Besetzungsrüge in Strafsachen: Auswechslung eines Schöffen auf Grund langwieriger Erkrankung vor Ablauf der Hemmungsfrist bei drohendem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen
Gesetze: § 192 Abs 2 GVG, § 192 Abs 3 GVG, § 229 Abs 3 S 1 StPO, § 338 Nr 1 StPO, Art 5 Abs 3 MRK, Art 101 Abs 1 S 2 GG
Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 18 KLs 5/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen Raubes, Diebstahls in fünf Fällen und versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt, im Übrigen freigesprochen sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 57.874,26 €, davon in Höhe von 12.400 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten N. , angeordnet. Gegen den Angeklagten N. hat es wegen Raubes eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verhängt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 12.400 € gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten E. angeordnet. Hiergegen richten sich die auf Verfahrens- und Sachrügen gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
21. Die von beiden Angeklagten zulässig erhobenen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) Besetzungsrügen nach § 338 Nr. 1 StPO, mit denen sie geltend machen, die Vorsitzende der Strafkammer habe zu Unrecht den Verhinderungsfall hinsichtlich einer ursprünglich zur Entscheidung berufenen Schöffin festgestellt, sind nicht begründet.
3a) Den Rügen liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4Die am begonnene Hauptverhandlung fand bis zum an insgesamt 15 Hauptverhandlungstagen statt. Am Morgen des teilte der Ehemann einer Schöffin telefonisch mit, dass diese notfallmäßig in eine Klinik aufgenommen worden sei. Der für diesen Tag anberaumte Hauptverhandlungstermin wurde aufgehoben. Die Vorsitzende der Strafkammer verfügte sodann am , dass anstelle der Schöffin die Ergänzungsschöffin in die Strafkammer eintrete, da die (bisherige) Schöffin aus gesundheitlichen Gründen gehindert sei, an den weiteren Fortsetzungsterminen teilzunehmen. Zur Begründung führte sie unter Hinweis auf eine vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ein Attest aus, die Schöffin habe in einem Telefonat mitgeteilt, sie sei bereits zum dritten Mal wegen derselben Symptome notfallmäßig behandelt worden, eine Ursache sei bislang nicht abschließend festgestellt worden und sie fühle sich gesundheitlich nach wie vor stark beeinträchtigt. Zudem sei die Schöffin mindestens bis zum an einer Teilnahme an der Hauptverhandlung gehindert, so dass vier Hauptverhandlungstermine betroffen seien, zu denen mehr als 20 Zeugen geladen seien; es sei nicht hinreichend sicher festzustellen, dass die Schöffin anschließend gesundheitlich wieder soweit hergestellt sein werde, dass verlässlich von ihrer Teilnahme an den Folgeterminen ausgegangen werden könne. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um eine Haftsache mit vier in Haft befindlichen Angeklagten handele und noch eine Vielzahl von Hauptverhandlungstagen zu erwarten sei, sei die Hauptverhandlung - in Abwägung aller Umstände - mit der Ergänzungsschöffin als Hauptschöffin fortzusetzen.
5b) Die Vorgehensweise der Vorsitzenden lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen; insbesondere war das Gericht durch den Eintritt der Ergänzungsschöffin nicht vorschriftswidrig besetzt (§ 338 Nr. 1 StPO). Die Angeklagten wurden daher nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Hierzu gilt:
6aa) Nach § 192 Abs. 2 und 3 GVG tritt ein zu der Hauptverhandlung zugezogener Ergänzungsrichter in das Quorum ein, wenn ein zur Entscheidung berufener Richter an der weiteren Mitwirkung verhindert ist. Die Feststellung, ob ein Verhinderungsfall vorliegt, obliegt dem Vorsitzenden (, BGHSt 61, 160 Rn. 4 mwN). Der Vorsitzende hat bei seiner Entscheidung einen Ermessensspielraum; die Verkennung des Rechtsbegriffs der Verhinderung begründet nur im Falle der Willkür die Revision (vgl. , BGHSt 61, 160 Rn. 4 mwN). Dementsprechend liegt es auch im Ermessen des Vorsitzenden, wann er die Entscheidung darüber trifft, ob ein Verhinderungsfall vorliegt. Er kann die Hauptverhandlung zunächst unterbrechen und abwarten, ob sie später mit dem vorübergehend verhinderten Richter fortgeführt werden kann, oder die Verhandlung sofort unter Mitwirkung des Ergänzungsrichters fortsetzen (, BGHSt 61, 160 Rn. 4 mwN).
