BAG Urteil v. - 3 AZR 175/22

Betriebliche Altersversorgung - Klage auf künftige Leistung

Leitsatz

Betriebsrentenansprüche können als wiederkehrende Leistungen auch im Wege einer Klage auf künftige Entrichtung gemäß § 258 ZPO gerichtlich geltend gemacht werden. Es muss keine Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entzieht.

Gesetze: § 258 ZPO, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG

Instanzenzug: Az: 29 Ca 2551/21 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 23 Sa 835/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz zuletzt noch darüber, ob die Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen auch auf unstreitige Ansprüche aus einer gesonderten Versorgungszusage erstreckt werden kann.

2Der 1954 geborene Kläger schied Ende 2019 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Seit Januar 2020 bezieht er eine Betriebsrente aus verschiedenen Versorgungsbestandteilen. Zu diesen zählen nach einer Auskunft der B GmbH Team Pensions vom - gezeichnet auch im Auftrag der Beklagten, der B Altersversorgung GmbH und der R Pensionskasse VVaG - ua. eine von der Beklagten iHv. monatlich 440,08 Euro gewährte Zusatzrente „B“ sowie Leistungen der R Pensionskasse iHv. monatlich 184,86 Euro.

3Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,

4Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger habe kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage, soweit die Ansprüche unstreitig seien und sie freiwillig zahle.

5Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von monatlich 3.193,89 Euro brutto verurteilt.

6Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, soweit sie zur Zahlung von wiederkehrend monatlich 184,86 Euro brutto Rente der R Pensionskasse und 440,08 Euro brutto betrieblicher Zusatzrente „B“ verurteilt worden ist. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision. Seine Klage auf Zahlung von wiederkehrend monatlich 184,86 Euro brutto Rente der R Pensionskasse hat er mit Zustimmung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.

Gründe

7Die Revision der Beklagten ist im zugelassenen und noch anhängigen Umfang zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers iHv. 440,08 Euro brutto monatlicher „Zusatzrente B“ zu Recht stattgegeben. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger habe insoweit zulässig Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen erhoben. Diese ist auch begründet.

8I. Die Revision der Beklagten ist zulässig.

91. Eine ausreichende Revisionsbegründung setzt grundsätzlich auch im Falle einer Bezugnahme auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung voraus, sofern nicht schon die Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eine solche Auseinandersetzung enthält (vgl.  - Rn. 13 f.).

102. Die Revisionsbegründung genügt diesen Anforderungen. Zwar stimmt sie weitgehend mit der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde überein und orientiert sich im Wesentlichen an den Zulassungsgründen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ArbGG. Sie führt aber außerdem inhaltliche Argumente gegen die Richtigkeit der Würdigung des Berufungsgerichts an, die Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen sei auch insoweit zulässig, wie die Beklagte freiwillig zahle.

11II. Die Revision ist im zugelassenen und noch rechtshängigen Umfang unbegründet.

121. Die Klage auf künftige Leistung ist insoweit zulässig.

13a) Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, kann gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden. Im systematischen Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird ( - Rn. 12).

14b) Für eine Klage gemäß § 258 ZPO wird kein besonderes Rechtsschutzinteresse verlangt. Auch unstreitige Ansprüche oder Teile hiervon können als künftige Leistung eingeklagt werden.

15aa) Schon wegen des Titulierungsinteresses ist die Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen auch insoweit zulässig, wie der Gegner freiwillig zahlt ( - Rn. 16). § 258 ZPO gestattet aus prozesswirtschaftlichen Gründen die Bündelung mehrerer Leistungsklagen in einem Antrag. Es soll dem Gläubiger erspart werden, über jede Rate auf der Grundlage sich wiederholenden Vortrags immer wieder einen Titel erwirken zu müssen ( - Rn. 7). Das spiegelt sich auch in den gesetzlichen Vorzügen der Gebührenprogression und der Streitwertbemessung von Klagen auf wiederkehrende Leistungen wider, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 9 Satz 1 ZPO.

16bb) Ein schutzwürdiges Interesse an einem Vollstreckungstitel hat der Kläger auch dann, wenn der Schuldner bisher freiwillig und pünktlich gezahlt hat ( - zu 2 der Gründe; MüKoZPO/Becker-Eberhard 6. Aufl. § 258 Rn. 15; BeckOK ZPO/Bacher Stand § 258 Rn. 12). Der Schuldner könnte seine freiwilligen Zahlungen jederzeit einstellen, während der Gläubiger auf laufende pünktliche Leistungen angewiesen ist. § 258 ZPO eröffnet daher ausdrücklich die Möglichkeit einer Klage auf künftig wiederkehrende Leistungen ( - Rn. 15). Will der Gläubiger ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO mit Kostenlast vermeiden, kann er den Schuldner zunächst zur außergerichtlichen Titulierung des Anspruchs auffordern ( - Rn. 16). Das Titulierungsinteresse schließt die Anwendung des § 93 ZPO nicht aus ( - Rn. 21, BAGE 140, 362).

