BGH Urteil v. - X ZR 73/22

Patentnichtigkeitsklage: Zulässigkeit der Klage nach Wegfall des Klagehindernisses

Gesetze: § 81 Abs 2 S 1 PatG, § 119 PatG

Instanzenzug: Az: 3 Ni 20/20 (EP) Urteil

Tatbestand

1Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 007 682 (Streitpatents), das am unter Inanspruchnahme einer französischen Priorität vom angemeldet wurde und eine Zusammensetzung auf Basis von Zirkoniumoxid und Ceroxid betrifft.

2Gegen das Streitpatent hat die Klägerin beim Europäischen Patentamt Einspruch eingelegt. Die Einspruchsabteilung hat mit Beschluss vom entschieden, dass das Streitpatent mit den in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Änderungen den Anforderungen des Europäischen Patentübereinkommens genügt. Mit Beschluss vom (T 0615/19 - ; K5) hat die Beschwerdekammer diese Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, mit der Maßgabe, das Streitpatent mit der im Beschwerdeverfahren zuletzt noch verteidigten Fassung der Ansprüche und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

3Patentanspruch 1, auf den fünf Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in dieser Fassung (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben):

Composition quaternaire de type oxyde mixte à based'oxydes de zirconium, et d'oxyde de cérium, d'yttrium et de lanthane;

caractérisée en ce qu'elle présente une proportion en oxyde de cérium d'au plus 50% en masse, une surface spécifique après calcination 4 heures à 1100°C d'au moins 15 25 m2/g et un taux de réductibilité qui peut être:

- d'au moins 95% après calcination 2 heures sous air à 600°C; ou

- d'au moins 95% après calcination 2 heures sous air à 700°C; ou

- d'au moins 85% après calcination 2 heures sous air à 900°C;

la réductibilité de la composition étant déterminée par la mesure de sa consommation d'hydrogène mesurée entre 30°C et 900°C et le taux de réductibilité étant calculé à partir d'une consommation d'hydrogène mesurée entre 30°C et 900°C,

4Patentanspruch 7, der in gleicher Weise geändert wurde und auf den drei Ansprüche zurückbezogen sind, betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer solchen Zusammensetzung, Patentanspruch 11 ein katalytisches System mit einer solchen Zusammensetzung als Träger und Patentanspruch 12 ein Verfahren zur Behandlung von Abgasen von Verbrennungsmotoren, in dem ein katalytisches System nach Anspruch 11 verwendet wird.

5Mit ihrer am eingereichten Klage hat die Klägerin die Nichtigerklärung des Streitpatents im Umfang der Patentansprüche 1 bis 6 sowie 11 und 12 beantragt und geltend gemacht, der angegriffene Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten und hilfsweise in fünf geänderten Fassungen verteidigt.

6Mit Schreiben vom hat die Beklagte bei der Einspruchsabteilung im Wege des Haupt- und Hilfsantrags zwei geänderte Fassungen der Beschreibung eingereicht. Mit Schreiben vom Tag darauf hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie keine weitere Stellungnahme abgeben möchte und ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurücknimmt. Mit Beschluss vom (NK11) hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Europäischen Patentübereinkommens genügen. Am hat sie festgestellt, dass die Zwischenentscheidung vom rechtskräftig geworden ist.

7Mit Urteil vom hat das Patentgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

8Am hat die Beklagte Übersetzungen der neuen Anspruchsfassung eingereicht und die vorgesehene Gebühr in Höhe von 80 Euro bezahlt. Mit Beschluss vom hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass das Patent in der geänderten Fassung aufrechterhalten wird. Am ist der Hinweis auf diese Entscheidung veröffentlicht worden. Die neue Fassung der Patentschrift (K5c) ist mittlerweile ebenfalls veröffentlicht.

Gründe

9Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.

10I. Das Patentgericht hat die Klage für unzulässig erachtet, weil das Einspruchsverfahren noch anhängig sei. Das in § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG normierte Klagehindernis entfalle erst mit der abschließenden Entscheidung des Europäischen Patentamts nach Regel 82 Abs. 4 AOEPÜ.

11II. Diese Beurteilung hält der Überprüfung in der Berufungsinstanz schon deshalb nicht stand, weil mittlerweile eine Entscheidung nach Regel 82 Abs. 4 AOEPÜ ergangen ist.

12Wie der Senat vor kurzem bestätigt und näher begründet hat, sind bei der Anwendung von § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG nachträglich eingetretene Änderungen auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigen (, GRUR 2023, 441 Rn. 21 ff. - Aminopyridin).

13III. Unabhängig davon war die Klage schon im Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig.

14Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden und näher begründet hat, entfällt das in § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG normierte Klagehindernis, wenn das Europäische Patentamt entschieden hat, dass das Patent mit einer geänderten Fassung seiner Ansprüche aufrechterhalten wird, und diese Entscheidung nicht mehr angefochten werden kann (, GRUR 2023, 441 Rn. 28 ff. - Aminopyridin).

15Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt, nachdem der Beschluss der Technischen Beschwerdekammer vom ergangen war.

16IV. Da das Patentgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die Begründetheit der Klage nicht geprüft hat, ist die Sache gemäß § 119 Abs. 3 Satz 1 PatG zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist nicht sachdienlich (§ 119 Abs. 5 Satz 1 PatG).

17Das Patentgericht hat zwar einen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilt. Angesichts der komplexen Materie ist es aber zweckmäßig, dass zunächst das Patentgericht den Stand der Technik und die Lehre des Streitpatents abschließend würdigt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:310123UXZR73.22.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-39685