7bb) Bei der vom Vorsitzenden zu treffenden Ermessensentscheidung sind verschiedene, einander widerstreitende Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Richter während der laufenden Hauptverhandlung erkrankt und deshalb nicht zu einem Fortsetzungstermin erscheinen kann. Einerseits gebietet das Prinzip des gesetzlichen Richters in solchen Fällen, die Hauptverhandlung zu unterbrechen und abzuwarten, ob sie noch fristgemäß unter Mitwirkung des erkrankten Richters fortgesetzt werden kann. Denn es soll derjenige Richter an der Urteilsfindung mitwirken, der nach den allgemeinen Regeln von vornherein dafür zuständig war. Andererseits können es insbesondere die Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime sachgerecht erscheinen lassen, die Verhinderung möglichst bald festzustellen, um die Hauptverhandlung ohne Zeitverzug fortzusetzen (vgl. insgesamt BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 400/20, BGHR GVG § 192 Abs. 2 Verhinderung 4 Rn. 8; vom - 2 StR 421/17, BGHR GVG § 192 Abs. 2 Ergänzungsrichter 2 Rn. 6; vom - 3 StR 544/15, BGHSt 61, 160 Rn. 5).
8cc) Diese Grundsätze bedürfen nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für den Fall der Erkrankung eines Richters angesichts der Hemmungsregelung des § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO der Einschränkung. Danach ist es im Hinblick auf das Prinzip des gesetzlichen Richters geboten, die Feststellung des Verhinderungsfalls zurückzustellen und abzuwarten, ob die Hauptverhandlung noch unter Mitwirkung des erkrankten Richters fortgesetzt werden kann. Solange die Fristen gehemmt sind, ist für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden deshalb kein Raum, und der Eintritt des Ergänzungsrichters kommt erst in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann (, BGHSt 61, 160 Rn. 6 mwN). Etwas Anderes kann nur ausnahmsweise etwa dann gelten, wenn schon von vornherein feststeht, dass eine Fortsetzung der Hauptverhandlung mit dem erkrankten Richter auch nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung nicht möglich sein wird, oder wenn andere vorrangige Prozessmaximen beeinträchtigt würden (, BGHSt 61, 160 Rn. 6 mwN).
9Der Senat kann offen lassen, ob an dieser Rechtsprechung vor dem Hintergrund der neuerlichen Änderung des § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO, mit der die maximal sechswöchige Hemmung auf zwei Monate ausgedehnt wurde (BT-Drucks. 19/14747, S. 32 f.), in vollem Umfang festgehalten werden kann. Insoweit könnte insbesondere deshalb Anlass zu neuerlicher Prüfung bestehen, da in der Gesetzesbegründung kein Konnex zwischen der Verlängerung der Hemmungsfrist und der Frage des Zeitpunkts der Feststellung der Verhinderung eines Richters oder Schöffen und der Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters oder Ergänzungsschöffen hergestellt wurde, die Gesetzesbegründung sich zu diesem Umstand vielmehr - in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats - nicht verhält. Es kommt hinzu, dass auch nach der damaligen Gesetzesbegründung die Ausdehnung der Hemmungsfrist in § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht mit der Frage des Zeitpunkts der Feststellung der Verhinderung eines Richters oder Schöffen gemäß § 192 Abs. 2 und 3 GVG verknüpft war (BT-Drucks. 15/1508, S. 25; siehe auch Schäfer, JR 2017, 41). Die damalige Neuregelung zur Fristenhemmung durch das Justizmodernisierungsgesetz vom (BGBl. I, S. 2198) wurde im Gegenteil explizit damit begründet, einer Aussetzung solcher Verfahren entgegenzuwirken, „bei denen in der Regel keine Ergänzungsrichter oder -schöffen bestellt werden“; zudem sollte sichergestellt werden, „dass die von § 192 GVG vorgesehene Möglichkeit der Bestellung von Ergänzungsrichtern und -schöffen auf die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmefälle beschränkt bleibt“ (BT-Drucks. 15/1508, S. 25).
