waren. Die Revision konstruiert aus § 1 Abs. 1 KTD letztlich ein ungeschriebenes Tatbestandmerkmal, welches aber - selbst wenn es gewollt gewesen wäre - in der maßgeblichen Regelung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD keinen Niederschlag gefunden hat.
20dd) Der Hinweis der Revision auf § 31 Abs. 1 Satz 1 KTD führt nicht weiter. Die Regelung weist keinen Bezug zu § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD auf und verhält sich auch nicht generell zu der Frage, ob die Übergangsregelungen zeitlich unbegrenzt Arbeitsverhältnisse erfassen, welche vor dem Übergang in den KTD zu einem nichtdiakonischen Arbeitgeber bestanden. § 31 Abs. 1 Satz 1 KTD setzt den Übergang in den KTD vielmehr voraus und sieht für diesen Fall ein zeitlich begrenztes Wahlrecht der Arbeitnehmerin zwischen dem KTD und den „alten Regelungen“ vor. Eine zeitliche oder arbeitgeberbezogene Voraussetzung für den Übergang kann der Regelung nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden. Zwar verwendet § 31 Abs. 1 Satz 2 KTD mit dem Begriff des „bisherigen Arbeitsrechtsregelungssystems“ einen auf das kirchliche Arbeitsrecht beschränkten Begriff. Demgegenüber spricht aber § 31 Abs. 1 Satz 1 KTD als Grundregel neutral von bisher geltenden „alten Regelungen“ und erfasst damit sowohl kirchliche als auch weltliche Entgeltsysteme.
21ee) Die dargestellte Auslegung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD verletzt entgegen der Auffassung der Revision weder „die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Tarifautonomie“, „das kirchliche Selbstbestimmungsrecht“ noch „das Selbstverständnis der kirchengemäßen Tarifpartnerschaft nach Maßgabe des Tarifvertrags zur Regelung der Grundlagen einer kirchengemäßen Tarifpartnerschaft vom “. Die Revision lässt unbeachtet, dass jedwede Form von (kirchlicher) Selbstbestimmung durch den freiwilligen Abschluss des KTD verwirklicht wurde. Dessen Auslegung bestimmt sich nicht nach den finanziellen Interessen der Mitglieder des VKDA, welche durch eine zeitlich unbegrenzte Einbeziehung früher nichtkirchlicher Arbeitsverhältnisse in den Schutz des Besitzstandes nach § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD berührt sind, sondern nach den oben dargestellten Auslegungskriterien.
22ff) Hinzu kommt im Fall der Beklagten, dass der Übergang in den KTD durch den ebenfalls unstreitig geltenden EinführungsTV vom geregelt wurde. Dieser sieht in § 3 spezielle Übergangsbestimmungen vor. Mit § 3 Abs. 1 EinführungsTV haben die Vertragsparteien von der Öffnungsklausel des § 31 Abs. 6 KTD Gebrauch gemacht und die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 1 bis 3 KTD ausgeschlossen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass § 31 Abs. 4 KTD nicht ausgeschlossen werden soll, denn § 3 Abs. 1 EinführungsTV trifft eine absatzbezogene und damit differenzierende Regelung hinsichtlich der in § 31 KTD vorgesehenen Übergangsregelungen.
23b) Vorstehendes Auslegungsergebnis bedeutet allerdings nicht, dass die Voraussetzungen von § 31 Abs. 4 KTD von den Parteien des EinführungsTV in jeder Konstellation als erfüllt angesehen wurden. Tatsächlich ist dies jedenfalls bezüglich des Klägers nicht der Fall, weil diesem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KTD am zwar eine günstigere Regelung aus dem BAT zugestanden haben mag, diese aber - auch in einer anderen Fassung bzw. aus dem TV-L als Nachfolgeregelung - zum Zeitpunkt des Übergangs in den KTD am nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts greift die Besitzstandswahrung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD nicht bei einem Wechsel des begünstigenden Regelungssystems in der Zeit zwischen dem und dem Zeitpunkt des Übergangs in den KTD. Sie setzt vielmehr voraus, dass die am als dem Tag des Inkrafttretens des KTD geltende günstigere Regelung auch im Zeitpunkt der Einführung des KTD in der jeweiligen Einrichtung - ggf. in einer aktuelleren Fassung - weiterhin auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Das ist beim Kläger nicht der Fall. Er kann daher weder aus dem BAT, dem TV-L oder dem MTV Damp einen Anspruch in Verbindung mit § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD ableiten.
