Gewährleistung bei Werkvertrag: Gehörsverstoß bei unterlassener Beweiserhebung über alternative Mangelursache
Gesetze: § 633 Abs 2 S 1 Nr 2 BGB, § 634 Nr 2 BGB, § 637 Abs 1 BGB, § 637 Abs 3 BGB, Art 103 Abs 1 GG
Instanzenzug: Az: 9 U 5987/20 Bauvorgehend LG München I Az: 8 O 4731/16
Gründe
I.
1Die Kläger begehren von dem Beklagten zu 1 Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln an einem Schwimmbecken.
2Die Kläger beauftragten den Beklagten zu 1 am im Rahmen der Baumaßnahme "Umbau und Fertigstellung einer Villa mit Hallenbad, TG, etc." mit den kompletten Haustechnikarbeiten gemäß Angebot vom betreffend Heizung, Lüftung, Sanitär unter Verwendung der Schwimmbadtechnik des Herstellers O. GmbH & Co. KG (nachfolgend: "O. "). Die Beklagte zu 2 beauftragten die Kläger mit der Planung und Bauleitung unter anderem der Schwimmbadtechnik für den Einbau des Schwimmbads in ihrem privaten Wohnhaus.
3Mit der Installation der durch die O. gelieferten Schwimmbadtechnik beauftragte der Beklagte zu 1 die Streithelferin als Nachunternehmerin.
4Am wurde das Schwimmbad in Betrieb genommen, am erfolgte die Abnahme der Schwimmbadtechnik unter Vorbehalt des Austauschs von eingebauten Scheinwerfern und am die Abnahme der gesamten Leistung des Beklagten zu 1, also der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärarbeiten einschließlich der Schwimmbadtechnik, unter Vorbehalt von geringfügigen Mängeln.
5Nachdem eine Reparatur der Scheinwerfer durch die Streithelferin bei laufendem Betrieb des Schwimmbads im Januar 2012 nicht gelungen war, wurde das Schwimmbecken am entleert. Am Folgetag führte die Streithelferin eine Reparatur durch, woraufhin die Unterwasserscheinwerfer zunächst wieder funktionstüchtig waren.
6Kurze Zeit nach der Wiederbefüllung entstanden schwarze Verfärbungen im Bereich der Fugen des Schwimmbeckens. Der pH-Wert des Wassers unterschritt in der Folgezeit viermal deutlich den erlaubten Wert. Überprüfungen durch einen Mitarbeiter der O. führten nur kurzfristig zu einer Verbesserung. Im Rahmen eines vierten Termins stellte der Mitarbeiter der O. fest, dass ein Schlauch der Dosieranlage für den pH-Wert fälschlicherweise in die Dosierlanze eingeschoben war.
7Anfang Mai 2013 begann sich das Wasser des Schwimmbeckens grünlich zu verfärben.
8Die Kläger haben die Beklagten zu 1 und 2 vor dem Landgericht auf Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung bzw. Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagten zu 1 und 2 nach Beweisaufnahme gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 139.313,30 € zuzüglich Zinsen verurteilt und die Verpflichtung zum Ersatz bezüglich darüber hinausgehender zur Mängelbeseitigung notwendiger Aufwendungen und Schäden aufgrund näher bezeichneter Mängel an der Schwimmbadanlage festgestellt.
9Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht die Verurteilung aufgehoben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 2 entschieden worden ist; die Berufung des Beklagten zu 1 hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen.
10Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beschwerde des Beklagten zu 1, der seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen möchte.
II.
11Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit zum Nachteil des Beklagten zu 1 entschieden worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
121. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde von Interesse - ausgeführt, dass den Klägern gegen den Beklagten zu 1 ein Kostenvorschussanspruch in Höhe von 139.313,30 € gemäß § 637 Abs. 1 und 3, § 634 Nr. 2 BGB zustehe. Das Schwimmbad erweise sich als mangelhaft im Sinne des § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da schwarze Verfärbungen aufgetreten seien, die eindeutig auf einen Pilzbefall zurückgingen. Dieses Wachstum beruhe auf dem über einen längeren Zeitraum erfolgten Ausfall der pH-Regulierung. Ursache sei ein abgeknickter Dosierschlauch der pH-Dosierung gewesen.