10dd) Vorliegend durfte die Vorsitzende der Strafkammer jedenfalls auf der Grundlage der eingangs ausgeführten Maßstäbe ausnahmsweise bereits vor Ablauf der Hemmungsfrist aus § 229 Abs. 3 Satz 1 StPO über die Verhinderung der Schöffin und den Eintritt der Ergänzungsschöffin in das Quorum entscheiden, da anderenfalls mit dem Gebot besonderer Beschleunigung in Untersuchungshaftsachen eine vorrangige Prozessmaxime beeinträchtigt worden wäre (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 400/20, BGHR GVG § 192 Abs. 2 Verhinderung 4 Rn. 12 ff.; vom - 2 StR 421/17, BGHR GVG § 192 Abs. 2 Ergänzungsrichter 2 Rn. 6). Da sich vor Abtrennung des gegenständlichen Verfahrens alle vier Angeklagten - die Angeklagten E. und N. seit Dezember 2020 - in Untersuchungshaft befanden, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Verhinderung der Schöffin am vier Hauptverhandlungstermine mit über 20 Zeugen von dem - sicher feststehenden - krankheitsbedingten Ausfall bis zum erfasst waren und noch zahlreiche Hauptverhandlungstermine anstanden, kommt dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen hier vorrangige Bedeutung zu. Dies gilt auch besonders vor dem Hintergrund, dass - wie die Vorsitzende in ihrer Verfügung ausgeführt hat - eine dauerhafte und kontinuierliche Teilnahme der gesundheitlich angeschlagenen Schöffin, die wegen derselben Krankheitssymptome bereits dreimal zur Behandlung in der Notaufnahme eines Krankenhauses war, an der weiteren Hauptverhandlung nicht sicher war.
11ee) Nach den zuvor ausgeführten Grundsätzen standen die Entscheidungen darüber, ob eine Verhinderung des Schöffen gegeben ist und wann über die Verhinderung zu entscheiden ist, im Ermessen der Vorsitzenden der Strafkammer. Die sorgfältig begründete Entscheidung der Vorsitzenden lässt Willkür nicht erkennen und ist damit nicht zu beanstanden.
122. Die von dem Angeklagten E. überdies erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
II.
13Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat mit Ausnahme der konkurrenzrechtlichen Bewertung der Fälle II. 3. e) Tat zu Ziffer 5. und II. 3. e) Tat zu Ziffer 6. der Urteilsgründe sowie der Einziehungsentscheidung keinen den Angeklagten E. beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
141. Hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Würdigung hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„4. Indes sind die als rechtlich selbständig gewerteten Taten zu Ziffern 5 und 6 zu Tateinheit zusammenzufassen.
