BGH Beschluss v. - 1 StR 474/22

Vermögensabschöpfung: Einziehung eines Geldwäscheobjekts

Gesetze: § 2 Abs 1 StGB, § 2 Abs 3 StGB, § 2 Abs 5 StGB, § 73 StGB, §§ 73ff StGB, § 74 Abs 2 StGB, § 74c StGB, § 261 Abs 7 StGB vom , § 261 Abs 10 StGB vom

Instanzenzug: LG Traunstein Az: 2 KLs 480 Js 13774/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten E.                 wegen Diebstahls in 13 Fällen unter Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Rosenheim vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt sowie gegen ihn – unter Hinzurechnung des in dem genannten Strafbefehl eingezogenen Wertes von Taterträgen – die Einziehung eines solchen in Höhe von 254.865,22 Euro angeordnet. Die Angeklagte J.                   hat die Strafkammer unter Freispruch im Übrigen wegen leichtfertiger Geldwäsche in 17 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt und gegen sie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 61.280 Euro angeordnet. Beide Angeklagte wenden sich mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen gegen ihre Verurteilung. Auf das Rechtsmittel des Angeklagten E.                 ist das Verfahren teilweise einzustellen, was eine Abänderung der Einziehungsentscheidung in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Folge hat. Auf die Revision der Angeklagten J.                     ist das Urteil, soweit es sie betrifft, im Strafausspruch und im Ausspruch über die Einziehung aufzuheben. Im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Soweit das Landgericht den Angeklagten E.                 in dem in der Beschlussformel bezeichneten Fall verurteilt hat, fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklageerhebung und demzufolge auch an der eines Eröffnungsbeschlusses. Das Verfahren ist gemäß § 354 Abs. 1 Variante 2, § 206a Abs. 1 StPO einzustellen.

3a) Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage vom hatte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, in der Zeit von Oktober 2015 bis in zwölf Fällen eine Vielzahl von Speicherriegeln und ein Serversystem an seinem Arbeitsplatz entwendet zu haben. Während die Fälle II.1.1. bis 1.3.1. der Urteilsgründe (zwölf Fälle) – ungeachtet der teilweise von der Anklage abweichenden konkurrenzrechtlichen Bewertung – von dieser umfasst sind, handelt es sich bei dem Fall II.1.3.2. der Urteilsgründe zugrundeliegenden Sachverhalt (Entwendung von 16 Speicherriegeln aus Server 003) um ein tatsächliches Geschehen, das von der Anklage nicht mehr gedeckt ist. Der für diesen Fall festgestellte Tatzeitraum ( bis ) geht über den in der Anklageschrift genannten hinaus. Zwar hebt eine Veränderung des Tatzeitpunkts die Identität zwischen dem angeklagten Lebensvorgang und dem abgeurteilten Sachverhalt nicht in jedem Fall auf. Sie ist aber nur dann unschädlich, wenn die in der Anklage beschriebene prozessuale Tat unabhängig von der Tatzeit nach anderen Merkmalen ausreichend individualisiert ist. Insoweit ist bei nur wenig konkretisierten Serienstraftaten – wie hier – Zurückhaltung geboten (vgl. Rn. 5; Beschlüsse vom – 2 StR 423/20 Rn. 7 und vom – 3 StR 359/03 Rn. 5; KK-StPO/Schneider, 9. Aufl., § 200 Rn. 9). Ein Ausbau von Speicherriegeln konkret aus Server 003 wird in der Anklageschrift nicht erwähnt. Auch eine andere Individualisierung dieser Tat kann ihr nicht entnommen werden. Allein der Umstand, dass insgesamt die Entwendung einer größeren Anzahl von Speicherriegeln als der Verurteilung zugrunde gelegt angeklagt worden ist, reicht nicht aus.

4b) Die Teileinstellung des Verfahrens hat eine Änderung des Schuldspruchs und die Teilaufhebung der Einziehungsentscheidung zur Folge. Der durch das Landgericht im Übrigen rechtsfehlerfrei bestimmte Einziehungsbetrag ist um den Wert der in Fall II.1.3.2. der Urteilsgründe entwendeten 16 Speicherriegel, mithin 15.168 Euro, zu kürzen. Unter Einbeziehung der durch Strafbefehl des Amtsgerichts Rosenheim vom angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen ist der einzuziehende Betrag insgesamt auf 239.697,22 Euro festzusetzen.