17cc) Für Ansprüche auf Betriebsrentenzahlungen als künftig wiederkehrende Leistungen besteht ebenfalls ein solches Titulierungsinteresse. Das gilt auch dann, wenn sie auf verschiedenen Zusagen beruhen und nur Teile davon zwischen den Parteien im Streit stehen. Selbst wenn diese klarer als bei nur einer Zusage voneinander abgegrenzt werden können, lässt dies das Interesse an einer Titulierung auch der unstreitigen Teile nicht entfallen.

18c) Eine Unterscheidung zwischen rechtgeschäftlich und nichtrechtsgeschäftlich begründeten Ansprüchen ist nicht geboten. In den Motiven zum BGB ist zwar ursprünglich erwogen worden, in § 190 Abs. 2 BGB eine Regelung aufzunehmen, nach der eine Verurteilung für erst später fällig werdende, wiederkehrende Leistungen nur für nicht auf einem Rechtsgeschäft beruhende Ansprüche hätte erfolgen können. Die Bestimmung wurde jedoch nicht Gesetz. Vielmehr schaffte der Gesetzgeber mit der Novelle und Bekanntmachung von 1898 (RGBl. S. 256, 269, 410, 458) in § 231b bzw. § 258 ZPO eine entsprechende Regelung auch für rechtsgeschäftlich begründete Leistungspflichten, die mit dem heutigen § 258 ZPO inhaltsgleich ist (Wieczorek/Schütze/Assmann ZPO 5. Aufl. § 258 Rn. 1).

19d) Der Leistungsklage steht nicht entgegen, dass der Kläger dem noch streitgegenständlichen Anspruch ursprünglich keine Bedeutung für den vorliegenden Rechtsstreit beigemessen hat. Es liegen auch sonst keine besonderen Umstände vor, die das Rechtsschutzbedürfnis ausnahmsweise entfallen ließen.

20aa) Mit dem Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses als Einschränkung des durch Art. 20 Abs. 3 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährleistungsanspruchs soll (lediglich) verhindert werden, dass die Gerichte als Teil der Staatsgewalt unnütz oder gar unlauter bemüht werden oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele genutzt wird. Bei Leistungsklagen können nur ausnahmsweise besondere Umstände das Verlangen, in die materiell-rechtliche Prüfung eines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen. Es sollen Klagebegehren nicht in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die - gemessen am Zweck des Zivilprozesses - ersichtlich eines staatlichen Rechtsschutzes durch eine materiell-rechtliche Prüfung nicht bedürfen ( - Rn. 16).

21bb) An solchen besonderen Umständen fehlt es. Dafür genügt es nicht, dass die Beklagte den Betrag bislang unstreitig gezahlt hat. Der Kläger hat vielmehr ein berechtigtes Interesse daran, bei wiederkehrenden Leistungen betrieblicher Altersversorgung auch unstreitige Teile seiner Ansprüche für die Zukunft gerichtlich geltend zu machen. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie bislang nicht tituliert sind und zudem andere Teile seiner Versorgungsansprüche streitig sind. Er ist dann nicht gezwungen, die unstreitigen Teile von der eingeklagten wiederkehrenden Leistung auszunehmen.

222. Die Klage ist im noch rechtshängigen Umfang begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der Zusatzrente „B“ iHv. wiederkehrend 440,08 Euro brutto monatlich. Dies steht auch zwischen den Parteien nicht im Streit.

23III. Unter Berichtigung des Tenors zu 2. wegen eines offenkundigen Schreibfehlers des Berufungsgerichts (vgl.  - Rn. 47 ff.) - auf den es bereits im Urteil hingewiesen hat - hat der Kläger insgesamt einen Anspruch auf Betriebsrentenleistungen gegen die Beklagte iHv. monatlich 3.008,92 Euro brutto. Das entspricht der ursprünglich geforderten Gesamtsumme iHv. 3.193,78 Euro brutto (statt der im Berufungsurteil versehentlich tenorierten 3.193,89 Euro brutto) abzüglich der Teilklagerücknahme über 184,86 Euro brutto.

24IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Der Streitwert erster und zweiter Instanz beläuft sich auf 114.983,28 Euro.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2023:140323.U.3AZR175.22.0

Fundstelle(n):
BB 2023 S. 1075 Nr. 19
DB 2023 S. 2444 Nr. 42
DB 2023 S. 2444 Nr. 42
NJW 2023 S. 1757 Nr. 24
ZIP 2023 S. 1207 Nr. 22
LAAAJ-39754