Keine aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen
Steuerberaterpostfachs vor Abschluss des erstmaligen
„System-Roll-outs“
Leitsatz
Das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (§ 86d StBerG) ist grundsätzlich abstrakt geeignet, einen sicheren Übertragungsweg
im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zu begründen.
Dieser sichere Übertragungsweg steht erst mit Abschluss des erstmaligen System-Roll-outs zur Verfügung (§ 52d Satz 2 FGO).
Hierbei erscheint es angemessen, auf den Zeitpunkt der Versendung der letzten Registrierungsbriefe im Rahmen des erstmaligen
System-Roll-outs zuzüglich einer angemessenen Frist zur unverzüglichen technischen Einrichtung des besonderen elektronischen
Steuerberaterpostfachs abzustellen.
Das Erfordernis der Errichtung im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Var. 2 FGO ist nicht im Sinne einer Herstellung der
individuell-persönlichen Empfangsbereitschaft des einzelnen Normadressaten zu verstehen, die die aktive Nutzungspflicht dieses
Einzelnen gemäß § 52d Satz 2 i.V.m. Satz 1 FGO von seiner (durch den Empfang des Registrierungsbriefs hergestellten) individuellen
Empfangsbereitschaft abhängig machen würde. Vielmehr knüpft der Gesetzestext des § 52d Satz 2 FGO an die abstrakte Existenz
des einmal strukturell eröffneten sicheren Übermittlungswegs als solchen an.
Eine strikte (ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten ab dem von einer aktiven Nutzungspflicht
ausgehende) Auslegung der Vorschrift würde der freiheitsrechtlichen Relevanz der Vorschrift für die erfassten Normadressaten,
die ihrerseits im Lichte der Auswirkungen auf die Grundrechte der drittbetroffenen Steuerpflichtigen auszulegen ist, nicht
hinreichend gerecht werden.
Dem zeitlichen Zusammenfallen der Verpflichtung der Bundessteuerberaterkammer zur Einrichtung des besonderen elektronischen
Steuerberaterpostfachs mit Ablauf des (§ 86d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 157e StBerG) und einer ab diesem Zeitpunkt
bestehenden Nutzungspflicht (vgl. Nds. ) würde bereits konzeptionell die
Gefahr einer strukturellen Nichteinhaltung einer derartig verstandenen aktiven Nutzungspflicht innewohnen.
Dem Bedürfnis nach einer Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten bei der Auslegung des Merkmals des Zur-Verfügung-Stehens
ist nicht bereits durch das sog. Fast Lane -Verfahren Rechnung getragen. Der (künftig) Nutzungsverpflichtete hat die mit der
Einrichtung und Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs einhergehenden Beschränkungen seiner
Freiheit zwar zu dulden. Ihn trifft indes insbesondere ohne entsprechende gesetzliche Grundlage keine Obliegenheit, sich an
dessen Einrichtung abweichend von der diesbezüglich gesetzlich geregelten Aufgabenverteilung durch einen Antrag im Fast Lane
-Verfahren zu beteiligen.
Der Senat kann im Streitfall offenlassen, ob die Frist des individuellen Nutzungsverpflichteten zur unverzüglichen technischen
Einrichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 56 Abs. 2 FGO mit
zwei Wochen zu bemessen ist, die Errichtung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfach damit mit Ablauf des abgeschlossen gewesen ist und der sichere Übermittlungsweg ab diesem Zeitpunkt auch zur Verfügung gestanden hat.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n): AO-StB 2023 S. 203 Nr. 7 AO-StB 2023 S. 204 Nr. 7 DB 2023 S. 1313 Nr. 22 DB 2023 S. 1314 Nr. 22 DStR-Aktuell 2023 S. 8 Nr. 47 DStRE 2023 S. 1490 Nr. 24 VAAAJ-40308
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