13Dabei könne dahinstehen, ob der Defekt des abgeknickten Dosierschlauchs schon zum Zeitpunkt der Abnahme vorhanden gewesen oder ob er während der verschiedenen Scheinwerferaustauscharbeiten oder im Rahmen der weiteren Mängelbeseitigungsarbeiten entstanden sei, da in allen Fällen die Verantwortung bei dem Beklagten zu 1 liege. Die Beweislast für die Verantwortlichkeit für einen Mangel gehe zwar mit Abnahme auf den Bauherrn über; den Klägern sei aber der Beweis für ihre Behauptung gelungen, dass nur der Beklagte zu 1 oder dessen Erfüllungsgehilfen für den Defekt an der pH-Dosierung verantwortlich seien.
14Selbst wenn die Dosierlanze erst später im Rahmen von Mängelgewährleistungsarbeiten hineingeschoben worden sein sollte, müsse der Beklagte zu 1 hierfür einstehen. Ein Verschulden eines Mitarbeiters der O. müsse er sich nach § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen.
152. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Beklagten zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
16a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden (st. Rspr.; vgl. Rn. 11, juris; Beschluss vom - VII ZR 111/19 Rn. 17, BauR 2020, 1679 = NZBau 2020, 573). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet ( Rn. 19, BauR 2015, 1325; vgl. auch Rn. 9, juris; , NJW 2009, 1585, juris Rn. 21).
17b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt im Streitfall eine Verletzung des Anspruchs des Beklagten zu 1 auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor.
18aa) Soweit sich die Beschwerde allerdings mit Gehörsrügen gegen die Feststellung des Berufungsgerichts wendet, Ursache für die schwarzen Verfärbungen sei ein abgeknickter Dosierschlauch der pH-Dosierung gewesen, hat der Senat diese Gehörsrügen geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.
19bb) Erfolg hat die Beschwerde jedoch mit der Rüge, die Würdigung des Berufungsgerichts, eine etwaige Verantwortlichkeit der O. für die genannte Ursache aufgrund der von ihrem Mitarbeiter nach der Abnahme vorgenommenen Arbeiten sei dem Beklagten zu 1 gemäß § 278 Satz 1 BGB zuzurechnen, beruhe auf gehörswidrig getroffenen Feststellungen. Der Beklagte zu 1 hat bereits in erster Instanz unter Beweisantritt (Zeuge G. ) geltend gemacht, dass die Kläger einen eigenständigen Wartungsvertrag unmittelbar mit der O. geschlossen hätten und dass die nach der Abnahme erbrachten Vor-Ort-Arbeiten des Mitarbeiters der O. im Rahmen dieses Wartungsvertrags und nicht auf Veranlassung des Beklagten zu 1 erfolgt seien. Dieses Beweisangebot hat der Beklagte zu 1 in der Berufungsbegründung vom - verbunden mit der Rüge eines Gehörsverstoßes durch das Landgericht - wiederholt. Das Berufungsgericht hat den angebotenen Beweis gehörswidrig nicht erhoben. Soweit das Berufungsgericht aus dem Anlagenkonvolut K 35 gefolgert hat, dass es sich bei den von der O. vorgenommenen Arbeiten um Mängelgewährleistungsarbeiten gehandelt habe, rechtfertigt diese Erwägung das Absehen von der Erhebung des beantragten Zeugenbeweises nicht, weil dies auf eine prozessual unzulässige vorweggenommene tatrichterliche Beweiswürdigung hinausliefe, die ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstieße (vgl. Rn. 20, BauR 2015, 1325).
20c) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten zu 1 und Erhebung des von diesem in der Berufungsbegründung angebotenen Beweises (Zeuge G. ) zu einem für den Beklagten zu 1 günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Da das Berufungsgericht ausdrücklich offengelassen hat, ob der Defekt an der Dosieranlage schon im Zeitpunkt der Abnahme vorhanden war oder erst später durch den Mitarbeiter der O. herbeigeführt worden ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Erhebung des genannten Zeugenbeweises angenommen hätte, dass die Vor-Ort-Arbeiten des Mitarbeiters der O. auf der Grundlage eines selbständigen Wartungsvertrags zwischen den Klägern und der O. erbracht wurden und ein hierbei entstandener Defekt dem Beklagten zu 1 nicht über § 278 Satz 1 BGB zugerechnet werden könnte.
III.
21Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten zu 1 entschieden worden ist, und der Rechtsstreit ist im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 9 ZPO).
22Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit dem Beschwerdevorbringen (Rn. 63 ff. der Beschwerdebegründung vom ) bezüglich des Mitverschuldenseinwands zu befassen, den der Beklagte zu 1 sowie die Streithelferin in den Vorinstanzen erhoben haben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:290323BVIIZR7.22.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-39609