a) Nach den Feststellungen entwendeten die Tatbeteiligten das Werkzeug des Geschädigten U. , um damit auf dem unmittelbar benachbart gelegenen Autohausgelände […] an einen Satz Kompletträder zu gelangen (UA S. 18). Dieser enge objektive und subjektive Zusammenhang begründet die Annahme natürlicher Handlungseinheit (vgl. , GA 1969, 92; vgl. auch , NStZ-RR 2016, 274, 275; Urteil vom - 4 StR 239/16, juris Rn. 51). Damit kann dahingestellt bleiben, inwiefern ein gemeinsamer Abtransport der Beute aus beiden Vorgängen zu Tateinheit kraft (Teil-)Identität der Ausführungen im Beendigungsstadium führen könnte (vgl. dazu , BeckRS 1983, 31108909; Urteil vom - 3 StR 200/74, NJW 1975, 320 f.; RReg. 2 St 230/82, NJW 1983, 406).
b) Der gebotenen Schuldspruchberichtigung (vgl. dazu BeckOK-StPO/Wiedner, 44. Ed. , § 354 Rn. 49) steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
5. Im Wege der Schuldspruchberichtigung kann auch klargestellt werden, dass der Angeklagte hinsichtlich Tat zu Ziffer 3 der Urteilsgründe des versuchten schweren Wohnungs[einbruch]diebstahls schuldig ist (, juris Rn. 6).“
[…]
„4. Die tateinheitliche Verknüpfung der Fälle zu Ziffern 5 und 6 der Urteilsgründe führt dazu, dass die höhere der insoweit verhängten Einsatzstrafen (ein Jahr und zwei Monate für Fall 6) bestehen bleiben kann, während die andere in Wegfall gerät; dies lässt jedoch den Ausspruch über die Gesamtstrafe unberührt, weil im Hinblick auf die weiter verhängten Einzelstrafen ausgeschlossen werden kann, dass die Strafkammer ohne die entfallende Strafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses den Unrechts- und Schuldgehalt regelmäßig nicht berührt (vgl. BeckOK-StPO/Wiedner, 44. Ed. , § 354 Rn. 82).“
15Dem schließt sich der Senat an.
162. Bezüglich der Einziehungsanordnung hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Vom Ausspruch über eine gesamtschuldnerische Haftung abgesehen, weist die Einziehungsanordnung keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (vgl. aber zur Tenorierung , Rn. 3).
1. Nach den Feststellungen erlangten nicht allein in Ansehung der Tat zu Ziffer 2 der Urteilsgründe, sondern in weiteren Fällen neben dem Angeklagten auch weitere (teils unbekannte [UA S. 11]) Tatbeteiligte die faktische Mitverfügungsgewalt über die Tatbeute.
a) Dabei belegt oder begründet alleine eine mittäterschaftliche Tatbeteiligung für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB. Einem Tatbeteiligten kann die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte. Dabei genügt es, dass der Tatbeteiligte zumindest faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt über den Vermögensgegenstand erlangte. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen konnte (, juris Rn. 3). Dies kann selbst dann zu bejahen sein, wenn die unmittelbare Tatausführung und Inbesitznahme der Beute nur einem Tatbeteiligten obliegt, sich jedoch alle Tatbeteiligten schon zu Beginn der Taten darüber einig sind, dass jedem der Mittäter die Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen soll. Eine faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand bei mehreren Beteiligten kann nämlich - jedenfalls bei dem vor Ort anwesenden, die Beute oder Teile davon in den Händen haltenden Mittäter - auch dann vorliegen, wenn sich diese in einer Abrede über die Beuteteilung widerspiegelt. Denn damit ‚verfügt‘ der Mittäter zu seinen oder der anderen Beteiligten Gunsten über die Beute, indem er in Absprache mit diesen Teile des gemeinsam Erlangten sich selbst oder den anderen zuordnet (, juris Rn. 11).