5c) Hingegen zieht der Wegfall der im Fall II.1.3.2. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nicht die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten nach sich. Mit Blick darauf, dass die Strafkammer in acht Fällen Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten, in einem weiteren Fall eine solche von einem Jahr und sechs Monaten und in drei Fällen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr verhängt sowie Einzelgeldstrafen von 100, 60, 40 und 30 Tagessätzen einbezogen hat, ist auszuschließen, dass das Landgericht ohne die im Fall II.1.3.2. festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

62. Die rechtliche Nachprüfung der Verurteilung der Angeklagten J.                    wegen 17 Fällen der leichtfertigen Geldwäsche hat aus den zutreffenden Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts im Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Hingegen halten der Strafausspruch und die Einziehungsentscheidung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

7Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

"1. Das Landgericht hat seine Entscheidung über die Einziehung des Wertes der Überweisungsgutschriften in Höhe von 61.280 Euro auf dem Konto der Angeklagten rechtsfehlerhaft auf §§ 73, 73c StGB gestützt (UA S. 31). Ein Geldwäscheobjekt konnte jedoch auf Grundlage der gemäß § 2 Abs. 1 StGB für den Tatzeitraum geltenden Fassung des § 261 Abs. 7 StGB grundsätzlich nur nach § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden. Die Wertersatzeinziehung richtet sich daher ausschließlich nach § 74c StGB. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass nach § 261 Abs. 10 StGB idF vom (BGBl. I 2021, S. 327) für die Einziehung von Gegenständen der Geldwäsche nunmehr [… vorrangig] die §§ 73 ff. StGB gelten. Denn anders als die im Ermessen des Gerichts stehende Anordnung nach §§ 74, 74c StGB ist die Einziehung nach den §§ 73 ff. StGB zwingend vorgeschrieben. Diese sind mithin nicht das mildere Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 und Abs. 5 StGB, so dass die Einziehungsentscheidung nach dem zur Tatzeit geltenden Recht zu treffen war (vgl. , Rn. 24 f.; ).

2. Auf Grundlage der Urteilsfeststellungen ist zudem nicht festzustellen, dass eine Wertersatzeinziehung nach § 261 Abs. 7 StGB aF i.V.m. § 74 Abs. 2, § 74c Abs. 1 StGB ohne Weiteres zulässig gewesen wäre. […] Nach § 74c Abs. 1 StGB müsste die Angeklagte […] die Einziehung der Forderungen gegen die Bank vereitelt haben, wobei die Einziehung des Originalgegenstands durch eine andere als die im konkreten Fall die Einziehung begründende Tathandlung unmöglich geworden sein muss (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 127/20, NZWiSt 2021, 282, 284). Dies hätte durch die Verfügung über das Bankguthaben geschehen können (Lohse in: StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 74c Rn. 9).

Darüber hinaus steht die Einziehung nach § 74 Abs. 2 StGB bzw. § 74c Abs. 1 StGB im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts. Für ihre Anordnung gilt der […] Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, § 74f Abs. 1 StGB. Eine solche Ermessensentscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. In Anbetracht des Betrages von 61.280 Euro und der finanziellen Verhältnisse der Angeklagten (UA S. 8) ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht von einer Einziehung ganz oder teilweise abgesehen hätte.

3. Eine Wertersatzeinziehung als Tatlohn gemäß § 73 Abs. 1, § 73c StGB kommt nicht in Betracht, da sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, dass die Angeklagte die Bankgutschriften als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung ihres Bankkontos erhalten hätte.

4. Der Rechtsfehler führt einerseits zur Aufhebung der Wertersatzeinziehung, wobei die Feststellungen bestehen bleiben können. Andererseits unterliegt auch der Strafausspruch der Aufhebung, da die Möglichkeit der Einziehung des Wertes von Tatobjekten nach § 74 Abs. 2, § 74c Abs. 1 StGB im Falle ihrer Anordnung aufgrund ihres Charakters einer Nebenstrafe einen bestimmenden Strafzumessungsgrund sowohl bei den Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafe darstellt (vgl. , NStZ-RR 2019, 88). Zwar handelte es sich bei dem Buchgeld als dem ursprünglichen Tatobjekt der Geldwäschetaten nicht um legales Vermögen der Angeklagten. Sind die inkriminierten Gutschriften jedoch nicht mehr - auch nicht in Gestalt ersparter Aufwendungen - in dem Vermögen der Angeklagten vorhanden und wird mit der Wertersatzeinziehung nach § 74 Abs. 2, § 74c Abs. 1 StGB auf deren Legalvermögen zugegriffen, begründet dies - unbeschadet des möglichen Vollstreckungsschutzes nach § 459g Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 StPO - grundsätzlich einen im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigenden Umstand (vgl. , Rn. 21 mwN)."

8Dem schließt sich der Senat an (vgl. auch Art. 316k zweiter Halbsatz EGStGB) und stellt klar, dass das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen kann, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:070323B1STR474.22.0

Fundstelle(n):
wistra 2023 S. 288 Nr. 7
FAAAJ-38168