24aa) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zutreffend gesehen, dass für den Kläger zum Stichtag im Vergleich zum KTD günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall galten. Dabei kann offenbleiben, ob sich der vorzunehmende Günstigkeitsvergleich auf den gesamten Komplex der Entgeltfortzahlung beziehen muss oder der Vergleich auf einen Ausschnitt hiervon, vorliegend den Krankengeldzuschuss, beschränkt sein kann. Der damals auf das Arbeitsverhältnis anwendbare BAT war bezogen auf die Entgeltfortzahlung in jeder Hinsicht günstiger als der KTD. Der BAT sah für den Kläger eine Entgeltfortzahlung für maximal 26 Wochen vor (§ 71 Abs. 2 Satz 2 BAT), während § 15 Abs. 2 KTD nur das gesetzliche Maß von sechs Wochen wiedergibt. Bezüglich des Krankengeldzuschusses gewährte § 37 Abs. 4 BAT einen solchen Anspruch bis zum Ende der 26. Woche der Arbeitsunfähigkeit. § 15 Abs. 3 KTD begrenzt den Anspruch hingegen auf 13 Wochen.
25bb) Im Folgenden ist das Landesarbeitsgericht allerdings unzutreffend davon ausgegangen, dass § 22 Abs. 2 TVöD - gemeint wohl TV-L - als die „zum Zeitpunkt des Überganges“ gültige Fassung der günstigeren Regelung anzusehen ist (aA Bachmann PflR 2022, 320, 321). Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass der als Tag des Übergangs in den KTD maßgeblich ist. An diesem Tag galt für das Arbeitsverhältnis des Klägers allerdings weder der BAT noch der nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts seit dem Anwendung findende TV-L als Nachfolgeregelung, sondern bereits der MTV Damp. Dieser wiederum enthielt nicht die den Kläger zum begünstigende Regelung. Dies wäre nach dem klaren Wortlaut des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD aber die Voraussetzung für eine Besitzstandssicherung. § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD sichert ausschließlich „diese Rechte“, dh. die am geltenden günstigeren Regelungen. Die folgende Formulierung „in der zum Zeitpunkt des Überganges gültigen Fassung“ verdeutlicht ebenso, dass die günstigere Regelung sowohl zum als auch zum späteren Zeitpunkt des Übergangs demselben Regelungswerk zu entnehmen sein muss und sich Unterschiede allenfalls aus verschiedenen Fassungen dieses Werks ergeben dürfen. § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD berücksichtigt damit die typische Dynamik arbeitsrechtlicher Kollektivregelungen. Nicht erfasst wird jedoch der Wechsel des Regelungssystems zwischen den beiden Stichtagen. Die Parteien des KTD wollten mit § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD erkennbar nur die Weitergeltung einer zum bereits und zum Zeitpunkt des Übergangs in den KTD noch geltenden günstigeren Regelung. Damit werden auch andere Konstellationen von der Sicherung nicht erfasst. So kann es sein, dass zwar zum eine günstigere Regelung bestanden hat, diese aber vor dem Zeitpunkt des Übergangs in den KTD entfallen ist. Dann findet nach § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD ebenfalls keine Sicherung der früheren Begünstigung statt. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts würde demgegenüber aus einer nur fiktiven Geltung des TV-L dessen reale Fortgeltung ableiten. Dies ist von § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD nicht gedeckt.
26c) Die vom Arbeitsgericht eingeholten Tarifauskünfte sind unbeachtlich. Ihre Einholung war nicht veranlasst. Es bestehen nach Auslegung des § 31 Abs. 4 Satz 1 KTD bereits nicht die für eine Tarifauskunft erforderlichen Zweifel. Zudem darf diese nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein; die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist vielmehr Sache der Gerichte für Arbeitssachen (st. Rspr., zB - Rn. 24; - 6 AZR 320/20 - Rn. 32; - 4 AZR 365/20 - Rn. 30). Es ist daher ohne Belang, dass die eingeholten Auskünfte widersprüchlich sind und letztlich nur die Interessen der jeweiligen Seite widerspiegeln.
272. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:190123.U.6AZR105.22.0
Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1331 Nr. 23
LAAAJ-40427