Gegenstände die als Mittel für die Tatausführung oder gelegentlich der Tatausführung kurzfristig in Besitz genommen werden (sog. transitorischer Besitz) gelten indes noch nicht als im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt, weil es insoweit an einem rechtserheblichen Vermögenszufluss fehlt. Auch aus der Überlassung von Tatbeute zum Transport und einer zeitlich nicht näher eingegrenzten Aufbewahrung folgt noch nicht ohne weiteres, dass der Täter deshalb auch schon faktische Mitverfügungsgewalt hat (vgl. , juris Rn. 22).
b) Gemessen daran gilt hier Folgendes:
aa) Hinsichtlich der Tat zu Ziffer 1 der Urteilsgründe (800,00 Euro) haben die Tatbeteiligten die Beute tatplangemäß geteilt (UA S. 11 f.); es bestand Mitverfügungsgewalt.
bb) Entsprechendes gilt bezüglich der Tat zu Ziffer 2 auch insoweit, als das Raubgut über 12.400,00 Euro hinausgeht (50.400,00 Euro). Wenngleich die Kammer beim Mitangeklagten N. allein diesen Betrag angesetzt hat, verfügte der Angeklagte abredegemäß (vgl. UA S. 13) auch zugunsten seiner Tatgenossen über die Beute. Zudem hatte N. als Fahrer des Fluchtfahrzeugs Mitverfügungsgewalt darüber (vgl. , juris Rn. 8 ff.); soweit im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt womöglich bereits eingetretene materielle Beendigung der Tat bezweifelt werden mag, ob die Erlangung noch ‚in irgendeiner Phase des Tatablaufs‘ (vgl. , juris Rn. 14) erfolgt ist, ist dem entgegen zu halten, dass eine derartige Beschränkung in zeitlicher Hinsicht ohnehin zu eng erscheint (s. Schönke/Schröder/Eser/Schuster, StGB, 30. Aufl. 2019, § 73 Rn. 11). Auch handelte es sich in Anbetracht des für N. ausbedungenen Beuteanteils nicht lediglich um ‚transitorischen Besitz‘. Daher muss dem Angeklagten ein Gesamtschuldnerausgleich eröffnet bleiben (vgl. auch , juris).
Soweit sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die tragfähig belegte Überzeugung der Strafkammer entnehmen lässt, dass das beim Mitangeklagten N. im Anschluss an das Tatgeschehen im Tatfahrzeug sichergestellte Bargeld in Höhe von 12.400,00 Euro aus dem Raubgut stammt (vgl. UA S. 112 f.), was zur gegenständlichen Einziehung gemäß § 73 StGB führt, kann dahinstehen, ob es auch insoweit einer Gesamtschuldanordnung bedarf; jedenfalls ist der Angeklagte durch den insofern erfolgten Ausspruch nicht beschwert. Im Übrigen kommt es im Hinblick auf das Mobiltelefon der Geschädigten noch nicht einmal darauf an, ob die Tatbeteiligten insoweit Zueignungsabsicht hatten (vgl. oben II.2.); maßgeblich ist die tatsächliche Erlangung (vgl. Schönke/Schröder/Eser/Schuster aaO, § 73 Rn. 17).
cc) Das Diebesgut aus den Taten zu Ziffern 4 und 7 sollte hingegen allein dem Angeklagten zukommen; seine Tatgenossen hatten allenfalls ‚transitorischen Besitz‘.
dd) Das bei Fall zu Ziffer 5 entwendete Werkzeug wiederum (100,00 Euro) sollte dem Angeklagten und dem Tatbeteiligten K. zugute kommen (UA S. 84 f.). Es bestand daher Mitverfügungsgewalt.
2. Nach alledem bedarf der Ausspruch der Ergänzung dahin, dass der Angeklagte im Umfang von 51.300,00 Euro als Gesamtschuldner haftet; die individuelle Benennung des jeweiligen Gesamtschuldners ist wiederum nicht erforderlich (vgl. , Rn. 3).“
17Dem stimmt der Senat ebenfalls zu.
III.
18Auf die Sachrüge des Angeklagten N. war die Einziehungsentscheidung aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen abzuändern.
19Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils keinen dem Angeklagten N. nachteiligen Rechtsfehler ergeben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:070323B3STR397.22.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2023 S. 279 Nr. 9
UAAAJ-38993